Die Festsetzung und Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer in Baden-Württemberg [Beitrag Nr. 28]

Der Rechnungshof hält eine Optimierung des Festsetzungs- und Erhebungsverfahrens bei der Kraftfahrzeugsteuer für geboten und hat hierzu Vorschläge gemacht. Bei den Kraftfahrzeugsteuerstellen der Finanzämter können so 21,5 Personalstellen entfallen.
Würde die Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer umgelegt, könnten alle 418 Stellen in diesem Bereich und damit knapp 21 Mio. € pro Jahr eingespart werden. Dies würde aber voraussetzen, dass Fragen des Europarechts beantwortet, die Kompensation für die Bundesländer geklärt sowie ein deutlich höherer Benzin- und Dieselpreis politisch durchsetzbar wären. Außerdem müsste der Gesetzgeber auf derzeit im Kraftfahrzeugsteuergesetz enthaltene ökologische und soziale Subventions- und Lenkungssysteme verzichten, weil Ersatzlösungen mit kostenträchtiger Bürokratie verbunden wären.

1 Prüfungsanlass

Der RH hat die Festsetzung und Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer (KraftSt) im Rahmen einer Querschnittsprüfung landesweit untersucht. Anlass dafür war u. a. die aktuelle Vorgabe des Gesetzgebers an die Bundesregierung, die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer (MinöSt) bis zum Ende des Jahres 2002 zu überprüfen.

2 Ausgangslage

2.1 Die Festsetzung der KraftSt und alle damit im Zusammenhang anfallenden Aufgaben sind den Kraftfahrzeugsteuerstellen (KraftSt-Stellen) der Finanzämter übertragen. Die Erhebung der KraftSt wird von den Finanzkassen und in nicht unerheblichem Maße auch von den Vollstreckungsstellen wahrgenommen.

2.2 KraftSt-Stellen sind bei 71 der insgesamt 81 Finanzämter im Land eingerichtet. Aufgabe dieser Stellen ist im Wesentlichen die Festsetzung der KraftSt bei Neuzulassungen, Ummeldungen, Abmeldungen und Stillegungen von Fahrzeugen. Des Weiteren entscheiden die KraftSt-Stellen über die Gewährung von Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen für begünstigte Personengruppen oder Fahrzeuge.

2.3 Die Tätigkeit der KraftSt-Stellen ist entscheidend von der engen Zusammenarbeit mit den Zulassungsbehörden geprägt. Diese erheben die steuerlich relevanten Daten und teilen sie der Finanzverwaltung im Wege des sog. Datenträgeraustauschs mit. Weisen die übermittelten Daten keine Unschlüssigkeiten auf, werden sie automatisch verarbeitet; die Ergebnisse - im Wesentlichen Steuerbescheide - werden automatisch erstellt und zentral versandt. Die KraftSt wird somit im Regelfall vollständig maschinell festgesetzt.

2.4 Dieser hohe Automationsgrad schlägt sich auch in der Entwicklung der Personal- und Fallzahlen nieder, wie Schaubild 1 zeigt.

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Infolge der zunehmenden Automation konnten die kontinuierlich steigenden Fallzahlen mit immer weniger Personal bewältigt werden. Im Ergebnis hat sich die von einem Bediensteten zu betreuende Zahl der KraftSt-Fälle seit 1996 um mehr als 27 % - von knapp 29.500 auf rd. 37.500 - erhöht. Zum 01.01.2002 verwalteten demnach 186,25 Arbeitskräfte einen Bestand von knapp 7 Mio. Kraftfahrzeugen.

2.5 Das Aufkommen an KraftSt steht nach Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG ausschließlich den Ländern zu. Die bundes- und landesweite Entwicklung ist dem Schaubild 2 zu entnehmen.

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Der Vergleich zeigt eine nahezu parallele Entwicklung auf. Dem Anstieg des KraftSt-Aufkommens bis 1998 folgte insgesamt ein leichter Rückgang bis zum Jahr 2000. Sowohl für den Anstieg im Jahr 2001 als auch für den Rückgang des Aufkommens im Jahr 2002 dürfte die Erhöhung der Steuersätze zum 01.01.2001 ursächlich sein, die wohl viele Bürger dazu veranlasst hat, ihr hoch besteuertes Altfahrzeug durch ein steuerlich günstigeres Fahrzeug zu ersetzen.

Das Aufkommen betrug im Jahr 2002 rd. 1.091 Mio. €, d. h. 5,1 % der gesamten Steuereinnahmen des Landes (21.303 Mio. €).

2.6 Das materielle Kraftfahrzeugsteuerrecht entwickelte sich im Laufe der Jahre von einer vergleichsweise übersichtlichen und einfachen Steuer zu einem von diversen Begünstigungs- und Befreiungstatbeständen durchsetzten „Ausnahmen-Gesetz“, das in zunehmendem Maße als umwelt- und wirtschaftspolitisches Steuerungsinstrument dient. So beinhaltete das Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) vom 01.02.1979 nur eine Befreiungsnorm und enthielt eine denkbar einfache Regelung zur Steuerberechnung; die Jahressteuer für alle durch Hubkolbenmotor angetriebenen Personenkraftwagen betrug einheitlich 14,40 DM je angefangene 100 ccm Hubraum. Bis 1994 wurden dann zeitweise bis zu sieben zusätzliche, teils sehr umfangreiche Begünstigungsnormen hinzugefügt. Die aktuelle Fassung des KraftStG vom 24.05.1994 (BGBl. I S. 1102) wurde bis zum heutigen Tage durch elf Änderungsgesetze teilweise gravierend umgestaltet. Sie ist durch eine sehr differenzierte Ausgestaltung der Steuersätze geprägt.

