Denkschrift 2016
Vorwort
1.In der neuen Legislaturperiode stehen wichtige finanz- und haushaltspolitische Entscheidungen auf der politischen Agenda. Ab 2020 greift für die Länder die Schuldenbremse mit dem Verbot einer Nettokreditaufnahme. In der letzten Legislaturperiode hat das Land nur eine einfachgesetzliche Regelung in der Landeshaushaltsordnung getroffen und einen Abbaupfad definiert, wie die Vorgaben der Schuldenbremse erreicht werden sollen.
Der Rechnungshof hat in der Vergangenheit wiederholt gefordert, die Schuldenbremse ausdrücklich in der Landesverfassung zu verankern. Der Paradigmenwechsel, der mit der Schuldenbremse verbunden ist und der erhebliche Auswirkungen auf das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben hat, gebietet es, dass der Landtag als Verfassungsgeber die tragenden Regelungen selbst trifft. Nur so kann gegebenenfalls die Einhaltung vom Verfassungsgerichtshof auch überprüft und der Schuldenbremse der notwendige Nachdruck verschafft werden.
Die Regierungskoalition hat im Koalitionsvertrag die verfassungsrechtliche Verankerung vereinbart und der Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung dieses Ziel ausdrücklich hervorgehoben. Der Rechnungshof begrüßt diese neue Weichenstellung. Die für das Vorhaben notwendige Zweidrittelmehrheit eröffnet auch die Chance zu einer breiteren parlamentarischen Verständigung - nicht nur über die Regelung selbst, sondern im Idealfall auch über die Grundzüge der damit verbundenen haushaltspolitischen Konsolidierung.
2.Trotz der bisher ergriffenen Maßnahmen zur Konsolidierung weist der aktuelle Finanzplan 2020 im Wesentlichen bedingt durch die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden wieder jährliche Deckungslücken von rund 2 Mrd. Euro für die nächsten Jahre auf.
Die wirtschaftliche Lage zur Bewältigung dieser geänderten Herausforderung ist gleichwohl gut. Die Wirtschaft befindet sich auf einem robusten Wachstumspfad. Nach der aktuellen Steuerschätzung vom Mai 2016 kann Baden-Württemberg mit Steuereinnahmen von fast 35 Mrd. Euro rechnen. Das Land hat noch nie mehr Steuern eingenommen, als es in diesem Jahr erwarten darf. Auch für die Folgejahre sind erhebliche Mehreinnahmen prognostiziert.
Die Erfahrung lehrt: Konsolidierung ist kein Selbstläufer. Erreichtes muss gesichert und neue Herausforderungen müssen bewältigt werden können. Konsolidierung ist keine Einmalaktion sondern eine Daueraufgabe.
Die Länderhaushalte sind zwangsläufig durch hohe Personalkosten ge-prägt. Die Kernaufgaben der Länder - wie Bildung, Forschung, Sicherheit, Justiz - sind besonders personalgebundene Dienstleistungen. Eine fast menschenleere Fabrik ist möglich, Klassenzimmer oder Hörsäle ohne Lehrer und Professoren nicht. Die Bereiche haben eine inhärente Dynamik zu mehr Personal. Natürlich sind mehr Lehrer oder Polizisten besser als weniger. Letztlich ist nur die Finanzierbarkeit die Grenze. Auf Dauer wird man den hohen Personalkostenanteil nur begrenzen können, wenn man nicht am Personal spart, sondern Personal spart. Damit eine zukünftige Personalmehrung über den jetzigen Stellenbestand hinaus wenigstens generationsgerecht finanziert werden kann, sollte das Land für jede neu geschaffene Stelle die versicherungsmathematisch notwendigen jährlichen Anteile für die künftigen Versorgungsausgaben dem Versorgungsfonds zu 100 Prozent zuführen.
Der Ruf nach neuen Stellen darf nicht actio prima sein, er muss ultima ratio bleiben. Zuvor gilt es, Strukturen und Abläufe, Vorgaben und Verfahren zu optimieren und, wo notwendig, auch Schwerpunkte zu verlagern und Prioritäten und Posterioritäten neu zu justieren.
Ein breites Feld für Aufgabenkritik bietet die Förderpolitik. Ihr Gesamtvolumen liegt bei rund 4,3 Mrd. Euro. Davon kann das Land Programme im Umfang von 980 Millionen Euro selbst beeinflussen und gestalten. Hier gilt es immer wieder zu fragen, welche Wirkungen die Programme erzielen, wo ein Mehrwert oder Zusatznutzen geschaffen wird und wie bloße Mitnahmeeffekte vermieden werden. Ist alles, was einmal sinnvoll war, auch für die Zukunft notwendig? Förderprogramme sollten daher generell befristet werden, damit sie so von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand gestellt werden.
3.Die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern müssen neu geordnet werden. Der Länderfinanzausgleich läuft in seiner jetzigen Form 2019 aus, ebenso der „Solidarpakt II“. Die Länder haben sich nach langem Anlauf im Dezember 2015 unter sich auf ein neues Modell für den Finanzausgleich geeinigt. Danach sollen alle Länder besser gestellt werden und keines mehr als Empfängerland in Erscheinung treten. Baden-Württemberg könnte auf Einsparungen in Höhe von rund 1 Mrd. Euro hoffen. Noch fehlt es allerdings an der Bereitschaft des Bundes mitzumachen.
Das Modell der Länder setzt sich aus vielen, zum Teil heterogenen Ele-menten zusammen. Im Vordergrund steht das finanzielle Ergebnis, das für Baden-Württemberg durchaus positiv ist. Der Finanzausgleich ist für die föderale Struktur der Bundesrepublik aber von erheblicher Bedeutung. Deshalb wäre es erstrebenswert, dass nicht nur das finanzielle Ergebnis stimmt. Der neue Finanzausgleich sollte auch in Struktur und Statik föderalen Anforderungen entsprechen und längerfristig belastbar sein.
