IT-gestützte Registraturverfahren und die landeseinheitliche elektronische Akte [Beitrag Nr. 6]

Die Landesverwaltung dokumentiert ihr Verwaltungshandeln meist noch in Papierakten. Die Prozesse und Systeme zur Verwaltung dieser Akten sind uneinheitlich. Das Land hat begonnen, eine landeseinheitliche elektronische Akte (E-Akte) einzuführen. Dazu sollten die Prozesse vereinheitlicht werden. Durch die Nutzung der E-Akte können Aufgaben effizienter erledigt werden. Dies sollte mittelfristig auch zu Einsparungen führen.

1 Ausgangslage

1.1 Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung

Der Grundsatz ordnungsgemäßer Aktenführung beruht auf dem Rechtsstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 3 Grundgesetz. Die öffentliche Verwaltung ist demnach verpflichtet,

  • Akten zu führen (Gebot der Aktenmäßigkeit),
  • alle wesentlichen Verfahrenshandlungen vollständig und nachvollziehbar abzubilden (Gebot der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit) und
  • diese wahrheitsgemäß aktenkundig zu machen (Gebot der wahrheitsgetreuen Aktenführung).

Für die Landesbehörden in Baden-Württemberg sind Grundsätze für die Verwaltung von Akten in einer gemeinsamen Anordnung der Ministerien geregelt. Diese Anordnung sieht vor, dass die Behörden die für ihren Bereich erforderlichen ergänzenden Regelungen treffen. Landesweit einheitliche Prozesse bei der Behandlung von Postein- und -ausgängen sowie bei der Aktenverwaltung gibt es nicht.

1.2 Dokumenten- und Schriftgutverwaltungssystem

Für die Verwaltung der Akten wurde das IT-Verfahren „Dokumenten- und Schriftgut-Verwaltungssystem“ (DSV) 1998 als Grundverfahren festgelegt. Es ist von allen Behörden zu nutzen. In DSV werden Akten, Vorgänge und Dokumente verwaltet. Dabei werden die Daten über Dokumente wie beispielsweise Eingangsdatum und Betreff erfasst. Es ist aber auch möglich, Dokumente in elektronischer Form in DSV zu speichern. DSV beinhaltet jedoch keine elektronische Vorgangsbearbeitung, bei der Mitzeichnungen oder Ähnliches in elektronischer Form möglich sind.

DSV wird von Registratoren genutzt, die Akten verwalten. Es kann aber auch von Sachbearbeitern genutzt werden, um in den Akten zu recherchieren.

Das Verfahren DSV war 1991 im Auftrag des Innenministeriums durch ein Unternehmen entwickelt worden. Bis 1997 wurden für Entwicklung und Weiterentwicklungen 1,4 Mio. Euro ausgegeben.

Ab 2001 gab es unter der Federführung des Innenministeriums Bestrebungen, ein Nachfolgesystem für DSV zu finden. Trotz mehrerer Anläufe ist es 2001 bis 2006 nicht gelungen, sich ressortübergreifend auf eine Modernisierung oder Ablösung von DSV zu verständigen und entsprechende Schritte einzuleiten.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Modernisierung von DSV zu DSV-neu

2006 entschloss sich das Finanzministerium, das DSV-Verfahren für sein Haus zu modernisieren. Der Auftrag wurde nach einer Ausschreibung im nichtoffenen Verfahren mit Teilnahmewettbewerb an den günstigsten Bieter für 360.000 Euro vergeben. Der Ausschreibungstext sah vor, dass nach Zuschlag noch ein BVB-Vertrag geschlossen werden sollte. Ein solcher Vertrag wurde nicht gefertigt. Damit nutzte das Finanzministerium wichtige vertragliche Gestaltungs- und Konkretisierungsmöglichkeiten nicht.

Die Entwicklung des modernisierten Verfahrens DSV-neu dauerte statt projektierter acht mehr als 24 Monate. Weiterentwicklungen und Folgeaufträge, für die inzwischen ein Mehrfaches der ursprünglich ausgeschriebenen Entwicklungsleistung ausgegeben wurde, wurden freihändig vergeben und beinhalten auch Nachbesserungen des ursprünglichen Auftrages.