3 Prüfungsfeststellungen zur Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer

3.1 Benchmarking und Einsparpotenzial

3.1.1 Der RH hat im Rahmen seiner Untersuchungen festgestellt, dass die auf Basis der Fahrzeugbestandsstatistiken ermittelten Leistungswerte der einzelnen KraftSt-Stellen landesweit erheblich differieren. Die Spitzenwerte liegen bei über 53.000 Fahrzeugen je Arbeitskraft, während das untere Ende der Bandbreite Werte von deutlich unter 30.000 Fahrzeugen aufweist. Als Leistungsmaßstab hat der RH einen Wert von 45.000 Fahrzeugen je Arbeitskraft zu Grunde gelegt, der landesweit von zehn KraftSt-Stellen erreicht oder übertroffen wird.

3.1.2 Bei einem Benchmark von 45.000 Fahrzeugen je Arbeitskraft ergibt sich rechnerisch ein landesweites Einsparpotenzial von rd. 32 Arbeitskräften . Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei den einzelnen KraftSt-Stellen vielfach um sehr kleine Verwaltungseinheiten handelt. Bezogen auf die einzelne KraftSt-Stelle hält der RH daher ein Einsparpotenzial nur dann für realisierbar, wenn mindestens eine halbe Arbeitskraft oder ein Vielfaches davon eingespart werden kann. Auf der Basis dieser Überlegungen beträgt das Einsparvolumen landesweit 21,5 Arbeitskräfte, das sind rd. 11,5 % der bisher eingesetzten 186,25 Bediensteten.

3.1.3 Durch eine teilweise oder vollständige Zentralisierung der KraftSt-Stellen könnten darüber hinaus maximal weitere 10,5 Personalstellen entfallen. Der RH geht jedoch davon aus, dass dieses zusätzliche Einsparpotenzial den mit einer entsprechenden Neuorganisation verbundenen Aufwand nicht rechtfertigt.

3.1.4 Auf eine Berechnung des durch die nachfolgenden Optimierungsvorschläge erzielbaren Einsparpotenzials wurde bewusst verzichtet, da die voraussichtlichen Auswirkungen einzeln nur schwer bezifferbar sind. Der RH geht zudem davon aus, dass der durch Benchmarking ermittelte Wert von 21,5 Arbeitskräften das insoweit mögliche Einsparpotenzial weitgehend mit umfasst. Die Vorschläge sollen die Realisierung dieses Potenzials unterstützen.

3.2 Vergünstigungen für Schwerbehinderte (§ 3a Kraftfahrzeugsteuergesetz)

3.2.1 Der Bürger kann derzeit bereits bei der Fahrzeugzulassung gegenüber der Zulassungsbehörde erklären, dass er eine entsprechende Steuervergünstigung in Anspruch nehmen möchte. In solchen Fällen wird die maschinelle Steuerfestsetzung zunächst zurückgestellt, und die Finanzverwaltung übersendet dem Bürger ein Antragsformular nebst Begleitschreiben, in dem auf die Erforderlichkeit eines separaten Antrags sowie auf die Vorlage der notwendigen Unterlagen hingewiesen wird. Bei der Bearbeitung dieser Anträge durch die Finanzämter werden der Behindertenausweis und ggf. das Beiblatt zum Ausweis rein formal dahingehend überprüft, ob die für die Vergünstigung erforderlichen Eintragungen (z. B. Merkzeichen „H“ für hilflos) vorliegen.

3.2.2 Der RH empfiehlt, diese nur wenig Mehraufwand verursachende Formalprüfung künftig den Zulassungsbehörden zu übertragen. Die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung könnte dann - ohne Arbeitschritte bei den Finanzämtern auszulösen - unmittelbar im maschinellen Festsetzungsverfahren gewährt werden. Zudem würde das Verfahren für die schwerbehinderten Bürger erheblich vereinfacht, da der bisher regelmäßig erforderliche zusätzliche Gang zum Finanzamt entfallen könnte.

3.3 Sonderregelung für Kraftfahrzeuganhänger (§ 10 Kraftfahrzeugsteuergesetz)

3.3.1 Auf Antrag können Anhänger steuerbefreit werden, solange sie hinter Zugmaschinen mitgeführt werden, für die der Fahrzeughalter eine um einen Anhängerzuschlag erhöhte Steuer entrichtet. Die Umsetzung dieser Begünstigungsregelung bereitet den KraftSt-Stellen erhebliche Probleme: Da die Steuerbefreiung an die tatsächliche Verwendung der Anhänger anknüpft, ist eine effektive Überwachung derzeit nahezu unmöglich. Sie erfolgt im Wesentlichen an Hand von Kontrollmitteilungen des Bundesamts für Güterverkehr, der Zollbehörden oder der Polizei über die von diesen stichprobenweise kontrollierten Gespanne. Darüber hinaus führen die KraftSt-Stellen von Zeit zu Zeit Anfrageaktionen bei ausgewählten Fahrzeughaltern durch, welche z. B. steuerbefreite Anhänger, aber keine ausreichend belasteten Zugmaschinen zugelassen haben. Die letzte landesweit durchgeführte Anfrageaktion führte zu Steuernachforderungen von mehr als 1,5 Mio. €.

3.3.2 Der RH hält die bisherige Besteuerungspraxis für unzureichend. Zur Verfahrensoptimierung empfiehlt er folgende Maßnahmen:

  • Um die Kontrollen auf der Straße zu erleichtern, sollte auf eine Ausübung der Ermächtigung in § 15 Abs. 1 Nr. 9 KraftStG und damit auf die Einführung eines besonderen Zugmaschinen-Kennzeichens hingewirkt werden, welches idealerweise auch Rückschlüsse auf die Höhe des Anhängerzuschlags zulässt. Dadurch wäre bei Verkehrskontrollen - aber auch bereits im „Vorbeifahren“ - auf einen Blick ersichtlich, ob eine zutreffende Besteuerung erfolgt ist.
  • Die Zulassungsbehörden sollten für die Belange der KraftSt besser sensibilisiert werden und bei der Zulassung von Zugmaschinen gezielt erfragen, ob und in welcher Höhe ein Anhängerzuschlag zu erheben ist. Ergänzend hierzu sollten die Bediensteten bei der Wiederzulassung von Zugmaschinen einen programmgesteuerten Hinweis erhalten, falls diese Zugmaschine vormals mit einem Anhängerzuschlag besteuert wurde.
  • Die Fahrzeughalter sollten verpflichtet werden, bei der Zulassung eines in der Folge steuerbefreiten Anhängers das Kennzeichen einer ausreichend belasteten Zugmaschine anzugeben. Nach Übernahme dieser Kennzeichen in den Datenbestand der KraftSt-Stellen könnten überprüfungswürdige Fälle DV-gestützt und damit wesentlich einfacher selektiert werden.
  • Wird an Hand einer Kontrollmitteilung (s. Pkt. 3.3.1) festgestellt, dass ein steuerbefreiter Anhänger hinter einer nicht ausreichend belasteten Zugmaschine verwendet wurde, so ist die Anhängersteuer für die Dauer der unzulässigen Verwendung, mindestens jedoch für einen Monat nachzuentrichten. Dieser Mindestbesteuerungszeitraum sollte deutlich ausgeweitet werden.

