Zuwendungen an Zweckverbände zum Bau von Hochwasserschutzanlagen [Beitrag Nr. 11]

In Flussgebieten sind vielfach nicht alle Gemeinden gleichermaßen daran interessiert, eine gesamtheitliche Hochwasserschutzvorsorge gemeinsam umzusetzen. Der Rechnungshof empfiehlt, mit der Landesförderung verstärkt Anreize zur kommunalen Zusammenarbeit zu setzen.

1 Ausgangslage

Zur Hochwasserschutzvorsorge gehören zunächst alle nichttechnischen Maßnahmen, die Schaden mindern. Dies sind z. B. die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten, die Reaktivierung von natürlichem Wasserrückhalt sowie die an potenzielle Hochwasser angepasste Bauweise von Gebäuden. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Hochwasserschutzvorsorge ist die Verpflichtung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen und Gewerbebetriebe zur privaten Vorsorge (§ 5 Absatz 2 Wasserhaushaltsgesetz). Häufig reichen diese Maßnahmen zum Schutz von bestehenden Siedlungsgebieten nicht aus. Die Hochwasserschutzvorsorge wird dann durch Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes wie Deiche, Ufermauern und Hochwasserrückhaltebecken vervollständigt.

Das Land unterstützt die Kommunen und Zweckverbände beim Hochwasserschutz. Auf der Grundlage der Förderrichtlinien Wasserwirtschaft können bei Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes bis zu 70 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben gefördert werden.

Im Land bestehen 43 Zweckverbände, die einen technischen Hochwasserschutz realisieren. Der Rechnungshof hat bei drei Verbänden geprüft, ob die Mittel für die Hochwasserschutzkonzeptionen sowie die Planung und den Bau von Hochwasserschutzanlagen zweckentsprechend und wirtschaftlich verwendet wurden. Bei vier Verbänden wurde betrachtet, wie deren Mitglieder die nichttechnischen Maßnahmen der Hochwasserschutzvorsorge im Verbandsgebiet umsetzen. Für einen Überblick über die satzungsgemäßen Aufgaben wurden 13 Zweckverbandssatzungen eingesehen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Einzelne Kommunen kooperieren nicht beim Hochwasserschutz

Wirksamer Hochwasserschutz endet nicht an Gemeindegrenzen. Die Hochwasserschutzvorsorge ist in besonderem Maße von einer engen Zusammenarbeit und Abstimmung im gesamten Einzugsgebiet eines Flusslaufs abhängig. Ziel ist es, die Schutzmaßnahmen dort durchzuführen, wo sie am wirksamsten und zugleich wirtschaftlich sind.

Die Wasserwirtschaftsverwaltung unterstützt daher die kommunale Zusammenarbeit. Gemeinsam mit den zur Zusammenarbeit bereiten künftigen Verbandsmitgliedern und beauftragten Planern arbeitet sie die Gesamtkonzeptionen für die künftigen Verbandsgebiete aus.

In einigen Fällen lehnten Kommunen es ab, in einem Verband mitzuwirken, obwohl sie zum zu schützenden Gebiet gehören. Begründet wurde dies u. a. damit, dass durch den erforderlichen Hochwasserrückhalt Flächen verloren gehen, die anderweitig benötigt würden. Diese Kommunen verfolgen nun „eigene“ Lösungen, die von den ursprünglich abgestimmten Gesamtkonzeptionen abweichen.

Die Anreize zur kommunalen Zusammenarbeit in den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft reichen nicht aus. Die Wasserwirtschaftsverwaltung kann im Rahmen der Förderung nicht steuernd eingreifen, wenn eine Kommune wegen eigener Interessen einer Solidargemeinschaft für Hochwasserschutz entlang eines Flusslaufs nicht beitritt.

