1 Ausgangslage
Der Bund stellt den Ländern nach dem Entflechtungsgesetz Mittel zur „Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden“ zur Verfügung. Baden-Württemberg erhält jährlich 165 Mio. Euro. Mit diesen Mitteln werden anteilig Vorhaben des kommunalen Straßenbaus gefördert.
Der Rechnungshof hatte das Thema „Festbetragsfinanzierung“ mehrfach in Denkschriftbeiträgen aufgegriffen. Nach Erfahrung des Rechnungshofs wird mit der Festbetragsfinanzierung bei der Schlussverwendungsprüfung eine wesentliche Verwaltungsvereinfachung erreicht. Im März 2016 wurden die Förderbedingungen aktualisiert. Nach der Verwaltungsvorschrift zum Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (VwV-LGVFG) können Vorhaben des kommunalen Straßenbaus mit bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben im Wege der Festbetragsfinanzierung gefördert werden.
Bei der Festbetragsfinanzierung wird der Förderbetrag auch dann nicht geändert, wenn bei der Abrechnung des Vorhabens die zuwendungsfähigen Ausgaben über- oder unterschritten werden. Die Bewilligungsstelle muss daher sorgfältige Antragsprüfungen durchführen, um Überschreitungen zulasten des Landes zu vermeiden. Der zeitliche Aufwand einer Antragsbearbeitung liegt also vor der Bewilligung des Förderantrags. Der Antragsteller wiederum muss genaue Kostenermittlungen vorlegen, da Nachträge ausgeschlossen sind.
Der Rechnungshof untersuchte die praktische Umsetzung der Festbetragsfinanzierung in allen vier Regierungsbezirken. In die Prüfung waren 27 Vorhaben einbezogen, die seit 2016 bewilligt und bereits abgerechnet wurden.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Abstimmungen bei der Antragsprüfung sind teilweise zeitaufwendig
Die Prüfung der eingereichten Förderanträge durch die Bewilligungsstellen umfasst mehrere Bearbeitungsschritte. Dabei werden die Förderfähigkeit des Vorhabens festgestellt und eine fachtechnische Prüfung durchgeführt. Bei der fachtechnischen Prüfung werden die zuwendungsfähigen bzw. nicht zuwendungsfähigen Förderbestandteile sowie die zuwendungsfähigen Ausgaben festgestellt. Dies erfordert hohe Sorgfalt in der Bearbeitung, um die Festbetragsförderung zahlenmäßig abzusichern.
Die Bewilligungsstellen müssen dafür die der Kostenermittlung (-schätzung) des Antragstellers zugrunde liegenden Preise als marktgerecht oder überzogen erkennen und gegebenenfalls korrigieren. Für einige Förderbestandteile können Pauschalbeträge herangezogen werden, z. B. für kleine Brücken. Anhand der festgesetzten zuwendungsfähigen Ausgaben und dem anzuwendenden Fördersatz von bis zu 50 Prozent wird der Festbetrag ermittelt.
Die Prüfung machte deutlich, dass die für die Zuwendungsprüfung zuständigen Personen in den Regierungspräsidien für eine Reihe von Fördertatbeständen den Sachverstand anderer Referate zuziehen müssen. Hierzu gehören beispielsweise Ingenieurbauwerke wie Tunnel und Brücken oder Lärmschutzwände und Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen. Die Prüfung von Antragsunterlagen zu solchen Fördervorhaben verursacht einen beträchtlichen Verwaltungsaufwand und kostet über die verschiedenen Prüfstationen hinweg entsprechend viel Zeit. Sie ist aber zwingend notwendig, um eine belastbare Grundlage für die Bemessung der Festbetragsfinanzierung zu erhalten.
Bei der Zuwendungsbearbeitung entsteht daher ein Spannungsfeld, einerseits „Überfinanzierung“ zu riskieren, andererseits eine zeitaufwendige fachtechnische Prüfung durchzuführen, falls erforderlich unter Zuhilfenahme Dritter.
Beispiel: Technische Sicherung des Bahnübergangs Waldstraße in Ettlingen, Regierungsbezirk Karlsruhe
Der Bahnübergang ist Teil einer wichtigen Fuß- und Radwegverbindung zur Ettlinger Innenstadt und nach Bad Herrenalb. Die Sichtweiten am Übergang entsprachen nicht den Mindestanforderungen. Der Bahnübergang musste durch den Einbau von Lichtzeichen und Schranken gesichert werden. Der Förderantrag der Stadt Ettlingen wurde am 20. August 2015 mit 111.650 Euro zuwendungsfähigen Ausgaben und einer Zuwendung von 55.800 Euro bewilligt. Die Prüfung des Schlussverwendungsnachweises ergab, dass sich die zuwendungsfähigen Ausgaben mit 55.200 Euro gegenüber dem Förderantrag in etwa halbierten und sogar unter der bewilligten Zuwendung lagen.