3.4 Abgrenzung zwischen PKW und LKW

3.4.1 Einen besonderen Stellenwert in der Arbeit der KraftSt-Stellen nimmt die korrekte Einstufung von Fahrzeugen als PKW (Hubraumbesteuerung) oder als LKW (Besteuerung nach dem zulässigen Gesamtgewicht) ein. Die Abgrenzungsproblematik führt häufig zu Prüf- oder Abbruchhinweisen bei der maschinellen Verarbeitung, zu aufwändigen Nachermittlungen und Nachfragen bei den Zulassungsbehörden sowie nicht selten auch zu Rechtbehelfs- und Klageverfahren.

3.4.2 Durch eine Harmonisierung des KraftSt- und des Zulassungsrechts könnte diese Problematik weitgehend entschärft werden. Der RH hält daher die Schaffung einheitlicher Abgrenzungskriterien für wünschenswert. Sollte eine entsprechende Harmonisierung nicht erreichbar sein, regt der RH an, den KraftSt-Stellen einen beschränkten Zugriff auf die Daten der Zulassungsbehörden einzuräumen. Dieser Zugriff könnte in Abgrenzungsfällen sowohl die KraftSt-Stellen als auch die Zulassungsbehörden nicht unwesentlich entlasten.

3.5 Ermittlungen

3.5.1 Sind Bescheide oder sonstige Schreiben der Finanzämter mangels korrekter Adressdaten unzustellbar, muss die aktuelle Adresse ermittelt werden. Derzeit werden die neuen Adressen telefonisch oder schriftlich bei den zuständigen Meldebehörden erfragt. Auf diese Ermittlungen entfällt bei den KraftSt-Stellen ein Anteil von nahezu 8 % der gesamten Arbeitszeit. Nach Auffassung des RH könnten Adressermittlungen auch für die Meldebehörden wesentlich effizienter abgewickelt werden, wenn den beteiligten Stellen in den Finanzämtern ein beschränkter Online-Zugriff auf die Daten der Meldebehörden eingeräumt würde.

3.5.2 Soweit den Finanzämtern - z. B. wegen fehlender Teilnahme am Einzugsermächtigungsverfahren - keine Bankverbindungsdaten der Bürger bekannt sind, müssen diese in Erstattungsfällen erfragt und im Anschluss im DV-System erfasst werden. Gerade bei der KraftSt steht den geringen Erstattungsbeträgen damit ein relativ hoher Verwaltungsaufwand gegenüber. Erhebliches Rationalisierungspotenzial sieht der RH hier insbesondere darin, den Anteil der Bürger, die am Einzugsermächtigungsverfahren bei der KraftSt teilnehmen (rd. 56 %), weiter zu erhöhen. Die Zulassungsbehörden sollten daher auf eine solche Teilnahme hinwirken und im Hinblick auf einen besseren Bürgerservice auch die erforderlichen Bankverbindungsdaten entgegennehmen. Ein optimales Ergebnis, d. h. eine nahezu ausschließliche Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Einzugsermächtigungsverfahren, dürfte nach Auffassung des RH allerdings nur durch die Einführung einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung (s. Pkt. 4.4.5) erzielbar sein.

3.6 Standortwechsel ohne Halterwechsel

3.6.1 Zieht ein Fahrzeughalter um und verlegt hierdurch den Standort seines Fahrzeugs in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts, erfolgt das Aktenabgabe- bzw. Übernahmeverfahren teilweise noch manuell. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Standortverlegungen innerhalb von Baden-Württemberg und Standortverlegungen über die Landesgrenzen hinweg.

3.6.2 Bei Standortverlegungen innerhalb von Baden-Württemberg hat die abgebende KraftSt-Stelle lediglich die in einem sog. Übernahmeschreiben des neu zuständigen Finanzamtes mitgeteilten Daten in das DV-System einzugeben; hierdurch werden alle Erhebungs- und Festsetzungsdaten automatisch an das neu zuständige Finanzamt überspielt. Eine Überprüfungsmöglichkeit der im Übernahmeschreiben ausgewiesenen Daten besteht dabei nicht. Der RH regt daher an, auf dieses Übernahmeschreiben zu verzichten und den Standortwechsel innerhalb Baden-Württembergs vollständig zu automatisieren.

3.6.3 Wird der Standort eines Fahrzeuges über die Landesgrenzen hinweg verlegt, können insbesondere die Erhebungsdaten, d. h. die KraftSt-Speicherkonten, nicht überspielt werden. Dies erfordert einen zusätzlichen nicht unerheblichen Aufwand bei den Finanzkassen für den manuellen Aufbau dieser Konten. Nach Auffassung des RH sollten bundeslandübergreifende Standortverlegungen als Abmeldung und nachfolgende (Neu-) Anmeldung behandelt werden. Der Arbeitsaufwand ließe sich dadurch auf ein Minimum reduzieren, weil eine vollständige Automatisierung wie bei der normalen Zulassung (s. Pkt. 2.3) möglich wäre. Der RH hat die Landesregierung um Prüfung der technischen Voraussetzungen gebeten. Gegebenenfalls wäre die für einen Übergang zum An- und Abmeldeverfahren erforderliche Gesetzesänderung (§ 12 Abs. 4 KraftStG) zu initiieren.

