Denkschrift 2017
Vorwort
1.Die Rahmenbedingungen für die Staatsfinanzen sind in Deutschland insgesamt weiterhin günstig. Die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung sowie die niedrigen Zinsaufwendungen entlasten die öffentlichen Haushalte erheblich. Das Land hat die Haushaltsjahre 2015 und 2016 mit einem Überschuss abgeschlossen. Auch 2017 will das Land ohne neue Schulden auskommen.
Die Nettosteuereinnahmen des Landes stiegen im letzten Jahr erneut überdurchschnittlich um 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mai-Steuerschätzung 2017 ergab, dass das Land in den nächsten Jahren mit weiteren Steuermehreinnahmen rechnen darf. Für 2017 errechnen die Steuerschätzer ein Plus von rund 512 Millionen Euro. Bis 2019 sollen rund 1,51 Milliarden Euro mehr in die Landeskasse fließen.
Das Land hat aufgrund der wirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen - hohe Beschäftigung, stabiles wirtschaftliches Wachstum, niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen - gute Voraussetzungen, die Schuldenbremse dauerhaft einzuhalten. Dies wird gleichwohl kein Selbstläufer werden. Konsolidierung ist die finanzpolitische Daueraufgabe auch der nächsten Jahre. Das Land muss darauf achten, dass seine strukturellen Ausgaben jeweils unter seinen strukturellen Einnahmen liegen. Nur so verschafft es sich die notwendigen Handlungs- und Gestaltungsspielräume.
Nach den 2013 neu geschaffenen haushaltsrechtlichen Vorgaben hätte das Land bereits jetzt und in den nächsten beiden Jahren in nennenswertem Umfang Kreditmarktschulden tilgen müssen. Das Land hat allerdings für den vom Grundgesetz eröffneten Übergangszeitraum bis 2019 im letzten Jahr den Schuldenbegriff auf die implizite Verschuldung erweitert. Statt der Tilgung von Krediten sind damit auch die Durchführung zusätzlicher, (über)fälliger Sanierungsmaßnahmen und die Deckung künftiger Verpflichtungen, z. B. durch Zuführungen zum Pensionsfonds, als Maßnahmen einer aktiven Zukunftsvorsorge unter Anrechnung auf die Tilgungsverpflichtung möglich, da sie das Land in den kommenden Haushaltsjahren entlasten. Der Rechnungshof ist diesen Weg mitgegangen unter der Voraussetzung, dass es sich um zusätzliche Maßnahmen handelt, die unmittelbar dem Land zugute kommen. Dieser Weg ist in der derzeitigen finanzwirtschaftlichen Lage auch der wirtschaftlichere.
2. Eine Entwicklung, die in den letzten Jahren aus dem Blick geraten ist, wird in Zukunft stärker in den Fokus rücken. Es geht um die Steuerquote. Sie zeigt an, welchen Anteil der Wertschöpfung der Staat in Form von Steuern für sich beansprucht. Abgesehen von einem Einbruch im Zuge der Finanzmarktkrise steigt die Steuerquote seit 2004 von Jahr zu Jahr stetig an. 2004 lag sie noch bei 19,5 Prozent, 2016 bei 22,5 Prozent, und sie wird nach der Prognose der Steuerschätzung (Mai 2017) bis 2021 auf 23,3 Prozent weiterklettern.
2016 betrug das nominale Bruttoinlandsprodukt 3.123,7 Milliarden Euro. Ein Prozent Steuerquote entspricht damit ca. 30 Milliarden Euro.
Die wachsenden Steuereinnahmen haben die öffentlichen Haushalte deutlich entlastet. Die Kehrseite ist aber, dass sie auch einen stetig wachsenden Anteil der Wirtschaftskraft für sich in Anspruch nehmen. Niedrige Zinsen und eine hohe Steuerquote sind finanzpolitische „Windfall Profits“. Sie haben die Haushalte nennenswert entlastet und den Verzicht auf neue Schulden ermöglicht. Die Struktur der öffentlichen Haushalte ist allein damit aber noch nicht robuster, belastbarer und zukunftstauglicher geworden. Die Tragfähigkeit und eine bessere Statik der öffentlichen Haushalte erfordern weiterhin eine aktive (strukturelle) Konsolidierung.
