1 Grundlagen und Bedeutung der Vermögensrechnung
Der Ministerrat beschloss im September 2011, das kamerale Rechnungswesen des Landes um eine nach doppischen Grundsätzen erstellte Vermögensrechnung zu ergänzen. Diese soll einen möglichst vollständigen und zusammenhängenden Überblick über das Vermögen und die Schulden des Landes geben.
Nach der Entwicklung und Erstellung einer haushaltsrechtlich noch nicht relevanten, aber konzeptionell wichtigen Eröffnungsvermögensrechnung zum Stichtag 1. Januar 2017 übermittelte das Ministerium für Finanzen dem Landtag für das abgelaufene Haushaltsjahr 2017 eine Vermögensrechnung zum Stichtag 31. Dezember 2017. Zusammen mit der Haushaltsrechnung ist die Vermögensrechnung nach Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und § 114 der Landeshaushaltsordnung nun zum ersten Mal Grundlage für die Entlastung der Landesregierung.
Die Vermögensrechnung dient künftig als Nachweis des Vermögens und der Schulden und ist nach Artikel 79 Absatz 4 der Landesverfassung und § 14 der Landeshaushaltsordnung als Anlage in den Haushaltsplan aufzunehmen. Dies wird erstmals für den Doppelhaushalt 2020/2021 der Fall sein.
Die Grundsätze zur Aufstellung der Vermögensrechnung sind in einer Verwaltungsvorschrift über die Vermögensrechnung des Landes vom 8. Juni 2017 festgelegt. Sie orientieren sich an den Standards staatlicher Doppik, die von Bund und Ländern gemeinsam entwickelt wurden. Bindend sind diese Standards für Baden-Württemberg nicht, da die Kameralistik weiterhin das führende Rechnungslegungssystem bleibt.
2 Inhalt der Vermögensrechnung
2.1 Vollständigkeit der Vermögensrechnung
Die Vermögensrechnung bildet manche Bilanzpositionen noch nicht bzw. noch nicht vollständig ab. Beispielsweise sind bislang nur 40 Prozent der Kunstgegenstände mit einem Wert von 5,8 Mrd. Euro enthalten. Die Erfassung soll im Zuge der laufenden Digitalisierung bis zum 31. Dezember 2020 abgeschlossen sein. Auch andere Positionen sollen künftig sukzessive ergänzt werden.
In der „Übersicht über Bürgschaften, Garantien und sonstige Gewährleistungen des Landes“ werden bislang nur Anfangs- und Endbestände ausgewiesen. Sie sollte nach Auffassung des Rechnungshofs um Verweise auf die Rechtsgrundlagen sowie um eine Darstellung der Zu- und Abgänge ergänzt werden.
Bei dem betragsmäßig bedeutendsten Bilanzposten, den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen, werden in den Erläuterungen die unterschiedlichen Ursachen für die Betragsveränderungen gegenüber dem letzten Stichtagsergebnis aufgeführt. Die finanziellen Auswirkungen werden jedoch nicht einzeln quantifiziert. Dies sollte in künftigen Vermögensrechnungen erfolgen.
Das Ministerium für Finanzen wird die Anregungen des Rechnungshofs prüfen und in den nächsten Vermögensrechnungen mit der Maßgabe aufgreifen, dass die jeweilige Ergänzung fachlich möglich und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar ist.
2.2 Aggregierte Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2017
Die Summe der Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2017 beläuft sich auf 232,7 Mrd. Euro.
Auf der Aktivseite wird das Landesvermögen mit 69,8 Mrd. Euro beziffert. Hiervon entfallen auf das Anlagevermögen 59,0 Mrd. Euro und auf das Umlaufvermögen 10,8 Mrd. Euro.
Auf der Passivseite werden ausschließlich Rückstellungen von 183,2 Mrd. Euro und Verbindlichkeiten von 49,5 Mrd. Euro ausgewiesen. Die Summe der Passivseite übersteigt das auf der Aktivseite ausgewiesene Vermögen um 162,9 Mrd. Euro. Dieser Betrag wird auf der Aktivseite der Vermögensrechnung als Saldo ausgewiesen. Der Anteil des Saldos an der Gesamtsumme beträgt 70 Prozent.
Die Vermögensrechnung des Landes wird - wie entsprechende Rechenwerke vergleichbarer Länder - von den Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen dominiert. Diese betragen 176,6 Mrd. Euro, was einem Anteil von 76 Prozent entspricht. Ohne die Pensionsrückstellungen würde die Vermögensrechnung einen positiven Saldo von 13,7 Mrd. Euro ausweisen.
Tabelle 1 enthält die Vermögensrechnung zum Stichtag 31. Dezember 2017 in aggregierter Form.
3 Aktiva des Landes zum 31. Dezember 2017
3.1 Sachanlagevermögen
In der Vermögensrechnung des Landes bilden die Sachanlagen mit einem Wert von 40,8 Mrd. Euro eine bedeutende Position. Deren Struktur zeigt Abbildung 1 auf.
