1 Ausgangslage
1.1 Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen als Sonderausgaben
Beiträge an berufsständische Versorgungseinrichtungen sind einkommensteuerlich als Sonderausgaben abzugsfähig. Berufsständische Versorgungseinrichtungen gewähren den Angehörigen kammerfähiger Berufe und ihren Hinterbliebenen Versorgungsleistungen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Mitglieder selbstständig oder nichtselbstständig sind. 2015 hatte die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen bundesweit 89 Mitgliedseinrichtungen mit über 820.000 Mitgliedern. Insgesamt wurden 2015 knapp 9 Mrd. Euro Beiträge geleistet.
Für die nichtselbstständigen Mitglieder haben ihre Arbeitgeber seit 2009 die zur Beitragserhebung notwendigen Daten monatlich an die berufsständischen Versorgungseinrichtungen zu übermitteln. Ein gemeinsamer Dienstleister betreibt für diese die Datenannahmestelle und stellt sonstige Datenservices bereit.
Für nichtselbstständige Mitglieder besteht ihr Pflichtbeitrag grundsätzlich aus einem Arbeitnehmeranteil und einem gleich hohen, steuerfreien Arbeitgeberanteil. Zudem können sie über ihren Pflichtbeitrag hinaus in begrenzter Höhe freiwillige Beiträge leisten.
Die Mitgliedsbeiträge der Nichtselbstständigen können auf zwei Zahlungswegen entrichtet werden:
- Der Arbeitgeber überweist seinen Arbeitgeberanteil monatlich dem Arbeitnehmer. Dieser überweist den fälligen Gesamtbeitrag aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an die Versorgungseinrichtung („Selbstzahler“).
- Der Arbeitgeber behält den Arbeitnehmeranteil vom Bruttolohn ein und führt den Gesamtbeitrag aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil an die Versorgungseinrichtung zugunsten des Arbeitnehmers ab („Firmenzahler“).
Die unterschiedlichen Zahlungswege wirken sich auf die elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen aus: Beim „Firmenzahler“ bescheinigt der Arbeitgeber seit 2011 sowohl den an berufsständische Versorgungseinrichtungen geleisteten Arbeitgeberanteil als auch den Arbeitnehmeranteil. Beim „Selbstzahler“ ist der Arbeitgeberanteil ab dem Veranlagungszeitraum 2015 zu bescheinigen. Der Arbeitnehmeranteil wird in diesem Fall nicht bescheinigt.
Außerdem erstellen die Versorgungseinrichtungen in jedem Fall für ihre Mitglieder Jahresbescheinigungen, in denen der Gesamtjahresbeitrag einschließlich freiwilliger Zahlungen ausgewiesen ist.
1.2 Frühere Prüfung und Inhalt der aktuellen Prüfung
Der Rechnungshof hatte zusammen mit den Staatlichen Rechnungsprüfungsämtern 2009 den Sonderausgabenabzug für Aufwendungen zur Basisversorgung untersucht (siehe Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 21). Im Anschluss an unsere Prüfung hat die Finanzverwaltung erfolgreich verschiedene Maßnahmen ergriffen. Das Bescheinigungsverfahren der Versorgungseinrichtungen blieb jedoch unverändert. Die Qualität der Bearbeitung hat sich zwar verbessert. Gleichwohl werden die Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen weiterhin vielfach fehlerhaft behandelt. Wir haben daher die Thematik erneut landesweit untersucht. Dabei haben wir auch die Ergebnisse der Hinweisbearbeitung durch die Finanzämter analysiert. Diese werden in sogenannten Standardauswertungen dargestellt.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Ansatz der Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen
2.1.1 Beanstandungsquote und Fehlervolumen
Aus den Datenbeständen der Finanzverwaltung haben wir landesweit 8.780 Sachverhalte mit auffälligen Veranlagungswerten im Veranlagungszeitraum 2015 gefiltert. 4.972 Sachverhalte betrafen Fälle mit einem zu versteuernden Einkommen von mindestens 40.000 Euro. Aus dieser Grundgesamtheit haben wir 702 Sachverhalte bei acht Finanzämtern geprüft. Die Tabelle enthält die festgestellten Beanstandungsquoten und Fehlervolumina. Neben dem Gesamtergebnis wird dargestellt, ob das Risikomanagementsystem die Sachverhalte als risikobehaftet oder risikolos einstufte. Bei der Einstufung als risikobehaftet werden Hinweise für die Bearbeiter ausgegeben.
