1 Ausgangslage
1.1 Prüfung der Zuwendungen für Kontrollkosten im ökologischen Landbau
Die Finanzkontrolle hatte für die Haushaltsjahre 2012 bis 2014 geprüft, wie das Land Zuwendungen für Kontrollkosten im ökologischen Landbau gewährt. Die Förderung beruhte auf der Verwaltungsvorschrift über Zuwendungen zur Stärkung des ökologischen Landbaus (VwV Ökologischer Landbau).
Durchschnittlich wurden fast 0,4 Mio. Euro jährlich ausgegeben. Das Land wickelte das Förderverfahren mit dem Landesverband Erwerbsobstbau Baden-Württemberg e. V. in Stuttgart als Erstempfänger ab. Dieser gab die Zuwendungen an die zuletzt mehr als 2.500 Letztempfänger weiter und hatte die Aufgabe, die Verwendung zu prüfen.
Die Prüfungsergebnisse boten Anlass, zu untersuchen, wie das Ministerium generell mit gestuften Förderverfahren umgeht.
1.2 Rechtslage
Das Land kann für die Durchführung von Zuwendungsverfahren ein gestuftes Verfahren wählen. Dabei erhalten ein oder wenige Erstempfänger den gesamten Zuwendungsbetrag und geben ihn zweckbestimmt ganz oder teilweise an Dritte (Letztempfänger) weiter. Die Weitergabe von Zuwendungen ist in Nr. 12 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 44 Landeshaushaltsordnung geregelt.
Die Landesbehörden müssen bei solchen Förderverfahren sicherstellen, dass die Vorschriften eingehalten werden. Dies gilt sowohl bezogen auf Erstempfänger als auch auf Letztempfänger. Der Erstempfänger muss die Verwendungsnachweise beim Letztempfänger prüfen können. Für die Bewilligungsbehörde ist das Recht festzulegen, beim Letztempfänger zu prüfen.
Voraussetzung einer Förderung ist, dass die Zuwendung zur Erreichung des Landesinteresses erforderlich ist (Nr. 3.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu § 23 Landeshaushaltsordnung). Sind förderfähige Ausgaben vom Zuwendungsempfänger nicht getätigt, fehlt es an einer Fördervoraussetzung. Die Erkenntnisse aus der Prüfung der Verwendungsnachweise sind einzubeziehen, um zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für weitere Förderung bestehen (Wirkungserfolg).
Werden Förderungen weitergeleitet, sind die Ausgaben und der Förderzweck insbesondere beim Letztempfänger zu prüfen. Die Bewilligungsbehörde darf sich nicht ohne Kontrolle auf den Erstempfänger verlassen. Sie muss von ihren Prüfungsrechten beim Erst- und beim Letztempfänger Gebrauch machen, damit sie selbst beurteilen kann, ob die Voraussetzungen für die Förderung (noch) vorliegen.
1.3 Verwendung gestufter Förderverfahren
In den Haushaltsjahren 2011 bis 2015 verwendete das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz gestufte Förderverfahren für weitere neun Förderungen. Die jährlichen Ausgaben einschließlich der Kontrollkosten im ökologischen Landbau betrugen zuletzt 2,0 Mio. Euro.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Prüfungsergebnisse beim Förderprogramm Ökologischer Landbau
Beim Förderprogramm Ökologischer Landbau wurden weder die Landeshaushaltsordnung noch die hierzu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften eingehalten. So wurden insbesondere die Letztempfänger weder vom Erstempfänger noch von der Bewilligungsbehörde geprüft. Die Letztempfänger mussten nicht nachweisen, dass sie die geförderten Ausgaben für Ökokontrollen auch hatten. Die Stichprobe in der Prüfung ergab, dass 70 Prozent der Letztempfänger entweder keine Kontrollkosten bezahlt hatten oder die erhaltene Zuwendung höher war. Die Bewilligungsbehörde prüfte auch nicht, ob der Erstempfänger seinen Verpflichtungen bei der Abwicklung der Förderung nachkam.
Das Ministerium legte nicht fest, wie die Zuwendung an den Landesverband als Erstempfänger und die Weitergabe durch diesen an die Letztempfänger durch das Regierungspräsidium mindestens zu prüfen ist. Dadurch wurde weder festgestellt, wie der Erstempfänger die Weitergabe handhabte, noch, ob die Grundvoraussetzungen der Förderung bei den Letztempfängern (noch) vorlagen.