Die Kommunen können trotz des Interesses an einer gesamtheitlichen Hochwasserschutzvorsorge eigene Wege beschreiten. Die Solidarität zwischen Oberlieger und Unterlieger ist nicht verbindlich geregelt. Die Hochwasserschutzmaßnahmen, welche die Anrainer am Oberlauf der Flüsse (Oberlieger) umsetzen, schützen in der Regel auch die von möglichen Hochwasserwellen stärker betroffenen flussabwärtsliegenden Gebiete (Unterlieger). Sind die Oberlieger nicht kooperativ, scheitert der Gemeindegrenzen überschreitende Hochwasserschutz.

Beispiel: Zweckverband Hochwasserschutz Starzeltal, Hechingen, Zollernalbkreis

Die Hochwasserabflüsse der Starzel und deren Nebengewässer führten im Juni 2008 zu einem Jahrhunderthochwasser u. a. in den Ortschaften Burladingen, Jungingen und Hechingen. Drei Personen starben, an Gebäuden und der Infrastruktur gab es Schäden von 40 Mio. Euro.

Die betroffenen Kommunen beauftragten 2010 eine gemeinsame Hochwasserschutzkonzeption, die vom Land gefördert wurde. Ungeachtet dessen entschlossen sich die Stadt Burladingen und die Gemeinde Jungingen, eigenständig ihre Schutzdefizite zu beseitigen. Die Stadt Hechingen und die Gemeinde Rangendingen gründeten Anfang 2013 den Zweckverband Hochwasserschutz Starzeltal. Die vorliegende Hochwasserschutzkonzeption musste mit zusätzlicher Landesförderung überplant werden. Nach einer von der Gemeinde Jungingen veranlassten Studie zum Hochwasserschutz kommt die Gemeinde nicht umhin, ihr eigenes Hochwasserrückhaltebecken zum Schutz der Ortslage zu bauen. Die Finanzierung ist derzeit offen. Keine Informationen liegen vor, ob die Stadt Burladingen bereits eigene Hochwasserschutzanlagen plant.

Ähnlich verhält es sich in einem weiteren geprüften Fall. Die Gemeinde Neuhausen auf den Fildern trat dem Zweckverband Hochwasserschutz Körsch, Denkendorf, Landkreis Esslingen nicht bei. Begründet wurde dies u. a. mit dem Verlust der landwirtschaftlichen Fläche durch das vorgesehene Hochwasserrückhaltebecken.

Der von den überschwemmungsgefährdeten Städten und Gemeinden angestrebte Hochwasserschutz wird dadurch erst später wirksam.

2.2 Die Zweckverbände konzentrieren sich auf den technischen Hochwasserschutz

Bei der Hochwasserschutzvorsorge sollen die nichttechnischen Maßnahmen dem infrastrukturellen Hochwasserschutz vorgezogen werden. Die wirksamste Art, das Schadenspotenzial gering zu halten, besteht in der Bau- und Flächenvorsorge. So können Elementarschäden durch eine hochwasserangepasste Bauweise verringert werden. Ebenso sollen verfügbare oder rückgewinnbare Retentionsräume für den natürlichen Wasserrückhalt gesichert und bauliche Entwicklungen weitgehend aus den Überschwemmungsgebieten herausgehalten werden (§§ 77 ff. Wasserhaushaltsgesetz).

Für eine solche Bau- und Flächenvorsorge gewährt das Land keine Zuwendungen. Die satzungsgemäßen Verbandsaufgaben zielen daher vorrangig darauf ab, potenziell überschwemmungsgefährdete Siedlungsgebiete vor allem mit den kostenintensiven und vom Land geförderten technischen Hochwasserschutzmaßnahmen zu sichern. Die Flächenvorsorge, eine Pflichtaufgabe der Kommunen, wird dagegen zurückhaltend umgesetzt.

Beispiel: Zweckverband Hochwasserschutz Körsch, Denkendorf, Landkreis Esslingen

Das Bauprogramm in der Anlage zur Satzung enthielt vor allem Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies die Städte und Gemeinden als künftige Verbandsmitglieder darauf hin, dass zur Hochwasserschutzvorsorge neben dem technischen Hochwasserschutz zwingend nichttechnische Vorsorgemaßnahmen erforderlich sind. Die Städte und Gemeinden griffen dies in vorbildlicher Weise auf und setzten auf ihren Gemarkungen Vorsorgemaßnahmen wie Entsiegelungen oder dezentralen Rückhalt von Regenwasser um.

