Da eine durchgängige Kostenträgerrechnung fehlt, sind die Betriebsergebnisse der Hochschulambulanzen an den vier baden-württembergischen Universitätsklinika nicht valide ermittelbar. Der Rechnungshof empfiehlt eine höhere Transparenz und Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsergebnisse.
1 Ausgangslage
Der Versorgungsauftrag der vier baden-württembergischen Universitätsklinika umfasst im Kern die Maximalversorgung mit stationären Krankenhausleistungen. Die Versorgung mit ambulanten medizinischen Leistungen obliegt bei gesetzlich versicherten Patienten im Prinzip allein den kassenärztlichen Vereinigungen, also den niedergelassenen Ärzten (§ 75 Absatz 1 Sozialgesetzbuch V).
Nur ausnahmsweise sollen auch die Universitätsklinika ambulante medizinische Leistungen erbringen. Die bedeutendste Ausnahme ist die Hochschulambulanz, die ambulante Leistungen anbieten darf, soweit es für Zwecke von Forschung und Lehre erforderlich ist. Dazu kommen die Mitwirkung an der ambulanten Notfallversorgung (zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den kommunalen Krankenhäusern) und Leistungen, die aufgrund ihrer Komplexität nur in Universitätsklinika erbracht werden können. Weitere Ausnahmen sind aufgrund von Spezialermächtigungen möglich.
Nicht im Sozialgesetzbuch geregelt ist die Erbringung ambulanter Leistungen gegenüber Privatpatienten. Auch dazu sind die Universitätsklinika befugt.
85 Prozent der Patienten kommen aufgrund einer vorherigen Terminvereinbarung in die Hochschulambulanz, 15 Prozent nehmen diese als Notfallambulanz in Anspruch.
Landesweit erzielten die vier Universitätsklinika 2016 mit ihren medizinischen Leistungen Erlöse von 2,2 Mrd. Euro. Davon entfielen 554 Mio. Euro auf Entgelte für ambulante Leistungen. Das entsprach 25,4 Prozent der gesamten Erlöse. Dieser Anteil stieg mit der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden von Jahr zu Jahr.
Die Mehrzahl der Kliniken kommunaler Träger klagt über hohe Defizite ihrer Ambulanzen und fordert eine nachhaltige Erhöhung der Entgelte vor allem für die Behandlung von Notfallpatienten. Die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse der Ambulanzen an den Universitätsklinika sind wegen der höheren Pauschalen, die sie von den Krankenkassen erhalten, weniger problematisch, aber gleichwohl vielerorts defizitär. Andere Rechnungshöfe haben deshalb Kritik und Empfehlungen zu den Hochschulambulanzen ihrer Länder formuliert.
Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat die Hochschulambulanzen und die weiteren ambulant erbrachten Leistungen an den Universitätsklinika Ulm, Freiburg und Heidelberg erstmals im Jahr 2017 geprüft. Die Prüfung der ambulanten Leistungen am Universitätsklinikum Tübingen ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Prüfungsgegenstand waren die Ergebnisse der Jahre 2012 bis 2016.
2 Prüfungsergebnisse und Empfehlungen
2.1 Unzureichende Kostenrechnung in der Hochschulambulanz
Die Kosten- und Leistungsrechnung der vier Universitätsklinika bildet nicht alle Leistungssektoren ab. Es gibt an allen vier Standorten eine flächendeckende und belastbare Kostenstellenrechnung, eine standardisierte Kostenträgerrechnung bei stationären Leistungen, aber nur für einen kleinen Teil der ambulanten Leistungen eine Kostenträgerrechnung.
Es ist daher bis heute weder für die Leitung der Universitätsklinika noch für den Rechnungshof möglich, abschließend und zuverlässig zu beurteilen, welche Kosten den einzelnen Arten ambulant erbrachter Leistungen der Hochschulambulanzen gegenüberstehen und welche wirtschaftlichen Ergebnisse die Hochschulambulanzen in den einzelnen Disziplinen erzielen.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- zur Verbesserung der Steuerung die bestehende Kostenrechnung um eine belastbare Kostenträgerrechnung auch für den ambulanten Bereich zu ergänzen.
2.2 Erlöse der Hochschulambulanzen
Jede der vier Universitätsklinika hat für seine Hochschulambulanzen mehr oder weniger differenzierte Erlöspauschalen mit den Krankenkassen ausgehandelt. Rechtsgrundlage dafür ist § 120 Absatz 2 des Sozialgesetzbuchs V.
Den vereinbarten Pauschalen liegen in nahezu allen Fällen keine aktuellen Vollkostenkalkulationen zugrunde, obwohl dies vom Sozialgesetzbuch, dem Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie der Hochschulambulanz-Struktur-Vereinbarung vorausgesetzt wird. Vielmehr werden in der Praxis vor Jahren vereinbarte Pauschalen einfach nur anhand allgemeiner Kostensteigerungen fortgeschrieben.