In einem Viertel der Fälle lag die Förderung an den Letztempfänger unter 100 Euro. Bei diesen Kleinförderungen ergaben sich Verwaltungskosten von 24 Prozent der Fördersumme.
2.2 Kontrollen bei den Erst- und Letztempfängern der übrigen Förderprogramme
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilte für die weiteren genannten Förderprogramme mit, ob und wie die Kontrollen bei den Erst- und Letztempfängern stattfinden:
- Bei einem Programm finden keine Kontrollen der Erstempfänger, bei fünf weiteren Programmen keine dazugehörigen Vor-Ort-Kontrollen bei den Erstempfängern statt. Lediglich bei drei Programmen finden ausreichende Vor-Ort-Kontrollen der Erstempfänger statt.
- Bei einem Programm werden die Letztempfänger weder vom Erstempfänger noch von der Bewilligungsbehörde kontrolliert. Bei vier Programmen werden bei den Letztempfängern keine Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt. Bei den anderen vier Förderprogrammen führt die Bewilligungsstelle Vor-Ort-Kontrollen bei den Letztempfängern durch.
2.3 Beurteilungsmaßstab der Finanzkontrolle über die Kontrollpraxis
Wir legten folgende Maßstäbe zur Bewertung der Kontrollpraxis an:
- Vor-Ort-Kontrollen sind in solchen Fällen vorzunehmen, in denen durch die Inaugenscheinnahme Erkenntnisse über die Aktenlage hinaus möglich sind. Ein Abgleich mit den Angaben in den Förderakten ist vorzunehmen.
- Vor-Ort-Kontrollen müssen nicht flächendeckend durchgeführt werden. Stichprobenhafte Vor-Ort-Kontrollen innerhalb eines mehrjährigen Zeitraums sind ausreichend. Die Kontrollabfolge darf für den Förderempfänger nicht erkennbar sein. In Ausnahmefällen kann es angemessen sein, ganz auf Vor-Ort-Kontrollen zu verzichten.
- Die Vor-Ort-Kontrollen dürfen sich nicht auf das „Ob und den Umfang“ beschränken, sondern müssen auch dazu dienen, Erkenntnisse über die Qualität und den Erfolg der geförderten Maßnahme zu gewinnen.
2.4 Bewertung der Kontrollpraxis
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat die Besonderheiten der einzelnen Förderprogramme erläutert.
Für die beiden Förderprogramme, welche über die Marketinggesellschaft Baden-Württemberg - einer Mehrheitsgesellschaft des Landes - abgewickelt werden, kann auf zusätzliche Vor-Ort-Kontrollen verzichtet werden. Die getroffenen Vereinbarungen und die enge Projektbegleitung durch die Marketinggesellschaft Baden-Württemberg führen zu vergleichbaren Erkenntnissen.
Beim Förderprogramm Zukunftsfragen der Verbraucheraufklärung fanden bisher zwar keine Kontrollen statt. Da diese Förderung erst seit 2015 besteht, beanstanden wir fehlende Kontrollen für das erste Förderjahr nicht. Trotzdem ist gerade in den ersten Jahren einer Förderung sicherzustellen, dass das Verfahren richtig durchgeführt wird und notwendige Korrekturen veranlasst werden, damit sich keine falsche Praxis verfestigt.
Bei der ländlichen Weiterbildung werden die notwendigen Angaben zu den Teilnehmenden durch deren Unterschrift bestätigt. Die Förderung je Teilnehmer ist sehr niedrig und weitere Erkenntnisse sind aus örtlichen Erhebungen eher nicht zu erwarten. Die fehlenden Vor-Ort-Kontrollen der Letztempfänger wurden daher von uns nicht beanstandet.
Bei sechs von zehn Förderungen werden keine ausreichenden Kontrollen auf mindestens einer der beiden Stufen durchgeführt. Davon werden bei drei Förderungen die Erstempfänger, bei vier die Letztempfänger nicht ausreichend geprüft.
Auf die beanstandeten Förderprogramme entfallen 1,2 Mio. Euro. Das sind 60 Prozent des oben genannten Fördervolumens.