4.Die hohe Zahl von Flüchtlingen, die im Herbst kurzfristig aufgenommen werden musste, stellt die Verwaltung vor große Herausforderungen. Vieles musste improvisiert werden. Kreativität war gefordert. Von Mitarbeitern und auch aus der Politik wurde daher die Sorge an uns herangetragen, wie der Rechnungshof die Sache später einmal beurteilen wird.
Gesetzliche Vorgaben, auch die Landeshaushaltsordnung, können nicht einfach ausgesetzt werden. Behörden und ihre Mitarbeiter müssen in einer solchen Situation jedoch ihren Handlungsspielraum voll wahrnehmen. Sie dürfen ihr Handlungsermessen nicht reduzieren, sondern müssen es umfassend ausschöpfen.
Eine spätere Beurteilung wird sich daher immer danach richten müssen, was in der konkreten Handlungs- und Entscheidungssituation erkennbar und möglich war und welche anderen Optionen faktisch und zeitlich überhaupt realisierbar waren. Das heißt: Auch die Finanzkontrolle muss aus der Lage heraus urteilen und nicht ex post. Wir wollen mit unserer Prüfungstätigkeit die Handlungsfähigkeit und die Verantwortungsbereitschaft stärken und nicht schwächen. Wir wollen keiner Absicherungsmentalität Vorschub leisten.
5.Auch im vergangenen Jahr stießen die Empfehlungen und Anmerkungen des Rechnungshofs sowohl beim Landtag, seinen Fraktionen und der Landesregierung als auch in der Öffentlichkeit auf reges Interesse. Insbesondere im Ausschuss für Finanzen und Wirtschaft erfahren sie eine sachkundige und intensive Behandlung. Die direkte und vertrauensvolle Zusammenarbeit der staatlichen Finanzkontrolle Baden-Württemberg mit den Behörden des Landes zeigte sich unter anderem darin, dass manche unserer Anregungen seitens der Verwaltung noch während der Prüfung aufgenommen und umgesetzt worden sind. Diesen Weg des konstruktiven Miteinanders wollen der Rechnungshof, die staatlichen Rechnungsprüfungsämter und unsere Prüferinnen und Prüfer weiter fortsetzen.
Wichtig ist auch die Feststellung, dass wir bei unseren Prüfungen auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung treffen, die verantwortungsbewusst handeln und sich die Ziele der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur eigenen Sache machen.
Karlsruhe, im Juni 2016
Max Munding
Präsident des Rechnungshofs
Baden-Württemberg
- Haushaltsrechnung, Haushaltsplan und Haushaltsvollzug
- Haushaltsvollzug und Haushaltsrechnung des Landes für das Haushaltsjahr 2014 [Beitrag Nr. 1]
- Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben des Landes 2006 bis 2015 [Beitrag Nr. 2]
- Landesschulden und Landesvermögen [Beitrag Nr. 3]
- Finanzplan 2020 [Beitrag Nr. 4]
- Schuldenbremse in die Landesverfassung [Beitrag Nr. 5]
- Ressortübertgreifende Empfehlungen
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- Outsourcing der Bürokommunikation in der Landesverwaltung [Beitrag Nr. 7]
- Informationssicherheit in der Landesverwaltung [Beitrag Nr. 8]
- Besondere Prüfungsergebnisse
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Einzelplan 02: Staatsministerium
Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund [Beitrag Nr. 9]
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Einzelplan 04: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport
Qualitätsmanagement an Realschulen und allgemeinbildenden Gymnasien [Beitrag Nr. 11]
Förderung von Investitionen und Gebäudebetriebskosten für die Kleinkindbetreuung [Beitrag Nr. 12]
Organisation und Aufgabenanalyse im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport [Beitrag Nr. 10]
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Einzelplan 05: Justizministerium
Personalbemessung in der Justiz [Beitrag Nr. 13]
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Landeszentrum für Datenverarbeitung [Beitrag Nr. 14]
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Einzelplan 07: Ministerium für Finanzen und Wirtschaft (Wirtschaft)
Förderung der Beratung von kleinen und mittleren Unternehmen [Beitrag Nr. 15]
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Einzelplan 08: Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
Schulmilch - und Schulfruchtförderung [Beitrag Nr. 16]
Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg [Beitrag Nr. 17]
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Einzelplan 09: Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren
Bau- und Gebäudemanagement bei den Zentren für Psychiatrie [Beitrag Nr. 19]
Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz [Beitrag Nr. 18]
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Einzelplan 12: Allgemeine Finanzverwaltung
Unzulässiger Abzug der Kirchenabgeltungsteuer als Sonderausgabe [Beitrag Nr. 20]
Zerlegung der Körperschaftsteuer [Beitrag Nr. 21]
Geothermische Anlagen in Landesgebäuden [Beitrag Nr. 22]
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Einzelplan 13: Ministerium für Verkehr und Infrastruktur
Organisation und Aufgabenanalyse im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur [Beitrag Nr. 23]
Vergabe beim Landesstraßenbau [Beitrag Nr. 24]
Erhalt von Stützbauwerken sowie Hang- und Felssicherungen an Landesstraßen [Beitrag Nr. 25]
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Einzelplan 14: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Förderung der Forschungseinrichtungen der Max-Planck-Gesellschaft [Beitrag Nr. 27]
Vergabe von Bauleistungen durch das Universitätsklinikum Heidelberg [Beitrag Nr. 26]