Sonderförderprogramme des Verkehrsministeriums [Beitrag Nr. 17]

Das Land sollte Modellvorhaben des öffentlichen Personennahverkehrs nur fördern, wenn sie innovativ und wegweisend sind. Die Regelungen des Zuwendungsrechts sind dabei einzuhalten. Mitnahmeeffekte sollten vermieden werden.

1 Ausgangslage

Das Verkehrsministerium hat seit 2015 fünf Sonderförderprogramme aufgelegt: Vorhaben zum barrierefreien Ausbau von Bushaltepunkten, die Einrichtung von Regiobuslinien, das Neubürgermarketing, Bürgerrufautos und Modelle des innovativen öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum.

Die Sonderprogramme haben unterschiedliche Laufzeiten, teilweise enden sie erst 2019. Das Fördervolumen der einzelnen Programme beträgt zwischen 1,7 Mio. Euro und 5 Mio. Euro. Die Sonderförderprogramme waren teilweise als Modellvorhaben mit Anreizfunktion oder als befristete Förderung angelegt. Die Förderkonditionen und Modalitäten waren auf die jeweiligen Förderzwecke sowie Förderzeiträume zugeschnitten.

Die mit den Sonderförderprogrammen verfolgten Ziele reichten von baulichen Verbesserungen über ausgeweitete oder neu aufgebaute Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr bis zu Mobilitätsinformationen. Gemeinsam ist allen Sonderförderprogrammen, dass sie neue oder zusätzliche Angebote schaffen sollen, um mehr Fahrgäste für den öffentlichen Personennahverkehr und den Umweltverbund zu gewinnen.

Der Rechnungshof hat geprüft, ob das Verkehrsministerium bei den Sonderförderprogrammen die Vorgaben des Zuwendungsrechts eingehalten hat.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Anreizförderung wird zum reinen Mitnahmeeffekt

Einige der geprüften Sonderförderprogramme weisen nicht den Charakter von Modellvorhaben auf, da sie bereits vorhandene Planungen der Vorhabenträger aufgreifen. Dadurch treten in großem Umfang Mitnahmeeffekte auf. Es wird mit den Programmen dann keine neue Idee ausgetestet oder Bestehendes innovativ weiterentwickelt.

Beispiel: Neubürgermarketing - Nachhaltige Mobilität bewegt Neubürgerinnen und Neubürger

Die Förderung begann 2015 und sollte 2018 enden. Für die vier Jahre standen 1,8 Mio. Euro zur Verfügung. Die Förderung war laut den Fördergrundsätzen des Verkehrsministeriums als „Anreizförderung“ angelegt, um Kommunen, Verkehrsunternehmen und Verbünde dabei zu unterstützen, Neubürger-Unterlagen zu entwickeln oder vorhandene zu erweitern. Die Antragsteller der ersten Bewilligungsrunde von 2015 bauten alle auf vorhandenen Informationsmaterialien auf. Die meisten der geförderten Ausweitungen bestanden darin, das in Papierform bereits vorhandene Material künftig digital bereit zu stellen. Die Förderung bietet den potenziellen Antragstellern keinen initialen Anreiz. Die Maßnahme hat keinen Modellcharakter. Einer zusätzlichen Förderung des Landes bedurfte es nicht.

Von den verfügbaren 1,8 Mio. Euro des Förderprogramms wurde nur etwa ein Drittel in Anspruch genommen.

Mit den Sonderförderprogrammen werden ferner vielfach Aufgaben gefördert, welche die Antragsteller auch ohne Förderung erledigen oder aufgrund ihrer Nahverkehrspläne innerhalb eines definierten Zeitrahmens ohnehin in eigener Zuständigkeit umsetzen müssten. Die Antragsteller wissen selbst, wo es in einer Zeit mit sich rasant entwickelnden digitalen Medien Potenziale für Fahrgastzuwächse gibt und stellen sich entsprechend auf.

Hinzu kommt, dass angesichts knapp gesetzter Antragsfristen und des „Windhundverfahrens“ nur solche Antragsteller zum Zuge kommen konnten, die bereits fertige Planungen in der Schublade hatten.

