1 Ausgangslage
1.1 Struktur der Förderung
Baden-Württemberg verfügt über eine breit gefächerte und abwechslungsreiche Theaterlandschaft. Neben den beiden Staatstheatern, die vom Land und den Sitzstädten Stuttgart und Karlsruhe jeweils hälftig getragen werden, gibt es neun Kommunaltheater und drei rechtlich selbstständige Landesbühnen. Das Alte Schauspielhaus in Stuttgart und die Komödie im Marquardt werden wie ein Kommunaltheater gefördert.
Darüber hinaus fördert das Land gemeinsam mit den Sitzkommunen mehr als 40 Klein- und Figurentheater. Die Summe der Landeszuwendungen an diese Theater beträgt rund 5 Mio. Euro jährlich.
Weitere Landeszuwendungen erhalten die sogenannten Freien Theater, die sich zu einem großen Teil in einem Landesverband zusammengeschlossen haben. Hier fördert das Land den Verband und die einzelnen Theater, falls erforderlich, durch Projektfördermittel.
Nach der Kunstkonzeption des Landes setzt die Aufnahme in die institutionelle Landesförderung voraus, dass das Kleintheater
- ein Berufstheater ist (eigene feste Spielstätte, regelmäßiger Spielbetrieb, hauptberufliche Betätigung),
- seit fünf Jahren in Baden-Württemberg besteht und
- auch von der Kommune bzw. vom Landkreis institutionell gefördert wird.
Die inhaltliche Ausrichtung der Kleintheater ist vielfältig. Die Spanne reicht von gesellschaftlichen und politischen Themen über Theater mit regionalem Bezug, Kinder- und Jugendtheater bis hin zu experimentellem Theater.
1.2 Prüfungen durch die Finanzkontrolle
Der Rechnungshof und die Staatlichen Rechnungsprüfungsämter prüfen die Verwendung der Landeszuwendungen durch die Kleintheater. Prüfungsschwerpunkte sind dabei die Recht- und Ordnungsmäßigkeit, die Haushalts- und Wirtschaftsführung, die Entwicklung der Wirtschaftlichkeit sowie die Personalausstattung.
Geprüft wurden in den letzten fünf Jahren das Theater Lindenhof in Melchingen, das Theater Rampe in Stuttgart, das Freiburger Kinder- und Jugendtheater, das Theater „Die Tonne“ in Reutlingen, das Kammertheater in Karlsruhe und das Zimmertheater in Rottweil.
Die zwischen 2014 und 2018 vom Rechnungshof und den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern geprüften Kleintheater boten jährlich jeweils zwischen 170 und 430 Veranstaltungen an. Sie erreichten damit jeweils zwischen 10.000 und 77.000 Besucher. Ihr Ausgabenvolumen lag zwischen 0,4 und 2,6 Mio. Euro jährlich.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Rechtsform
Die Theater werden in unterschiedlichen Rechtsformen geführt. Am häufigsten handelt es sich um eingetragene Vereine, es bestehen aber auch Stiftungen des bürgerlichen Rechts und gemeinnützige Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Grundsätzlich sind all diese Rechtsformen geeignet, einen sachgerechten Theaterbetrieb sicherzustellen. Die Rechtsform einer Stiftung bürgerlichen Rechts schafft in besonderem Maße Stabilität und Kontinuität.
Als vorteilhaft hat sich erwiesen, wenn die Leitung des Vereins oder der Stiftung - wie bei den meisten Theatern - nicht von denselben Personen wahrgenommen wird, die für die künstlerische Leitung des Theaters zuständig sind. Die künstlerischen Leiter (Intendanten) sollten in der Regel Angestellte des Trägervereins bzw. der Stiftung sein. Dasselbe gilt für die verantwortlichen kaufmännischen Leiter.
2.2 Finanzierung
2.2.1 Eigene Einnahmen
Bei den geprüften Theatern bewegten sich die eigenen Einnahmen zwischen 7 Prozent und 80 Prozent der Gesamtausgaben.
Bei zwei geprüften Theatern lagen die Eigeneinnahmen unter 10 Prozent der Gesamtausgaben. Eine so niedrige Eigeneinnahmenquote kann auf Dauer keinen wirtschaftlichen Theaterbetrieb sicherstellen und widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip.
