Bewertung von Grundstücken [Beitrag Nr. 20]

Vor dem Erwerb oder der Veräußerung von Grundstücken ist eine aktuelle Wertermittlung aufzustellen. Die Mehrzahl der vom Rechnungshof geprüften Wertermittlungen war fehlerhaft. In einigen Fällen lag keine oder keine aktuelle Wertermittlung vor. Bei Veräußerungen empfiehlt der Rechnungshof, ein Bieterverfahren durchzuführen. Das Aufgabengebiet Wertermittlung sollte effektiver organisiert werden.

1 Ausgangslage

Im Zeitraum 2008 bis 2018 wurden von Vermögen und Bau nach eigenen Angaben 2.134 Grundstücke veräußert und 988 erworben. Das finanzielle Volumen dieser Grundstücksgeschäfte, die im Staatshaushalt über den Allgemeinen Grundstock abgewickelt werden, belief sich im Schnitt auf rund 85 Mio. Euro je Jahr.

Die zuverlässige Ermittlung von Grundstückswerten ist eine wichtige Voraussetzung zur Vermeidung von finanziellen Nachteilen.

Das Grundvermögen des Landes Baden-Württemberg ist nach den §§ 7, 63 und 64 der Landeshaushaltsordnung (LHO) zu verwalten und zu bewirtschaften. Nach § 63 Absatz 3 LHO dürfen Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Nach § 64 Absatz 3 LHO ist für zu erwerbende oder zu veräußernde Grundstücke eine Wertermittlung aufzustellen. Zu den Wertermittlungen rechnen alle Maßnahmen, die die Feststellung des Verkehrswerts eines Grundstücks zum Ergebnis haben, gegebenenfalls auch die Feststellung eines Marktpreises.

Der Rechnungshof prüfte beim Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Vermögen und Bau) Wertermittlungen für den Grundstücksverkehr. Die Prüfung erstreckte sich auf die Haushaltsjahre 2008 bis 2017 und umfasste 106 Veräußerungen und Erwerbe bei zehn Ämtern.

Beitrag 20 Abbildung 1

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Grundsätzliche Ergebnisse zur Wertermittlung

Bei sechs der 106 geprüften Grundstücksgeschäfte lagen keine Wertermittlungen vor. In 48 Fällen erstellte Vermögen und Bau die Wertgutachten mit eigenem Personal. In 52 Fällen wurden freiberuflich Tätige oder Gutachterausschüsse mit den Wertermittlungen beauftragt. Von den 100 vorliegenden Wertermittlungen waren 21 nicht zu beanstanden.

Dabei hat der Rechnungshof insbesondere folgende Fehler festgestellt:

  • In mehreren Wertgutachten wurde bei der Ertragswertberechnung der Jahresreinertrag um eine Bodenwertverzinsung über die gesamte Grundstücksfläche vermindert, anstatt nur die zum Ertrag erforderliche Grundstücksfläche anzusetzen. Dies führte zu einem zu geringen Ertragswert.
  • In mehreren Gutachten wurde der Sachwert der baulichen Anlagen auf der Basis von Herstellungskosten von 1913 in „Goldmark“ berechnet. Diese Methode entspricht nicht den geltenden Vorschriften.
  • In mehreren Gutachten wurde ein „Bebauungsabschlag“ von 10 bis 25 Prozent vom Bodenwert vorgenommen. Eine solche Dämpfung des Bodenwerts allein aufgrund der Tatsache einer Bebauung widerspricht den Vorschriften der Wertermittlung.
  • Vermögen und Bau veräußerte Grundstücke auf der Grundlage von Wertgutachten, die mehrere Jahre alt waren. Da sich die Marktlage nach dem Wertermittlungsstichtag geändert hatte, waren diese Wertermittlungen zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht mehr aktuell.

2.2 Beanstandungen in Einzelfällen

2.2.1 Veräußerungen ohne Wertermittlung

In sechs Fällen lag keine Wertermittlung vor. In zwei Fällen davon wurde die Liegenschaft deutlich unter ihrem vollen Wert veräußert.

Beispiel: Veräußerung eines ehemaligen Forsthauses

Vermögen und Bau veräußerte 2010 ein Grundstück mit einer Fläche von 628 m² an einen Investor. Für das Grundstück wurden 20.000 Euro als Kaufpreis vereinnahmt. Eine Verkehrswertermittlung lag nicht vor.