Von den geprüften Sachverhalten haben wir 104 Sachverhalte mit einem Fehlervolumen von 142.000 Euro beanstandet (= 14,8 Prozent).
Den Bearbeitern hat das Risikomanagementsystem 550 Sachverhalte zutreffend mittels Hinweis als risikobehaftet zur Prüfung zugewiesen. Von diesen haben wir 88 Sachverhalte (= 16,0 Prozent) mit einem Fehlervolumen von 128.000 Euro beanstandet. Für 79 dieser beanstandeten Sachverhalte war folgende Fehlerquelle ursächlich: Arbeitnehmer erklären die auf den Lohnsteuerbescheinigungen ausgewiesenen Beträge. Zusätzlich erklären sie den von den Versorgungseinrichtungen bescheinigten Jahresbeitrag. Wird dies von den Finanzämtern nicht korrigiert, werden Arbeitgeber - und/oder Arbeitnehmerbeiträge ganz oder teilweise doppelt in der Sonderausgabenberechnung berücksichtigt. Auf diese Fehlerquelle entfiel ein Fehlervolumen von 114.000 Euro.
Das Risikomanagementsystem hat 152 Sachverhalte als risikolos eingestuft. Davon haben wir 16 Sachverhalte mit unterschiedlichen Fehlerquellen beanstandet (= 10,5 Prozent). In diesen Fällen dürfte ein Hinweis unterblieben sein, da in vorhergehenden Veranlagungszeiträumen der Sachverhalt regelmäßig als risikobehaftet ausgesteuert und zu Unrecht nicht geändert war. Wären insoweit die Grundlagen im Vorjahr zutreffend gelegt worden, hätte das Risikomanagementsystem in diesem Bereich die risikobehafteten Sachverhalte richtig erkennen können. Das Fehlervolumen betrug 14.000 Euro.
Die Bearbeitungsqualität würde steigen, wenn die Versorgungseinrichtungen zumindest die Gesamtjahresbeiträge elektronisch an die Steuerverwaltung übermitteln würden. Hilfreich könnte dabei sein, dass sich die berufsständischen Versorgungseinrichtungen bereits eines gemeinsamen Dienstleisters für Datenservices bedienen.
2.1.2 Landesweite finanzielle Bedeutung
Die geprüften 702 Sachverhalte ergaben ein Fehlervolumen von 142.000 Euro. Allein bei den Fällen mit einem zu versteuernden Einkommen von mehr als 40.000 Euro schätzen wir das Fehlervolumen landesweit auf 1 Mio. Euro. Zudem dürfte auch in den 3.808 Sachverhalten bei Steuerfällen mit weniger als 40.000 Euro zu versteuerndem Einkommen ein nicht unerhebliches Fehlervolumen bestehen.
2.2 Ergebnis der Hinweisbearbeitung durch die Finanzämter
Um die Qualität des Risikomanagementsystems zu sichern, verfügt die Finanzverwaltung über sogenannte Standardauswertungen.
Wir haben die Standardauswertung 7A bei sieben für die Besteuerung der Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken relevanten Hinweisen untersucht. Dabei haben wir festgestellt, dass insgesamt landesweit 23.870 Hinweise ausgegeben wurden. Davon führten 35 Prozent zu Änderungen der erklärten Besteuerungsgrundlagen. Bei den geprüften Finanzämtern - zusammengefasst betrachtet - entsprechen die durchschnittliche Änderungsquote sowie das durchschnittliche Änderungsvolumen annähernd den landesweiten Werten.
Einzeln betrachtet stellt sich die Situation bei den geprüften Finanzämtern jedoch sehr unterschiedlich dar: So liegt die Änderungsquote über alle Hinweise hinweg zwischen 27 und 41 Prozent. Hinsichtlich einzelner Hinweise ergeben sich allerdings deutlich größere Bandbreiten. Auch das Änderungsvolumen differiert beim gleichen Hinweis zwischen den Finanzämtern erheblich. Dies war beim Vergleich der Hinweise untereinander ebenso der Fall.
