1 Ausgangslage
1.1 Prüfung von Ministerien
Der Rechnungshof hat 2001 die Steuerungs- und Unterstützungsleistungen (Querschnittsaufgaben) bei den Ministerien des Landes untersucht.
Er möchte aktuell mit einer Prüfungsreihe und einem erweiterten Prüfungsansatz Erkenntnisse gewinnen und Vorschläge unterbreiten, wie Ministerien so organisiert werden können, dass sie ihre Aufgaben möglichst wirtschaftlich erledigen können. Dazu hat der Rechnungshof bislang Untersuchungen in zwei Ressorts, dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und dem Ministerium für Integration, abgeschlossen. Im Ministerium für Integration hat er - neben der Organisationsuntersuchung - auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung geprüft. Die ressortübergreifenden Erkenntnisse und Vorschläge aus der Organisationsprüfung sollen nach Abschluss der Prüfungsreihe in einer Beratenden Äußerung dargestellt werden.
1.2 Aufgaben und Organisation des Ministeriums für Integration
2011 wurde das Ministerium für Integration nach der Regierungsneubildung als eigenständiges Ministerium für integrationspolitische Fragen eingerichtet. Ihm wurden Aufgaben übertragen, die bis dahin vom Innenministerium und vom Justizministerium wahrgenommen wurden. Mit seinen 59 Planstellen ist es das kleinste Ministerium, das es in der jüngeren Geschichte des Landes gab. In keinem anderen Land in Deutschland gibt es bislang ein Ministerium, dessen Zuständigkeit sich ausschließlich auf Integrationspolitik und Zuwanderung beschränkt.
Das Ministerium für Integration war zum Zeitpunkt der Erhebung organisatorisch wie folgt gegliedert:
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Haushalt und Personal
Das Volumen des Einzelplans des Ministeriums für Integration im Staatshaushaltsplan ist von 67 Mio. Euro 2012 auf 529 Mio. Euro im Nachtrag für 2016 angestiegen. Diese Entwicklung ist auf den gewachsenen Finanzbedarf für die Aufnahme, Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen und für die Landeserstaufnahmeeinrichtungen zurückzuführen. Aufgrund der neuen Zugangsprognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge von Anfang Mai 2015 muss mit höheren Flüchtlingszahlen und damit auch einem höheren Finanzbedarf gerechnet werden. Ohne den Finanzbedarf für die Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung verbleiben dem Ministerium jährlich bis zu 12 Mio. Euro, die zum größten Teil für Personalkosten, Fördermaßnahmen und Projekte ausgegeben werden.
2014 hatte das Ministerium für Integration 59 Stellen. Insgesamt sind 56 Prozent der Bediensteten im höheren Dienst oder auf entsprechenden Stellen nach TV-Land. Nur das Sozialministerium (61 Prozent) und das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (59 Prozent) weisen hinsichtlich der Stellen des höheren Dienstes und vergleichbaren Angestelltenstellen eine höhere Quote aus. Die Quote beim Staatsministerium beträgt 42 Prozent.
2.2 Organisationsuntersuchung
Der Organisationsuntersuchung lag ein aufgabenbezogener Untersuchungsansatz zugrunde. Auf der Grundlage eines mit dem Ministerium für Integration abgestimmten Aufgabenkatalogs haben die Mitarbeiter die Zeitanteile geschätzt, die sie für die einzelnen Aufgaben verwenden. An der Selbsteinschätzung nahmen 57 Personen mit einem Beschäftigungsumfang von 54,6 Vollzeitäquivalenten teil.
Die Organisationseinheiten des Ministeriums sind sehr klein. Sechs von zehn Referaten hatten weniger als vier Mitarbeiter. Nach allgemeinen Organisationsgrundsätzen sollte ein Referat in der Regel neben dem Referatsleiter mindestens vier Mitarbeitende haben.
2.2.1 Ergebnis der Selbsteinschätzung
Zum Zeitpunkt der Selbsteinschätzung umfasste das Ministerium für Integration drei Abteilungen mit insgesamt zehn Referaten sowie das Büro der Ministerin und die Pressestelle. Sie hatte folgendes Ergebnis:
- Der Anteil der Querschnittsaufgaben für die eigene Dienstelle ist mit 21 Vollzeitäquivalenten, das sind 39 Prozent, insgesamt relativ hoch. Zusammen mit den Querschnittsaufgaben für Bereiche außerhalb des Ministeriums fallen fast 50 Prozent der gesamten Aufgaben des Ministeriums auf Querschnittsaufgaben.