Das veräußerte Grundstück war mit einem denkmalgeschützten, ehemaligen Forsthaus bebaut. Vermögen und Bau bot das Objekt zuerst auf seiner Homepage für 220.000 Euro mit dem Zusatz an, dass sich diese Kaufpreisvorstellung „wohl nicht erzielen lasse“. Später wurde es auf einem Online-Marktplatz zu einem Kaufpreis in Höhe von 80.000 Euro angeboten. Daraufhin bot ein ausländisches Unternehmen 20.000 Euro als Kaufpreis an. Vermögen und Bau nahm das Angebot an und begründete nachträglich - passend zum Kaufangebot - den Kaufpreis in einem Aktenvermerk. Darin heißt es u. a., dass von einem Bodenwert von 72.220 Euro als „Mindestpreis“ auszugehen sei. Von diesem Wert müsse man 35.000 Euro für einen „fiktiven“ Abbruch des denkmalgeschützten Gebäudes und weitere 46.000 Euro zur Erhaltung der Verkehrssicherheit abziehen. Aufgrund der so ermittelten Kosten entspreche der vereinbarte Kaufpreis von 20.000 Euro dem vollen Wert nach § 63 LHO.

Nach Angabe von Vermögen und Bau war das Gebäude zu diesem Zeitpunkt jedoch verkehrssicher. Die Berücksichtigung eines zusätzlichen Aufwands für die Verkehrssicherung war nicht erforderlich. Dadurch kam es zu einem Verkauf unter dem Verkehrswert. Der Kaufpreis lag dabei sogar um 73 Prozent unter dem von Vermögen und Bau berechneten Bodenwert.

2.2.2 Veräußerungen mit fehlerhafter Wertermittlung

Bei einigen Wertgutachten beanstandete der Rechnungshof, dass die tatsächlich mögliche Geschossflächenzahl (GFZ) für das zu bewertende Grundstück bei der Bodenwertberechnung nicht berücksichtigt wurde.

Beispiel: Veräußerung eines Wohnhauses

Vermögen und Bau wurde aufgrund einer Fiskalerbschaft mit 25 Prozent Teil einer Erbengemeinschaft eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks mit einer Fläche von 1.970 m². Das Land schloss einen Erbauseinandersetzungsvertrag mit der Erbengemeinschaft und erhielt für seinen Anteil einen Ausgleichsbetrag von 34.479,37 Euro. Das Verkehrswertgutachten entnahm der Bodenrichtwertkarte des Landkreises den relevanten Bodenrichtwert von 165 Euro/m², der sich auf eine wertrelevante Geschossflächenzahl (WGFZ) von 1,2 bezog. Da die GFZ des zu bewertenden Grundstücks tatsächlich nur 0,16 betrug, reduzierte die Gutachterin den Bodenrichtwert mit Hilfe eines Umrechnungsfaktors. Auf dieser Grundlage ermittelte sie einen Bodenwert von 140.094,65 Euro.

Keine Berücksichtigung fand im Gutachten, dass sich auf dem zu bewertenden Grundstück rechtlich eine GFZ von 1,2 realisieren ließe. Aus diesem Grund wäre der Bodenrichtwert in voller Höhe anzusetzen gewesen. Der sich so ergebende Bodenwert von 325.050 Euro liegt um 132 Prozent über dem von der Gutachterin ermittelten Wert. Bei korrekter Berechnung hätte dem Land Baden-Württemberg mindestens ein Ausgleichsbetrag von 81.262,50 Euro zugestanden. Folglich entgingen dem Land Einnahmen von 46.783,13 Euro.

In mehreren Fällen veräußerte Vermögen und Bau Grundstücke auf Basis mehrerer Jahre alter Wertermittlungen, ohne die Gutachten zu aktualisieren.

Beispiel: Veräußerung eines ehemaligen Depots des Landesmuseums für Arbeit und Technik in Mannheim

Vermögen und Bau veräußerte 2018 ein Grundstück mit 7.132 m² in Mannheim für 3.550.000 Euro, auf dem sich bis 2005 das Depot des Landesmuseums für Technik und Arbeit befand. Der beauftragte Gutachterausschuss der Stadt Mannheim ermittelte im Jahr 2005 einen Verkehrswert von 1,8 Mio. Euro. Unabhängig davon führte Vermögen und Bau zusätzlich im Jahr 2005 drei Sachwertermittlungen mit dem Ergebnis von 4,7 Mio. bis 5,6 Mio. Euro und eine Ertragswertermittlung mit 3,6 Mio. Euro durch. Ein Bieterverfahren im Jahr 2017 ergab ein Höchstgebot von 3,55 Mio. Euro.