3.7 Reduzierung von Telefonaten

3.7.1 Insbesondere nach Steuersatzänderungen wächst der ohnehin schon erhebliche Zeitanteil der KraftSt-Stellen für Telefonate um ein Vielfaches an. Ursächlich hierfür sind zum einen der unübersichtliche Aufbau der Steueränderungsbescheide und zum anderen die für viele Bürger unverständliche „rückwirkende“ Steuererhöhung mit Wirkung zum ersten Januar eines Kalenderjahres. Letztere bewirkt, dass die „Nachzahlung“ für die Bürger um so höher ausfällt, je später die normale Fälligkeit im Kalenderjahr eintritt. Hierzu ein Beispiel:

Ein Bürger hat für sein Fahrzeug seit Jahren regelmäßig zum 01.11. KraftSt in Höhe von 379,40 € zu entrichten. Nach der Steuersatzerhöhung zum 01.01.2001 beträgt die jährliche KraftSt 461,20 €. Der Bürger erhält vier Wochen vor Fälligkeit einen Steueränderungsbescheid, wonach zum 01.11.2001 sowohl 461,20 € für den folgenden Erhebungszeitraum als auch 68,17 € (10/12 der Steuererhöhung) für die Zeit vom 01.01. bis 30.10.2001 zu entrichten sind.

Der RH hält diese Problematik für vermeidbar. Da die aktuelle Gesetzesfassung zum 01.01.2005 eine weitere Steuersatzerhöhung vorsieht, bittet er zu prüfen, ob die KraftSt-Bescheide dann soweit wie möglich bereits im Jahr 2004 - vor der entsprechenden Steuersatzerhöhung - geändert werden können. Die Erhöhungsbeträge könnten dadurch zeitnah eingenommen werden, und die für den Bürger schwer verständliche Rückwirkung könnte entfallen. Darüber hinaus empfiehlt der RH, auf eine übersichtlichere Gestaltung der bundeseinheitlichen KraftSt-Änderungsbescheide hinzuwirken.

3.7.2 Viele Bürger erkundigen sich im Vorfeld des Erwerbs eines Kraftfahrzeugs telefonisch nach der voraussichtlichen Höhe der KraftSt. Nach Auffassung des RH könnte die Zahl der Anrufe durch ein internetbasiertes Informationssystem mit entsprechendem KraftSt-Berechnungsprogramm deutlich reduziert werden; ein solches System kommt mit gutem Erfolg im Bereich der OFD Hannover bereits zum Einsatz.

3.8 Weitere Verbesserungsvorschläge

Der RH hat in seinem Bericht an das FM weitere Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt. Er regt insbesondere an, auf diverse Listen und Hinweise zu verzichten, das Ablagesystem zu vereinfachen sowie die Software der Zulassungsbehörden und der KraftSt-Stellen bei bestimmten Fallgestaltungen mit Plausibilitätsprüfungen zu versehen.

4 Prüfungsfeststellungen zur Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer

4.1 Vorbemerkung

Mit der Erhebung der KraftSt sind neben den Finanzkassen in nicht unerheblichem Maße auch die Vollstreckungsstellen der Finanzämter befasst. Die Tätigkeit der Finanzkassen hat der RH bereits im Jahr 1999 untersucht und Rationalisierungsmöglichkeiten aufgezeigt . Die aktuelle Untersuchung konnte daher hinsichtlich des Erhebungsbereichs auf die Beteiligung der Vollstreckungsstellen beschränkt werden.

4.2 Verfahrensablauf

4.2.1 Die jährlich im Voraus zu entrichtende KraftSt wird regelmäßig unbefristet festgesetzt, d. h. der (erstmalige) Steuerbescheid bleibt solange wirksam, bis das Fahrzeug abgemeldet wird oder - z. B. wegen einer Erhöhung der Steuersätze - ein geänderter Steuerbescheid ergeht. Im Jahr der Zulassung - nachfolgend Erstjahr genannt - tritt die Fälligkeit einen Monat nach Bekanntgabe des Steuerbescheids ein. Für die Folgejahre bestimmt sie sich im Regelfall nach dem Fälligkeitsdatum im Erstjahr.

4.2.2 Wird die KraftSt bei Fälligkeit nicht entrichtet, ist hinsichtlich des weiteren Verfahrensablaufs zwischen dem Erstjahr und den Folgejahren zu unterscheiden. Während die Vollstreckungsstellen im Erstjahr in der Regel erst nach etwa drei Monaten mit der Beitreibung beauftragt werden, wird das Vollstreckungsverfahren für die KraftSt der Folgejahre bereits nach etwa einem Monat eingeleitet.

4.2.3 Von Einzelfällen abgesehen, werden die KraftSt-Fälle zunächst den Vollziehungsbeamten - d. h. dem Vollstreckungsaußendienst - zur Bearbeitung zugewiesen. Bleiben deren Beitreibungsversuche ohne Erfolg und können die Rückstände auch durch die nachfolgenden Maßnahmen des Vollstreckungsinnendienstes wie z. B. Lohn- oder Kontenpfändungen nicht beigetrieben werden, wird als letztes Mittel das Zwangsabmeldungsverfahren eingeleitet. Ist die Zwangsabmeldung vollzogen, werden die Rückstände durch den Vollstreckungsinnendienst im Allgemeinen niedergeschlagen.

4.3 Bedeutung der Kraftfahrzeugsteuer für die Tätigkeit der Vollstreckungsstellen

4.3.1 Mehr als 20 % der von den Vollstreckungsstellen zu bearbeitenden Fälle entfallen auf die Beitreibung von KraftSt. In den letzten Jahren ist zwar eine rückläufige Entwicklung zu verzeichnen; gleichwohl war der Zugang von 197.096 KraftSt-Fällen im Jahr 2001 noch immer unverhältnismäßig hoch. Im Gegensatz zum relativ hohen Fallzahlenanteil sind die Steuerbeträge - verglichen mit den übrigen beizutreibenden Steuern - jedoch von eher untergeordneter Bedeutung. So stand dem Zugang an beizutreibenden Veranlagungssteuern in Höhe von 1.687 Mio. € im Jahr 2001 ein Zugang an KraftSt von lediglich 40,11 Mio. € gegenüber.

