1 Ausgangslage
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unterliegen nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 Einkommensteuergesetz der Einkommensteuer. In der Steuererklärung sind sie für jedes einzelne Vermietungsobjekt separat auf einer „Anlage V“ (Vermietung und Verpachtung) zu erklären. Das von der Steuerverwaltung 2008 eingeführte Risikomanagementsystem (RMS) gibt bei der Veranlagung Prüfhinweise zur Unterstützung der Bearbeiter aus. Hinsichtlich der Vermietungseinkünfte generiert das RMS solche Hinweise allerdings nur für die ersten sieben Anlagen V einer Einkommensteuererklärung. Ursache dafür ist, dass die von den Steuerpflichtigen erklärten Werte lediglich bis zur siebten Anlage V einzeln in das Berechnungsprogramm der Steuerverwaltung übernommen werden. Die Einkünfte aus den weiteren Anlagen V werden in einer Summe im Berechnungsprogramm zusammengefasst. Sie sind daher von den Finanzämtern ohne Unterstützung durch RMS-Hinweise zu prüfen.
Das heißt, hier liegt eine Konstellation vor, bei welcher ein und derselbe Bearbeiter in einem Steuerfall für gleich gelagerte Sachverhalte nur teilweise durch das RMS unterstützt wird.
Wir untersuchten daher 2019 bei acht Finanzämtern, wie sich dieser nur teilweise Einsatz des RMS im Bereich der Vermietungseinkünfte auf die Arbeitsqualität auswirkt. Dazu prüften wir Steuerfälle des Veranlagungszeitraums 2016, bei denen die Steuerpflichtigen Einkünfte aus mehr als sieben Vermietungsobjekten erklärt hatten.
2 Prüfungsergebnisse
Im Veranlagungszeitraum 2016 wurden landesweit in 5.888 Steuerfällen Vermietungseinkünfte auf mehr als sieben Anlagen V erklärt. Wir untersuchten davon 240 zufällig ausgewählte Steuerfälle (4 Prozent).
2.1 Anzahl der geprüften Anlagen V und Verteilung auf die Prüffälle
Die untersuchten 240 Steuerfälle umfassten insgesamt 2.803 Anlagen V.
Wie sich die Anzahl dieser Anlagen V auf die Prüffälle verteilt, ist in Tabelle 1 dargestellt.
In 82 der untersuchten Steuerfälle lagen jeweils mehr als 10 Anlagen V vor. Die Spannweite reichte dabei von 11 bis 72 Anlagen V je Fall.
2.2 Beanstandungsquoten
2.2.1 Gesamtbetrachtung
In 109 der geprüften 240 Fälle stellten wir eine unzutreffende Besteuerung der Vermietungseinkünfte fest. Das entspricht einer Beanstandungsquote von 45,4 Prozent. Die Finanzämter hatten in den beanstandeten Fällen insgesamt 474 Sachverhalte fehlerhaft bearbeitet. Das sind 4,3 Fehler je beanstandetem Steuerfall. Fehler bei der Steuerfestsetzung ergaben sich hinsichtlich der in 407 Anlagen V erklärten Vermietungseinkünfte. Das entspricht einer Quote von 14,5 Prozent der in die Prüfung einbezogenen 2.803 Anlagen.
2.2.2 Bearbeitungsqualität der Veranlagung der Einkünfte aus den Anlagen V Nr. 1 bis 7 und aus den Anlagen V Nr. 8 ff.
Wir untersuchten, ob der Einsatz des RMS in der Fallbearbeitung sich in abweichenden Beanstandungsquoten widerspiegelt. Das Ergebnis dieser vergleichenden Betrachtung ist in Tabelle 2 dargestellt.
Bei der - durch das RMS unterstützten - Veranlagung der Vermietungseinkünfte aus den ersten sieben Anlagen V ergab sich eine Beanstandungsquote von 12,1 Prozent. Soweit die Vermietungseinkünfte auf den Anlagen V Nr. 8 ff. erklärt waren, führte unsere Prüfung zu einer Beanstandungsquote von 18,2 Prozent. Die Beanstandungsquote war in diesem - vom RMS nicht unterstützen - Bereich somit um die Hälfte höher.