Zum Verkauf war die Zustimmung des Landtags erforderlich. Vermögen und Bau leitete daher seinen Vergabevorschlag an das Finanzministerium weiter. Dem Vorschlag war ausschließlich das überholte Wertgutachten der Stadt Mannheim aus dem Jahr 2005 beigefügt. Selbst wenn davon ausgegangen werden kann, dass durch das Bieterverfahren ein angemessener Preis erzielt werden konnte, hätte der Verkaufsempfehlung eine aktuelle Wertermittlung zugrunde gelegt werden müssen.

2.2.3 Veräußerung mit Wertermittlung, aber deutlich unter Verkehrswert

Für Grundvermögen gibt es keinen absoluten und sicher realisierbaren Marktwert, sondern allenfalls ein Marktwertniveau, auf dem sich mit mehr oder weniger großen Abweichungen vertretbare Verkehrswerte bilden lassen. Dabei wird von einer Streubreite von plus/minus 20 Prozent der Verkaufspreise für ein und dasselbe Objekt ausgegangen, innerhalb derer ein festgestellter Verkehrswert als noch vertretbar angesehen wird.

Beispiel: Veräußerung des ehemaligen Ausbildungszentrums der Straßenbauverwaltung in Nagold

Vermögen und Bau veräußerte 2015 in Nagold ein Grundstück mit einer Fläche von 11.355 m² für 560.000 Euro an einen Investor.

Für die Verkehrswertermittlung des denkmalgeschützten Gebäudes wurde ein freiberuflich tätiger Gutachter beauftragt. Dieser ermittelte für den Wertermittlungsstichtag einen „prognostizierten Sachwert (ohne USt.)“ von 9.530.000 Euro und einen „prognostizierten Ertragswert (ohne USt.)“ von 1.830.000 Euro. Der im Sach- und Ertragswert enthaltene Bodenwert betrug 1.434.781 Euro. Er hielt in seinem Gutachten fest, dass er für seine „prognostizierten Werte“ von einer Nutzung als Bürogebäude ausgegangen sei. Dabei berücksichtigte er weitere wirtschaftlich sinnvolle und marktgängige Nutzungskonzepte (z. B. Wohnen) nicht, was er in seinem Gutachten selbst einräumte.

Der am Markt erzielte Kaufpreis (ohne Inventar) lag um 69 Prozent unter dem gutachterlich ermittelten Ertragswert und damit auch außerhalb der Streubreite eines vertretbaren Verkehrswerts.

Beitrag 20 Abbildung 2

2.3 Vergütung für Immobilienbewertungen

Vermögen und Bau beauftragte freiberuflich tätige Gutachter für die Erstellung von Wertermittlungen in den Fällen, in denen kein eigenes Personal zur Verfügung stand. Überwiegend wurden öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige oder örtliche Gutachterausschüsse ausgewählt. Hierzu forderten einzelne Ämter mehrere Bewerber zur Abgabe von Angeboten auf und beauftragten das wirtschaftlichste Angebot. Häufig wurden Gutachter jedoch auch direkt beauftragt, oftmals ohne zuvor ein Angebot anzufordern.

Vermögen und Bau konnte keine validen Angaben zum Gesamtbetrag der 2008 bis 2017 ausgezahlten Honorare an freiberuflich tätige Gutachter machen, da die einzelnen Ämter auf verschiedene Finanzpositionen gebucht hatten. Vermögen und Bau zahlte von 2008 bis 2018 nach Angabe der einzelnen Ämter insgesamt 379.846,60 Euro als Honorar an freiberuflich Tätige und Gutachterausschüsse aus.

In Einzelfällen wurde die übliche Vergütung erheblich überschritten oder Vermittlungstätigkeiten in Anspruch genommen, die durch Eigenerledigung hätten vermieden werden können.