- Verursacht wurde dieser hohe Anteil nicht durch die Bereiche Zentrale Ressortsteuerung, IT-Betreuung und Controlling. In diesen Bereichen war das Ministerium sehr schlank aufgestellt. Für den Bereich der Zentralen Ressortsteuerung lag dies am Fehlen einer Zentralstelle, die Aufgaben wurden überwiegend im Büro der Ministerin wahrgenommen. Der Bereich wurde zwischenzeitlich verstärkt. Im IT-Bereich erbringt das Ministerium IT-Dienstleistungen nicht selbst, sondern kauft sie ein. Controllingaufgaben werden kaum wahrgenommen, weil das Ministerium sehr klein und seine Aufgaben überschaubar sind. Der hohe Personaleinsatz bei den Querschnittsaufgaben entsteht vielmehr in den klassischen Querschnittsaufgaben Organisation, Finanzen und Personal.
- Für die Erledigung der Fachaufgaben - einschließlich der Fachaufgaben bei Förderungen - werden 28,4 Vollzeitäquivalente eingesetzt.
- Für Leitungsaufgaben in den Referaten werden lediglich 16,6 Prozent der Arbeitszeit der Referatsleitungen eingesetzt. Im Übrigen erledigen sie Fach- und Querschnittsaufgaben.
2.2.2 Organisationsmöglichkeiten
Die Organisationsstruktur im Ministerium für Integration ist sehr kleinteilig. Bei der geringen Leitungsspanne gibt es überproportional viele hoch bezahlte Führungskräfte bei vergleichsweise wenigen Mitarbeitenden. Unabhängig von einer grundsätzlichen Neuorganisation der Aufgabe Integration sollte in der bestehenden Organisationsstruktur die Zahl der Referate verringert werden: Die Referate 23 und 34 waren zum Zeitpunkt der Selbsteinschätzung nur mit einem Referatsleiter und einem Mitarbeitenden besetzt. Sie sollten daher in andere Referate integriert werden.
Die beiden Fachabteilungen des Ministeriums hätten dann allerdings nur noch zwei bzw. drei Referate, die dann keine eigenständigen Abteilungen mehr rechtfertigen. Ihr Personalkörper mit einem Beschäftigungsumfang von knapp 34 Vollzeitäquivalenten, die zudem auch noch Querschnittsaufgaben wahrnehmen, ist kleiner als der Personalkörper vieler Abteilungen in anderen Ressorts. Deshalb sollte die derzeitige Organisationsstruktur für die Aufgaben des Ministeriums optimiert werden.
Die Zusammensetzung der Regierung, Zahl und Geschäftsbereich der Ministerien ist Teil der Organisationsgewalt der Regierung, die der Zustimmung des Landtags unterliegt. Der Regierung steht dafür ein breiter Gestaltungsspielraum offen. Mit dem Zuschnitt einzelner Ministerien kann sie auch staatskommunikative und symbolische Ziele verfolgen. Sie ist dabei nicht allein an organisationswissenschaftliche und rein wirtschaftliche und fiskalische Überlegungen gebunden. Gleichwohl sollte sie diese beachten.
Die Zahl der Ministerien sollte insgesamt nicht erhöht werden. Dies würde zu einer stetigen Vermehrung vor allem höherwertiger Stellen führen. Es würde aber auch einen höheren Aufwand an politischer Koordination zum Ausgleich widerstreitender politischer Ziele erfordern und einseitig dem Ressortdenken Vorschub leisten. Auch sollte die Größe der Ressorts (in Baden-Württemberg von 59 bis 668,5) nicht zu weit auseinander driften, wenngleich die Größe allein kein Kriterium für die politische Gewichtung ist.
Die Bildung eines kleineren Ressorts ist aus politischen Gründen durchaus möglich, um politische Impulse zu geben oder ein Anliegen im öffentlichen Diskurs besonders hervorzuheben und sichtbar zu machen. Gleichwohl ist dies im bundesdeutschen Vergleich die absolute Ausnahme. So sind Themen wie Integration, Verbraucherschutz, Kunst und Gleichstellung in der Regel mit anderen unmittelbar berührten Themen in einem größeren Ministerium organisatorisch geclustert.