Die durchschnittlichen Einnahmen aus privatem Sponsoring und Spenden liegen zwischen 0,4 Prozent und 5 Prozent der Gesamtausgaben und sind bei allen geprüften Theatern noch steigerbar. Primäre Finanzierungsquelle für die Kleintheater sollten eigene Einnahmen des Theaters sein, vor allem aus Eintrittsgeldern einerseits und privatem Sponsoring andererseits.
Der Rechnungshof hält es für geboten, dass die geförderten Kleintheater mindestens 20 Prozent ihrer Gesamtausgaben selbst erwirtschaften.
2.2.2 Förderstruktur
Der Rechnungshof hält die Struktur und die Dotierung der Kleintheaterförderung in Baden-Württemberg für sachgerecht und angemessen.
Angesichts des regelmäßig örtlich begrenzten Wirkungskreises ist es gerechtfertigt, dass die öffentliche Förderung zu einem Drittel durch das Land und zu zwei Dritteln durch die Sitzkommune erfolgt.
Diese ausgewogene Förderstruktur führt zu einer berechenbaren institutionellen Förderung, die den Kleintheatern die notwendige Planungssicherheit gibt. Sie gewährleistet mit ihren strengen Anforderungen die Qualität des Theaterbetriebs und das notwendige kommunale Engagement. Gleichwohl gilt das Prinzip der Subsidiarität, d. h. alle anderen Möglichkeiten, Einnahmen zu erzielen und Ausgaben zu vermeiden, sind vorrangig zu realisieren.
Mit dem finanziellen Engagement der Sitzkommune ist regelmäßig auch eine intensive Begleitung durch die Sitzkommune verbunden. Bei einem der geprüften Theater erwies sich das Interesse der Sitzkommune an der Arbeit des Theaters als begrenzt.
Ein besonderer Finanzierungsschlüssel gilt für das Theater Lindenhof in Melchingen. Seine selbst gewählte und vom Land akzeptierte Aufgabenstellung reicht weit über die Sitzkommune hinaus und führt zu einem höheren Landeszuschuss.
Ein Problem bei der Bemessung des Verhältnisses zwischen kommunalem Zuschuss und Landeszuschuss sind die Ausgaben der Theater für die Anmietung von Gebäuden, die im Eigentum der Sitzkommune stehen. Hier besteht eine Neigung der Sitzkommunen, hohe Mieten zu erzielen, die sich bei der Kommune nur als durchlaufender Posten, beim Land jedoch zuwendungserhöhend auswirken. Das Land muss deshalb in allen Fällen darauf achten, dass die Miethöhe das ortsübliche Maß nicht übersteigt und den gemeinnützigen Zweck des Theaters hinreichend berücksichtigt. Es sollte vermieden werden, dass durch eine entsprechende Ausgestaltung der Miete das Verhältnis zwischen Landeszuschuss und kommunalem Zuschuss verzerrt wird.
2.3 Personal
Die Bezüge, die die Kleintheater ihren Mitarbeitern im Verwaltungs- und Technikbereich gewähren, sind bei allen geprüften Theatern regelmäßig angemessen. Das künstlerische Personal wird bei einigen Theatern in Anlehnung an die vom Deutschen Bühnenverein empfohlenen Mindestgagen vergütet. Im Vergleich zu größeren Häusern sind die Arbeitsbedingungen und die Verdienstmöglichkeiten an den Kleintheatern verhältnismäßig bescheiden.
Gleichwohl gilt für die Theater als Zuwendungsempfänger das sogenannte Besserstellungsverbot. Die Theater dürfen danach die Differenz zwischen den von ihnen bezahlten - bescheidenen - Gehältern zu den bei staatlichen Häusern üblichen Vergütungen nicht durch kreative Nebenleistungen kompensieren. Problematisch ist es beispielsweise, Fahrtkostenzuschüsse zu der Fahrt zur Arbeit, Urlaubsgutscheine oder Zuschüsse zu den privaten Kinderbetreuungskosten zu gewähren. Wenn es zur Bindung der Mitarbeiter an das Theater erforderlich sein sollte, müsste in diesen Fällen über eine Erhöhung der Grundvergütung verhandelt werden.
Bei einigen der geprüften Theater musste der Rechnungshof beanstanden, dass für die Dauerbeschäftigten keine Tätigkeitsbeschreibungen vorlagen und Nebentätigkeiten des Personals nicht vollständig dokumentiert waren.