2.4 Fachkompetenz

Bei Vermögen und Bau ist der Bereich „Immobilienmanagement“ für Wertermittlungen zuständig. Die Entscheidung, ob Wertermittlungen mit eigenem Personal erstellt werden, wird nach Aussage von Vermögen und Bau jeweils im zuständigen Amt getroffen. Sachwertermittlungen müssten grundsätzlich vom Bereich „Baumanagement“ erstellt werden. Dies sei aber kapazitätsbedingt nicht immer möglich. Teilweise fehle auch die Fachkompetenz. Daher würden vermehrt Sachwertgutachten an freiberuflich tätige Gutachter vergeben. Ertragswertermittlungen würden noch weitgehend durch die eigenen Immobilienabteilungen erstellt, wobei auch dort seit Jahren Personalengpässe existierten.

Fortbildungen seien durch die Betriebsleitung geplant und hätten in der Vergangenheit auch schon stattgefunden, jedoch nicht regelmäßig.

Der Rechnungshof stellte fest, dass die Mitarbeiter der geprüften Ämter nicht alle auf dem gleichen Wissensstand waren. Nach eigenen Angaben sahen sie sich in Einzelfällen nicht in der Lage, Wertermittlungen selbst zu erstellen oder Gutachten von freiberuflich tätigen Gutachtern oder Gutachterausschüssen qualitativ zu beurteilen.

3 Empfehlungen

3.1 Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verbessern

Der Rechnungshof empfiehlt, die Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Wertermittlungen erstellen oder freiberuflich Tätige und Gutachterausschüsse mit der Erstellung von Gutachten beauftragen, zu verbessern und diese regelmäßig fortzubilden.

3.2 Wertermittlung effektiver organisieren

Vermögen und Bau sollte das Aufgabengebiet Wertermittlung effektiver organisieren. Die Betriebsleitung sollte prüfen, ob jedes Amt mit seinen Mitarbeitern Wertermittlungen erstellen soll, oder ob es sinnvoller wäre, diese Aufgabe zu zentralisieren und eine Gruppe von Mitarbeitern zu landesweiten Wertgutachtern auszubilden. Diese sollten in der Lage sein, sowohl Ertrags- als auch Sachwertermittlungen selbstständig durchzuführen und den Verkehrswert abzuleiten.

3.3 Bieterverfahren anwenden

Entbehrliches Grundvermögen ist unter Renditegesichtspunkten und nach regionalen oder überregionalen Ausschreibungen zu vermarkten (Verkauf, Vermietung und dergleichen). Der Rechnungshof vertritt die Auffassung, dass dies am besten mit einem Bieterverfahren zu gewährleisten ist. Daher sollten Landesimmobilien grundsätzlich nach einem Bieterverfahren veräußert werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium befürwortet die Empfehlung, die Qualifikation der mit Wertermittlung befassten Bediensteten zu verbessern. Es teilt hierzu mit, ein Schulungskonzept erarbeiten zu wollen, bei dem je Amt mindestens zwei Ansprechpartner, jeweils aus dem Immobilien- und Baumanagement, fortgebildet werden. Eine landesweite Zentralisierung der Wertermittlung werde nicht verfolgt.

Hinsichtlich der Empfehlung, Landesimmobilien grundsätzlich nach einem Bieterverfahren zu veräußern, teilt das Ministerium mit, dass die Anwendung des Bieterverfahrens dem bei Vermögen und Bau üblichen Verfahren entspräche.

Zu den Beanstandungen des Rechnungshofs im Einzelnen teilte das Ministerium mit, dass die Verkaufspreise in den beanstandeten Fällen jeweils dem Marktwert entsprochen hätten.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof begrüßt die beabsichtigte Erarbeitung eines Schulungskonzepts. Er bleibt aber bei seiner Empfehlung, zu prüfen, ob angesichts der Komplexität der Verkehrswertermittlung einerseits und ihrer finanziellen Bedeutung andererseits diese Aufgabe zentralisiert und eine Gruppe von Mitarbeitern zu landesweit tätigen Gutachtern ausgebildet werden sollte.

Der Rechnungshof würde es begrüßen, wenn die Anwendung des Bieterverfahrens dem üblichen Verfahren bei Vermögen und Bau entspräche. Tatsächlich hat die Prüfung gezeigt, dass das Bieterverfahren nicht immer angewandt wurde.