Die Festlegung des Ressortzuschnitts einzelner Ministerien steht vielfach im Spannungsfeld zwischen Zuweisung von Fachaufgaben auf die einzelnen Ministerien und der Frage, wie übergreifende Themen bzw. politische Querschnittsthemen in die Ministeriumsstruktur integriert werden. Politische Querschnittsaufgaben und übergreifende Themen liegen vielfach quer zu konkreten Strukturen und Zuständigkeiten.
Das in dieser Legislaturperiode neu gebildete Ministerium für Integration ist nach eigenem Verständnis im Wesentlichen durch zwei Aufgabenbereiche gekennzeichnet: Durch Integration als Teilhabe an Bildung und Ausbildung, Arbeit, gesellschaftlicher und politischer Teilhabe sowie kommunaler Integrationsarbeit. In diesen Feldern stehen für das Ministerium die Herstellung von Chancengerechtigkeit und die Sicherung sozialen Zusammenhalts im Mittelpunkt. Die Flüchtlingspolitik hat einen zu Beginn der Legislaturperiode so nicht prognostizierten Schwerpunkt erhalten. Die Organisation der Aufnahme der wachsenden Zahl von Flüchtlingen bestimmt die aktuellen Herausforderungen.
Beim Ministerium für Integration als kleinstem Ministerium sind die verwaltungsmäßigen, nicht die politischen Querschnittsaufgaben zwangsläufig in der Personalausstattung dominant. Auf der anderen Seite ist es durch die für die fachpolitischen Aufgaben zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen auch in der Reaktion auf verlagerte Schwerpunkte oder neue Herausforderungen gegenüber einem größeren Ressort mit breiterer Zuständigkeit eingeschränkt. Dies wirkt sich auch auf die Möglichkeiten bei der Personalrekrutierung und auf seine Wirtschaftlichkeit aus.
Für die Erledigung seiner Aufgaben kommen eine Vielzahl von Varianten in Betracht, von denen wir vier Grundmodelle erläutern:
- Übertragung weiterer integrations- und flüchtlingspolitisch wichtiger Zuständigkeiten aus den Fachressorts, insbesondere Innenministerium, Sozialministerium und Kultusministerium.
- Eingliederung des Ministeriums für Integration in das Innenministerium oder in das Sozialministerium, je nach Schwerpunktorientierung.
- Status quo, im Wesentlichen mit Belassung der jetzigen Aufgaben des Ministeriums für Integration, aber mit einer Stärkung der Koordinierungsfunktionen (Kabinettsausschuss, Initiativrecht im Bereich anderer Ressorts, Bündelung von Förderprogrammen).
- Ansiedlung einer Stabsstelle im Bereich des Staatsministeriums mit politischer Akzentuierung durch Bestellung einer Staatsministerin. Dort könnte sie über die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten die Integrationspolitik der gesamten Landesregierung koordinieren. Die Fachaufgaben werden auf die Ressorts verteilt.
Der von der Regierung gewählte Zuschnitt des Ministeriums für Integration ist gemessen an der Querschnittsaufgabe Integrationspolitik, aber auch an der aktuellen Herausforderung der Flüchtlingspolitik nicht optimal. Bei der Integrationspolitik fehlen ihm wichtige Zuständigkeiten bzw. es besteht ein Nebeneinander verschiedener Ressortpolitiken, das insbesondere im Bereich der Förderpolitik zum Ausdruck kommt. Die Integrationspolitik betrifft Schwerpunkte aller Ressorts, im Wesentlichen des Innenministeriums mit den zentralen ausländer- und asylrechtlichen Kompetenzen, aber auch des Sozialministeriums und des Kultusministeriums. Ähnliches gilt für die Flüchtlingspolitik. Diese Schnittstellen müssen in der neuen Legislaturperiode auch unter Organisations- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten neu geregelt werden. Das zuletzt genannte Grundmodell (Stabsstelle im Staatsministerium) wird den Wirtschaftlichkeitsaspekten am besten gerecht, weil höherwertige Stellen eingespart werden können.