2.2 Förderanträge zeigen vereinzelt großzügig veranschlagte Kosten
Die Antragsteller richten ihre Kostenermittlungen (-schätzungen) so aus, dass Nachfinanzierungen in der Regel nicht auftreten. Zu vermuten ist daher, dass die Antragsteller Sicherheitsmargen in ihre Kostenansätze aufnehmen und die beauftragten Ingenieurbüros die Kosten eher hoch veranschlagen, auch um Regress-Forderungen des Zuwendungsempfängers bei später womöglich steigenden Projektkosten (nicht Indexsteigerungen) zu vermeiden.
Die Kostenberechnungen der Antragsteller sind daher von den Bewilligungsstellen mit Erfahrungswerten abzugleichen. Kostenrichtwerte sind meist nicht oder allenfalls in Form der anzuwendenden Förderpauschalen vorhanden. Die „korrekten“ Kosten zu erheben ist auch wegen deutlicher saisonaler Preisschwankungen oder sich auf die Preisbildung auswirkender lokaler bzw. regionaler Besonderheiten schwierig.
Die Bewilligungsstellen bewegen sich bei der Antragsprüfung auf einem schmalen Grat. Selbst bei zeitaufwendigster und sorgfältigster Antragsprüfung bleiben Unsicherheiten beim Kostenanschlag bestehen.
Zwei Regierungspräsidien sind in einigen Fällen dazu übergegangen, die Ausschreibungsergebnisse für die Bewilligung zugrunde zu legen. Die Ausschreibungsergebnisse beziehen sich auf die Hauptleistung eines Vorhabens. Grunderwerbskosten sowie Kosten für Kompensationsmaßnahmen und die Ausstattung der Straße kommen hinzu. Zum Teil umfangreiche Begutachtungen und Wertungen der Kostenberechnungen (-schätzungen) entfallen. Dies ist in der geltenden VwV-LGVFG jedoch nicht vorgesehen.
Beispiel: Bau eines Kreisverkehres im Zuge der Neugestaltung des Marktplatzes in Schwenningen, Regierungsbezirk Freiburg
Mit der Aufwertung des Innenstadtbereiches in Schwenningen sollte die Kreuzung „Auf der Lehr/Marktstraße“ zu einem Kreisverkehr umgebaut werden. Im Juli 2017 erhielt das Regierungspräsidium den Förderantrag mit zuwendungsfähigen Ausgaben von 1.597.220 Euro. Bei der Antragsprüfung ergaben sich für die Bewilligungsstelle Probleme bei der Bemessung der zuwendungsfähigen Ausgaben. Mit der Stadt Villingen-Schwenningen wurde vereinbart, das Ergebnis der Ausschreibung abzuwarten. Am 23. Oktober 2017 wurde dem Regierungspräsidium das Angebot des günstigsten Bieters übersandt. Anhand dessen wurden die zuwendungsfähigen Ausgaben auf 1.016.000 Euro festgesetzt, also rund ein Drittel geringer als beantragt. Am 21. November 2017 wurde die Bewilligung über eine Zuwendung von 508.000 Euro erteilt. Der Zuschlag seitens der Stadt an das Unternehmen erfolgte am 13. Dezember 2017.
2.3 Regelungslücke zur Mitteilungspflicht in den Fördervorschriften
Für den Zuwendungsempfänger besteht zwischen der Antragstellung und der Antragsprüfung bis hin zur Bewilligung keine Mitteilungspflicht, da die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften erst mit dem Bewilligungsbescheid verpflichtend gelten. Deshalb muss ein Zuwendungsempfänger der Bewilligungsstelle Kostenveränderungen, beispielsweise geringere Baukosten infolge der Ausschreibung, derzeit nicht mitteilen.
Beispiel: Ausbau der K 7414 zwischen Schlechtenfeld und des Einmündungsbereiches Weiherstraße in Ehingen, Regierungsbezirk Tübingen
Der Alb-Donau-Kreis schrieb den Ausbau der Kreisstraße vor der Bewilligung aus, da der Vergabevorschlag vom Kreistag beschlossen werden musste. Die Submission war am 23. Oktober 2014. Seitdem war dem Landkreis bekannt, dass die bei der Antragstellung eingereichte Kostenermittlung deutlich unterschritten wurde. Der Bewilligungsbescheid erging am 19. November 2014. Der Zuwendungsempfänger informierte das Regierungspräsidium vorab nicht über die Ausschreibungsergebnisse. Das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Tübingen stellte bei der Prüfung des Vorhabens fest, dass die zuwendungsfähigen Ausgaben auf Grundlage der Ausschreibungsergebnisse 260.000 Euro unter den beantragten lagen. Die Förderung wurde damit um 130.000 Euro zu hoch bewilligt.
3 Empfehlungen
3.1 Auf der Grundlage von Ausschreibungsergebnissen bewilligen
Die VwV-LGVFG sollte im Falle von Festbetragsfinanzierungen dahingehend überarbeitet werden, dass die Fördersumme auf Grundlage von Ausschreibungsergebnissen ermittelt und die Bewilligung auf dieser Grundlage erfolgt.