Der Rechnungshof anerkennt, dass auf diese Weise der jährliche Verhandlungsaufwand zwischen Klinikleitung und Krankenkassen begrenzt wird. Er weist aber darauf hin, dass die bloße Fortschreibung früher vereinbarter Entgelte vor allem in innovativen Bereichen nicht ausreichend sicherstellt, dass Defizite in einzelnen Disziplinen vermieden werden, die dann aus Überschüssen im stationären Bereich oder aus staatlichen Zuschüssen für Forschung und Lehre gedeckt werden müssten.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- an der effizienten Abrechnung anhand von Pauschalen festzuhalten,
- den Verhandlungen mit den Krankenkassen jedoch jeweils aktuelle Vollkostenkalkulationen zugrunde zu legen und möglichst differenziert auf kostendeckende Entgelte hinzuwirken. Eine Quersubventionierung ambulanter Leistungen aus stationären Erlösen oder den Zuschüssen des Landes sollte vermieden werden. Falls keine Einigung mit den Krankenkassen auf dieser Basis zustande kommt, muss das gesetzlich vorgesehene Schiedsverfahren eingeleitet werden.
2.3 Vermeidbarer Aufwand durch Überschreitung der Hochschulambulanz-Obergrenzen
Der von den Krankenkassen zugestandene Umfang ambulanter Leistungen der Hochschulambulanzen schlägt sich an jedem Standort in einer mit den Krankenkassen vereinbarten Obergrenze für die Summe der abgerechneten Leistungen nieder. Entgelte, die für Leistungen jenseits dieser Obergrenze entrichtet werden, müssen im Folgejahr zurückerstattet werden.
Zuletzt wurde diese Obergrenze an allen vier Standorten Jahr für Jahr überschritten. Dies führt dazu, dass zum Jahresende hin ambulante Leistungen de facto unentgeltlich erbracht werden. Diese Leistungen erreichten im Jahr 2016 ein Volumen von landesweit 7,9 Mio. Euro.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die Obergrenzen für die Leistungen der Hochschulambulanzen realitätsnäher zu vereinbaren. Wenn die Krankenkassen erwarten, dass die Hochschulambulanzen Lücken im Angebot der kassenärztlichen Versorgung abdecken, müssen sie auch die sich daraus ergebenden Fallzahlen akzeptieren,
- bei gegebener Obergrenze durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die vereinbarten Fallzahlen eingehalten werden. Jenseits der vereinbarten Obergrenze hat das Universitätsklinikum nach dem Sozialgesetzbuch außer in echten Notfällen keinen Versorgungsauftrag.
Die dafür notwendige Patientensteuerung kann - wie Best-Practice-Beispiele an einzelnen Standorten zeigen - dadurch erfolgen, dass
- bei der Terminvergabe an Patienten, die der Hochschulambulanz überwiesen werden, schon während des laufenden Jahres die drohende Obergrenzenüberschreitung beachtet wird,
- durch eine auch räumlich enge Zusammenarbeit mit der kassenärztlichen Notfallpraxis die Zahl der in der Hochschulambulanz zu behandelnden Notfälle reduziert wird, ohne dass die Versorgungsqualität der Patienten leidet.
Bewährt hat sich an mehreren Standorten auch ein System, das die Wartezeiten der Notfallpatienten nach medizinischer Dringlichkeit steuert und für einen gleichmäßigeren Einsatz des in der Hochschulambulanz vorgehaltenen Personals sorgt (Triagesystem).
Die von den Klinika vorgelegten Statistiken und eigene Auswertungen des Rechnungshofs haben ergeben, dass die meisten Notfallpatienten an Werktagen zwischen 8 und 16 Uhr in die Hochschulambulanz kommen und eher alltägliche Beschwerden haben, die ohne Weiteres von niedergelassenen Ärzten behandelt werden können.
2.4 Potenziale bei ambulanten Operationen
Die Universitätsklinika werden von den Krankenkassen nach § 115 b Absatz 1 Sozialgesetzbuch V ermächtigt, auch bestimmte ambulante Operationen vorzunehmen und mit den Krankenkassen abzurechnen. Die Abrechnung erfolgt in diesen Fällen in Anlehnung an die von den niedergelassenen Ärzten erhobenen Entgelte. Diese decken die in den Universitätsklinika bei ambulanten Operationen entstehenden Kosten in der Regel nicht.
Der Rechnungshof hat die Klinika gebeten, für typische ambulante Operationen (z. B. Mandelentfernung) eine Kalkulation vorzulegen, die speziell für die Prüfung des Rechnungshofs erstellt wurde. Außerdem hat der Rechnungshof die durchschnittlichen Erlöse bei diesen Operationen sowie die Schnitt-, Naht- und Rüstzeiten verglichen.