2.3 Gesamtkonzeption fehlt
Nach dem Koalitionsvertrag für die 15. Legislaturperiode sollte die Integrationspolitik mit den Schwerpunkten Integration und Aufnahme neu ausgerichtet werden. Im Erhebungszeitraum (bis Sommer 2014) wurden im Ministerium für Integration mindestens dreimal so viele Vollzeitäquivalente für Integration eingesetzt wie für die Aufnahme von Flüchtlingen. Gleichzeitig ist deren Zahl stark gestiegen. Beide Themen sind voneinander abhängig. Nimmt die Zuwanderung zu, verändert sich auch die Aufgabe Integration.
Konzeptionell sieht das Ministerium die sechs Handlungsfelder:
- Teilhabe an Bildung und Ausbildung,
- Gesellschaftliche Teilhabe,
- Humane Flüchtlingspolitik,
- Kommunale Integrationsarbeit
und zusätzlich den Ausbau der „Willkommenskultur“. Diese Schwerpunktsetzung spiegelt sich im Ressourceneinsatz wieder. Ein schriftliches Gesamtkonzept als strategische Grundlage ist nach Auffassung des Ministeriums nicht erforderlich, weil es der Komplexität und Dynamik von Integrationsprozessen nicht Rechnung tragen könnte.
Der Rechnungshof anerkennt, dass für den Bereich Integration Schwerpunkte definiert wurden. Er vermisst aber konzeptionelle Überlegungen, wie sich die enorm gestiegenen Flüchtlingszahlen qualitativ, quantitativ und kostenmäßig auf die Integrationsmaßnahmen auswirken.
2.4 Fördermaßnahmen des Ministeriums für Integration
2.4.1 Haushaltsansätze und Mittelabfluss
Zu Beginn der Legislaturperiode gab es eine Vielzahl von Anträgen auf Förderung einzelner Maßnahmen. Mittel waren ausreichend vorhanden, alle Förderanträge wurden positiv beschieden. Prioritäten waren nicht erkennbar. Die geförderten Maßnahmen reichten von der Veranstaltung interkultureller Feste über Eltern- und Schulprojekte bis hin zur Förderung der Veranstaltung von Tagungen.
Die nachfolgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Haushaltsansätze und die ausgezahlten Mittel für die Maßnahmen und Projekte zur Integration in Kapitel 1503, Titelgruppe 70 sowie in Kapitel 1503 Titel 684 01.
2.4.2 Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Integration über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration (VwV-Integration)
Im Förderjahr 2011 lag der kommunalen Förderung die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Gewährung von Projekt- und Betreuungsmittel für Spätaussiedler/-innen und Ausländer/-innen mit einem Fördervolumen von 1,8 Mio. Euro zugrunde. Das Ministerium für Integration wurde nach der Regierungsneubildung für diese Förderung zuständig. Die Verwaltungsvorschrift war bis Ende 2011 gültig.
Im Juli 2012 hat das Ministerium für Integration zunächst eine neue Verwaltungsvorschrift erlassen, in der die Förderbereiche der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums beibehalten wurden. Das Fördervolumen erhöhte sich auf 2 Mio. Euro. Die Zielgruppe wurde generell auf Personen mit Migrationshintergrund erweitert. Für die pauschalen Förderungen für die Stadt- und Landkreise waren keine Anträge erforderlich. Die Bandbreite der Projekte war bunt. Sie reichte von der Förderung eines musikalischen Handpuppen- und Märchentheaters über Tanz und Folklore für Kinder und Jugendliche bis hin zu „Wir trinken Tee und sprechen Deutsch/Internationaler Mutter-Kind-Treff“.
Die im Rahmen der Prüfung vorgelegten Unterlagen wiesen deutliche Defizite auf. Nicht immer war erkennbar, ob tatsächlich auch Personen mit Migrationshintergrund teilgenommen hatten. Auch die Beschreibung der Maßnahmen ließ dies offen. Nach den Übergangsvorschriften erhielten auch im Jahr 2013 die bereits vom Innenministerium bewilligten Projekte weiterhin Zuwendungen wie schon die Jahre zuvor. Kleinstförderungen wurden noch bewilligt.
Im August 2013 trat die VwV-Integration in Kraft. Es gab Übergangsvorschriften, wonach alle Projekte weitergefördert wurden, die bereits 2012 gefördert wurden. Damit erhielten auch 2013 die bereits vom Innenministerium bewilligten Projekte weiterhin Zuwendungen wie schon die Jahre zuvor. Es wurden nochmals Kleinstförderungen bewilligt. Erst fast zwei Jahre nach der Gründung des Ministeriums für Integration wurde ein neues Programm zur Förderung der Integrationsarbeit in den Kommunen konzipiert. Aus der VwV-Integration lassen sich keine Kennzahlen ableiten, aus denen sich ergibt, ob und in welchem Umfang die Projekte integrative Wirkungen erzielen.
