Umgang der Steuerverwaltung mit den elektronischen Mitteilungen über Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung [Beitrag Nr. 14]

Die Bearbeitungsqualität bei den Fällen mit Beiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung muss deutlich verbessert werden. Andernfalls drohen jährlich Steuerausfälle von 2,9 Mio. Euro. Zudem sollten die elektronischen Mitteilungen dazu genutzt werden, einen höheren Automatisierungsgrad bei der Fallbearbeitung zu erreichen.

1 Ausgangslage

1.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen

Der Sonderausgabenabzug für Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurde durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.07.2009 (BGBl. I, Seite 1659) grundlegend geändert. Danach ist zu unterscheiden zwischen sogenannten Basisbeiträgen, die zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind, und sogenannten Wahlbeiträgen für eine darüber hinausgehende Versorgung, wie z. B. Chefarztbehandlung. Basisbeiträge sind ab dem Veranlagungszeitraum 2010 in unbegrenzter Höhe, Wahlbeiträge nur im Rahmen bestimmter Höchstbeträge als Sonderausgaben abzugsfähig. Voraussetzung für den unbegrenzten Abzug der Basisbeiträge ist, dass diese von den Versicherungsunternehmen elektronisch an die zentrale Stelle bei der Deutschen Rentenversicherung Bund gemeldet werden. Diese sogenannten E-Daten werden von der zentralen Stelle anhand der Identifikationsnummer der Versicherungsnehmer und gegebenenfalls der versicherten Person den Länderfinanzverwaltungen zugeordnet.

Die E-Daten werden bei den Einkommensteuerveranlagungen mit den Steuererklärungsdaten maschinell abgeglichen. Dieser Abgleich ist Bestandteil des Risikomanagements und führt bei bestimmten Konstellationen zu Prüfhinweisen, die von den Bediensteten der Finanzämter zu bearbeiten sind. Eine automatisierte Übernahme der E-Daten in die Einkommensteuerveranlagungen findet nicht statt.

1.2 Anlass, Ziele und Durchführung der Prüfung

Für den Veranlagungszeitraum 2012 wurden der Steuerverwaltung in Baden-Württemberg rund 3,3 Mio. E-Daten zugeleitet. Damit stellt die Auswertung dieser E-Daten durch die Finanzämter ein Massenverfahren dar, das mit einem nicht unerheblichen Personaleinsatz verbunden ist. Vor diesem Hintergrund hat der Rechnungshof den Umgang der Steuerverwaltung mit den E-Daten landesweit untersucht. Dabei haben wir uns auf die E-Daten über private Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge beschränkt.

In einem ersten Schritt haben wir die landesweiten Steuerdaten von allen Einkommensteuerveranlagungen ausgewertet, bei denen im Veranlagungszeitraum 2012 Basisbeiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Im Anschluss haben wir zwei Grundgesamtheiten - Fälle ohne gespeicherten Hinweis und Fälle mit gespeichertem Hinweis 50508 - gebildet und die Prüffälle landesweit nach dem Zufallsprinzip ausgewählt (siehe Punkt 2.1). Diese Fälle wurden unter den Aspekten Qualität der Einkommensteuererklärungen, Zahl und Qualität der E-Daten sowie Qualität der Fallbearbeitung durch die Finanzämter detailliert untersucht.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Landesweite Fallzahlen, Erhebungsstichproben

Landesweit wurden im Veranlagungszeitraum 2012 bei 775.000 Einkommensteuerfällen Basisbeiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigt. Das entspricht rund 21 Prozent aller Einkommensteuerfälle. Bei 693.000 Fällen waren zu den Basisbeiträgen keine Prüfhinweise aus dem Risikomanagementsystem gespeichert. Das bedeutet, dass in diesen Fällen nach der Fallbearbeitung durch die Finanzämter keine Abweichungen zwischen den E-Daten und den bei der Veranlagung schlussendlich angesetzten Basisbeiträgen bestanden.