Der Einsatz des RMS bewirkte in den von uns untersuchten Fällen folglich eine deutlich bessere Arbeitsqualität.
2.3 Wesentliche Fehlerquellen
2.3.1 Fehlerhafte Abschreibung
Mit 128 Beanstandungen entfällt mehr als ein Viertel der 474 fehlerhaften Sachverhalte auf die als Werbungskosten berücksichtigten Abschreibungsbeträge. Häufig hatten die Finanzämter Sonderabschreibungen unzutreffend berücksichtigt oder Restbuchwerte nach der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen falsch gebildet. In einigen Fällen wurde bei der Ermittlung des Abschreibungssatzes eine kürzere Nutzungsdauer zugrunde gelegt, die nicht dem typisierenden AfA-Satz des Einkommensteuergesetzes entsprach. Der Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer war dabei nach Aktenlage jeweils nicht erbracht worden.
2.3.2 Unzulässiger pauschaler Abzug von Werbungskosten
Rund ein Viertel (119) der beanstandeten Sachverhalte betrifft den pauschalen Abzug von Werbungskosten. Ein pauschaler Abzug ist nicht zulässig. Bei mehreren Anlagen V und über Jahre hinweg nicht korrigiert kumuliert sich die steuerliche Auswirkung.
2.3.3 Fehlerhaft berücksichtigte Nebenkosten
Rund 10 Prozent der festgestellten Fehler betreffen die von den Finanzämtern als Werbungskosten berücksichtigten Nebenkosten. Wir beanstandeten überwiegend, dass Zahlungen in die Instandhaltungsrücklage oder in Sonderumlagen als Werbungskosten berücksichtigt wurden. Ein Werbungskostenabzug ist aber erst und ausschließlich dann zulässig, wenn Gelder aus der Rücklage entnommen werden, um damit Instandhaltungsmaßnahmen am Vermietungsobjekt zu bezahlen. Berücksichtigt das Finanzamt - unzulässiger Weise - bereits die Einzahlungen in die Rücklage und später - zu Recht - die aus der Rücklage finanzierten Reparaturen, führt dies zum doppelten Werbungskostenabzug.
Ihre Zahlungen in die Rücklage machten die Steuerpflichtigen zumeist im Erklärungsfeld „Verwaltungskosten“ geltend. Dieser Erklärungsfehler dürfte vielfach darauf zurückzuführen sein, dass der Begriff „Verwaltungskosten“ auf der Anlage V nicht erläutert ist. Auch in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung findet sich kein entsprechender Hinweis zu den „Verwaltungskosten“.
2.4 Neu angeschaffte oder hergestellte Vermietungsobjekte
Bei neu angeschafften oder hergestellten Vermietungsobjekten ist die Beanstandungsquote mit 29,6 Prozent doppelt so hoch wie die entsprechende Quote für sämtliche in die Untersuchung einbezogenen Anlagen V (14,5 Prozent). Bei der Veranlagung der Vermietungseinkünfte des Anschaffungsjahres werden die Grundlagen für die künftige Besteuerung gelegt, z. B. hinsichtlich der Gebäudeabschreibung oder einer verbilligten Überlassung. Deshalb ist eine besonders sorgfältige und genaue Bearbeitung durch die Finanzämter geboten.
2.5 Finanzielles Ergebnis und landesweite Bedeutung
Die festgestellten Fehler führten zu Steuerausfällen bzw. Mehrsteuern in den untersuchten Fällen von rund 290.000 Euro, wobei allein ein Fall mit rund 70.000 Euro ins Gewicht fiel.
Ein Teil der fehlerhaften Einkommensteuerbescheide konnte verfahrensrechtlich noch geändert werden. Aus der Korrektur dieser Fälle resultierten Mehrsteuern von 150.000 Euro. Soweit die Steuerbescheide nicht mehr änderbar waren, führte die fehlerhafte Bearbeitung der Vermietungseinkünfte zu Steuerausfällen von 140.000 Euro.
Klammert man den o. g. Einzelfall aus, ergibt sich ein durchschnittliches finanzielles Ergebnis von 2.025 Euro pro beanstandetem Steuerfall.