2.4.3 Andere Förderungen und Projekte
Für andere Förderungen außerhalb der VwV-Integration fehlten nach wie vor Vorgaben und Konzepte, sodass eine Vielzahl von Projekten voraussetzungslos gefördert wurde.
Das Ministerium für Integration hat 2011 und 2012, danach in nicht mehr ganz so großem Ausmaß, eine Vielzahl von Kleinprojekten unsystematisch und teilweise auch fehlerhaft gefördert.
Bei der Bewilligung der ersten Maßnahmen nach Gründung des Ministeriums für Integration wurden nicht alle Vorschriften eingehalten. Im Laufe der Zeit konnten die Mängel jedoch reduziert werden.
In einigen Fällen fehlte das erhebliche Landesinteresse an der Förderung, wie z. B. 2012 bei der Verlängerung eines Projekts der Elternbildung in Tübingen, bei dem das Ministerium für Integration zuvor in einem internen Vermerk sogar ausführlich dargelegt hatte, dass eine Förderung auch abgelehnt werden müsse, weil die Ziele nach Angaben des Projektträgers bereits erreicht bzw. sogar überschritten wurden. Ein weiteres Beispiel ist das Interkulturelle Fest in Schwetzingen 2013. Zweck der Förderung war, den freien Eintritt in den Schlossgarten Schwetzingen zu ermöglichen. Daran besteht kein erhebliches Landesinteresse. Den Akten des Ministeriums war zu entnehmen, dass es Probleme mit dem „Abfluss“ von Fördermitteln gegeben hatte und deshalb der Antrag wohlwollend geprüft werden sollte.
In einigen Fällen wurden die Zuwendungen zu hoch berechnet und zu früh ausbezahlt. Bei der Förderung von Personalstellen war aus manchen Förderanträgen nicht erkennbar, ob der geförderte Stellenanteil angemessen ist oder welche Tätigkeiten gefördert wurden.
In einigen Fällen ist die Förderung von Doppelstrukturen nicht ausgeschlossen. Zum Beispiel fördert das Ministerium für Integration seit 2012 Erstanlaufstellen und Kompetenzzentren für die Beratung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Welcome Center für internationale Fachkräfte werden vom Ministerium für Finanzen und Wirtschaft seit 2014 gefördert. Im Bereich der Elternbildung fördern sowohl das Ministerium für Integration als auch das Kultusministerium.
Als Beratungsstelle bei Zwangsverheiratung und familiärer Gewalt wird eine interkulturelle Onlineberatungsstelle in Berlin vom Land seit 2010 gefördert. Damals bezuschussten vier Länder die Beratungsstelle, 2013 waren es noch drei, außer Berlin und Brandenburg nur Baden-Württemberg. Aus Baden-Württemberg kamen 13 Prozent der Anfragen. Demgegenüber hat das Ministerium für Integration zwischen 30 und 35 Prozent der Kosten, insgesamt mehr als das Sitzland, finanziert. Außerdem gibt es mit Bundesmitteln gefördert ein bundesweites 24-Stunden-Hilfetelefon für die gleiche Zielgruppe. Zudem fördert das Ministerium für Integration eine andere Beratungsstelle, die anonyme Beratung ebenfalls für die gleiche Zielgruppe anbietet. Das Ministerium sollte darauf hinwirken, dass sich auch andere Länder an dem Projekt beteiligen und die Kosten nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden.
Bei einer Maßnahme zur interkulturellen Öffnung der Ministerien hatte das Ministerium für Integration keine Bedarfsanalyse für die geplanten Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Eine entsprechende Nachfrage nach dem Schulungsangebot war zunächst nicht vorhanden. Deshalb hat das Ministerium das Angebot auf die Landkreise ausgedehnt. Dennoch wurden die von externen Trainern durchgeführten Schulungen nicht ausreichend nachgefragt.
Bei der Einbürgerungskampagne des Ministeriums für Integration wurde 2012 eine Werbeagentur beauftragt. Die Auftragssumme betrug 100.000 Euro. Die ursprüngliche Auftragssumme wurde dann aber ohne Vertragsergänzung um mehr als 100 Prozent überschritten.
