Die Kommission zur Einweisung von Gefangenen in die Justizvollzugsanstalten ist nicht mehr erforderlich und kann aufgelöst werden. Derzeit werden bei der Kommission noch 4,2 Bedienstete eingesetzt. Das Justizministerium will ihre Auflösung in ein bis zwei Jahren umsetzen.
1 Ausgangslage
Gemäß § 152 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) regelt die Landesjustizverwaltung die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Justizvollzugsanstalten (JVAen) in einem Vollstreckungsplan. Die Bundesländer haben die Möglichkeit, besondere Einweisungsanstalten oder -abteilungen einzurichten. Baden-Württemberg hat sich für die Einrichtung einer zentralen Einweisungskommission (EWK) entschieden. Diese Art der Zuweisung ist nicht zwingend. Nach § 152 Abs. 3 StVollzG ist die Verteilung der Gefangenen auf der Grundlage eines Vollstreckungsplanes ausreichend. Elf Bundesländer haben keine zentrale Einweisungsanstalt oder -abteilung.
Die Zuständigkeit der EWK ist im Vollstreckungsplan geregelt. Zusätzlich hat das JuM eine Einweisungs-AV erlassen, die weitere Vorgaben für die EWK enthält. Vollstreckungsplan und Einweisungs-AV zusammen geben der EWK letztlich nur einen begrenzten Handlungsspielraum.
Der RH hatte die EWK bereits 1987 einmal geprüft (s. Denkschrift 1988, Nr. 16) und das JuM um Prüfung gebeten, ob die EWK aufgelöst werden könne. Für den Fall der Beibehaltung der EWK hatte der RH Einsparpotenziale, insbesondere im Personalbereich, aufgezeigt.
Das JuM hatte sich damals für die Beibehaltung der EWK entschieden und begründete dies im Wesentlichen mit dem Erhalt der JVA Ulm als Anstalt des offenen Vollzuges, die den größten Teil der Gefangenen über die EWK zugewiesen bekommen hatte. Weitere Argumente für den Fortbestand hatte das JuM in den flexiblen und individuellen Entscheidungen über Abweichungen vom Vollstreckungsplan und in der Belegungssteuerung der Anstalten gesehen.
Die ursprünglich elf Mitglieder zählende EWK war bereits vor der damaligen Prüfung durch den RH deutlich reduziert worden. Nach der Prüfung im Jahr 1987 wurden die Mitglieder der EWK von fünf auf vier verringert. Der RH hatte zum damaligen Zeitpunkt zwei Stellen für ausreichend erachtet. Derzeit ist die EWK mit drei Mitgliedern besetzt.
Die erneute Prüfung des RH hatte das Ziel festzustellen, ob die damaligen Gründe für die Beibehaltung der EWK fortbestehen und die aufgezeigten Einsparpotenziale realisiert wurden.
2 Entscheidungen der Einweisungskommission
Im Jahr 2001 wurden von 1.049 Einweisungsentscheidungen 973 (92 %) nach allgemeinen Kriterien des Vollstreckungsplanes getroffen. Darin enthalten sind 11 % Einweisungen in den offenen Vollzug. Hieraus lässt sich ableiten, dass in 81 % aller Fälle die Entscheidungen der EWK auf der Grundlage des Vollstreckungsplans nach Aktenlage hätten getroffen werden können. Bei weiteren 3 % wurde lediglich vom Kriterium der Wohnortnähe abgewichen, sonst jedoch eine Einweisungsentscheidung nach Vollstreckungsplan getroffen.
Einen Überblick über die Aufteilung der Verfahrensabschlüsse des Jahres 2001 gibt Schaubild 1.

Lediglich in 48 Fällen (5 %) kam es zu echten Abweichungen vom Vollstreckungsplan und damit zu individuellen Entscheidungen der EWK. Die Gründe hierfür sind meist eine notwendige Mittätertrennung, seltener die jeweilige Belegungssituation der Anstalten oder die Möglichkeit einer Berufsausbildung. Lediglich in neun Fällen des Jahres 2001 musste wegen der Belegungsfähigkeit einzelner Anstalten eine abweichende Entscheidung getroffen werden.
Angesichts der geringen Anzahl echter Abweichungen und der hohen Anzahl von Einweisungen in vorgegebene wohnortnahe Anstalten sind nach Auffassung des RH die allgemeinen Kriterien des Vollstreckungsplanes ausreichend und geeignet, die vorgesehene Belegung der Einweisungsanstalten zu erreichen. Dafür ist die Mitwirkung einer zentralen EWK nicht nötig.