Innerhalb der Sachanlagen ist das Infrastrukturvermögen mit 12,9
Mrd. Euro die größte Position, gefolgt von den Bauten mit 7,7
Mrd. Euro und den Grundstücken sowie grundstücksgleichen Rechten mit 7,0
Mrd. Euro.
Kulturgüter werden mit 5,8
Mrd. Euro und Naturgüter mit 5,3
Mrd. Euro ausgewiesen. Die Naturgüter umfassen das Waldvermögen inklusive des Staatswaldes „Nationalpark Schwarzwald“.
3.2 Finanzanlagevermögen
In der Vermögensrechnung wird ein Finanzanlagevermögen von 18,2 Mrd. Euro ausgewiesen. Dessen Struktur zeigt Abbildung 2.
Die größte Position bei den Finanzanlagen stellen mit 8,0 Mrd. Euro die Anteile an verbundenen Unternehmen dar. Hier hält das Land mehr als 50 Prozent der Anteils- und/oder Stimmrechte. Sofern deren Eigenkapital negativ ist (z. B. NECKARPRI GmbH), werden sie mit einem Euro berücksichtigt. Für das Gewährleistungsrisiko wird eine Gewährleistungsrückstellung gebildet.
In der Position Anteile an verbundenen Unternehmen sind auch Landesbetriebe und wie Landesbetriebe geführte Einrichtungen mit 2,3 Mrd. Euro enthalten. Die an dieser Stelle in die Vermögensrechnung eingeflossenen Eigenkapitalwerte wurden - soweit verfügbar - den Jahresabschlüssen zum Stichtag 31. Dezember 2016 entnommen.
In der Vermögensrechnung 2017 wurden die Landesbetriebe mit einem um 28,9 Mio. Euro zu niedrigen Betrag berücksichtigt. Der größte Teil hiervon entfällt auf den Landesbetrieb Forst BW. Für diesen wurde das Basiskapital und somit ein um 28,5 Mio. Euro zu niedriger Betrag angesetzt. Dies wird bei der nächsten Vermögensrechnung korrigiert.
Das Vermögen der Landesbetriebe wird grundsätzlich nicht unter der jeweiligen Vermögensrechnungsposition (z. B. Infrastrukturvermögen) ausgewiesen und die entsprechenden Abschreibungen sind nicht im Anlagenspiegel abgebildet.
Insbesondere die Bilanzen der Landesbetriebe Gewässer enthalten ein umfangreiches Anlagevermögen. Deshalb hat der Rechnungshof im Vorfeld vorgeschlagen, dieses in die Berichterstattung über das Sachanlagevermögen einzubeziehen. Das Ministerium für Finanzen hat dies in der vorliegenden Vermögensrechnung durch einen nachrichtlichen Ausweis umgesetzt.
Es ist vorgesehen, die auf dem 31. Dezember 2016 basierenden Eigenkapitalwerte der Landesbetriebe als Anschaffungskosten in den nächsten Vermögensrechnungen beizubehalten. Durch diese Festschreibung werden Kapitaländerungen in künftigen Vermögensrechnungen nicht abgebildet. Der Rechnungshof schlägt hierzu vor, eine turnusmäßige, z. B. dreijährige Wertfortschreibung vorzunehmen. Das Ministerium für Finanzen hat vorgesehen, die Regelung zum Ansatz der Landesbetriebe in der Vermögensrechnung spätestens nach fünf Jahren zu prüfen und bei Bedarf in Abstimmung mit dem Rechnungshof anzupassen. Für die nächste Vermögensrechnung wird die derzeitige Regelung beibehalten.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Abschlüsse der Landesbetriebe rechtzeitig vorgelegt und genehmigt werden. Dies ist aktuell - wie auch in Beitrag Nr. 22 dieser Denkschrift dargestellt - häufig nicht der Fall.
Die zweitgrößte Finanzanlagenposition ist das Sondervermögen ohne eigenverantwortliche Betriebsleitung mit einem Wert von 6,3 Mrd. Euro. Sie umfasst die 1999 eingerichtete Versorgungsrücklage (3,7 Mrd. Euro) und den 2007 eingerichteten Versorgungsfonds des Landes (2,6 Mrd. Euro).
Es folgen mit 3,3 Mrd. Euro die Beteiligungen des Landes.
3.3 Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
Diese Position wird in der Vermögensrechnung zum 31. Dezember 2017 auf 9,4 Mrd. Euro beziffert. Hiervon entfallen 7,5 Mrd. Euro auf veranlagte Steuern und 1,2 Mrd. Euro auf Forderungen aus der Steuerverteilung und Finanzausgleichsbeziehungen.
4 Passiva des Landes zum 31. Dezember 2017
4.1 Struktur der Passiva
Auf der Passivseite der Vermögensrechnung wird ein Gesamtbetrag von 232,7 Mrd. Euro ausgewiesen. Hiervon entfallen 183,2 Mrd. Euro auf Rückstellungen und 49,5 Mrd. Euro auf Verbindlichkeiten. Der Anteil der in der Rechnungslegung des Landes bisher nicht abgebildeten Rückstellungen an der Gesamtverschuldung beträgt 79 Prozent.