Nach den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses der Ausschreibung sollte das Verfahren so ausgelegt werden, dass 500 Anwender gleichzeitig performant arbeiten können. Erst deutlich nach der Abnahme wurde festgestellt, dass lediglich 100 bis 120 Nutzer gleichzeitig mit dem System arbeiten konnten. Daraufhin wurde das Problem durch kostenpflichtige Folgeaufträge beseitigt. Ob die Nachbesserungen im Wege der Mängelbeseitigung aus dem 2006 geschlossenen Vertrag hätten verlangt werden können, wurde nicht geprüft.

Seit 2006 wurden für die Modernisierung und Weiterentwicklungen von DSV mehr als 1 Mio. Euro ausgegeben.

Das modernisierte System DSV-neu wurde nach Fertigstellung auch den anderen Ressorts zur Verfügung gestellt.

2.2 Nutzung von DSV und DSV-neu

Obwohl DSV als Grundverfahren festgelegt ist, nutzen bis heute nicht alle Ressorts DSV. Das Umweltministerium betreibt für sich, die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg und das Verkehrsministerium eine Eigenentwicklung. Das Landwirtschaftsministerium und selbst die zum Geschäftsbereich des Finanzministeriums gehörende Vermögens- und Hochbauverwaltung (VBV) setzen jeweils andere Produkte ein. Zudem sind verschiedene Versionen von DSV-neu im Einsatz. Einige Behörden nutzen DSV noch in der Version vor der Modernisierung zu DSV-neu.

Auch die Art der Nutzung ist uneinheitlich. Zumeist werden nur die Metadaten von Dokumenten in DSV verwaltet. Nur Finanzministerium, Sozialministerium und Verkehrsministerium speichern auch die Dokumente elektronisch. Recherchemöglichkeiten für Sachbearbeiter sind zumeist nur dort eingerichtet, wo auch Dokumente elektronisch gespeichert sind.

Das Sozialministerium plant darüber hinaus, DSV-neu als führendes Regis-tratursystem zu nutzen und die Papierakte aufzugeben. Dieses Vorgehen hat es mit dem Generallandesarchiv abgestimmt. Dem Sozialministerium wurde von dort die Zustimmung erteilt, das Schriftgut in digitaler Form zu führen und aufzubewahren. Das Sozialministerium hält nach der Behebung technischer Probleme an einer zunächst pilothaften Erprobung der ausschließlich elektronischen Speicherung von Dokumenten fest, obwohl das IT-Verfahren DSV-neu nie als umfassendes E-Akte-System konzipiert war.

Die Anforderungen an die Verfügbarkeit sind bei einer ausnahmslos digital geführten Akte höher als bei einer Hybridakte. DSV-neu erfüllt diese höheren Anforderungen bislang nicht. Nachbesserungen wären angesichts der geplanten Einführung der landeseinheitlichen E-Akte unwirtschaftlich. Das Sozialministerium sollte dies bei der geplanten pilothaften Erprobung der ausschließlich elektronischen Speicherung von Dokumenten berücksichtigen.

2.3 Betrieb von DSV-neu

Nach den E-Government-Standards des Landes wird DSV-neu zentral vom Landeszentrum für Datenverarbeitung (LZfD) betrieben. Es hat den Betrieb von DSV-neu zwar für 14 Kunden kalkuliert, tatsächlich betreibt es die Software aber nur für sieben. Nicht alle Kunden zahlen den kalkulierten Preis. Nur mit zwei Kunden wurden Servicevereinbarungen geschlossen. Den kalkulierten Kosten von jährlich 500.000 Euro stehen Einnahmen von lediglich 90.000 Euro gegenüber.

Das Justizministerium und das Wissenschaftsministerium lassen DSV-neu extern betreiben. Die dafür jährlich entstehenden Ausgaben von 85.000 Euro könnten zur Kostendeckung beim LZfD beitragen.

2.4 Aktenführung und elektronisches Arbeiten

Dokumente werden in der Landesverwaltung heute in der Regel am PC erstellt und liegen damit in elektronischer Form vor. Die Kommunikation findet weitgehend per E-Mail statt. In allen Ministerien ist derzeit noch die Papierakte die führende Akte. Für eine ordnungsgemäße Aktenführung ist daher sicherzustellen, dass die Papierakten vollständig und nachvollziehbar sind. Es liegt damit in der Verantwortung aller Mitarbeiter, dafür zu sorgen, dass aktenrelevante Vorgänge in die Papierakte aufgenommen werden.