4.3.2 Der RH hat durch Arbeitsaufzeichnungen der Bediensteten der Vollstreckungsstellen den Zeitaufwand für die Beitreibung der KraftSt erhoben. Die Auswertung ergab, dass auf der Basis des Personalbestands zum 01.01.2002 landesweit rd. 100 der insgesamt 590 Arbeitskräfte (ohne Sachgebietsleiter) ausschließlich mit der Beitreibung der KraftSt befasst sind.

4.3.3 Diesem Personaleinsatz steht ein im Jahresvergleich relativ konstanter Vollstreckungserfolg in Höhe von zuletzt 88 % der insgesamt beizutreibenden KraftSt gegenüber. So konnten im Jahr 2001 von rd. 40,5 Mio. € rückständiger KraftSt 35,8 Mio. € realisiert werden, die übrigen 4,7 Mio. € fielen für den Landeshaushalt aus.

4.3.4 Der Vollstreckungserfolg lässt darauf schließen, dass die vorhandenen Instrumentarien zur Beitreibung der KraftSt grundsätzlich greifen. Als Schwerpunkt seiner Untersuchung hat der RH daher geprüft, ob und ggf. mit welchen Maßnahmen sich die Zahl der Vollstreckungsfälle dauerhaft senken lässt und ob weitere Optimierungsmöglichkeiten der Verfahrensabläufe bestehen.

4.4 Reduzierung der Zahl der Vollstreckungsfälle

4.4.1 Bei den örtlichen Erhebungen fand der RH eine Reihe von Fällen vor, in denen unterschiedliche Halter jeweils über mehrere Jahre hinweg Kraftfahrzeuge zugelassen hatten, ohne die entsprechende KraftSt zu entrichten. Hierzu ein Beispiel:

Ein Steuerbürger ließ zwischen 1997 und 2001 nacheinander insgesamt 8 Kraftfahrzeuge zu. Er nutzte diese jeweils mehrere Monate, ohne die entsprechende KraftSt zu bezahlen. Obwohl die Vollstreckungsstelle regelmäßig versucht hatte, die jeweils rückständigen Beträge beizutreiben, fiel die KraftSt für den Landeshaushalt letztendlich aus. Der zeitliche Ablauf wird in Übersicht 1 dargestellt.

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4.4.2 Ausgehend von solchen Fallgestaltungen ist der RH der Frage nachgegangen, in wie vielen Fällen die Steuer bereits im Jahr der Zulassung - nachfolgend vereinfacht als „Erststeuer“ bezeichnet - überhaupt nicht oder nur nach Einschaltung der Vollstreckungsstellen bezahlt wird. Dabei wurde durch die Auswertung von erledigten Vollstreckungsfällen sowie durch verschiedene DV-Auswertungen festgestellt, dass jährlich landesweit mehr als 60.000 Kraftfahrzeuge zugelassen werden, für die die Erststeuer nicht ohne Einschaltung der Vollstreckungsstellen entrichtet wird. In knapp 10.000 Fällen kann bereits die Erststeuer nicht oder jedenfalls nur teilweise beigetrieben werden.

4.4.3 Dass die Zulassung eines Kraftfahrzeugs - abhängig von der Fahrzeugart - eine Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung auslöst, darf beim Bürger als bekannt vorausgesetzt werden. Sowohl aus fiskalischen Gründen als auch aus Gründen der Steuergerechtigkeit sollte es daher nicht hingenommen werden, dass in einer Vielzahl von Fällen bereits die Erststeuer nicht ohne Vollstreckungsmaßnahmen erhoben werden kann.

4.4.4 Die bestehende Rechtslage sieht Möglichkeiten vor, die Ersterhebung der KraftSt sicherzustellen. So ermächtigt § 13 KraftStG die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Aushändigung des Fahrzeugscheins u. a. davon abhängig gemacht werden kann,

  • dass für die KraftSt eine Ermächtigung zum Einzug von einem Konto des Fahrzeughalters bei einem Geldinstitut erteilt worden ist oder eine Bescheinigung vorgelegt wird, wonach das Finanzamt auf die Einzugsermächtigung wegen einer erheblichen Härte für den Fahrzeughalter verzichtet (§ 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b KraftStG),
  • dass keine KraftSt-Rückstände bestehen (§ 13 Abs. 1a KraftStG).

Diese Regelungen wurden mit Wirkung ab 09.08.2002 in das KraftStG aufgenommen . Eine Umsetzung ist in Baden-Württemberg bisher nicht erfolgt.

4.4.5 Eine vermehrte Teilnahme am Einzugsermächtigungsverfahren würde sowohl die Finanzkassen als auch die Vollstreckungsstellen und die KraftSt-Stellen deutlich entlasten. Die Entgegennahme der Einzugsermächtigungen dürfte demgegenüber lediglich zu einer nicht wesentlichen und damit vertretbaren Arbeitsmehrbelastung bei den Zulassungsbehörden führen. Der RH empfiehlt daher, von der Ermächtigung in § 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 1b KraftStG Gebrauch zu machen. Eine erhebliche Härte, die zu einem Verzicht auf die Teilnahme am Einzugsermächtigungsverfahren berechtigt, dürfte nur selten vorliegen.

4.4.6 Eine deutliche Reduzierung der Vollstreckungsfälle ließe sich nach Auffassung des RH dadurch erreichen, dass Bürgern beim Vorliegen von KraftSt-Rückständen die Aushändigung des Fahrzeugscheins verweigert wird. Der RH regt deshalb den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung an. Den Zulassungsbehörden könnte in der Folge ein zentraler Datenbestand zur Verfügung gestellt werden, in dem die persönlichen Daten - Name, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift - aller Personen abgelegt sind, bei denen KraftSt-Rückstände bestehen. Im Rahmen der Zulassung eines Kraftfahrzeugs könnte sodann programmgesteuert ein Abgleich der persönlichen Daten erfolgen. Bei Übereinstimmung wäre die Aushändigung des Fahrzeugscheins mit dem Hinweis auf bestehende KraftSt-Rückstände zu verweigern.

