1 Ausgangslage
Im Jahr 2005 wurde die Besoldung der Professoren der baden-württembergischen Hochschulen reformiert. An die Stelle der C-Besoldung traten die Regeln der W-Besoldung, die neben reduzierten Grundgehältern zahlreiche flexible Besoldungselemente (insbesondere Zulagen) vorsehen.
Unter anderem wurde den Hochschulen des Landes die Möglichkeit eingeräumt, an Professoren und Hochschuldozenten aus den von diesen eingeworbenen privaten Drittmitteln eine einmalige, nicht ruhegehaltfähige Forschungs- und Lehrzulage zu gewähren. Rechtsgrundlage ist heute § 60 Landesbesoldungsgesetz in Verbindung mit § 8 der Leistungsbezügeverordnung des Wissenschaftsministeriums, des Innenministeriums und des Justizministeriums. Im Unterschied zu Leistungsbezügen werden diese Forschungs- und Lehrzulagen nicht auf den Vergaberahmen der Hochschulen angerechnet.
Hauptmotiv für die neu eingeführte Forschungs- und Lehrzulage war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, Forschungstätigkeiten, die die Professoren im Hauptamt erbringen, attraktiver zu gestalten und damit der Tendenz zu weiteren Nebentätigkeiten der Professoren einen wirksamen Anreiz entgegenzusetzen.
In einer ersten Prüfung untersuchte der Rechnungshof 2017 Forschungs- und Lehrzulagen, die die Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Zeitraum 2013 bis 2017 gewährt hatten.
In die damalige Prüfung einbezogen waren 370 Zulagen mit einem Volumen von 1,82 Mio. Euro, von denen der Rechnungshof zwei Drittel als materiell rechtswidrig beanstandete. Hinzu kamen zahlreiche Verfahrensfehler, die allerdings in der Folge geheilt werden konnten. Über die einzelnen Prüfungsergebnisse hat der Rechnungshof in der Denkschrift 2018, Beitrag Nr. 23, berichtet. Die betroffenen Hochschulen haben auf der Grundlage der Feststellungen des Rechnungshofs die mögliche Rücknahme der Bewilligungen geprüft. In zahlreichen Fällen konnten Verfahrensfehler und unzureichende Kalkulationen geheilt werden, in anderen Fällen wurden Bewilligungen zurückgenommen und gewährte Zahlungen zurückgefordert. Das parlamentarische Verfahren zu diesem Denkschriftbeitrag des Rechnungshofs dauert noch an.
In einer weiteren Prüfung hat der Rechnungshof nunmehr die Praxis bei der Bewilligung und Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen an den Universitäten des Landes geprüft. Einbezogen wurden die im Zeitraum von 2015 bis 2018 gewährten Forschungs- und Lehrzulagen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Allgemeine Feststellungen
Im geprüften Zeitraum haben sieben Universitäten an Professoren insgesamt 168 Forschungs- und Lehrzulagen mit einem Gesamtwert von 1,35 Mio. Euro gewährt. Die Universitäten Freiburg und Mannheim machten von diesem Instrument keinen Gebrauch.
Die Universität Stuttgart gewährte insgesamt 62 Zulagen mit einem Gesamtvolumen von über 400.000 Euro, die Universität Ulm 51 Zulagen mit über 310.000 Euro und das Karlsruher Institut für Technologie 26 Zulagen mit insgesamt 245.000 Euro. An den Universitäten Hohenheim, Tübingen und Konstanz erreichte das Volumen der gewährten Forschungs- und Lehrzulagen jeweils eine Größenordnung von über 100.000 Euro. Die Universität Heidelberg gewährte 10 Zulagen mit einem Gesamtvolumen von 26.000 Euro.
Nach den Feststellungen des Rechnungshofs waren mehr als die Hälfte der bewilligten Zulagen materiell rechtswidrig, da die Universitäten die im Landesbesoldungsgesetz und in der Leistungsbezügeverordnung normierten Voraussetzungen nicht beachtet haben. In zahlreichen Fällen lagen zudem Verfahrensfehler vor, die allerdings nachträglich geheilt werden können.
2.2 Materielle Fehler bei der Bewilligung der Forschungszulagen
Wesentliche materielle Fehler bei der Bewilligung von Forschungs- und Lehrzulagen waren
- fehlerhafte oder unvollständige Projektkalkulationen: Diese Kalkulationsfehler führten häufig dazu, dass die Forschungszulagen im Ergebnis nicht aus den Drittmitteln, sondern aus Mitteln des Landes geleistet wurden. Ob und in welchem Umfang diese Fehler durch Nachkalkulationen geheilt werden können, ist gegenwärtig noch offen und wird von den Universitäten überprüft. Je nach Ergebnis der Nachkalkulation kann die gewährte Zulage ganz oder teilweise zurückgefordert werden.