Wenn Dokumente in elektronischer Form vorliegen, hat das viele Vorteile, wie beispielsweise schnellerer Zugriff, Weiterverwendung von Texten, einfachere Recherchemöglichkeiten und zeitgleiche Zugriffe durch verschiedene Anwender. Mit der Speicherung von elektronischen Dokumenten in DSV-neu nutzen das Finanzministerium und das Sozialministerium diese Vorteile. Die Entscheidung für eine solche hybride Aktenführung hat jedoch auch Nachteile. Kosten entstehen sowohl für die elektronische Speicherung als auch für die Papierakte. Zudem muss die Konsistenz beider Aktenbestände sichergestellt werden. Dies ist mit zusätzlichem Aufwand für Einscannen bzw. Ausdrucken verbunden. Dieser Aufwand ist so erheblich, dass das Finanzministerium entschieden hat, nicht alle abgeschlossenen Papiervorgänge einzuscannen und so Inkonsistenzen in Kauf zu nehmen.

Nur wenn die Akte ausschließlich elektronisch bearbeitet wird, kann man die Vorteile elektronisch gespeicherter Dokumente nutzen und gleichzeitig den Aufwand einer mehrfachen Aktenführung vermeiden.

2.5 Landeseinheitliche E-Akte

Nach dem Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung des Landes Baden-Württemberg , sollen die Behörden des Landes ab 01.01.2022 ihre Akten elektronisch führen, sofern die für die Umsetzung der elektronischen Aktenführung notwendigen Haushaltsmittel durch den Landtag rechtzeitig bereitgestellt werden. Die Gesetzesfolgenabschätzung für dieses Gesetz enthält keine konkreten Aussagen darüber, welche finanziellen Auswirkungen die Einführung der E-Akte haben wird.

Unter Federführung des Innenministeriums erstellte eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe die fachlichen Anforderungen an eine landeseinheitliche E-Akte. Im Oktober 2015 wurde eine erste Kabinettsvorlage zur Vorgehensweise bei deren Einführung beschlossen. In einem weiteren Schritt sollte das Innenministerium - ursprünglich bis Dezember 2015 - in einer zweiten Kabinettsvorlage ein Grobkonzept vorlegen, das auch eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung umfasst.

Das Innenministerium legte dem Finanzministerium im Juli 2016 den Entwurf der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung vor. Als haushaltswirksame Kosten werden danach für die Entwicklung 55,3 Mio. Euro und für den Betrieb für eine Dauer von zehn Jahren 236,0 Mio. Euro erwartet. Im zehnten Betriebsjahr sollen sich diese auf 30 Mio. Euro summieren und die Speicherkosten mit 23 Mio. Euro daran einen Anteil von rund 75 Prozent haben. Den Kosten stellte das Innenministerium einen haushaltswirksamen Nutzen von 308,8 Mio. Euro gegenüber. Dieser ergebe sich insbesondere daraus, dass für DSV kein flächendeckender Roll-Out erfolgen müsse und für zusätzliche Aufgaben keine neuen Stellen aufgebaut werden müssten.

Der Rechnungshof sieht insbesondere die Berechnung des Nutzens kritisch. Die nicht erforderlichen fiktiven Kosten eines flächendeckenden Einsatzes von DSV-neu oder für neue, nicht benötigte Stellen können nicht als haushaltswirksamer Nutzen angesetzt werden, da bislang nicht im Haushaltsplan verankerte Ausgaben auch nicht eingespart werden können. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung enthält zudem keine Aussagen zu möglichen Kosteneinsparungen durch geringere Aufwände bei den künftigen Anwendern der E-Akte.

Das Finanzministerium teilte dem Innenministerium Ende Oktober 2016 mit, dass die vorgelegten Unterlagen aus Sicht der Haushaltsabteilung den Anforderungen an eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung entsprechen und die Notwendigkeit und die grundsätzliche rechnerische Wirtschaftlichkeit des Projekts im Rahmen der getroffenen Annahmen belegen.

Es wies das Innenministerium jedoch darauf hin, dass ab 2022 ein Personalabbau in Betracht zu ziehen ist, da voraussichtlich die bisherigen Registraturarbeiten und weitere Aufgabenstellungen mit weniger Personal wahrgenommen werden können. Es bat das Innenministerium, spätestens 2019 eine entsprechende Konzeption vorzulegen.