3 Belegungssteuerung
Die Einweisungs-AV Teil II gibt vor, dass in den JVAen Heimsheim, Ravensburg, Rottenburg und Schwäbisch Hall für die EWK nur eine beschränkte Zahl von Haftplätzen zur Verfügung steht, die vom JuM jeweils gesondert festgesetzt wird (Kontingente). Diese Kontingente sollen den Charakter einer Anstalt erhalten, insbesondere beim Heranwachsenden- oder Kurzstrafenvollzug. Im Jahr 2002 waren regelmäßig alle Kontingente deutlich überschritten.
Die Festlegung der Kontingente und evtl. Änderungen der Belegungsmöglichkeiten durch die EWK werden vom JuM veranlasst. Insoweit werden grundlegende Steuerungsfunktionen für die Belegung von Haftanstalten bereits außerhalb der EWK vom JuM wahrgenommen. Bei regelmäßig deutlichen Überschreitungen der Kontingente stellt sich jedoch die Frage nach deren Sinn.
Die EWK verfügt über keine tagesaktuellen Belegungsübersichten der JVAen. Derzeit erfolgt wöchentlich per Telefax eine Mitteilung der Einweisungsanstalten. Ein Gesamtüberblick über die Arbeitsplatzsituation in den JVAen ist bei der EWK ebenfalls nicht vorhanden. Lediglich wenige schriftliche oder telefonische Anfragen wurden von einzelnen JVAen wegen der Zuweisung von Fachkräften an die EWK gerichtet.
Der RH stellte fest, dass die Einweisungspraxis der EWK keinen nennenswerten Beitrag zur Belegungssteuerung der JVAen leistet.
4 Belegung des offenen Vollzuges
Die Belegungssituation der JVAen in Baden-Württemberg stellt sich im geschlossenen und offenen Vollzug unterschiedlich dar. Der geschlossene Vollzug ist weit stärker belastet als der offene Vollzug. Die EWK weist Gefangene in den offenen Vollzug der JVAen Ulm, Kislau und Sachsenheim ein. In der JVA Ulm, der größten Einrichtung des offenen Vollzuges, befanden sich im Prüfungszeitraum mehr als die Hälfte der Gefangenen nicht auf Grund von Einweisungen der EWK. Die Anstalten Kislau und Sachsenheim waren zum Prüfungszeitpunkt ebenfalls nahezu ausschließlich mit Gefangenen belegt, die nicht über die EWK eingewiesen worden waren. Hauptursache dafür ist die seit der letzten Prüfung erfolgte Änderung des Vollstreckungsplans, wonach bestimmte Gefangene auch ohne Einweisung der EWK unmittelbar in den offenen Vollzug eingewiesen werden können.
Der RH hatte empfohlen, die bisherigen Aufgaben der EWK bei Einweisungen in den offenen Vollzug insgesamt durch den Vollstreckungsplan zu regeln. Entscheidungen über die Eignung der Gefangenen für diese Vollzugsform können - soweit notwendig - durch die jeweiligen Anstaltsleiter erfolgen.
Auch für die Belegungssicherung des offenen Vollzuges ist ein Fortbestand der EWK nicht mehr erforderlich.
5 Vollzugsgestaltung
Die EWK soll gemäß den Vorgaben der Einweisungs-AV auch die Kriterien Beschäftigungsmöglichkeiten, Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten und besondere Behandlungsangebote in den JVAen berücksichtigen. Durch konkrete Vorgaben des Vollstreckungsplans und der Einweisungs-AV sowie die Erweiterung von Zuständigkeitsbereichen der JVAen finden diese Kriterien in der Praxis selten Berücksichtigung. In den ersten zwei Monaten des Jahres 2001 wurden nur in fünf Fällen (2,4 %) entsprechende Empfehlungen zur weiteren Vollzugsgestaltung gegeben. Hierbei handelte es sich meist um Therapie- oder Behandlungsempfehlungen.
Die Entscheidungen der EWK haben nach Ansicht des RH kaum Einfluss auf die Vollzugsgestaltung.