- die Bewilligung von Forschungszulagen für reine Dienstleistungen im Auftrag Dritter: So dürfen Forschungszulagen nicht gewährt werden, wenn der Professor lediglich bekanntes Wissen anwendet, Unternehmen berät oder Veranstaltungen betreut. In einem besonders umfangreichen Fall wurde jahrelang ohne Rechtsgrundlage eine Forschungszulage für die Leitung eines der Universität angegliederten privaten An-Instituts gewährt.
- die Gewährung von Forschungszulagen bei Projekten öffentlicher Drittmittelgeber. Als rechtswidrig beanstandet wurde auch, wenn die öffentlichen Drittmittel auf dem Umweg über private Unternehmen an die Universität gelangten oder wenn es sich um ein privates Unternehmen mit maßgeblicher Beteiligung der öffentlichen Hand handelte.
2.3 Verfahrensfehler
Den Universitäten unterliefen bei der Bewilligung von Forschungszulagen auch zahlreiche Verfahrensfehler:
- In vielen Fällen fehlte der nach der Leistungsbezügeverordnung vorgeschriebene Rektoratsbeschluss.
- Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen hatte der private Drittmittelgeber der Forschungszulage nicht ausdrücklich zugestimmt.
Bei mehreren Universitäten stellte der Rechnungshof fest, dass die Forschungszulagen gegenüber dem für die Auszahlung der Zulagen zuständigen Landesamt für Besoldung und Versorgung falsch bezeichnet wurden.
2.4 Konsequenzen aus dem Prüfungsergebnis
Der Rechnungshof hat die betroffenen Universitäten und das Wissenschaftsministerium am 4. Februar 2020 über die Ergebnisse der Prüfung und die dabei ausgesprochenen Beanstandungen unterrichtet. Noch im Februar hat das Ministerium die sieben betroffenen Universitäten ermahnt, bei der Bewilligung von Forschungs- und Lehrzulagen die gesetzlichen Regelungen und die dazu ergangenen Richtlinien künftig sorgfältig zu beachten. Außerdem wurden die Rektorate der sieben Universitäten aufgefordert, die vom Rechnungshof beanstandeten Fälle zu überprüfen und über die rechtlichen Konsequenzen aus den getroffenen Feststellungen zu entscheiden.
Ein erster Bericht über das weitere Vorgehen der Universitäten musste binnen Monatsfrist erstattet werden. Einen abschließenden Bericht zu den getroffenen Entscheidungen müssen die Universitäten bis 15. Juli 2020 an das Ministerium erstatten. Die Universitäten haben mit der Überprüfung begonnen und ihre Berichtspflicht gegenüber dem Ministerium erfüllt. In einem Teil der Fälle konnte die rechtswidrige Gewährung geheilt werden, in mehreren Fällen wurden die Bewilligungen zurückgenommen und Rückzahlungen angefordert. Die übrigen Fälle befinden sich noch in der rechtlichen Prüfung.
3 Empfehlungen
3.1 Empfehlungen an die Universitäten
Der Rechnungshof erwartet, dass die Universitäten bei der künftigen Bewilligung von Forschungs- und Lehrzulagen die Regelungen des Landesbesoldungsgesetzes, der Leistungsbezügeverordnung und die dazu ergangenen Richtlinien des Wissenschaftsministeriums beachten.
Außerdem müssen die Universitäten in allen vom Rechnungshof beanstandeten Fällen prüfen, ob die festgestellten Rechtsverstöße geheilt werden können oder ob die Gewährung der Forschungs- und Lehrzulage nach § 48 Landesverwaltungsverfahrensgesetz zurückgenommen werden kann oder muss. Im Falle der Rücknahme sind die zu viel gezahlten Bezüge an das Land zurückzuzahlen.
3.2 Empfehlungen an das Wissenschaftsministerium
Der Rechnungshof empfiehlt dem Wissenschaftsministerium, die zur Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen erlassenen Richtlinien (Handreichung) weiter zu präzisieren. Dies gilt insbesondere für die schwierige Abgrenzung zwischen Drittmittelforschung und Dienstleistungen im Auftrag Dritter, für die korrekte Form der Zustimmung des Drittmittelgebers zur Gewährung der Forschungszulage und für die materiellen Voraussetzungen der Gewährung einer Lehrzulage.
Außerdem regt der Rechnungshof wie schon in der Denkschrift 2018 an, Verfahrensvereinfachungen vorzusehen. Insbesondere die Festsetzung, dass Forschungs- und Lehrzulagen unter 1.000 Euro nicht gewährt werden sollen, würde das Verfahren weniger fehleranfällig machen.