4.4.7 Sollte das Zurückbehalten des Fahrzeugscheins sich in der Praxis als nicht ausreichende Maßnahme erweisen, empfiehlt der RH, im Wege einer Gesetzesinitiative die Intention des ursprünglichen Gesetzesantrags aufzugreifen. Damals sollte es den Ländern ermöglicht werden, die Zulassung als solche - nicht nur die Aushändigung des Fahrzeugscheins - von den vorstehend beschriebenen Voraussetzungen abhängig zu machen .

4.5 Weitere Optimierungsmöglichkeiten

Wie unter Pkt. 4.2.2 beschrieben, werden die Vollstreckungsstellen mit der Beitreibung von KraftSt-Rückständen im Jahr der Zulassung erst nach etwa drei Monaten beauftragt, während das Vollstreckungsverfahren in den Folgejahren bereits nach etwa einem Monat eingeleitet wird. Nach Auffassung des RH sollte geprüft werden, ob der Zeitraum bis zur Beitreibung der Erststeuer verkürzt werden kann.

5 Kosten-Nutzen-Analyse

5.1 Gesamtbetrachtung

5.1.1 Nachstehend werden die Kosten für die Festsetzung und Erhebung der KraftSt dem Nutzen, d. h. dem KraftSt-Aufkommen, gegenübergestellt. Berücksichtigt werden dabei sowohl die bei den KraftSt-Stellen als auch die bei den Vollstreckungsstellen sowie bei den Finanzkassen anfallenden Personal- und Sachkosten. Auf eine Schätzung des bei den Zulassungs- und Meldebehörden anfallenden Verwaltungsaufwands wurde mangels geeigneter Parameter verzichtet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch die dort anfallenden Kosten nicht unerheblich sind.

5.1.2 Die aus den Personalzahlen zum 01.01.2002 abgeleiteten Kosten für die Festsetzung und Erhebung der KraftSt in Baden-Württemberg zeigt die Übersicht 2.

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Die Gesamtkosten betragen rd. 20,9 Mio. €. Mit 10,9 Mio. € entfällt davon mehr als die Hälfte auf den Bereich der Steuererhebung. Stellt man den Gesamtkosten das KraftSt-Aufkommen 2002 in Höhe von rd. 1.091 Mio. € (s. Pkt. 2.5) gegenüber, ergibt sich ein Verwaltungskostenanteil von rd. 1,92 % des Steueraufkommens.

5.1.3 Nach einer Untersuchung des Bundesfinanzministeriums betrug der Verwaltungskostenanteil für das Jahr 2001 im Bundesdurchschnitt rd. 2,58 %, während für Baden-Württemberg ein Verwaltungskostenanteil von 2,13 % ermittelt wurde. Diese Ergebnisse basierten allerdings nicht auf den jeweiligen tatsächlichen Kosten aus den einzelnen Ländern, sondern auf einer Schätzung nach bundeseinheitlichen Kriterien. Legt man dieser Schätzung den vom RH tatsächlich festgestellten Personaleinsatz zu Grunde, kommt man für das Vergleichsjahr 2001 zu einem Verwaltungskostenanteil von 1,85 %.

5.1.4 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis in Baden-Württemberg jedenfalls erheblich günstiger als der Bundesdurchschnitt ist. Diese Aussage lässt keine direkten Rückschlüsse auf die Effizienz der Arbeit zu, weil die Ursache nicht nur in einem relativ geringen Personalaufwand liegen kann, sondern auch in einem relativ hohen Steueraufkommen.

5.2 Kosten-Nutzen-Verhältnis bei den Vollstreckungsstellen

5.2.1 Die auf die Beitreibung von KraftSt entfallenden Personal- und Sachkosten betragen rd. 5,53 Mio. €. Diesen Kosten steht ein Vollstreckungserfolg von 35,8 Mio. € im Jahr 2001 gegenüber. Die Kosten für die Vollstreckung belaufen sich also auf mehr als 15 % der tatsächlich beigetriebenen KraftSt.

5.2.2 Die ungünstige Kosten-Nutzen-Relation wird auch durch die zu erhebenden Vollstreckungsgebühren - in der Regel Pfändungsgebühren (§ 339 Abgabenordnung) - nur unwesentlich verbessert. Diese Gebühren entstehen, sobald der Vollziehungsbeamte Schritte zur Ausführung des Vollstreckungsauftrags unternommen hat oder sobald eine Pfändungsverfügung zugestellt wurde. Auf Grund der Höhe der beizutreibenden KraftSt wird im Regelfall die Mindestgebühr von 10 € erhoben.

5.2.3 Bei einem durchschnittlichen KraftSt-Rückstand von rd. 204 € je Fall im Jahr 2001 liegen dem Vollstreckungserfolg von 35,8 Mio. € rechnerisch rd. 175.000 erledigte Verfahren zu Grunde. Da jedoch nicht in jedem Fall Vollstreckungsgebühren anfallen, stehen den Gesamtkosten der Vollstreckung von rd. 5,53 Mio. € Vollstreckungsgebühren von weniger als 1,75 Mio. € gegenüber.

5.2.4 Verglichen mit der normalen Steuererhebung stellt die Vollstreckungstätigkeit einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand dar. Sinn und Zweck der Vollstreckungsgebühren ist es, diesen Mehraufwand dem Verursacher, d. h. dem säumigen Bürger, aufzuerlegen. Bei der Vollstreckung rückständiger KraftSt decken die Vollstreckungsgebühren jedoch nur weniger als ein Drittel des tatsächlichen Mehraufwands ab. Der RH empfiehlt daher, auf eine Erhöhung der bundeseinheitlich festgelegten Mindestgebühr hinzuwirken.