3.Mit 2,5 Milliarden Euro war der Länderfinanzausgleich eine der größten Ausgabepositionen des Haushalts 2016. Der aktuelle Länderfinanzausgleich ist bis Ende 2019 befristet. Bund und Länder haben sich am 14. Oktober 2016 nach mehr als zweijährigem Ringen auf eine Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen geeinigt.
Der Landeshaushalt wird spürbar entlastet. Fiskalisch betrachtet kann sich das Ergebnis sehen lassen. Die Länder haben die Neuregelung als Durchschlagen des „Gordischen Knotens“ charakterisiert. Betrachtet man das Gesamtgefüge, insbesondere neue Mischfinanzierungen und zusätzliche Einwirkungsrechte des Bundes, so werden die Länder darauf achten müssen, dass sie sich in den enger und unübersichtlicher ge- und verflochtenen Bund-Länder-Beziehungen nicht verheddern. Die „goldenen Zügel“ des Bundes könnten sich auch schnell als Fallstricke für den Föderalismus erweisen.
Der Bund wollte lange Zeit die Einigung der Ministerpräsidenten zum Finanzausgleich nicht übernehmen, da die Auswirkungen für den Bund um 1 Milliarde höher lagen, als der Bund bereit war, in die Neuregelung einzubringen. Um so erstaunlicher ist es, dass der Bund nun bereit ist, den Ländern ein Mehrfaches an Mitteln in deren Kernbereich, der Bildungspolitik, gegen Lockerung des sogenannten Kooperationsverbotes bereit zu stellen. Es geht um 3,5 Milliarden Euro für die kommunale Bildungsinfrastruktur, in Rede stehen weitere 5 Milliarden Euro zum Ausbau der Digitalisierung an Schulen. Der Bund räumt damit letztlich ein, dass die Finanzverteilung zwischen Bund und Länder nicht mehr dem Grundgesetz entspricht. Dieses sieht vor, dass Bund und Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben haben (Artikel 106 Abs. 3 GG). Richtig und konsequent wäre es daher, die Deckungsquoten neu festzulegen. Nicht das Herumbasteln am sogenannten Kooperationsverbot, sondern die bestehenden Ausgleichsmechanismen der Finanzverfassung anwenden - das wäre gelebte finanzpolitische Kooperation, wie sie das Grundgesetz vorsieht. Die zahlreichen Begleitregelungen zum neuen Finanzausgleich sind ein Roll-back der Föderalismusreform von 2006. Mischfinanzierungen leben wieder auf. Die Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Ländern werden verwischt. Der Bund erhält über neue Instrumentarien zusätzliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Länder mit potenziellen Auswirkungen bis hinein ins Bundesratsverfahren.
4.Auch im vergangenen Jahr stießen die Empfehlungen und Anmerkungen des Rechnungshofs sowohl beim Landtag, seinen Fraktionen und der Landesregierung als auch in der Öffentlichkeit auf reges Interesse. Insbesondere im Ausschuss für Finanzen erfahren sie eine sachkundige und intensive Behandlung. Die direkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg mit den Behörden des Landes zeigte sich unter anderem darin, dass manche unserer Anregungen seitens der Verwaltung noch während der Prüfung aufgenommen und umgesetzt wurden. Diesen Weg des konstruktiven Miteinanders wollen der Rechnungshof, die staatlichen Rechnungsprüfungsämter und unsere Prüferinnen und Prüfer weiter fortsetzen.
Als Rechnungshof müssen wir überlegen, ob wir künftig auch Beispiele guten Verwaltungshandelns stärker hervorheben. Es geht nicht nur um Kritik und Fehlervermeidung, sondern auch um Impulse und Nachahmungseffekte durch gute Praxis.
Bei unseren Prüfungen sind wir auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung getroffen, die verantwortungsbewusst handeln und sich die Ziele der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur eigenen Sache machen.
Karlsruhe, im Juni 2017
Max Munding
Präsident des Rechnungshofs
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