Bei 82.000 Fällen waren Prüfhinweise gespeichert. Den Schwerpunkt bildete dabei der Hinweis 50508 mit insgesamt 75.000 Fällen. Mit diesem Hinweis werden die Bediensteten aufgefordert, die Basisbeiträge zu prüfen. Grund hierfür ist, dass die Summe der erklärten Basisbeiträge auf der Anlage Vorsorgeaufwand und gegebenenfalls auf der Anlage Kind von der Summe der elektronisch übermittelten Basisbeiträge abweicht. Bleibt die Differenz auch nach der Prüfung bestehen, wird der Betrag zusammen mit dem Hinweis im IT-System gespeichert. Der Rechnungshof hat sich auf die 41.000 Fälle konzentriert, bei denen die steuerwirksame (positive oder negative) Differenz mehr als 500 Euro betrug.

Aus den so gebildeten Grundgesamtheiten wurden jeweils landesweit 600 Fälle nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Bei der Prüfung stellte der Rechnungshof fest, dass 89 der ausgewählten Fälle ohne gespeicherten Hinweis und 74 der ausgewählten Fälle mit gespeichertem Hinweis 50508 lediglich gesetzliche Krankenversicherungsbeiträge aufwiesen. Das Risikomanagementsystem gibt in solchen Fällen nur dann Hinweise, wenn die Zahlen nicht übereinstimmen. Unserem Prüfungsansatz folgend, haben wir diese Fälle nicht untersucht. Sie sind daher in den nachfolgenden Ergebnissen nicht enthalten.

2.2 Einkommensteuerfälle ohne gespeicherten Hinweis

2.2.1 Qualität der Einkommensteuererklärungen

Bei den geprüften 511 Einkommensteuerfällen ohne gespeicherten Hinweis waren insgesamt 808 E-Daten mit Basisbeiträgen zu berücksichtigen. In 112 Fällen (22 Prozent) mit insgesamt 205 E-Daten waren die Einkommensteuererklärungen im untersuchten Bereich fehlerhaft. Wegen dieser Erklärungsfehler gab das IT-System Hinweise aus, die von den Bediensteten zu bearbeiten waren. Da der Grund für die Hinweise im Zuge der Fallbearbeitung entfiel, wurden die Hinweise vom System gelöscht.

Bei den Erklärungsfehlern ergaben sich zwei Schwerpunkte: Die meisten Hinweise (64 Prozent) wurden ausgegeben, weil die in der Steuererklärung geltend gemachten Basisbeiträge nicht mit den E-Daten übereinstimmten. Ursächlich hierfür war im Wesentlichen, dass Wahlbeiträge als Basisbeiträge erklärt wurden. Ferner wurden häufig Beitragserstattungen und von der Rentenversicherung geleistete Zuschüsse zu den Basisbeiträgen in den Steuererklärungen nicht angegeben. Solche Erstattungen und Zuschüsse sind jedoch zu berücksichtigen. Sie mindern die als Sonderausgaben abzugsfähigen Basisbeiträge.

Der weitere Schwerpunkt (29 Prozent der Hinweise) betraf das Fehlen notwendiger Einträge. Hier wurden einerseits überhaupt keine Basisbeiträge erklärt, während entsprechende E-Daten vorlagen. Andererseits wurden die Basisbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammengefasst in einer Kennzahl erklärt, was das IT-System nicht zulässt.

2.2.2 Qualität der E-Daten und der Fallbearbeitung durch die Finanzämter

Das Bundeszentralamt für Steuern prüft die E-Daten bei den Versicherungen. Nach Auskunft der Oberfinanzdirektion ergaben sich dabei keine Beanstandungen. Es ist daher davon auszugehen, dass die E-Daten eine sehr gute Qualität haben. Die Finanzämter korrigierten 103 der 112 Erklärungsfehler ausschließlich dadurch, dass sie die E-Daten übernahmen. Dabei mussten die Bediensteten die Werte von Hand in die entsprechenden Kennzahlen eingeben, weil die Übernahme solcher Werte per Mausklick in Baden-Württemberg derzeit noch nicht möglich ist.

Bei den übrigen neun Fällen verblieben nach der Fallbearbeitung noch kleinere Differenzen unterhalb der Aufgriffsgrenze des Risikomanagementsystems, die sich steuerlich nicht auswirkten.

2.2.3 Steuerliche Bedeutung der Wahlbeiträge

Die elektronische Übermittlungspflicht erstreckt sich nur auf die Basisbeiträge. Einige Versicherungen übermitteln jedoch neben den Basisbeiträgen auch die gezahlten Gesamtbeiträge. Somit können die Finanzämter in diesen Fällen auch die Wahlbeiträge ermitteln und erklärte Beträge ohne Weiteres prüfen. In allen anderen Fällen müssen für eine solche Prüfung Bescheinigungen der Versicherungen vorliegen.