6 Die Umlegung der Kraftfahrzeugsteuer auf die Mineralölsteuer

6.1 Finanzielle Auswirkungen

6.1.1 Der RH geht bei den folgenden Betrachtungen von einer aufkommensneutralen Umlegung aus; das bundesweite KraftSt-Aufkommen von zuletzt 8.376 Mio. € wäre damit künftig durch eine Erhöhung der MinöSt auf Kraftstoffe sicherzustellen. Da die MinöSt als Bestandteil des Kraftstoffpreises zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu rechnen ist, wird jedoch ein Teil des sicherzustellenden Aufkommens über Umsatzsteuer-Mehreinnahmen erbracht, denen allerdings im unternehmerischen Bereich Vorsteuererstattungsansprüche gegenüberstehen. Mangels geeigneter Daten hat der RH den privaten und unternehmerischen Kraftstoffverbrauch auf je 50 % des Gesamtverbrauchs geschätzt. Auf Basis dieser Überlegungen wäre das MinöSt-Aufkommen damit um rd. 7,8 Mrd. € zu erhöhen, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:

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6.1.2 Für die Erhöhung der MinöSt-Sätze ist eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten denkbar. Nachfolgend wird die Berechnung für eine einheitliche Erhöhung der Steuersätze auf Benzin- und Dieselkraftstoffe dargestellt. Dabei werden die Kraftstoffverbrauchszahlen des Jahres 2001 zu Grunde gelegt .

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Bei einer einheitlichen Erhöhung müsste der Steuersatz für Benzine und für Dieselkraftstoffe damit jeweils um rd. 108,1 € je 1.000 Liter erhöht werden. Hinzu kämen für den Endverbraucher noch 16 % Umsatzsteuer in Höhe von 17,3 € je 1.000 Liter Kraftstoff. Für einen Liter Kraftstoff hätte der Endverbraucher infolge der Umlegung also rd. 12,5 Cent mehr aufzuwenden. Nach diesem Modell würden Benzin- und Dieselfahrzeuge weiterhin unterschiedlich behandelt werden; die finanzielle Belastung hinge dann jedoch in beiden Fällen erheblich stärker als bisher von der individuellen Fahrleistung ab. Den Nutzern dieselbetriebener PKW verbliebe ein vergleichsweise günstiger MinöSt-Satz, während gleichzeitig die dieseltypisch ungünstigere KraftSt entfiele. Dies hätte in der überwiegenden Zahl der Fälle finanzielle Entlastungen zur Folge. Bei LKW mit hohen Fahrleistungen würden sich durch die Erhöhung des Kraftstoffpreises dagegen finanzielle Mehrbelastungen ergeben.

6.1.3 Eine Angleichung der bisher unterschiedlichen Steuersätze für Benzine und Dieselkraftstoffe und die gleichzeitige Umlegung der KraftSt auf die MinöSt ergäbe für den Endverbraucher eine Erhöhung der Benzinpreise um lediglich 2,4 Cent je Liter, während für Diesel dann sogar 23,8 Cent je Liter mehr bezahlt werden müssten. Bei diesem Modell entfiele die bisherige mineralölsteuerliche Begünstigung der Dieselkraftstoffe. Der Vorteil des dieseltypisch niedrigeren Verbrauchs, der dem Fahrzeughalter weiterhin verbliebe, bekäme ein noch größeres Gewicht. Für private und gewerbliche Vielfahrer wären die finanziellen Mehrbelastungen im Vergleich zum bisherigen System allerdings erheblich.

6.2 Problemfelder

6.2.1 Ein Vergleich der Kraftstoffpreise zeigt, dass Deutschland aktuell bereits über dem Preisniveau von zwei Drittel der Nachbarländer liegt. Nach der Umlegung der KraftSt würde Deutschland voraussichtlich die Spitzenposition einnehmen. Dies gilt insbesondere für den im gewerblichen Bereich wohl überwiegend eingesetzten Dieselkraftstoff. Wettbewerbsnachteile inländischer Unternehmen wären nicht auszuschließen.

6.2.2 Der Gesetzgeber verfolgt mit dem KraftStG neben dem Zweck der Einnahmenerzielung in zunehmendem Maße auch ökologische Lenkungszwecke. So wurden schadstoffarme Fahrzeuge steuerlich begünstigt und im Gegenzug wurde die Besteuerung umweltschädlicherer Altfahrzeuge in drastischer Weise verschärft. Die Umlegung der KraftSt auf die MinöSt hätte zur Folge, dass dieses derzeit weitgehend schadstofforientierte umweltpolitische Steuerungsinstrument verloren ginge. Wollte man die Entwicklung ökologisch innovativer Technologien weiterhin begünstigen, wäre wohl ein fahrzeugbezogenes Subventionssystem einzurichten.

6.2.3 Das KraftStG enthält eine Vielzahl von personen- sowie fahrzeugeinsatzbezogenen Befreiungs- und Ermäßigungsvorschriften. Hierzu rechnen insbesondere die Vergünstigungen für Schwerbehinderte und die Befreiungen für im Feuerwehrdienst, Linienverkehr, Katastrophenschutz und Rettungsdienst eingesetzte Fahrzeuge. Nach einer Umlegung der KraftSt auf die MinöSt gingen solche vom Gesetzgeber gewollten finanziellen Entlastungen verloren. Sollten vergleichbare Begünstigungen auch weiterhin beabsichtigt sein, wäre ebenfalls ein alternatives Subventionssystem zu schaffen.

6.2.4 Im Gegensatz zum Aufkommen an MinöSt, das ausschließlich dem Bund zusteht, weist Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG das KraftSt-Aufkommen den Ländern zu. Bei Wegfall der KraftSt müsste der nicht unerhebliche Einnahmeausfall der Länder in geeigneter Weise kompensiert werden.

