Denkschrift 2019
Vorwort
1. 2009 wurde durch eine Änderung der Finanzverfassung eine allgemeine Schuldenbremse in das Grundgesetz aufgenommen. Danach darf der Staat in der Regel nicht mehr Geld ausgeben, als er einnimmt. Für den Bund gilt die Schuldenbremse mit der Möglichkeit begrenzter struktureller Neuverschuldung seit 2016, für die Länder mit der Möglichkeit der Einführung einer Konjunkturkomponente ab 2020. In Baden-Württemberg steht die Umsetzung einer endgültigen Schuldenbremse in Landesrecht erst noch an, die geltende Übergangsregelung läuft Ende des Jahres aus.
Unter Hinweis auf den Investitionsbedarf bei öffentlicher Infrastruktur und Bildung und historisch niedriger Zinsen wird jüngst das Prinzip der Schuldenbremse vereinzelt wieder in Frage gestellt. Aus Sicht des Rechnungshofs ist die Schuldenbremse jedoch richtig. Eine symmetrische Konjunkturkomponente bietet die notwendige Flexibilität, um bei Abweichungen von konjunkturellen Normallagen ausgleichend agieren zu können: bei schlechter Konjunktur Kredit, bei guter Konjunktur Tilgung.
Die Schuldenbremse hat für den notwendigen Handlungsdruck auf die Haushaltspolitik der Länder gesorgt. An die Stelle bisweilen nur allgemeiner Bekenntnisse sind sichtbare Anstrengungen, zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen, getreten - auch in Baden-Württemberg, das Altschulden getilgt, eine Sanierungsrücklage aufgebaut und die Vorsorge für künftige Pensionsverpflichtungen verbessert hat. Allerdings hat sich diese Konsolidierung im Wesentlichen aus der guten Entwicklung der Steuereinnahmen ergeben.
2. Baden-Württemberg hat im vergangenen Jahr die haushaltsmäßige Verschuldung erstmals in nennenswertem Umfang um 250 Mio. Euro auf 46 Mrd. Euro gesenkt. Mit dem Nachtragshaushalt 2018/2019 wurde die Tilgung einer weiteren Milliarde Euro an Kreditmarktschulden beschlossen. Zusätzlich wurden 2018 der Rücklage für Haushaltsrisiken per Saldo 717,8 Mio. Euro zugeführt.
Wie im Bund werden auch in Baden-Württemberg die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren weiter steigen - allerdings deutlich moderater als bislang. Für 2019 rechnen die Steuerschätzer mit insgesamt rund 30,35 Mrd. Euro Netto-Steuereinnahmen fürs Land, das sind 69 Mio. Euro mehr als im Haushalt veranschlagt. Die Prognose für 2020 liegt bei etwa 30,83 Mrd. Euro netto, das sind 603 Mio. Euro weniger als in der Mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Auch für 2021 bleiben die aktuellen Schätzungen hinter den Erwartungen zurück: Das Land kann mit Steuereinnahmen in Höhe von rund 31,74 Mrd. Euro netto rechnen; 606 Mio. Euro weniger als prognostiziert.
3. Daher muss die Konsolidierung des Landeshaushalts künftig stärker als bisher bei den Ausgaben ansetzen. Normalisiert sich die exorbitant gute Entwicklung der Einnahmensseite der vergangenen Jahre und werden damit die Spielräume enger, ist dies unumgänglich, soll die Haushaltspolitik nachhaltig und generationengerecht sein. Die Landesregierung hat diesen Ansatz in ihrer aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie als Leitsatz formuliert: „Der Landeshaushalt ist zugunsten nachfolgender Generationen in sozial verantwortbarer Weise zu konsolidieren.“ An diesem Maßstab wird die Haushalts- und Finanzpolitik der kommenden Jahre zu messen sein.
4. Die bereinigten Ausgaben des Landes stiegen von 34,7 Mrd. Euro (2009) um 15,8 Mrd. Euro (45,5 Prozent) auf 50,5 Mrd. Euro (2018). Gegenüber 2017 nahmen die Ausgaben 2018 um 2,6 Mrd. Euro zu (5,4 Prozent).
Die Personalausgaben stiegen in den vergangenen zehn Jahren um jährlich durchschnittlich 2,6 Prozent. Sie lagen 2018 mit 17,1 Mrd. Euro - trotz Bildung zahlreicher Landesbetriebe und der damit verbundenen Verlagerung von Personalausgaben - um 3,6 Mrd. Euro über den Personalausgaben in 2009. 2018 nahmen sie im Vergleich zum Vorjahr um 334 Mio. Euro
(+2 Prozent) zu. Dem Rechnungshof ist bewusst, dass die Kernaufgaben des Landes personalintensiv sind, insbesondere in Bereichen wie der Wissenschaft, der Bildung und Erziehung sowie der Inneren Sicherheit. Die Personalausgaben machen einen Großteil des Haushalts aus. Eine nachhaltige Finanzpolitik muss auch dort ansetzen.
Bis 2030 gehen mehr als 57.000 Beamte und Beamtinnen des Landes in den Ruhestand. Dies ist zum einem eine Herausforderung, was die Gewinnung geeigneten Personals in Konkurrenz zu anderen Arbeitgebern betrifft. Andererseits schafft dies durch Aufgabenkritik und Prozessoptimierung die Möglichkeit zur Konsolidierung, u. U. sogar die Notwendigkeit hierzu, sollte im Wettbewerb um gute Kräfte nicht jede Stelle nachbesetzt werden können.