Weiterhin muss das Ministerium im Rahmen seiner Fachaufsicht darauf hinwirken, dass die Universitäten, soweit noch nicht geschehen, zeitnah über die Möglichkeit der Heilung bzw. der Rücknahme rechtswidrig gewährter Forschungszulagen entscheiden.
4 Stellungnahmen
4.1 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium hat gegen den Denkschriftbeitrag keine wesentlichen Bedenken.
Die Empfehlung, die Handreichung des Wissenschaftsministeriums in einzelnen Punkten zu präzisieren, wurde vom Ministerium bereits aufgegriffen. Die Handreichung für die Gewährung von Forschungs- und Lehrzulagen vom 14. Juni 2018 (Stand 20. Januar 2020) werde derzeit evaluiert und es werde geprüft, ob weitere Konkretisierungen erforderlich und geboten seien. Hierbei werden die Hochschulen über die jeweiligen Landesrektorenkonferenzen beteiligt.
Das Ministerium stimme dem Rechnungshof zu, wenn dieser eine Präzisierung der materiellen Voraussetzungen für die Gewährung einer Lehrzulage für geboten erachtet. Ob die angeregte Einführung einer Bagatellgrenze für Forschungszulagen umgesetzt werde, bedürfe noch näherer Überlegungen. Einerseits könnten durch die Einführung einer Bagatellgrenze tatsächlich Abgrenzungsproblematiken hinsichtlich bloßer Dienstleistungen im Auftrag Dritter im Vorfeld vermieden werden, was einer Verwaltungsvereinfachung diene. Andererseits sei mit den Hochschulen gemeinsam zu diskutieren, ob die Gewährung einer Forschungszulage mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit allein von der Höhe einer Vergütung für ein Vorhaben abhängig gemacht werden könne. Zu prüfen sei in diesem Zusammenhang auch, ob durch die Einführung einer Bagatellgrenze gegebenenfalls einzelne Hochschularten benachteiligt würden und daher den Hochschulen überlassen werden solle, unter welchen Voraussetzungen sie von der Gewährung einer Forschungszulage absehen könnten, beispielsweise bei Projektvolumina bis 3.000 Euro oder bei Forschungszulagen unter 1.000 Euro.
4.2 Gemeinsame Stellungnahme der geprüften Universitäten
Die sieben betroffenen Universitäten haben zum Entwurf des Denkschriftbeitrags gemeinsam Stellung genommen:
Die Universitäten hätten das Instrument der Forschungszulagen stets verantwortungs- und maßvoll eingesetzt. Erst aufgrund der Überprüfung der Forschungs- und Lehrzulagen an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften habe das Wissenschaftsministerium im Jahr 2018 Regelungen in Form einer Handreichung erlassen, die bestimmte Auslegungen der rechtli¬chen Rahmenbedingungen festlegen. Diese seien aus Sicht der Universitäten nicht zwingend, sondern stellten nur eine mögliche Lesart dar, belegten aber, dass die Leistungsbezügeverordnung nicht immer eindeutige Vorgaben mache.
Seit ihrer Bekanntgabe werde die Handreichung trotz ihrer nicht geklärten Verbindlichkeit von den Universitäten befolgt. Bei der Bewilligung der Forschungszulagen vor ihrer Veröffentlichung bildeten sich die Universitäten eigene Rechtsauffassungen, nach denen sie unter Berücksichtigung des von der Leistungsbezügeverordnung verfolgten Zwecks agiert hätten. In diesem Sinne seien angewandte Verfahrensweisen zum Zeitpunkt der Bewilligung nach dem Verständnis der Universitäten rechtskonform im Sinne der Leistungsbezügeverordnung gewesen. Die Bewertung als materiell rechtswidrig weisen die Universitäten zurück.
Die Möglichkeit, dass das Wissenschaftsministerium die Handreichung in Zusammenarbeit mit den Universitäten weiterentwickelt, werde von den Universitäten begrüßt und auch bereits genutzt.
Den vom Rechnungshof angeregten Verfahrensvereinfachungen stehen die Universitäten offen gegenüber. Sie sprechen sich dabei dafür aus, dass Forschungszulagen unter 1.500 Euro künftig nicht mehr gewährt werden sollen.
5 Schlussbemerkung
Die von den Universitäten in ihrer Stellungnahme aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch die vom Wissenschaftsministerium erlassenen Richtlinien überwiegend im Sinne der Rechtsauffassung des Rechnungshofs geklärt worden. Das Ministerium sollte diese als „Handreichung“ bezeichnete Richtlinie als Verwaltungsvorschrift für die Hochschulen für verbindlich erklären. Da in Personal- und Besoldungsangelegenheiten ein Fachaufsichtsrecht des Wissenschaftsministeriums besteht, ist dies rechtlich möglich und mit Blick auf eine rechtssichere und einheitliche Anwendung notwendig.