In 412 (81 Prozent) der untersuchten 511 Einkommensteuerfälle wurden bei der Veranlagung Wahlbeiträge berücksichtigt. In 134 Fällen haben sich diese Wahlbeiträge steuerlich ausgewirkt. Dies entspricht einem Anteil von 33 Prozent. Aufgrund der von den Versicherungen übermittelten Gesamtbeiträgen konnten die Finanzämter die Wahlbeiträge bei insgesamt 150 Fällen (36 Prozent) ohne weitere Unterlagen prüfen.

2.3 Einkommensteuerfälle mit gespeichertem Hinweis 50508

Der gespeicherte Hinweis 50508 weist auf - nach der Fallbearbeitung durch die Finanzämter noch bestehende - Differenzen zwischen den E-Daten und den bei der Veranlagung angesetzten Basisbeiträgen hin. Nachfolgend sind die wesentlichen Gründe für die hohe Anzahl der gespeicherten Hinweise 50508 dargestellt.

2.3.1 Fehlerhafte Bearbeitung durch die Finanzämter

Der Rechnungshof hat die Fälle ausschließlich anhand der elektronischen Akten untersucht. Deshalb konnte er etwaige Fehler nur in den Fällen zweifelsfrei feststellen, in denen keine Besonderheiten, wie z. B. ausländische Basisbeiträge, vorlagen und zudem alle notwendigen E-Daten vorhanden waren. Vor diesem Hintergrund wurden von den geprüften 526 Einkommensteuerfällen 174 Fälle im untersuchten Bereich beanstandet. Die Beanstandungsquote beträgt damit 33 Prozent. Der infolge der Bearbeitungsfehler eingetretene Steuerausfall beläuft sich auf 43.689 Euro. Das sind durchschnittlich 83 Euro je geprüften Fall.

Bei 94 Fällen (54 Prozent) lagen die E-Daten vor, und Gründe für einen davon abweichenden Ansatz der Basisbeiträge waren nicht ersichtlich. In diesen Fällen war der Hinweis 50508 regelmäßig nicht kommentiert. Die gezahlten Basisbeiträge sind um die im gleichen Jahr erstatteten Basisbeiträge sowie um erhaltene Zuschüsse zu den Basisbeiträgen zu mindern. Dies wurde bei 49 Fällen (28 Prozent) nicht beachtet. Weitere Fehlerquellen waren der doppelte Ansatz von Basisbeiträgen sowie der Ansatz der mitgeteilten Gesamtbeiträge anstatt der mitgeteilten Basisbeiträge.

2.3.2 Fehlende oder unzutreffend zugeordnete E-Daten

Trotz bestehender Übermittlungspflicht waren in 127 der untersuchten Fälle für mindestens eine Person zum Zeitpunkt der Veranlagung (noch) keine E-Daten im IT-System gespeichert. Bei 18 dieser Fälle gingen die E-Daten nach der Veranlagung ein. Bei den übrigen Fällen fehlten sie bis zum Zeitpunkt der Prüfung. In 85 Fällen fehlten dabei nicht nur die E-Daten für 2012, sondern auch für die Folgejahre. In diesen 85 Fällen wurden in 2012 Basisbeiträge von insgesamt 237.811 Euro als Sonderausgaben abgezogen.

Bei weiteren 77 Fällen waren E-Daten gespeichert, den Steuerfällen jedoch nicht oder nicht zutreffend zugeordnet. Obwohl die Fälle im Ergebnis zutreffend veranlagt waren, blieb der Hinweis 50508 daher bestehen. Im Wesentlichen waren dies Fälle mit Basisbeiträgen für Kinder, die selbst Versicherungsnehmer waren. Da die Identifikationsnummer der Kinder in diesen Fällen nicht erklärt war, wurde die maschinelle Zuordnung der E-Daten zum Steuerfall der Eltern verhindert. In der Folge hätten die E-Daten personell im IT-System gesucht und dem Steuerfall zugeordnet werden müssen, was die Finanzämter jedoch unterließen.

Bei den übrigen Fällen lagen dem gespeicherten Hinweis Besonderheiten zugrunde, wie z. B. ausländische Krankenversicherungsbeiträge von Grenzgängern.