4.2 Rückstellungen
Mit 176,6 Mrd. Euro sind die Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen die größte Position auf der Passivseite.
Der Rechnungshof hat - wie in der Denkschrift 2018 im Beitrag Nr. 5 dargestellt - schon im Vorfeld die Systematik zur Ermittlung der Pensionsrückstellungen geprüft. Als Folge der dabei getroffenen Feststellungen hat das Ministerium für Finanzen bei den jetzigen Pensionsrückstellungen folgende Anspruchsberechtigte zusätzlich berücksichtigt:
- Beamte, für die noch kein Versorgungskonto vorliegt, und
- Beamte, die im Zuge der Verwaltungsstrukturreform zu den Stadt- und Landkreisen wechselten.
4.3 Verbindlichkeiten
Anleihen und Obligationen stellen mit 17,2 Mrd. Euro die größte Verbindlichkeitenposition dar, gefolgt von den Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten mit 12,8 Mrd. Euro. Zusammen mit den Verbindlichkeiten aus sonstigen Krediten mit einem Volumen von 8,5 Mrd. Euro, die in der Position Sonstige Verbindlichkeiten enthalten sind, bilden diese Positionen die in der Vermögensrechnung abgebildete Kreditmarktverschuldung von 38,5 Mrd. Euro.
Hingegen werden in der Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2017 Kreditmarktschulden von 46,3 Mrd. Euro ausgewiesen. Der Differenzbetrag von 7,8 Mrd. Euro ist auf abgeschlossene, aber am 31. Dezember 2017 nicht valutierte Kreditrahmenverträge zurückzuführen. Durch Kreditrahmenverträge wird die Kreditermächtigung des Staatshaushaltsgesetzes haushaltsmäßig in Anspruch genommen (Beitrag Nr. 1).
Auf Anregung des Rechnungshofs wurde in die vorliegende Vermögensrechnung eine Gegenüberstellung der haushaltsmäßigen Verschuldung und der nach doppischen Grundsätzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten aufgenommen (siehe Tabelle 2).
Neben den Kreditmarktschulden werden in der Vermögensrechnung noch weitere Verbindlichkeiten von 11,1 Mrd. Euro ausgewiesen. Hiervon entfallen 4,4 Mrd. Euro auf Verbindlichkeiten aus der Steuerverteilung und dem Finanzausgleich sowie 2,3 Mrd. Euro auf Verbindlichkeiten aus Zuweisungen und Zuschüssen.
5 Haushaltsrechtliche Festlegung des Vermögensnachweises
Während die Landeshaushaltsordnung den Inhalt und die Anlagen der Haushaltsrechnung relativ detailliert beschreibt, ist für den Vermögensnachweis in § 86 nur bestimmt, dass dieser vom Ministerium für Finanzen im Einvernehmen mit den Ministerien und dem Rechnungshof zu regeln ist. Nach einiger Zeit des parlamentarischen Umgangs mit dem Vermögensnachweis auf doppischer Grundlage könnte erwogen werden, bei einer Änderung der Landeshaushaltsordnung den § 86 neu zu fassen und - beispielsweise wie beim Bund - die Mindestinhalte des Vermögensnachweises gesetzlich festzulegen.
6 Darstellungs- bzw. Übertragungsfehler
Die vom Rechnungshof bei seiner Prüfung der Vermögensrechnung festgestellten Darstellungs- bzw. Übertragungsfehler hat das Ministerium für Finanzen durch Schreiben vom 17. April 2019 an die Präsidentin des Landtags von Baden-Württemberg berichtigt.
7 Stellungnahme des Ministeriums für Finanzen
Das Ministerium für Finanzen wird den Vorschlag des Rechnungshofs, bei Landesbetrieben eine turnusmäßige Wertfortschreibung vorzunehmen, in die Überprüfung der Wertfestschreibung einbeziehen. Allerdings soll zunächst die Erfahrung aus mehreren Vermögensrechnungen abgewartet werden.
Den Vorschlag des Rechnungshofs, die Mindestinhalte des Vermögensnachweises in § 86 Landeshaushaltsordnung festzulegen, wird das Ministerium für Finanzen prüfen und gegebenenfalls im Rahmen einer Anpassung der Landeshaushaltsordnung umsetzen.
8 Fazit
Die Vermögensrechnung bietet einen deutlich umfassenderen Überblick über das Vermögen und die Schulden des Landes als der frühere Vermögensnachweis.
Mit der vom Ministerium für Finanzen angekündigten und möglichst bald umzusetzenden Vervollständigung und Ergänzung von Aktiv- und Passivposten, Erläuterungen und Übersichten wird sich die Aussagekraft der Vermögensrechnung weiter verbessern.