Die aus den Standardauswertungen ersichtlichen unterschiedlichen Ergebnisse der Hinweisbearbeitung könnten Ausgangspunkt für gezielte qualitätssichernde Maßnahmen in den Finanzämtern sein.
2.3 Dateneingabe für das Programm Leistungsvergleich
Im Verfahren Leistungsvergleich wird das finanzielle Ergebnis ermittelt, das die Finanzämter bei der erstmaligen Veranlagung erzielen. Dazu wird die verbleibende Steuer grundsätzlich auf Basis der erklärten Werte (Primärdaten) mit der verbleibenden Steuer auf Basis der vom Finanzamt ermittelten Werte (Sekundärdaten) verglichen. Der Differenzbetrag ist das Mehr- oder Minderergebnis, das in den Leistungsvergleich eingeht. Dazu müssen die Sekundärdaten gesondert eingegeben und besonders gekennzeichnet werden.
Wir haben festgestellt, dass Abweichungen von den erklärten Daten nicht immer den Vorgaben entsprechend eingegeben wurden. Dadurch wurden diese Abweichungen im Leistungsvergleich nicht berücksichtigt.
3 Empfehlungen
3.1 Daten durch berufsständische Versorgungseinrichtungen elektronisch übermitteln lassen
Die Landesregierung sollte sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass eine gesetzliche Grundlage für ein elektronisches Bescheinigungsverfahren geschaffen wird. Ein solches Verfahren hätte bundesweit Bedeutung. Die Beiträge an die berufsständischen Versorgungseinrichtungen sollten - möglichst detailliert - der Finanzverwaltung elektronisch übermittelt werden.
3.2 Schulungsmaßnahmen durchführen
Die Finanzverwaltung sollte das Thema „Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen“ - auch unter dem Gesichtspunkt der Personalfluktuation - in der Veranlagungsfortbildung aufgreifen.
3.3 Ergebnis der Hinweisbearbeitung im Führungsinformationssystem darstellen
Die Kennzahlen in den Standardauswertungen sind Basisdaten zu den Kernkennzahlen Abweichquote und Abweichvolumen in den Zielvereinbarungen. Daher sollte grundsätzlich für alle Hinweise das Ergebnis der Hinweisbearbeitung je Finanzamt leicht auswertbar im Führungsinformationssystem dargestellt werden. Dadurch eröffnet sich für jedes Finanzamt die Möglichkeit, die Standardauswertungen auch zur Qualitätssicherung einzusetzen. So könnten die Finanzämter gezielt kennzahlenbasierte Qualitätsmaßnahmen vornehmen.
3.4 Dateneingabe für das Programm Leistungsvergleich automatisieren
Die Abweichungen von den erklärten Daten sollten automationsgestützt erfasst werden können. Dadurch würde die Datenbasis sowohl für den Leistungsvergleich als auch für die Standardauswertungen verbessert. Zudem würde personeller Eingabeaufwand vermieden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen erhebt gegen die Feststellungen des Rechnungshofs keine Einwendungen.
Zu den Empfehlungen äußert es sich wie folgt:
Es stimme mit dem Rechnungshof darin überein, dass eine elektronische Übermittlung der Beitragsdaten die Bearbeitungsqualität verbessern würde. Im September 2017 sei das Bundesministerium der Finanzen von den Ländervertretern gebeten worden zu prüfen, ob eine gesetzliche Grundlage zur verpflichtenden elektronischen Übermittlung von Altersvorsorgeaufwendungen geschaffen werden könne. Das Ergebnis dieser Prüfung stehe noch aus.
Die vom Rechnungshof aufgezeigte Problematik solle bei Fortbildungsmaßnahmen für den Veranlagungszeitraum 2017 erneut aufgegriffen werden.
Das Finanzministerium beabsichtige zu prüfen, ob und inwieweit die Standardauswertungen in das Führungsinformationssystem übernommen werden können.
Die programmtechnische Entwicklung der Dateneingabe für das Programm Leistungsvergleich in KONSENS solle ab Januar 2019 erfolgen und zum 30. September 2019 fertiggestellt sein.