6.2.5 Es ist fraglich, ob die KraftSt im Bereich des Güterverkehrs dem Grunde nach überhaupt entfallen darf. Sowohl das in Art. 76 des EG-Vertrags normierte Schlechterstellungsverbot ausländischer Verkehrsunternehmer als auch die Richtlinie 1999/62/EWG, wonach die Mitgliedsstaaten bestimmte Mindeststeuersätze auf Nutzfahrzeuge über 12 Tonnen zu erheben haben, würden durch den Wegfall der KraftSt tangiert. Darüber hinaus wäre zu klären, wie sich eine Umlegung auf den Regelungsgehalt diverser Doppelbesteuerungsabkommen auswirkt. Bisher enthalten diese Abkommen regelmäßig eine - auf den vorübergehenden Aufenthalt von Fahrzeugen beschränkte - gegenseitige Steuerbefreiung.

7 Empfehlungen und abschließende Betrachtung

7.1 Durch eine Umlegung der KraftSt auf die MinöSt könnte ein großes Einsparpotenzial im Bereich der Steuerverwaltung realisiert werden. Allein in Baden-Württemberg könnten dadurch rd. 418 Personalstellen eingespart und der Landeshaushalt um mindestens 20,9 Mio. € jährlich entlastet werden.

7.2 Neben den noch zu klärenden rechtlichen Fragen, dem weitgehenden Verlust der ökologischen Lenkungswirkung und der erheblichen Verteuerung der Kraftstoffpreise sieht der RH das eigentliche Problem einer Umlegung im bisherigen Begünstigungssystem. Sollten bestimmte Fahrzeuge oder Personengruppen in gleicher Weise wie bisher begünstigt werden, wäre dazu ein entsprechendes Subventionssystem zu schaffen. Einrichtung und Kontrolle eines solchen Systems dürften jedoch schwierig und zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden sein. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hält der RH daher eine Umlegung der KraftSt nur dann für sinnvoll, wenn auf alternative Lenkungs- und Begünstigungssysteme verzichtet wird. Falls der Gesetzgeber sich dazu entschließen würde, müssten zusätzlich die beschriebenen europäischen Rechtsfragen gelöst werden.

7.3 Sollte die Umlegung der KraftSt auf die MinöSt nicht verwirklicht werden, hält der RH die Optimierung des bestehenden Festsetzungs- und Erhebungsverfahrens für geboten. Hierdurch könnten allein bei den KraftSt-Stellen 21,5 Personalstellen entfallen. Der RH empfiehlt daher der Landesregierung, die aufgezeigten Verbesserungsmöglichkeiten aufzugreifen und baldmöglichst umzusetzen. Soweit die Vorschläge Rechtsänderungen erforderlich machen, sollten diese alsbald initiiert werden.

8 Stellungnahme des Ministeriums

8.1 Das FM hat gegen die Sachdarstellung und die vom RH vertretene Rechtsauffassung grundsätzlich keine Einwendungen erhoben; es beabsichtigt, die Anregungen des RH weitgehend aufzugreifen. Die Empfehlungen des RH zu den Vergünstigungen für Schwerbehinderte (s. Pkt. 3.2), zur Abgrenzung zwischen PKW und LKW (s. Pkt. 3.4) und zur bundesweiten Standortverlegung eines Fahrzeugs (s. Pkt. 3.6.3) bedürften allerdings - nicht zuletzt wegen der zur Umsetzung erforderlichen Bundesrechtsänderungen - noch einer eingehenden Prüfung. Über den Erlass einer Rechtsverordnung auf der Grundlage des § 13 KraftStG (s. Pkt. 4.4.4 bis 4.4.6) beabsichtigt das FM erst nach dem Vorliegen entsprechender Erfahrungsberichte aus anderen Bundesländern zu entscheiden.

8.2 Gegen die Einführung eines besonderen Zugmaschinenkennzeichens (s. Pkt. 3.3.2) wendet das FM ein, dass hierdurch sowohl der Verwaltungsaufwand als auch der Aufwand bei den Fahrzeughaltern unverhältnismäßig steigen würde. Im Übrigen sei der Vorschlag in den Ländergremien bereits mehrfach diskutiert und aus den dargelegten Gründen mehrheitlich abgelehnt worden. Hinsichtlich des Vorschlags, die Bescheide bereits vor dem Stichtag einer Steuersatzerhöhung zu ändern (s. Pkt. 3.7.1), weist das FM auf die derzeit entgegenstehende Rechtslage hin.

8.3 Zur Standortverlegung innerhalb von Baden-Württemberg (s. Pkt. 3.6.2) teilt das FM mit, dass eine vollständige Automation technisch nicht möglich sei.

9 Schlussbemerkung

9.1 Soweit das FM noch eingehenden Prüfungsbedarf sieht, empfiehlt der RH, die Untersuchungen konsequent voranzutreiben. Zur Sicherung der Erststeuer sowie zur Entlastung der Finanzämter sollte die Landesregierung baldmöglichst eine Rechtsverordnung zu § 13 KraftStG erlassen und - falls erforderlich - zuvor auf eine entsprechende Gesetzesänderung (s. Pkt. 4.4.7) hinwirken.

9.2 Der RH vermag den Verwaltungsaufwand für die Einführung eines besonderen Zugmaschinenkennzeichens nicht abzuschätzen. Er gibt allerdings zu bedenken, dass ein solches Kennzeichen zum Einen eine große Missbrauchsprävention entfalten dürfte und zum Anderen hierdurch erstmals eine wirksame Kontrolle auf der Straße zu erreichen wäre. Der RH hält daher an seinem Vorschlag fest, zumal das FM seinerseits keine alternative Problemlösung aufgezeigt hat. Daneben sollten die weiteren Anregungen zur Sonderregelung für Kraftfahrzeuganhänger vollständig umgesetzt werden.

9.3 Mit Blick auf die Entwicklung des Kraftfahrzeugsteuerrechts (s. Pkt. 2.6) sowie auf die bereits in der aktuellen Gesetzesfassung enthaltenen Steuersatzerhöhungen empfiehlt der RH der Landesregierung eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel, Bescheidänderungen bereits vor dem Stichtag der Steuersatzerhöhung zu ermöglichen. Die Erhöhungsbeträge könnten dann - entsprechend dem sonst im Kraftfahrzeugsteuerrecht geltenden Grundsatz - im Voraus eingenommen werden; daneben würde die für den Bürger schwer verständliche Rückwirkung entfallen.