Beispiel: Innovativer öffentlicher Personennahverkehr im ländlichen Raum

Das Ministerium schrieb im Mai 2015 die Modellvorhaben aus. Es standen 1,7 Mio. Euro zur Verfügung, ein Projekt konnte mit maximal 850.000 Euro gefördert werden. Im März 2016 erhielt der Landkreis Göppingen eine Zuwendung von 784.000 Euro. Sein Konzept sah im Wesentlichen den Ausbau der vorhandenen flexiblen Verkehrsangebote (u. a. Einsatz von Rufbussen in verkehrsschwachen Zeiten) vor. Als weiterer Bewerber wurde der Landkreis Calw im September 2016 mit 850.000 Euro gefördert. Der Landkreis strebte an, die Verkehrsangebote auf kleinere Gemeinden und Ortsteile auszuweiten und sie über die aufzubauende Dispositionszentrale bedarfsgerecht zu steuern.

Beide Landkreise hatten für die Umsetzung ihrer Nahverkehrspläne bereits Überlegungen angestellt und einzelne Module konzeptionell vorbereitet. Sie konnten ohne größeren Aufwand an der Ausschreibung teilnehmen. So wird im Förderantrag des Landkreises Göppingen ausgeführt, dass „sich die Ansätze der Förderung des Modellprojekts vollständig mit den bereits im Landkreis entwickelten Vorstellungen treffen“.

2.2 Evaluierungen während der Laufzeit der Sonderförderprogramme fehlen

Die Förderbedingungen der Modellvorhaben lassen in Verbindung mit teilweise mehrjährigen Laufzeiten keine zielorientierten Nachjustierungen zu. Die Vorhaben werden nicht in regelmäßigen zeitlichen Abständen aktiv durch die Bewilligungsstelle evaluiert.

Hinzu kommt, dass durch IT- Entwicklungen Module für bedarfsorientierte öffentliche Personenverkehre im Verlauf des Modellvorhabens unter Umständen anzupassen sind. So sieht das Modellprojekt „Innovativer öffentlicher Personennahverkehr im ländlichen Raum“ vor, dass Verkehre wie Bus, Taxi, Car-Sharing und soziale Fahrdienste zu vernetzen und anzubieten sind. In den Modellprojekten sind dafür Mobilitäts- bzw. Dispositionszentralen vorgesehen. Ungeachtet der wichtigen persönlichen Beratung könnten aber einige Fahrtbuchungen ausschließlich über inzwischen verfügbare Apps erfolgen.

Mit einer Zwischenevaluierung könnten sowohl der Vorhabenträger als auch die Bewilligungsstelle den Ablauf des Modellvorhabens prozessbegleitend in regelmäßigen Abständen bewerten. Die Bewilligungsstelle hätte mit einer prozessbegleitenden Evaluierung gerade bei einem Modellvorhaben einen großen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum, das laufende Vorhaben anzupassen und zu modifizieren.

Beispielsweise wurde beim Förderprogramm „Neubürgermarketing“, bei dem die Nachfrage hinter den Erwartungen zurückblieb und das Budget nicht ausgeschöpft wurde, wegen fehlender Zwischenevaluierungen nicht zügig reagiert. Das Förderprogramm hätte ansonsten früher beendet werden können.

Auch bei Förderprogrammen, die fortgeführt werden sollen, wären Zwischenberichte und ihre gezielte Auswertung ein Gradmesser dafür, welche Förderkonditionen bei Bedarf modifiziert werden müssten.

Beispiel: Regiobuslinien zur Anbindung von Mittel- und Unterzentren an den öffentlichen Schienenpersonennahverkehr

Mit den Regiobuslinien wird ein öffentlicher Personennahverkehr zwischen Mittelzentren und Unterzentren angeboten, die nicht an die Schiene angebunden sind. In das Förderprogramm wurden sieben Regiobuslinien der Landkreise und zwei des Verbands Region Stuttgart aufgenommen. Die ersten Regiobuslinien nahmen zum Winterfahrplan 2015/2016 den Betrieb auf. Der Förderzeitraum liegt zwischen drei und fünf Jahren. Der Landeszuschuss beträgt 50 Prozent des entstehenden Betriebskostendefizits.

Die Fahrgeldeinnahmen der Linien sind für die Fehlbedarfsermittlung gemäß Pflichtenheft zu erheben. Für die Vorhabenträger sind die Erhebungen zeitaufwendig und mit teilweise erheblichen Kosten verbunden. Die ersten Fahrgasterhebungen zeigten, dass beispielsweise im ländlichen Raum in Tagesrandlagen und an Wochenenden die Auslastung der Busse gering ist und einzelne Kurse nur von wenigen Fahrgästen genutzt werden. Dies rechtfertigt nicht immer das Festhalten am Regelfahrplan. Die strikten Förderkonditionen wären daher für einzelne Regiobuslinien schon während des Modellversuchs zu überdenken.