Vom kalkulierten Finanzierungsbedarf wurden bislang 900.000 Euro für die Schaffung der Personalstellen und 100.000 Euro Sachmittel sowie 32 Mio. Euro Verpflichtungsermächtigungen für die Projektphase in den Staatshaushaltsplan 2017 aufgenommen.

Die ursprünglich für Dezember 2015 vorgesehene zweite Kabinettsvorlage konnte erst nach einem langwierigen Abstimmungsverfahren mit den Ressorts im März 2017 dem Kabinett vorgelegt und beschlossen werden.

Damit ist das Projekt gegenüber der ursprünglichen Planung um mehr als 14 Monate im Verzug.

3 Empfehlungen

3.1 Schriftliche Verträge schließen und Leistungserbringung sicherstellen

Die Landesverwaltung sollte IT-Verträge immer auf Basis der ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen (EVB-IT) bzw. der Besonderen Vertragsbedingungen (BVB) schließen. Dies gibt die Verwaltungsvorschrift zu § 55 Landeshaushaltsordnung vor. In den Verträgen sollten insbesondere verbindliche Terminvereinbarungen getroffen werden, deren Nichteinhaltung Vertragsstrafen nach sich zieht.

Die Landesverwaltung sollte vom Auftragnehmer eine pünktliche und personenunabhängige Leistungserbringung fordern und bei Verzug die vereinbarte Vertragsstrafe einfordern. Dazu muss sie ihren Verpflichtungen und Zuarbeiten zeit- und sachgerecht nachkommen.

Die Landesverwaltung sollte bei der Abnahme von Leistungen und während der Gewährleistungsfrist sorgfältig prüfen, ob alle funktionalen und nicht funktionalen Anforderungen erfüllt sind, und eventuelle Mängel sofort geltend machen. Sie sollte keine zusätzlichen Verträge zur Beseitigung der Mängel schließen, damit das Land für ein- und dieselbe Leistung nicht zweimal bezahlt.

Das Finanzministerium sollte für seinen Geschäftsbereich in die nach § 55 Absatz 2 Landeshaushaltsordnung vorzugebenden Regelungen Bestimmungen hinsichtlich der Zeichnungsregelungen für Verträge aufnehmen.

3.2 Betrieb konsolidieren und Betriebskosten verursachergerecht verrechnen

Das LZfD sollte alle Kunden von DSV-neu auf die aktuelle Version umstellen.

Es sollte eine aktualisierte Kostenkalkulation für DSV-neu und die zugehörigen Speichersysteme durchführen und dabei die tatsächliche Kundenanzahl zugrunde legen. Zuvor sollte geprüft werden, ob die Betriebskosten reduziert werden können. Auf Basis der aktualisierten Kalkulation sollten dann mit allen Kunden Servicevereinbarungen geschlossen werden. Die Preise sind dabei verursachergerecht festzulegen.

Im Zuge der IT-Neuordnung wird der Betrieb von DSV-neu an die Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) übergehen. Die Vorgehensweise sollte daher zwischen LZfD und BITBW abgestimmt werden.

Der Betrieb von DSV-neu für das Justizministerium und das Wissenschaftsministerium sollte möglichst schnell vom externen Betreiber entweder noch übergangsweise auf das LZfD oder unmittelbar auf die BITBW übergehen. So kann landesintern ein Deckungsbeitrag für ohnehin entstehende Kosten geleistet werden.

Das Innenministerium als für Organisationsfragen zuständiges Ministerium sollte seine Koordinierungsaufgaben besser wahrnehmen.

3.3 Migrationsaufwand beim Übergang zur E-Akte minimieren

Bis zur Einführung der E-Akte sollte DSV-neu von den derzeitigen Nutzern weitergenutzt werden. Die Nutzer, die DSV-neu nicht eingeführt haben, sollten ihre bisherigen Systeme bis zur Einführung der E-Akte weiter anwenden, um unnötigen Migrationsaufwand zu vermeiden.

Von der Einführung einer Hybridakte mit DSV-neu in weiteren Bereichen raten wir aufgrund des hohen Aufwands und der Gefahr der Inkonsistenz von elektronischer und Papierakte ab.

Anpassungen der Software DSV-neu sollten nur noch durchgeführt werden, wenn dies aus Gründen der Kompatibilität oder der IT-Sicherheit zwingend erforderlich ist. Hinsichtlich der Verfügbarkeit sollte das bisherige Niveau weiterhin ausreichen.