Der Rechnungshof hält eine weitere Verwaltungsvereinfachung bei der Festbetragsförderung für realisierbar. Aus zwei Regierungspräsidien liegen hierzu praktische Erfahrungen vor. Für alle Beteiligte bedeutet dies ein deutlich höheres Maß an Finanzierungssicherheit.
Werden Ausschreibungsergebnisse herangezogen, erübrigt sich eine Mitteilung der Zuwendungsempfänger, dass sich die Kosten zwischen Förderantrag und Ausschreibung geändert haben. Eine Regelungslücke bestünde dann nicht mehr.
3.2 Ablauf des Förderverfahrens anpassen
Bei der Festbetragsförderung anhand von Ausschreibungsergebnissen müssten die Abläufe des Förderverfahrens modifiziert werden. Unberührt davon bleibt die Antragstellung zur Aufnahme eines Vorhabens in das Förderprogramm. Ebenso bestimmt die Bewilligungsstelle bei der Antragsprüfung wie bisher die Priorisierung von Vorhaben.
Der Antragsteller braucht Rechts- und Finanzierungssicherheit für die Ausschreibung. Die Förderung sollte daher in dem bei der Antragsprüfung festgestellten Umfang der zuwendungsfähigen Ausgaben in einem vorläufigen Verwaltungsakt bewilligt werden. Die abschließende Festlegung des Zuwendungsbetrags erfolgt dann im endgültigen Bewilligungsbescheid auf Basis der Ausschreibungsergebnisse.
Weil Ausschreibungsergebnisse herangezogen werden, um den Festbetrag zu ermitteln, ist die Zuschlagsfrist, innerhalb der der Zuwendungsempfänger über den Zuschlag zu entscheiden hat, zu beachten. Die Erfahrungen bei zwei Regierungspräsidien zeigen, dass die Förderanträge in der üblichen Zuschlags- und Bindefrist von 30 Kalendertagen bearbeitet werden konnten.
Für die Verwendungsprüfung ist dann nur noch die ordnungsgemäße Durchführung des Vorhabens vom Zuwendungsempfänger zu bestätigen und ein zahlenmäßiger Nachweis vorzulegen, damit die Bewilligungsstellen prüfen können, ob die Fördervoraussetzungen erfüllt und eingehalten wurden.
Die VwV-LGVFG sollte entsprechend überarbeitet werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr legt dar, dass eine generelle Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs im Vollzug bei den Regierungspräsidien zu einem erheblichen Mehraufwand und hohem zeitlichen Bearbeitungsdruck führen würde. Da eine Vielzahl von Fördervorhaben in mehreren Losen ausgeschrieben und vergeben werde, würden sich regelmäßig mehrere Bearbeitungsschritte ergeben. Zudem könnten sich vergaberechtliche Probleme, die bisher beim Antragsteller verblieben, auf die Bearbeitung der Regierungspräsidien auswirken. Die angestrebte Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Regierungspräsidien würde damit nicht erreicht.
Das Ministerium werde jedoch im Rahmen der geltenden Regelungen und bei einzelnen Leistungspositionen von fachlich sowie zeitlich geeigneten Projekten auf das bewertete Ergebnis der Ausschreibung zurückgreifen. Dies entspräche dem derzeitigen Verwaltungshandeln bei streitigen Fällen. Den Vorschlag des Rechnungshofs zur Einführung einer Mitteilungspflicht der Antragsteller bei Kostenveränderungen und Vorlage von Ausschreibungsergebnissen in der Zeitphase zwischen Antragstellung und Bewilligung, werde das Ministerium umsetzen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die Festbetragsförderung auf der Basis von Ausschreibungsergebnissen zu Verwaltungsvereinfachungen führt. Nicht nachvollziehbar ist, wie sich die allein vom Antragsteller zu lösenden vergaberechtlichen Probleme auf die Bearbeitungsschritte der Regierungspräsidien als Bewilligungsstellen auswirken sollen. Immerhin kann nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) die Zuschlags- und Bindefrist in begründeten Fällen verlängert werden.
Unverständlich bleibt auch, weshalb trotz des vom Ministerium dargelegten erheblichen Mehraufwands bisher schon zwei Regierungspräsidien bei bis zu einem Viertel ihrer Fördervorhaben die vom Rechnungshof angeregte Festbetragsermittlung praktizieren.
Ferner hat das Ministerium dem Rechnungshof 2017 zu einem komplexen Fördervorhaben des Schienenpersonennahverkehrs mitgeteilt, dass aus verfahrensökonomischen Gründen viel für eine Festbetragsförderung auf der Basis von Ausschreibungsergebnissen spreche. Es stellte eine Evaluation der Verwaltungsvorschrift und ein Musterverfahren in Aussicht. Beim konkreten Fördervorhaben berücksichtigte das Ministerium die vorliegenden Ausschreibungsergebnisse bei seiner Bewilligung. Eine einheitliche Linie des Ministeriums, ob Ausschreibungsergebnisse zur Ermittlung des Festbetrags herangezogen werden, gibt es nicht.