1 Ausgangslage
Der Rechnungshof prüfte in den vergangenen Jahren IT-Einheiten der Landesverwaltung mit Rechenzentrumscharakter. Der Fokus lag hierbei auf der Umsetzung der IT-Neuordnung. Mit der Prüfung der IT des Landesamts für Besoldung und Versorgung (LBV) setzt der Rechnungshof diese Reihe fort.
Das LBV zahlt Gehälter, Kindergeld und Zuschüsse zu Krankheitskosten (Beihilfe) an Beamte, Ruhestandsbeamte und Arbeitnehmer des Landes Baden-Württemberg sowie Entschädigungsleistungen aus. Es bearbeitet auch Heilfürsorgeangelegenheiten für bestimmte Beamtengruppen des Landes Baden-Württemberg. Für viele Bereiche der Landesverwaltung ist es für die Abrechnung und Auszahlung von Reise- und Umzugskosten einschließlich Trennungsgeld zuständig. Das LBV ist aufgrund seiner Aufgaben eine personalstarke Behörde, für welche eine funktionierende IT unverzichtbar ist.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Softwareentwicklung und IT-Betrieb
Als IT-Fachzentrum entwickelt das LBV Fachverfahren für den Eigenbetrieb und stellt diese teilweise Dritten zur Verfügung. Die notwendige Infrastruktur wie z. B. Server und Datenbanken wird teilweise durch das Landeszentrum für Datenverarbeitung (LZfD) oder die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) betrieben.
2.2 IT-Projekte
2.2.1 Ausbau der Telearbeit
Seit über 10 Jahren wird die Telearbeit der LBV-Mitarbeiter durch ein selbst betriebenes IT-System unterstützt, welches nicht den Landesstandards entspricht. 2016 sollte das System aktualisiert, die Infrastruktur ausgebaut und weitere Telearbeitsplätze geschaffen werden. Das IT-Projekt wurde in Teilen mit Zeitverzögerungen umgesetzt.
Der Ausbau der IT-Infrastruktur für Telearbeiter hätte als Chance zum Umstieg auf eine den Landesstandards entsprechende Lösung genutzt werden können. Das Projekt zur Umsetzung dieser Lösung soll nun erst Ende 2020 starten.
2.2.2 Migration des Standardarbeitsplatzes
Die BITBW stattet als IT-Dienstleister des Landes alle Ressorts mit Standardarbeitsplätzen aus und betreibt diese künftig. Das Projekt „Migration des Standardarbeitsplatzes in der Finanzverwaltung“ ist für das LBV von hoher Bedeutung. Ein Migrations- oder Betriebskonzept für das LBV war während der Prüfung allerdings noch nicht ausgearbeitet. Der Projektstrukturplan befand sich in der Abstimmung.
Ursprünglich sollte der Rollout der Standardarbeitsplätze mit Microsoft Windows 10 durch die BITBW Ende September 2019 abgeschlossen sein. Der Termin wurde einvernehmlich auf den Herbst 2020 verschoben; entsprechend verzögern sich weitere Teilprojekte wie z. B. die Ablösung des Identitätsmanagements oder die Übergabe des Betriebs der Fachverfahren an die BITBW.
Aufgrund der Verschiebung mussten - wie auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung - die Supportverträge verlängert werden. Allein beim LBV entstanden hierfür Mehrkosten von etwa 40.000 Euro.
2.3 IT-Dokumentation
Die IT-Dokumentationen des LBV sind häufig nicht aktuell oder unvollständig. Das betrifft nicht nur IT-Geschäftsprozesse (z. B. Abläufe in den User Help Desks (UHD) oder den Einsatz von Software zur Vorgangs- und Projektverfolgung), sondern auch IT-Projekte, IT-Systeme und die Informationssicherheit.
Das LBV managt Softwarelizenzen nur unzureichend und hat deshalb keinen vollständigen Überblick über die vorhandenen Lizenzen. Im Prüfungszeitraum war Software teilweise überlizensiert.
Die Anlagenbuchhaltung ist nicht aktuell. Der IT-Bestand des LBV enthält Anlagengegenstände, welche bereits ausgesondert oder verkauft wurden. Einige Anlagen wurden mit fehlerhaften Buchwerten geführt. Eine regelmäßige Aktualisierung findet nicht statt.