3.4 Landeseinheitliche E-Akte einführen

Die gesetzlich vorgegebene Einführung der E-Akte sollte mit hinreichenden Ressourcen für die Projektsteuerung und die Projektdurchführung ausgestattet werden, damit nicht einzelne Ressorts wie bei der Nutzung von IT-gestützten Registraturverfahren eigene Wege gehen.

Bei der Einführung der E-Akte sollten die Geschäftsprozesse ressortübergreifend optimiert und einheitlich geregelt werden. Einheitliche Prozesse vereinfachen die Einführung und erleichtern auch spätere Umbildungen von Ministeriumszuschnitten.

Zudem sollten Prüfungsrechte von Anfang an abgebildet sowie Datenschutz und Informationssicherheit berücksichtigt werden.

3.5 Einsparpotenzial durch E-Akte ermitteln und realisieren

Das Innenministerium sollte untersuchen, in welchem Maße Aufgaben nach Einführung der E-Akte effizienter erledigt werden können.

Es sollte die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung während der Umsetzung der Maßnahme im Sinne einer begleitenden Kontrolle fortschreiben. Dabei ist das in der Untersuchung ermittelte Einsparpotenzial zu berücksichtigen. Es dient dazu, die angenommenen Betriebskosten von 30 Mio. Euro jährlich zu decken. Die Rationalisierungserfolge sollten mittelfristig nach Beginn des Regelbetriebs in Form von Stellenreduzierungen eingefordert werden.

3.6 Vollständige und realitätsnahe Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchführen

Die Landesregierung sollte entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung ihre Aufgaben wirtschaftlich wahrnehmen. Entscheidungen sollten immer auf der Grundlage angemessener Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen getroffen werden. Dabei sind Kosten und Nutzen vollständig zu erfassen und zu bewerten. In dem für die Einführung von IT-Verfahren genutzten System WiBe dürfen als haushaltswirksamer Nutzen nur Positionen aufgeführt werden, die zu tatsächlichen Minderausgaben in zukünftigen Haushalten führen.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium weist darauf hin, dass es der gängigen Praxis entspreche, nach Zuschlagserteilung EVB-IT Verträge zu schließen. Es sei nicht mehr aufklärbar, warum dies hier unterblieb. Es seien jedoch dadurch keine Nachteile entstanden.

Mängel bezüglich der Anzahl der gleichzeitigen Nutzerzugriffe habe das Ministerium nicht geltend gemacht, da mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen war, dass seitens des Auftragnehmers der bereits erfolgte Ablauf der Gewährleistungsfrist geltend gemacht worden wäre.

Zum Thema Hybridakte weist das Ministerium darauf hin, dass erst durch die Festlegungen des E-Government-Gesetzes Baden-Württemberg die rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung einer vollumfänglichen elektronischen Akte geschaffen wurden. Es halte den Zusatznutzen einer Hybridakte für beachtlich. Die Praxis habe gezeigt, dass nur ein geringer Teil der abgeschlossenen Papiervorgänge für Zwecke der Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit der Akte gescannt werden müsse. Die Beschäftigten seien entsprechend geschult worden. Als weiteren Vorteil führt das Ministerium aus, dass die Beschäftigten auch nach Einführung der landeseinheitlichen E-Akte von dem seit 2010 in DSV-neu bereits aufgebauten elektronischen Datenbestand profitieren können.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof teilt die Einschätzung des Finanzministeriums zum fehlenden EVB-IT Vertrag nicht. Termine zur Fertigstellung der Software wurden so nicht konkretisiert. Wegen des realen Verzugs um 16 Monate konnte daher keine Schlechtleistung reklamiert und kein Preisabschlag eingefordert werden.

Auch der Aussage zur vermuteten Einrede der Verjährung wegen der Nichterfüllung der in der Ausschreibung verankerten Anforderung, dass 500 Nutzer parallel arbeiten können, kann nicht gefolgt werden. Sie lässt entweder auf ein unzureichendes Testen der Anwendung oder ein mangelhaftes Vertragsmanagement schließen.

Die Gesetzesfolgenabschätzung zum E-Government-Gesetz Baden-Württemberg ist lückenhaft. Da dort die finanziellen Auswirkungen für die Einführung der E-Akte nicht dargestellt sind, war der Abstimmungsprozess zwischen den Ressorts vor allem hinsichtlich des zusätzlichen Stellenbedarfs schwierig. Dadurch hat sich das Projekt verzögert.