Bei den als nicht ausreichend bewerteten Programmen fehlen die Prüfungen im angegebenen Bereich entweder vollständig oder die Vor-Ort-Kontrolle wird nicht entsprechend unseren Bewertungsmaßstäben durchgeführt.
Die Vorgehensweise weist bei gestuften Förderverfahren strukturelle Mängel auf. Da die Bewilligungsstellen ihrer Kontrollverpflichtung nicht in ausreichendem Maße nachkommen, kann nicht ausgeschlossen werden (und wurde im Fall des Förderprogramms Ökologischen Landbaus auch festgestellt), dass Zuwendungen nicht zweckentsprechend verwendet werden oder sonstige wesentliche Verstöße unerkannt vorliegen. Zudem kann die Bewilligungsbehörde nicht beurteilen, wie der Erstempfänger die Weitergabe handhabt und ob die Grundvoraussetzungen der Förderung bei den Letztempfängern (noch) vorliegen.
3 Empfehlungen
3.1 Neue Programme befristen und bei Beginn prüfen
Neue Förderprogramme sollten unabhängig vom Fördervolumen zu Beginn immer befristet werden. Außerdem sollten nach dem ersten Jahr Prüfungen beim Erst- und Letztempfänger durch die Bewilligungsbehörde durchgeführt werden. Dadurch sollen von Anbeginn ein funktionierendes Kontrollsystem und ein entsprechendes Bewusstsein der Zuwendungsempfänger gewährleistet werden.
3.2 Laufende Programme stichprobenhaft prüfen
In Fällen, in denen das gestufte Förderverfahren gewählt wird, sollten die Bewilligungsstellen die zweckentsprechende Mittelverwendung und die Fördervoraussetzungen bei den Erst- und Letztempfängern mindestens alle fünf Jahre stichprobenhaft prüfen. Die zu prüfenden Erst- und Letztempfänger sollten zufällig ausgewählt werden, damit nicht erkennbar ist, wann die nächste Stichprobenprüfung ansteht. Zudem sollte der Erstempfänger die Letztempfänger regelmäßig vor Ort prüfen.
3.3 Qualität und Erfolg Vor-Ort prüfen
Bei den Vor-Ort-Kontrollen sollten auch die Qualität und der Erfolg der Fördermaßnahme geprüft werden. Ein Abgleich mit den Angaben in den Förderakten ist vorzunehmen.
3.4 Auf Kleinförderungen verzichten
Das gestufte Förderverfahren wird besonders bei Kleinförderungen gewählt. Trotzdem kann auf eine Überprüfung nicht gänzlich verzichtet werden. Der Anteil der Verwaltungskosten kann nur gering gehalten werden, wenn auf Kleinförderungen verzichtet wird.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz teilte mit, bei der Förderung Ökologischer Landbau (Nr. 10 der Tabelle 1) und bei der Kleintierzuchtförderung (Nr. 6 der Tabelle 1) habe es aufgrund der Prüfung bereits die Vor-Ort-Kontrollen angepasst. So solle das Regierungspräsidium Karlsruhe bei der Förderung Ökologischer Landbau als Bewilligungsbehörde neben der bisherigen Ökokontrolle vor Ort künftig stichprobenweise bei den Erst- und den Letztempfängern prüfen. Zudem werde ein fünfjähriger Kontrollplan ausgearbeitet.
Das Ministerium betont, es sei abzuwägen zwischen dem Erkenntnisgewinn durch die Kontrollen und dem Aufwand für Zuwendungsempfänger und Verwaltung. Dabei sei die Höhe des Programmvolumens und die des Zuwendungsbetrags zu berücksichtigen.
Das Ministerium geht von der Notwendigkeit des jeweiligen Förderprogramms aus. Unter Berücksichtigung der oben genannten Abwägungsgründe würden bei Bedarf oder nach vorheriger Festlegung entsprechende Vor-Ort-Kontrollen durchgeführt.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält stichprobenhafte Vor-Ort-Kontrollen für unerlässlich, um die Wirksamkeit und Effizienz der Förderung sicherzustellen. Er verkennt nicht, dass bei der Kontrolle der Förderungen Aufwand und Erkenntnisgewinn gegeneinander abgewogen werden müssen.
Aus der Stellungnahme des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ergibt sich nicht, inwieweit es künftig Befristungen erwägt und bereit ist, auf Kleinförderungen zu verzichten.