3 Empfehlungen

3.1 Förderung auf kommunale Kooperationen innerhalb eines Gewässereinzugsgebiets konzentrieren

Mit den Fördermitteln der Wasserwirtschaft sollte die kommunale Zusammenarbeit in Form der Oberlieger-/Unterlieger-Verantwortung stärker unterstützt werden.

Ergänzend sollte die Wasserwirtschaftsverwaltung weiterhin intensive Überzeugungsarbeit für die Kooperation aller Kommunen im Flusseinzugsgebiet leisten.

Den noch zu gründenden und bestehenden Zweckverbänden sollten bei der Förderung keine Nachteile entstehen, wenn sich einzelne Kommunen gegen eine Zusammenarbeit bei der Umsetzung einer fachtechnisch abgestimmten Gesamtkonzeption für die Hochwasserschutzvorsorge entscheiden.

Es sollte geprüft werden, ob durch gestaffelte Fördersätze die Bereitschaft für kommunale Kooperationen unterstützt werden kann. Aus Sicht des Rechnungshofs bietet sich an, dass Einzelvorhaben, die von Gesamtkonzeptionen abweichen, geringere Fördersätze erhalten. Die Förderrichtlinien Wasserwirtschaft sollten entsprechend angepasst werden.

3.2 Die Wasserbehörden sollten sich bei den Kommunen noch intensiver für die Hochwasserschutzvorsorge einsetzen

Die Erfahrungen vergangener Hochwasserereignisse zeigten, dass Schäden vor allem eintraten, weil die Schutzbauten nicht ausreichten oder versagten und die Wassermengen ungehindert in die Siedlungsgebiete eindrangen. In der Folge wird die Bau- und Flächenvorsorge gerade bei solchen Ereignissen immer wichtiger.

Die technischen Fachbehörden der unteren Wasserbehörden und die Bewilligungsstellen sollten daher künftig bei den Fördervorhaben stärker darauf hinwirken, dass zur fachtechnischen Abstimmung der Gesamtkonzeptionen nicht nur Vorhaben des technischen Hochwasserschutzes, sondern auch Bau- und Flächenvorsorgemaßnahmen einbezogen werden.

Die zuständigen Wasserbehörden sollten bei der Anhörung als Träger öffentlicher Belange und im Rahmen der allgemeinen Gewässeraufsicht von den Kommunen intensiver die nichttechnische Hochwasserschutzvorsorge einfordern.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft begrüßt, dass der Rechnungshof bei der Prüfung von Zuwendungen an Zweckverbände zum Bau von Hochwasserschutzanlagen auch die Maßnahmen der Hochwasserschutzvorsorge und des Flächenmanagements berücksichtigt.

Das Ministerium führt aus, dass die Entscheidung, in welcher Trägerschaft eine Kommune notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen plant, baut und betreibt, eine weisungsfreie Angelegenheit der Kommunen ist. Gemäß den Förderrichtlinien Wasserwirtschaft würden kommunale Zusammenschlüsse bei der Ermittlung von Fördersätzen bereits bevorzugt behandelt. Die Vorgaben der Förderrichtlinien hinsichtlich nicht kooperationsbereiter Kommunen sollen überprüft werden.

Die Umsetzung von Maßnahmen zur Hochwasserschutzvorsorge, wie sie im Rahmen des Hochwasserrisikomanagements gemeindescharf erarbeitet wurden, sei Pflichtaufgabe der jeweiligen Kommune und in der Regel keine Verbandsaufgabe. Das Ministerium werde aber die Möglichkeit prüfen, inwieweit in Verbandssatzungen auf die Umsetzung von nichttechnischen Hochwasserschutzmaßnahmen hingewiesen werden könne.