5. Die hervorragend gute Einnahmeentwicklung der vergangenen Jahre hat auch dazu beigetragen, dass auf der Ausgabenseite Zurückhaltung und Konsolidierung nicht Maßstab des Handelns waren. Ein Indiz dafür, dass dem Prinzip der bedarfsgerechten Veranschlagung nicht immer und nicht ausreichend Rechnung getragen wurde, sind die in den letzten Jahren deutlich angestiegenen Ausgabereste und die liquiden Mittel bei den Landesbetrieben.
Die vom Haushaltsjahr 2017 nach 2018 übertragenen Ausgabereste stiegen gegenüber dem Vorjahr um 0,8 Mrd. Euro auf 4,2 Mrd. Euro. Dies entspricht einem Anteil von 8,8 Prozent des Haushalts-Solls. Wie bereits 2016 sind die Ausgabereste für Investitionen auch 2017 mit 2,27 Mrd. Euro auf einem sehr hohen Niveau.
Darüber hinaus standen Ende 2017 auf den Betriebsmittelkonten der Landesbetriebe noch 0,9 Mrd. Euro liquide Mittel zur Verfügung. Diese Mittel sind dem Haushaltsgesetzgeber grundsätzlich entzogen. Dadurch wird die notwendige Gesamtsteuerung des Landeshaushalts unnötig erschwert.
Würde in diesen Bereichen bedarfsgerecht vorgegangen, könnten Mittel freigesetzt und für andere Zwecke, insbesondere zur Tilgung von Schulden, genutzt werden. Ausgabereste sollten daher in den Folgejahren abgesenkt werden. Dies kann durch eine strengere Bedarfsprüfung bei der Inabgangstellung der Ausgabereste erfolgen oder durch eine niedrigere Veranschlagung von Ausgabeansätzen in den Folgejahren. Den Verbleib nicht verausgabter Mittel bei den Landesbetrieben sollten die Ministerien kritisch prüfen und ggf. dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden.
6. Auftrag des Rechnungshofs ist es, die Ordnungsmäßigkeit der öffentlichen Finanzen zu prüfen und dem Landtag für die Entlastung der Landesregierung zu berichten. Dem dient die vorliegende Denkschrift. Der Rechnungshof versucht aber darüber hinaus, mit seiner breit gefächerten Prüfungstätigkeit ein wirtschaftliches Verhalten in allen Bereichen der Landesverwaltung zu unterstützen und zu fördern.
Ein Beispiel dafür ist das dem Landtag zur Verfügung gestellte Gutachten zu den Vorgängen im Zusammenhang mit der Software Amtliche Schulverwaltung Baden-Württemberg (ASV-BW). Nach 13 Jahren Projektlaufzeit sind die mit der Entwicklung von ASV-BW verfolgten, zu Projektbeginn formulierten Ziele nicht erreicht. Die Zielvorgaben zu Kosten, Zeiten und Leistungen sind deutlich verfehlt worden. Das Projekt zeigt exemplarisch, dass die administrative Bewältigung der Digitalisierung für die Landesverwaltung eine große Herausforderung darstellt, die von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verwaltung viel Fachwissen, aber auch eine konsequente Projektsteuerung und ein stringentes Kostencontrolling verlangt.
- Haushaltsrechnung, Haushaltsplan und Haushaltsvollzug
- Haushaltsvollzug und Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2017 [Beitrag Nr. 1]
- Vermögensrechnung Baden-Württemberg [Beitrag Nr. 2]
- Entwicklung des Landeshaushalts [Beitrag Nr. 3]
- Schuldenbremse [Beitrag Nr. 4]
- Haushaltsreste [Beitrag Nr. 5]
- Ressortübertgreifende Empfehlungen
- Liquiditätsbildung außerhalb des Landeshaushalts bei ausgewählten Landesbeteiligungen [Beitrag Nr. 6]
- Bearbeitung von Dienstunfällen sowie die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen des Landes durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung [Beitrag Nr. 7]
- Rentenversicherungsbeiträge für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen [Beitrag Nr. 8]
- Besondere Prüfungsergebnisse
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Einzelplan 03: Ministerium für Inneres, Digitalisierung und Migration
Polizeireiterstaffeln zusammenlegen [Beitrag Nr. 9]
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Einzelplan 05: Ministerium der Justiz und für Europa
Dienstunfähigkeit im Justizvollzugsdienst [Beitrag Nr. 10]
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Einzelplan 07: Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau
Umsetzung des Landesförderprogramms "Wohnraum für Flüchtlinge" [Beitrag Nr. 11]
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Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Förderung der Elektromobilität im Ländlichen Raum [Beitrag Nr. 12]
Landesbedienstete bei den Landratsämtern [Beitrag Nr. 13]
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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung
Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne nach § 34a Einkommensteuergesetz [Beitrag Nr. 14]
Planungswettbewerbe des Landes [Beitrag Nr. 15]
Technisches Gebäudemanagement bei staatlichen Museen [Beitrag Nr. 16]
Die Kollerinsel und der Fährbetrieb [Beitrag Nr. 17]
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Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr
Förderung kommunaler Straßenbauvorhaben durch das Regierungspräsidium Stuttgart [Beitrag Nr. 19]
Erfolgskontrolle bei Fördervorhaben nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz [Beitrag Nr. 18]
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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Förderung der internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit [Beitrag Nr. 20]
Nebentätigkeiten von Professoren [Beitrag Nr. 21]
Jahresabschlüsse und Bildung von Rücklagen bei den staatlichen Museen [Beitrag Nr. 22]
Duale Hochschule Baden-Württemberg [Beitrag Nr. 23]
Betätigung des Landes als unmittelbarer Gesellschafter der MFG Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg mbH [Beitrag Nr. 24]