Durch diesen Vergleich hat sich ergeben, dass an drei Standorten ungenutzte Potenziale bei der Erhebung der Entgelte bestehen und an allen vier Standorten Kostensenkungspotenziale festzustellen sind. Bei Umsetzung der Hinweise des Rechnungshofs ergeben sich landesweit Möglichkeiten zur Ergebnisverbesserung in Höhe von 1,5 Mio. Euro.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die bei der Prüfung aufgedeckten Verbesserungspotenziale zügig umzusetzen und
- aus wirtschaftlichen Gründen auf ambulante Operationen zu verzichten, die in der gleichen Qualität und zu niedrigeren Preisen von niedergelassenen Ärzten vorgenommen werden können.
Das Argument, ambulante Operationen an Universitätsklinika seien für Zwecke der Lehre und der Weiterbildung unabdingbar erforderlich, wird durch die wachsende Zahl von Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten in sogenannten Lehrpraxen (landesweit mehr als 600) widerlegt.
2.5 Prüfung der Privatambulanzen
Neben der ambulanten Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten aufgrund von Spezialermächtigungen und in der Hochschulambulanz dürfen die Universitätsklinika ambulante Leistungen auch an Privatpatienten erbringen. Je nach Ausgestaltung der Chefarztverträge fließen die dabei erhobenen Entgelte entweder an den Chefarzt selbst oder (bei neueren Verträgen) an das Universitätsklinikum. Wenn der Chefarzt selbst liquidationsberechtigt ist, muss er für die Inanspruchnahme von Personal, Material und Infrastruktur Nutzungsentgelte an das Klinikum entrichten.
Die vier Universitätsklinika erzielen aus Entgelten privat versicherter Patienten und aus den Nutzungsentgelten für ambulante Behandlungen landesweit einen Umsatz von 128 Mio. Euro.
Der Rechnungshof hat überprüft, ob die Innenrevisionen der Universitätsklinika die korrekte und vollständige Abrechnung der Nutzungsentgelte regelmäßig kontrollieren, und hat sich die dabei angewendete Prüfungsstrategie darlegen lassen. Ein Thema der Prüfung war auch die Sicherung der Entgeltanteile der Klinika im Falle von bar zahlenden Patienten.
Beanstandungen ergaben sich in diesem Bereich nur vereinzelt. Nicht akzeptiert hat der Rechnungshof die an einem Universitätsklinikum vorgefundene Praxis, dass Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die gegenüber gesetzlich versicherten Patienten erbracht wurden, nicht vom Klinikum, sondern vom jeweiligen Chefarzt liquidiert wurden.
Der Rechnungshof empfiehlt,
- die Abrechnung von ambulanten Leistungen gegenüber Privatpatienten und die dabei fällige Zahlung von Nutzungsentgelten mit der gebotenen Frequenz durch die Innenrevisionen der Klinika prüfen zu lassen.
3 Stellungnahme des Ministeriums
Das Wissenschaftsministerium räumt ein, dass keine umfassende Kostenträgerrechnung existiert. Eine Kostenträgerrechnung würde wegen der dafür erforderlichen administrativen Tätigkeiten zu erheblichen zusätzlichen Kosten führen, denen im Gegensatz zur stationären InEK-Kalkulation (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus-Kalkulation) keine externe Vergütung gegenüberstehe. Die Universitätsklinika würden jedoch prüfen, ob die Anregung des Rechnungshofs, eine Kostenträgerrechnung für ambulante Leistungen einzuführen, zumindest punktuell aufgegriffen werden soll.
Das Ministerium stimmt dem Rechnungshof zu, dass bei den Krankenkassen in künftigen Verhandlungen kostendeckende Entgelte erreicht werden müssen. Hierfür sollten die Universitätsklinika alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen. Eine Quersubventionierung ambulanter Leistungen aus Zuschüssen für Forschung und Lehre finde nicht statt.
Für die Universitätsklinika bestehe nach § 117 Absatz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch V ein eigener Versorgungsauftrag, der sich aus den Bedürfnissen von Forschung und Lehre ergebe. Nur im Falle des § 117 Absatz 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch V bestehe ein subsidiäres Verhältnis zu den Leistungen der Kassenärztlichen Vereinigung (nach Überweisung durch einen Facharzt). Das Ministerium schließt sich der Auffassung der Universitätsklinika an, dass es vielfach nicht möglich sei, Patienten abzuweisen. Gleichwohl sollten die Möglichkeiten einer Reduzierung der Fallzahlen geprüft werden. Das Ministerium unterstützt die Universitätsklinika nach Möglichkeit bei der Umsetzung von Konzepten, zum Beispiel bei der Verortung der allgemeinen Notfallpraxis am Universitätsklinika.
Das Ministerium teilt die Meinung der Universitätsklinika, dass ambulante Operationen an den Hochschulambulanzen zu Zwecken von Forschung und Lehre sowie der Weiterbildung notwendig sind. Gleichwohl erachtet es das Ministerium für richtig, dass die Universitätsklinika den Austausch suchen, um mögliche Verbesserungspotenziale und Best-Practice-Beispiele zu ermitteln und umzusetzen.
Hinsichtlich der Prüfung der Privatambulanzen schließt sich das Ministerium der Auffassung des Rechnungshofs an.