1 Ausgangslage
Gemäß Artikel 79 Absatz 4 Landesverfassung und § 14 Landeshaushaltsordnung sind das Vermögen und die Schulden des Landes in einer Anlage zum Staatshaushaltsplan nachzuweisen. Nach Abschluss des Haushaltsjahres hat der Finanzminister gemäß Artikel 83 Absatz 1 der Landesverfassung und den §§ 86 und 114 Landeshaushaltsordnung dem Landtag nicht nur über Einnahmen und Ausgaben, sondern auch über das Vermögen und die Schulden zur Entlastung der Regierung Rechnung zu legen.
Die Vermögens- und Schuldensituation des Landes wird bisher in der Vermögensübersicht im Vorheft zum Staatshaushaltsplan abgebildet. Diese ist jedoch insofern unvollständig, als z. B. detaillierte Angaben zum Infrastrukturvermögen und zu Rückstellungen fehlen.
Im September 2011 hat die Landesregierung beschlossen, eine Vermögensrechnung nach doppischen Grundsätzen einzuführen. Zielsetzung ist die Erweiterung des kameralen Haushalts- und Rechnungswesens um den wertmäßigen Nachweis des Landesvermögens und der Landesschulden sowie ihrer Veränderungen.
Das Ministerium für Finanzen hat im Februar 2018 eine Eröffnungsvermögensrechnung dem Ministerrat als internes Rechenwerk vorgelegt und dem Ausschuss für Finanzen des Landtags zur Information vorgestellt.
Die Eröffnungsvermögensrechnung ist noch nicht Gegenstand des Entlastungsverfahrens. Als Vermögensnachweis im Sinne des § 114 Absatz 1 Satz 1 Landeshaushaltsordnung wird erstmals die Vermögensrechnung auf den Stichtag 31. Dezember 2017 gelten. Sie wird dem Landtag zur Entlastung der Landesregierung vorgelegt werden.
Des Weiteren soll die Vermögensrechnung ab dem Haushaltsjahr 2020 dem Haushaltsplan als Übersicht über das Vermögen und die Schulden gemäß § 14 Absatz 1 Nr. 4 Landeshaushaltsordnung beigefügt werden. Die bisherige Vermögensübersicht wurde für das Aufstellungsverfahren für die Haushalte bis einschließlich 2019 unverändert fortgeführt.
2 Inhalt
Grundsätze zur Aufstellung der Vermögensrechnung sind in der Verwaltungsvorschrift zur Vermögensrechnung des Landes vom 8. Juni 2017 festgelegt. Diese orientieren sich an den Standards staatlicher Doppik, die vom Bund und den Ländern gemeinsam entwickelt wurden.
Laut Aussage des Ministeriums für Finanzen bildet die Eröffnungsvermögensrechnung etwa 80 bis 90 Prozent des Vermögens und der Schulden ab. Beispielsweise sind Forderungen und Verbindlichkeiten aus Zuweisungen und Zuschüssen nur teilweise enthalten. Kunstgegenstände müssen erst bis zum 31. Dezember 2020 vollständig ausgewiesen werden.
Die Eröffnungsvermögensrechnung hat eine Summe von 228,9 Mrd. Euro. Auf der Aktivseite entfallen 70,2 Mrd. Euro (31 Prozent) auf das Anlage- und Umlaufvermögen des Landes. Mit 40,8 Mrd. Euro stellen die Sachanlagen die größte Position auf der Aktivseite dar. Darin werden das Infrastrukturvermögen, Grundstücke, Gebäude sowie Kultur- und Naturgüter abgebildet. Das Umlaufvermögen beträgt 12,1 Mrd. Euro. Einen großen Anteil hieran haben die Forderungen aus Steuern mit einem Wert von 8,0 Mrd. Euro.
Mit 170,3 Mrd. Euro ist die auf der Passivseite ausgewiesene Rückstellung für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen die volumenmäßig größte Vermögensrechnungsposition.
Stellt man die Passiva den Aktiva gegenüber, bleibt ein negativer Saldo von 158,7 Mrd. Euro. Dieser ist insbesondere in den vorgenannten Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen begründet.
In der nachfolgenden Tabelle wird die Eröffnungsvermögensrechnung in aggregierter Form dargestellt.
3 Die Vermögensrechnung des Landes im Kontext bundesweiter Entwicklungen
Die Verankerung doppischer Elemente in Bund und Ländern ist unterschiedlich ausgeprägt. Hamburg und Hessen haben die Doppik eingeführt. Bremen erstellt seit 2010 einen doppischen Jahresabschluss unter Beibehaltung des kameralen Rechnungswesens. Die Jahresabschlüsse dieser Länder bestehen aus einer Vermögens-, Erfolgs- und Finanzrechnung.