Das Ergebnis der 240 geprüften Fälle lässt sich nicht ohne Weiteres auf das ganze Land, also die insgesamt 5.888 Fälle des Veranlagungszeitraums 2016 übertragen. Rein rechnerisch ergäbe sich bei einer Quote von 45 Prozent an fehlerhaften Fällen und einem durchschnittlichen finanziellen Ergebnis von 2.025 Euro ein landesweites finanzielles Ergebnis allein für den Veranlagungszeitraum 2016 von rund 5,4 Mio. Euro.
2.6 Bewertung
Die Untersuchung hat ergeben, dass das RMS eine sinnvolle Hilfestellung für die Bearbeiter ist. Die bei der Veranlagung ausgegebenen Hinweise zeigen die risikobehafteten Bereiche der erklärten Einnahmen und Werbungskosten bei Vermietungseinkünften zutreffend auf. Das heißt, die Datenanalyse des RMS nimmt dem Bearbeiter das zeitaufwendige Auffinden potenziell fehlerhafter Bereiche ab. Dies gilt allerdings nur hinsichtlich der ersten sieben Anlagen V. Bei allen weiteren Anlagen V müssen die Bearbeiter die risikobehafteten Bereiche selbst identifizieren. Dies ist zeitaufwendig und fehleranfällig.
Die höhere Fehlerquote bei der Veranlagung der auf den Anlagen V Nr. 8 ff. erklärten Vermietungseinkünfte dürfte daher maßgeblich auf die fehlende IT-Unterstützung der Bearbeiter zurückzuführen sein. Bei einer Ausweitung des RMS auf alle weiteren Anlagen V sollte sich auch dort eine deutlich niedrigere Fehlerquote erreichen lassen.
Des Weiteren führen unzureichende Erläuterungen auf der Anlage V und in der Anleitung zur Steuererklärung zu fehlerhaften Angaben der Steuerpflichtigen und in der Folge zu falschen Steuerfestsetzungen.
Bei der Veranlagung der Vermietungseinkünfte des Anschaffungsjahres werden die Grundlagen für die künftige Besteuerung gelegt, z. B. hinsichtlich der Gebäudeabschreibung oder einer verbilligten Überlassung. Deshalb ist eine besonders sorgfältige und genaue Bearbeitung durch die Finanzämter geboten.
3 Empfehlungen
3.1 Anwendungsbereich des Risikomanagementsystems ausweiten
Das Ministerium für Finanzen sollte in den zuständigen Bund-Länder-Gremien darauf hinwirken, dass der Anwendungsbereich des RMS auf möglichst alle Anlagen V ausgeweitet wird.
3.2 Vordruck „Anlage V“ und Anleitung zur Einkommensteuererklärung ergänzen
Das Ministerium für Finanzen sollte in den zuständigen Gremien ebenfalls darauf hinwirken, dass auf der Anlage V zu den „Verwaltungskosten“ der Hinweis angebracht wird „ohne Zuführungen zur Instandhaltungsrücklage und ohne gezahlte Sonderumlagen“. Zudem sollte die Anleitung zur Einkommensteuererklärung um eine entsprechende Erläuterung ergänzt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass das RMS die Bearbeitungsqualität bei der Besteuerung der Vermietungseinkünfte verbessern könne. Es werde sich deshalb auf Bundesebene dafür einsetzen, dass der Anwendungsbereich des RMS auf möglichst alle Anlagen V ausgeweitet werde. Dieses Anliegen sei bereits an die zuständigen Gremien herangetragen worden. Für eine Realisierung müssten allerdings zunächst aufwendige technische Voraussetzungen geschaffen werden. Notwendig sei außerdem, die Aufgabe im bundesweiten IT-Projekt KONSENS fachlich, organisatorisch und zeitlich abzustimmen. Die technische Umsetzung erfordere neben planerischen Vorarbeiten einen hohen Programmier- und Testaufwand. Ein Termin für eine Realisierung könne daher nicht genannt werden.
Das Ministerium befürwortet ebenfalls die vom Rechnungshof empfohlene Ergänzung des Vordrucks „Anlage V“ sowie der Anleitung zur Einkommensteuererklärung. Es werde diesen Vorschlag in die zuständige Bundesarbeitsgruppe einbringen und für seine Umsetzung werben. Wegen der notwendigen Vorlaufzeit sei eine Realisierung jedoch frühestens für den Veranlagungszeitraum 2021 möglich.