2.3 Erfolgskontrollen fehlen

Bei allen Sonderförderprogrammen fehlt die nach der Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Landeshaushaltsordnung vorgegebene Erfolgskontrolle. Kriterien oder Kennzahlen, wie sie gefordert werden, gibt es in den Bewilligungsbescheiden nicht. Die Vorhabenträger werden lediglich verpflichtet, nach Abschluss der Förderung im Rahmen des Verwendungsnachweises einen Sachbericht vorzulegen. Für die Vorhabenträger besteht keinerlei Verpflichtung, konkrete Ziele mit der Förderung zu erreichen.

Gerade bei modellhaften Förderprogrammen wäre es aber dringend notwendig gewesen, überprüfbare Ziele vorab festzulegen. Damit wäre ein Soll-Ist-Abgleich zwischen den ambitionierten Projektplanungen und dem tatsächlich Erreichten möglich geworden. Aufgrund der eventuell festgestellten Abweichungen hätten Schlussfolgerungen für neue Projekte gezogen werden können.

3 Empfehlungen

3.1 Modellcharakter beachten

Die geförderten Modellprojekte sollten innovativ und wegweisend sein. Mitnahmeeffekte sind durch entsprechende Förderbestimmungen auszuschließen.

3.2 Evaluierungen aktiv und regelmäßig durchführen

Der aktiven und regelmäßigen Evaluierung kommt eine besondere Bedeutung zu, da dadurch wichtige Erkenntnisse über die Abläufe und die Akzeptanz eines Modellprojekts zu gewinnen sind.

Das Verkehrsministerium sollte deshalb die von den Vorhabenträgern erbetenen Berichte systematisch auswerten. Wir empfehlen, Zwischenberichte einzufordern, um flexibel und bedarfsgerecht die Förderbestimmungen rasch nachsteuern zu können.

Außerdem wird angesichts des rasanten Wandels der digitalen Medien angeregt, abhängig von der Laufzeit von Modellprojekten Zwischenberichte zu verlangen.

3.3 Erfolgskontrolle bei der Förderung einhalten

Auch bei relativ kleinen Sonderförderprogrammen mit Modellcharakter ist die nach der Landeshaushaltsordnung vorgegebene Erfolgskontrolle in alle Bewilligungsbescheide aufzunehmen. Eine „Förderung light“, freigestellt von den Vorgaben der Landeshaushaltsordnung, gibt es nicht.

Dem Zuwendungsempfänger sind klare Ziele vorzugeben, die mit dem geförderten Vorhaben zu erreichen sind. Die Bewilligungsstelle wiederum muss anhand der messbaren, zählbaren oder qualitativen Kennzahlen überprüfen, ob der gewünschte Erfolg tatsächlich eingetreten ist und welche Gründe es gegebenenfalls für Abweichungen gibt.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Verkehr führt aus, dass Laufzeiten von Modellprojekten nicht verkürzt werden sollten, da die Projekte ansonsten am Markt nicht ausreichend erprobt werden könnten. Außerdem wäre die Einbettung in längerlebige Plattformen (z. B. Elektronische Fahrplanauskunft EFA-BW) nicht leistbar. Deshalb müssten sich die IT-Lösungen auch daran orientieren und nicht nur an schnelllebigen technischen Trends.

Das Ministerium sagt zu, dass es bei noch laufenden und künftigen Sonderförderprogrammen verstärkt darauf achten werde, dass mit einer Anreizfinanzierung neue Aktivitäten und Impulse ausgelöst bzw. Bestehendes innovativ weiterentwickelt werde. Bezüglich der Evaluation werde das Ministerium in länger laufenden Modellprojekten Zwischenberichte einfordern und systematisch auswerten, um bei Bedarf fördertechnisch nachsteuern zu können. Ebenso werde die Erfolgskontrolle, soweit nicht schon bisher enthalten, in neue Bewilligungen aufgenommen. Um den Erfolg messen zu können, werden qualitative und quantitative Kennzahlen, die Soll-Ist-Vergleiche zulassen, definiert und entsprechend verwendet.