Baden-Württemberg, Sachsen und der Bund haben als Ergänzung zur Kameralistik eine doppische Vermögensrechnung eingeführt. Eine Ergebnisrechnung wird jeweils nicht erstellt. Der Bund weist in seiner Vermögensrechnung immaterielles Vermögen sowie Grundstücke, Gebäude und das Infrastrukturvermögen bislang nicht betragsmäßig aus.
In Baden-Württemberg enthält der Koalitionsvertrag einen Prüfauftrag zur möglichen Einführung weiterer doppischer Elemente.
4 Nutzen und Grenzen der Vermögensrechnung
Mit der Vermögensrechnung soll ein vollständiger und umfassender Überblick über den Vermögens- und Schuldenstatus des Landes zum jeweiligen Stichtag gegeben werden. Damit sorgt die Vermögensrechnung für mehr Transparenz und liefert bessere, d. h. vollständigere Informationen als der bisherige Vermögensnachweis. So werden beispielsweise erstmals das Infrastrukturvermögen sowie Rückstellungen wertmäßig ausgewiesen.
Das Ministerium für Finanzen plant, künftig jeweils zum Stichtag 31. Dezember eine Vermögensrechnung zu erstellen. Hiermit wird die Basis für Mehrjahresvergleiche geschaffen, welche die Entwicklung der einzelnen Vermögens- und Schuldenpositionen aufzeigen. Der Rechnungshof sieht hierin den Hauptnutzen der Vermögensrechnung.
In künftigen Vermögensrechnungen wird die Entwicklung der einzelnen Positionen des Anlagevermögens dargestellt. Zudem zeigen sie die Ursachen der Vermögensänderungen (z. B. Zugänge, Abgänge, Werteverzehr) auf. Aus dem künftigen Werteverzehr des Anlagevermögens ergeben sich Anhaltspunkte für den zum Substanzerhalt erforderlichen Reinvestitionsbedarf.
Bei allem Informationsnutzen der Vermögensrechnung sollte nicht verkannt werden, dass auch dieses Instrument Grenzen hat. So sind Entwicklungen der Vorjahre, insbesondere ein bestehender Sanierungsstau, aus der ersten Vermögensrechnung nicht ersichtlich.
Maßnahmen zum Erhalt von Infrastrukturvermögen und Gebäuden stellen häufig Erhaltungsaufwand dar und führen deshalb nicht zu nachträglichen Herstellungskosten. Somit führt eine wirtschaftlich sinnvolle Erhöhung der Erhaltungsaufwendungen nicht zu einer Erhöhung des Vermögens.
5 Prüfungen durch den Rechnungshof
Nach § 90 Satz 1 Nr. 2 Landeshaushaltsordnung erstreckt sich die Prüfung des Rechnungshofs auch auf die Ordnungsmäßigkeit des Vermögensnachweises. Deshalb wird der Rechnungshof künftig über die Vermögensrechnung in der Denkschrift berichten.
Vorab hat der Rechnungshof bereits die Struktur der Eröffnungsvermögensrechnung zum 1. Januar 2017 überprüft. Einen Schwerpunkt bildeten dabei die Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen. Der Rechnungshof unterbreitete dem Ministerium für Finanzen Änderungsvorschläge, welche in Teilen bereits in der Eröffnungsvermögensrechnung umgesetzt wurden.
So wurden z. B. ursprünglich über 14.000 Beamte nicht in die Berechnung der Pensionsrückstellung einbezogen. Dies lag daran, dass die hierfür erforderliche Mindestdienstzeit von fünf Jahren im Datenbestand dieser Personen als nicht erfüllt angesehen wurde. Hierbei waren allerdings anrechenbare Vordienstzeiten, vor allem Zeiten des Vorbereitungsdienstes, nicht berücksichtigt worden. Dies wurde nach Hinweis des Rechnungshofs korrigiert.
Bezüglich weiterer Feststellungen zur Vollständigkeit und Qualität der Pensionsrückstellung hat das Ministerium für Finanzen inhaltliche und technische Weiterentwicklungen zugesagt. Beispielsweise wurden 4.000 Beamte nicht in die Berechnung der Pensionsrückstellungen einbezogen, die in Aufgabenbereichen tätig sind, welche im Zuge der Verwaltungsstrukturreform zum 1. Januar 2005 auf die Stadt- und Landkreise übergegangen sind. Weil das Land in diesen Fällen dauerhaft die Versorgungsausgaben übernimmt, ist auch hierfür eine Rückstellung zu bilden.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof begrüßt die Einführung der Vermögensrechnung. Sie bietet einen deutlich umfassenderen und fundierteren Überblick über die Vermögens- und Schuldenlage des Landes als die bisherige Vermögensübersicht.