2.4 User Help Desks
Das LBV betreibt drei voneinander unabhängige UHD in zwei IT-Referaten. Diese arbeiten ohne oder mit unterschiedlicher Software-Unterstützung. IT-Anliegen und IT-Störungsmeldungen der zum Teil landesweiten Anwender werden nur teilweise mit Hilfe eines Ticketsystems und einer Wissensdatenbank bearbeitet. Es ist keine zentrale Stelle (Single Point of Contact) vorhanden, die Calls annimmt, weiterleitet, dokumentiert sowie aus- und bewertet. Dies entspricht nicht den Grundsätzen eines konsistenten IT-Service-Managements, wie sie in den im Land angewandten Dokumenten der IT Infrastructure Library (ITIL) beschrieben sind.
2.5 Handhabung von Programmieraufträgen
Programmieraufträge werden in der IT-Abteilung nicht einheitlich gehandhabt. Die Dokumentation der Aufträge erfolgt teilweise mit Software, im E-Mail-System oder in der Dateiablage. Das eingesetzte Softwarewerkzeug wird mit unterschiedlichen Lösungsansätzen betrieben. Die heterogenen Verfahren beim Umgang mit Aufträgen erschweren es, den Stand der Erledigung zu ermitteln.
2.6 Kosten- und Leistungsrechnung
Während nahezu die ganze Landesverwaltung ihre Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) im SAP-System des Landes erstellt, nutzt das LBV hierfür ein Tabellenkalkulationsprogramm.
Mit seiner KLR ermittelt das LBV die Kosten für seine Dienstleistungen. Die bestehende KLR ist allerdings nicht geeignet, durchgängig IT-Kosten zu bestimmen. Insbesondere in IT-Projekten wird eine Kostenermittlung nicht gewährleistet, weil keine gesonderten Innenaufträge eingerichtet werden.
Ein IT-Controlling ist nicht etabliert, obwohl die entsprechende Datenbasis in Teilen vorhanden ist. Eine IT-Steuerung ist deshalb nur eingeschränkt möglich.
2.7 Personalsituation
In der IT des LBV gibt es eine hohe Personalfluktuation. Überdies waren nach Angaben des LBV im Prüfungszeitraum durchschnittlich 15 Stellen in der IT-Abteilung unbesetzt. Die angespannte Personalsituation wirkt sich auf alle IT-Bereiche aus. Deshalb würden nach Aussage des LBV vorrangig vom Gesetzgeber beauftragte Änderungen implementiert; an Verbesserungen der IT(-Verfahren) werde entsprechend nur nachrangig gearbeitet.
2.8 Ressourceneinsatz für IT
Das LBV setzt insgesamt rund 88 Vollzeitäquivalente (VZÄ) für IT-Aufgaben ein. Allein rund 48 VZÄ entwickeln und pflegen die selbst erstellten Fachverfahren. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Verfahren:
- Beihilfebearbeitung (BABSY),
- Gehalts- und Lohnzahlung (DAISY),
- Verwaltung von Personaldaten (DIPSY),
- Verwaltung von Reisekosten (Drive-BW),
- Führungsinformationssystem Personal (FISP).
Die Personalkosten für die Entwicklung und Pflege der Fachverfahren belaufen sich auf rund 4,9 Mio. Euro jährlich.
Zusätzlich lässt sich das LBV bei der Erledigung seiner IT-Aufgaben von einer Vielzahl externer Dienstleister unterstützen. Auf die Anwendungsentwicklung bezogen ergeben sich nach Berechnung des Rechnungshofs Sachkosten von rund 2,4 Mio. Euro jährlich, in denen sich allerdings auch die Umsetzung eines Großprojekts in der Beihilfe niederschlägt. Insgesamt summieren sich die Kosten für die Anwendungsentwicklung jährlich auf rund 7,3 Mio. Euro.
Werden die Sach- und Personalkosten von rund 7 Mio. Euro für den Betrieb der Fachverfahren berücksichtigt, errechnen sich Kosten von mindestens 14,4 Mio. Euro jährlich.
Die selbst erstellten Verfahren bilden zusammen mit weiteren, fachlich ergänzenden Anwendungen eine komplexe Struktur. Diese Verfahren tragen inhaltlich die Kernaufgaben des LBV. Sie betreffen somit sensible, nicht nur verwaltungsintern wahrnehmbare Bereiche, für die ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit und Stabilität auch unter kritischen Bedingungen unabdingbar ist. Gleichzeitig binden sie mit 48 VZÄ einen signifikanten Anteil der - ohnehin knappen - personellen Ressourcen im IT-Bereich. Die Frage, ob der Ressourceneinsatz für den Betrieb und die Pflege der selbst erstellten Verfahren wirtschaftlich ist, kann nur mit einer detaillierten Analyse der Zusammenhänge und der gegebenenfalls für eine Ablösung erforderlichen Maßnahmen geklärt werden.