6 Alternativkonzept
Der RH hält auf Grund der Prüfungsfeststellungen die Auflösung der EWK und die Einweisung der Gefangenen durch die JVAen bzw. Staatsanwaltschaften auf der Grundlage allgemeiner Kriterien eines Vollstreckungsplans für praktikabel und wirtschaftlich geboten. Bei Wegfall der derzeit noch bei der EWK eingesetzten 4,2 Personalstellen könnte eine jährliche Personalkosteneinsparung von 324.000 € erzielt werden. Hierfür sprechen folgende Erwägungen:
Mindestens 81 % aller Einweisungen der EWK in den geschlossenen Vollzug entsprachen bereits 2001 vorgegebenen Kriterien des Vollstreckungsplans. Bei der Zuweisung eines entsprechenden Gefangenenanteils wird sich durch eine Auflösung der EWK im Ergebnis nichts ändern. Die verbleibenden Fälle erfordern individuelle Entscheidungen der Anstaltsleiter und Staatsanwaltschaften. Ein Großteil davon betrifft die Einweisung von Gefangenen in den offenen Vollzug und die damit verbundene Feststellung der Eignung von Gefangenen für diese Vollzugsform. Hier sollten den Anstaltsleitern ähnliche Möglichkeiten eingeräumt werden wie bislang der EWK.
Der RH rechnet nicht damit, dass Einweisungen in die JVA Ulm nach Wegfall der EWK in weniger Fällen erfolgen. Die JVA Ulm nimmt mit ihren internen Beschäftigungsmöglichkeiten eine besondere Position im offenen Vollzug ein, die sich insbesondere zu Beginn der Strafhaft für geeignete Gefangene anbietet. Die Umstellung der Einweisung von Gefangenen wird voraussichtlich auch im Übrigen keine größeren Schwierigkeiten bereiten.
Der Stelleneinsparung bei der EWK stehen nach Auffassung des RH keine nennenswerten Mehrbelastungen anderer Stellen gegenüber. Anstaltsleiter und Staatsanwaltschaft befassen sich bereits bei der bisherigen Verfahrensweise zusätzlich zur EWK mit Zugang des Gefangenen bzw. im Rahmen der Ladung zum Strafantritt mit der Person des Gefangenen und den Zuständigkeiten der einzelnen Anstalten. Abweichungen vom Vollstreckungsplan erfolgen im weiteren Vollzugsverlauf schon bisher durch die Anstaltsleiter ohne Beteiligung der EWK. Denkbare Mehrbelastungen der JVAen und Staatsanwaltschaften durch den Wegfall der Kommission dürften sich allenfalls auf einem niedrigen Niveau bewegen. Diesem stehen zugleich Einsparpotenziale durch den Wegfall bislang erforderlicher Tätigkeiten (z. B. Anlegen des Einweisungshefts, Transportscheine, Schriftverkehr u. ä.) gegenüber.
Im Jahr 2001 wurden von den Gefangenen lediglich 30 Anträge auf gerichtliche Entscheidung gegen EWK-Beschlüsse gestellt. Künftig wird sich die Zuständigkeit dafür auf mehrere Landgerichte verteilen. Mit einem nennenswerten zusätzlichen Personalaufwand ist insoweit nicht zu rechnen.
Der Abbau der Stellen der EWK lässt sich nahezu ohne Mehraufwand in anderen Bereichen des Strafvollzuges und der Staatsanwaltschaften realisieren.
7 Stellungnahme des Ministeriums und Schlussbemerkung
Das JuM will den Vorschlag des RH aufgreifen und die EWK auflösen. Hierfür seien jedoch umfangreiche Vorarbeiten erforderlich. Mit der Umsetzung eines neuen Vollstreckungsplanes und der Auflösung der EWK sei nicht vor ein bis zwei Jahren zu rechnen. Anlässlich der Prüfung des RH sei der Personalbestand der EWK durch eine bessere Aufgabenverteilung bereits um eine halbe Angestelltenstelle reduziert worden. Von den derzeit noch bei der EWK eingesetzten 4,2 Personalstellen könnten allenfalls 2,0 Stellen eingespart werden, weil die bisher von der EWK getroffenen individuellen Entscheidungen künftig weitgehend auf die JVAen übertragen würden.
Der RH hält die vom JuM vorgesehene Übergangszeit von ein bis zwei Jahren für die Auflösung der EWK für vertretbar, aber auch ausreichend, um die Voraussetzungen für eine Gefangeneneinweisung ohne Mitwirkung einer EWK zu schaffen. In der Umsetzungskonzeption wäre auch ein nach Auflösung der EWK evtl. verbleibender Personalbedarf unter Berücksichtigung der vom RH aufgezeigten Rationalisierungspotenziale im Einzelnen nachzuweisen.