2.4 Bewertung

Auf Grundlage dieser Feststellungen sieht der Rechnungshof Optimierungspotenzial. Die Bearbeitungsqualität bei den Fällen mit Hinweis 50508 muss deutlich verbessert werden. Andernfalls drohen nach unwidersprochenen Schätzungen des Rechnungshofs jährlich allein bei den Basisbeiträgen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung Steuerausfälle von 2,9 Mio. Euro. Zudem sollten die E-Daten dazu genutzt werden, einen höheren Automatisierungsgrad bei der Bearbeitung von Steuerfällen mit Basisbeiträgen zu erreichen. Letzteres gilt in gleichem Maße für die vom Rechnungshof aktuell nicht untersuchten elektronisch übermittelten Basisbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.

3 Empfehlungen

3.1 Automatisierungsgrad erhöhen, Datenübernahme vereinfachen

Das IT-System der Finanzämter ist so anzupassen, dass nicht oder unzutreffend erklärte Basisbeiträge, erstattete Basisbeiträge und Zuschüsse zu Basisbeiträgen in größtmöglichem Umfang automatisch durch die elektronisch übermittelten Werte ersetzt werden. Dieses muss für den Steuerpflichtigen eindeutig nachvollziehbar sein.

Die bereits in anderen Ländern bestehende Möglichkeit, E-Daten mit einem Mausklick automatisch in die Eingabekennzahlen zu übernehmen, sollte schnellstmöglich eingeführt werden.

3.2 Bearbeitungsqualität verbessern, fehlende E-Daten melden

Den Bediensteten der Veranlagungsstellen sind die wesentlichen Ursachen für den Hinweis 50508 erneut aufzuzeigen. Zugleich sind sie zu einer konsequenten Prüfung der entsprechenden Fälle zu veranlassen.

Des Weiteren sind die Bediensteten anzuhalten, fehlende E-Daten konsequent zu melden. Nur dadurch kann die Oberfinanzdirektion flächendeckende Probleme einzelner Versicherungsunternehmen bei der Datenübermittlung frühzeitig erkennen.

3.3 Elektronische Übermittlung von Wahlbeiträgen initiieren

Die Landesregierung sollte auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung eintreten: Bei Versicherungsnehmern, für die ohnehin Basisbeiträge elektronisch übermittelt werden müssen, sollten künftig gleichzeitig auch etwaige Wahlbeiträge zwingend übermittelt werden. Den übermittlungspflichtigen Unternehmen dürfte dadurch nahezu keine zusätzliche Belastung entstehen. Denn bereits bei der bestehenden Rechtslage müssen sie in solchen Fällen die Gesamtbeiträge in Basis- und Wahlbeiträge aufteilen. Der zu übermittelnde Wahlbeitrag liegt also bereits vor. Aufseiten der Steuerverwaltung würde eine entsprechende Gesetzesänderung hingegen dazu beitragen, die Verfahrensabläufe zu optimieren sowie die Bearbeitungsqualität zu verbessern. Die Wahlbeiträge könnten künftig in ähnlichem Umfang wie die Basisbeiträge durch das Risikomanagementsystem überprüft werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft will die Bediensteten der Finanzämter auf die Ursachen und den richtigen Umgang mit dem Hinweis 50508 erneut aufmerksam machen. Gleiches gilt für die Meldung fehlender E-Daten.

Das Ministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs, dass bei der Bearbeitung der Steuerfälle ein höherer Automatisierungsgrad erreicht werden muss. Anders als bei den Rentenbezugsmitteilungen (Denkschrift 2014, Beitrag Nr. 19) seien die Besonderheiten bei den E-Daten jedoch bisher auf Bundesebene nicht untersucht. Das Ministerium sehe deshalb keine Möglichkeit, die Umsetzung zu beschleunigen, werde aber alle entsprechenden Bestrebungen unterstützen. Die bereits in anderen Ländern bestehende Möglichkeit, E-Daten per Mausklick automatisch in die Eingabekennzahlen zu übernehmen, werde im ersten Halbjahr 2015 realisiert.

Das Ministerium werde auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung eintreten, wonach die Versicherungsunternehmen nicht nur die Basisbeiträge, sondern auch den vom Steuerpflichtigen zu leistenden Gesamtbeitrag (einschließlich Wahlbeitrag) elektronisch zu übermitteln haben.