3 Empfehlungen
3.1 Kosten- und Leistungsrechnung anpassen
Das LBV sollte seine KLR in das SAP-System der Landesverwaltung überführen. Begleitend sollte ein geeignetes IT-Controlling aufgebaut werden, um die IT sachgerecht steuern und zielgerichtet weiterentwickeln zu können. Die IT-Aufwände sollten verlässlich ermittelt werden.
Das LBV sollte im länderübergreifenden Vergleichsring „Benchmarking Bezüge abrechnender Stellen“ anregen, die IT-Aufwände auf Basis von IT-Kennzahlen zu ermitteln und zu vergleichen.
3.2 Prozesse überprüfen und verbessern
Die IT-Abteilung des LBV sollte ihre Arbeitsweise im Umgang mit Programmieraufträgen einheitlich gestalten und nachvollziehbar dokumentieren. Softwarewerkzeuge sind dabei gleichartig einzusetzen. Softwares sind auf ihre Lizenzierung zu prüfen und gegebenenfalls zu bereinigen.
Die drei UHD sollten überprüft, neu geordnet, möglichst im Sinne eines „Single Point of Contact“ zusammengefasst werden und im Idealfall an den technischen UHD der BITBW übergeben werden.
Die Steuerung von IT-Projekten sollte, gerade in zeitlicher Hinsicht, zielorientierter erfolgen.
3.3 Wirtschaftlichkeit selbst erstellter Fachverfahren ergebnisoffen prüfen
Das LBV sollte die Wirtschaftlichkeit der individuell programmierten Fachverfahren prüfen und dabei die Alternativen „Anwendungsentwicklung in Eigenregie“ und „Fremdbezug“ berücksichtigen („make or buy“). Zur Analyse gehört die Prüfung, ob eine Übernahme von Lösungen anderer Länder, der Abschluss von Kooperationen oder der Einsatz von Standard-Softwarelösungen möglich ist. Die Risiken eines Systemwechsels müssen dabei berücksichtigt werden. Das Ergebnis der Analyse sollte eine Basis für eine zukunftsorientierte, wirtschaftliche und sichere IT des LBV bilden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen teilt mit, die Notwendigkeit, die IT des LBV weiterhin kundenorientiert und modern aufzustellen, sei auch vom LBV und vom Ministerium erkannt worden. Bereits im Vorfeld der Prüfung des Rechnungshofs sei ein gemeinsamer Strategieprozess eingeleitet worden. Im Rahmen einer im Oktober 2019 durchgeführten Strategietagung seien Handlungsbedarfe identifiziert und Umsetzungsplanungen entwickelt worden, die sich nunmehr in der Bearbeitung befänden.
Das LBV werde die eigenentwickelte Kosten- und Leistungsrechnung im laufenden Projekt „Restrukturierung des Haushaltsmanagements und Einführung eines Kassensystems auf SAP-Basis (RePro)“ ablösen. Die Empfehlung zur Erweiterung des Vergleichsrings „Benchmarking Bezüge abrechnender Stellen“ um IT-spezifische Kennzahlen würde aufgegriffen.
Nach Einführung des Standardarbeitsplatzes werde das LBV gemeinsam mit der BITBW die Umstellung der Telearbeitsplätze auf die Landeslösung angehen. Die drei UHD des LBV würden auf eine Neuordnung und Zusammenführung geprüft. Allerdings gäbe es keine fachlichen Überschneidungen, zudem würden unterschiedliche interne sowie externe Kundenkreise bedient.
Das Ministerium und das LBV wollen die Anregungen des Rechnungshofs zu den eigenentwickelten Fachverfahren bei ihren Strategieüberlegungen berücksichtigen. Bereits bislang würde vor Neuentwicklungen das Thema Eigenentwicklung im Vergleich zum Einsatz von Standardsoftware aufgegriffen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält den eingeleiteten Strategieprozess für ein wichtiges Instrument, die IT des LBV zukunftsfähig aufzustellen. Die einzelnen Elemente sollten unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Rechnungshofs mit Nachdruck verfolgt und umgesetzt werden.