2.4 Haushalts- und Wirtschaftsführung
Ein wichtiger Erfolgsfaktor für den ordnungsgemäßen Theaterbetrieb ist eine professionelle kaufmännische Leitung und eine ordnungsgemäße Finanzbuchhaltung. Dazu ist es erforderlich, dass der kaufmännische Bereich von dafür qualifizierten Mitarbeitern professionell betreut wird. Wenn das vorhandene Personal nicht ausreicht, um dies mit eigenen Kräften zu bewirken, muss auf externen Sachverstand zurückgegriffen werden.
In einem geprüften Fall führte die dauerhafte Vernachlässigung dieser Maximen dazu, dass den Verantwortlichen und den Zuwendungsgebern die bedrohliche wirtschaftliche Situation des Theaters über längere Zeit verborgen blieb. Der jetzt notwendige beträchtliche Sanierungsaufwand hätte bei professionellem Vorgehen vermieden werden können.
2.5 Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeitsreserven zeigten sich bei den geprüften Theatern unter anderem in den technischen Aufgabenbereichen. Der Rechnungshof hat in einigen Fällen vorgeschlagen, technische Aufgaben an externe Unternehmen auszulagern.
In einem Fall hätten sich hohe Kosten für Reinigungsleistungen durch eine öffentliche Ausschreibung vermeiden lassen.
Auf der Einnahmenseite musste der Rechnungshof eines der geprüften Theater darauf hinweisen, dass ein steigender Anteil an freien und ermäßigten Eintritten nicht geeignet ist, die angestrebte Eigeneinnahmenquote zu erreichen.
3 Empfehlungen
Die Kleintheater sollten qualifiziertes kaufmännisches Personal beschäftigen und die üblichen Standards ordnungsgemäßer Buchführung sicherstellen. Sie sollten die Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Sponsoring durch geeignete Maßnahmen erhöhen. Zudem sollten sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Ausgaben kontinuierlich überprüfen und wo möglich verbessern.
Die rechtlichen Vorgaben der Zuwendungsbescheide sind vollständig zu beachten. Um kritische wirtschaftliche Entwicklungen rechtzeitig erkennen zu können, müssen die Verwendungsnachweise noch sorgfältiger als in der Vergangenheit geprüft werden.
Das Wissenschaftsministerium sollte für die Kleintheater eine Mindestquote eigener Einnahmen von 20 Prozent festlegen. Soweit eigene Einnahmen in diesem Umfang noch nicht erzielt werden, sollte eine entsprechende Zielvereinbarung abgeschlossen werden.
Der Rechnungshof empfiehlt, die Förderbedingungen für Kleintheater künftig in einer Richtlinie zu regeln.
4 Stellungnahmen
Stellung genommen haben das Wissenschaftsministerium, die Stadt Stuttgart, die Stadt Reutlingen, das Kammertheater Karlsruhe, das Theater Rampe und das Theater „Die Tonne“.
Das Wissenschaftsministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass eine Eigeneinnahmenquote von unter 10 Prozent sehr niedrig ist. Das Ministerium werde in diesen Fällen auf eine Steigerung der Eigeneinnahmenquote hinwirken. Eine Mindestquote von 20 Prozent sei jedoch nicht für alle Kleintheater zu erreichen. Hier sei jeweils der konkrete Einzelfall zu betrachten, da die Kleintheaterszene hinsichtlich Programm, Größe und Standort sehr ausdifferenziert sei. Bei einem Intendantenwechsel könne sich die programmatische Ausrichtung des Theaters ändern. Stammpublikum, Sponsoren und Drittmittelgeber müssten oft neu gewonnen werden. Durch die Lage von Theatern im ländlichen Raum oder in Ballungszentren sei die Zuschauerzahl begrenzt oder die Konkurrenz durch größere Theater spürbar. Unterschiede gebe es auch bei den Eintrittspreisen und den Platzkapazitäten. Teilweise würden die Bühnen mit ihren Angeboten experimentieren, um sich sinnvoll zu positionieren.
Das Ministerium werde die Regierungspräsidien als Bewilligungsbehörden bitten, im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung auch die Eigeneinnahmenquote zu ermitteln und bei Bedarf mit Zielvorgaben darauf hinzuwirken, dass diese Quote mindestens bei 15 Prozent liegt. Sofern eine höhere Eigeneinnahmenquote erreicht wird, sollte diese beibehalten und nach Möglichkeit gesteigert werden.