Mängel gab es auch bei den Förderkursen und dem Gruppenunterricht für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichem Migrationshintergrund. Bereits während des Bewilligungszeitraums stellte sich heraus, dass ursprünglich nicht erwartete andere Fördergelder doch gewährt wurden. Um eine Rückzahlung der Förderung des Ministeriums für Integration zu vermeiden, wurde die Zweckbestimmung des Zuwendungsbescheids erweitert. Das Ministerium konnte nicht nachvollziehen, ob der Verwendungszweck erfüllt wurde.
2.4.4 Fehlende Bestandaufnahme
Eine schriftliche Konzeption für alle Förderungen gibt es bislang immer noch nicht, obwohl das Ministerium für Integration zu Beginn der Legislaturperiode festgestellt hat, dass die bisherige Förderpolitik eine gestaltende Integrationspolitik nicht erkennen lasse. Eine Bestandsaufnahme der Gesamtsituation hat das Ministerium nicht vorgenommen. Bis heute fehlt eine Übersicht über die Integrationsprojekte im Land und deren Träger und dadurch auch der Überblick, was von wem erledigt und was in welcher Höhe mit staatlichen Mitteln gefördert wurde.
3 Empfehlungen
3.1 Organisation verbessern
- Die Zahl der Referate sollte kurzfristig verringert werden, indem das Referat 23 in das Referat 22 sowie das Referat 34 in das Referat 32 integriert werden.
- Die Aufgaben des Ministeriums für Integration sollten in der neuen Legislaturperiode entsprechend den Vorschlägen des Rechnungshofs neu organisiert werden.
3.2 Gesamtkonzeption für Zuwanderung und Integration erstellen
Die Landesregierung sollte eine Gesamtkonzeption für die Zuwanderung und Integration erstellen. Daraus muss sich auch ergeben, wie sich die Entwicklung der Flüchtlingszahlen auf die integrativen Maßnahmen qualitativ, quantitativ und kostenmäßig auswirkt.
3.3 Integrationsmaßnahmen zielgerichteter fördern
- Für die vom Ministerium für Integration geförderten Integrationsmaßnahmen sind geeignete Wirkungskennzahlen zu entwickeln und einzufordern.
- Neben der VwV-Integration sind allgemeine Regelungen zur Vergabe von Fördermitteln zu erarbeiten.
- Doppel- bzw. Parallelförderungen sind auszuschließen. Dafür ist eine Übersicht über alle Integrationsprojekte und Förderungen des Landes zu erstellen.
- Außerhalb der Verwaltungsvorschriften fehlerhaft geförderte Einzelprojekte sind grundsätzlich zu hinterfragen und die festgestellten Mängel zu beseitigen. Außerdem sollte eine Gesamtübersicht über die Integrationsprojekte im Land erstellt werden.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Integration lehnt das Zusammenlegen von Referaten ab, weil die Landesregierung wegen der Bedeutung des Politikfeldes ein eigenständiges Ministerium gegründet habe. Deshalb müssten bei einem naturgemäß kleinen Ministerium auch kleine Arbeitseinheiten in Kauf genommen werden, um eine vernünftige Gesamtstruktur zu erzielen. Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Neuorganisation würden sich zu sehr an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren und die politische Dimension eines eigenständigen Ministeriums zu wenig berücksichtigen.
Konzeptionell habe das Ministerium die Zunahme und Diversifizierung der Zuwanderung als eine besondere gesellschaftliche Herausforderung aufgegriffen. Die Ministerin habe ihr Haus unter Wahrung einer ausgewogenen Gesamtkonzeption für die beiden Themen Integration und Flüchtlingsaufnahme planmäßig und flexibel konzeptionell ausgerichtet.
Das Ministerium sieht das „erhebliche Landesinteresse“ bei den geförderten Maßnahmen als gegeben an. Es schließt Doppelförderungen und Doppelstrukturen in den genannten Fällen aus. Im Übrigen habe das Ressort in Einzelfällen Rückforderungsverfahren eingeleitet und - wo immer es sinnvoll sei - auch Kennzahlen gebildet. Für die Förderung von Maßnahmen außerhalb der VwV-Integration will das Ministerium künftig die vorhandenen Regelungen zusammenfassen und ergänzen.