1 Ausgangslage
Im Auftrag des Bundes verwalten die Länder die Bundesfernstraßen. Der Bund trägt die Bauausgaben als Baulastträger. Für Zweckausgaben bei der Auftragsverwaltung - Planung, Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht - werden die Länder vom Bund mit 3 Prozent der Bauausgaben abgegolten.
In der Auftragsverwaltung plante und errichtete die Straßenbauverwaltung des Landes seit 2007 an den Bundesautobahnen A 8 und A 81 jeweils eine Streckenbeeinflussungsanlage mit 45 beziehungsweise 33 Anzeigequerschnitten. Damit ist eine dynamische, an die jeweilige Verkehrs- und Gefahrensituation angepasste Anzeige möglich (siehe Abbildung).
Die Anzeigequerschnitte sind im Abstand von eineinhalb bis zwei Kilometern auf der zu beeinflussenden Strecke aufgestellt. Sie bestehen aus Wechselverkehrszeichen, die in der Straßenverkehrsordnung festgelegt sind. Das Bundesverkehrsministerium weist darauf hin, dass Häufungen von Verkehrszeichen gemäß § 39 Ziffer 11 der Straßenverkehrsordnung zu vermeiden sind.
Die Streckenbeeinflussungsanlagen des Bundes wurden anders als bei der klassischen Auftragsverwaltung über das EU-Programm „Telematik im Straßenwesen - EasyWay“ finanziert. Bei diesen internationalen Projekten haben die Länder einen besonderen Aufwand, der über die reguläre Auftragsverwaltung hinausgeht. Deshalb werden die Fördermittel zwischen dem Bund und den an den EU-Projekten beteiligten Ländern aufgeteilt. Baden-Württemberg erhielt 1,2 Mio. Euro, um die zusätzlichen Personal- und Dienstleistungsausgaben für Planung sowie Bauüberwachung abzudecken.
Im Laufe der Planung beziehungsweise der Ausschreibung entschloss sich die Straßenbauverwaltung des Landes, 32 Anzeigenquerschnitte der Streckenbeeinflussungsanlagen des Bundes mit einem weiteren Zeichen für frei programmierbare LED-Textanzeigen auszurüsten. Das Ministerium bezeichnete die Zusatzzeichen in einem Schreiben an das Bundesverkehrsministerium vom Oktober 2011 als „dringend notwendig, da sie eine Lenkung des Verkehrs insbesondere bei Fahrverboten in den Luftreinhalteplangebieten im Großraum Stuttgart sowie eine flexible ‚Bewirtschaftung‘ der Bedarfsumleitungsstrecken ermöglichen“.
Die Zusatzzeichen mit Textinhalten sind keine Verkehrszeichen nach der Straßenverkehrsordnung. Sie können allenfalls der Verkehrsinformation dienen. Die Zusatzzeichen dürfen die Verkehrssicherheit nicht gefährden und nur dort angebracht werden, wo sie nicht mit zugelassenen Verkehrszeichen zu verwechseln sind oder deren Wirkung beeinträchtigen.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Kein Bedarf für zusätzliche Textanzeige
Die zusätzlichen Zeichen wurden von der Straßenbauverwaltung des Landes ohne Auftrag des Bundesverkehrsministeriums beschafft. Der Bund lehnt eine Ausgabenverantwortung für die Investitionen der zusätzlichen Zeichen von 1 Mio. Euro ab.
Ungeachtet der beabsichtigten Finanzierung mit Landesmitteln stimmte das Bundesverkehrsministerium im Oktober 2011 dem Vergabevorschlag des Landes für die Streckenbeeinflussungsanlage an der A 81 nur unter der Maßgabe zu, dass von den zusätzlichen Zeichen abgesehen wird. Der Bund wies auf eine einvernehmlich zwischen Bund und Ländern getroffene Regelung hin, wonach Textanzeigen nicht an Bundesfernstraßen anzubringen sind, da sie sich negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken könnten.
Die Streckenbeeinflussungsanlage an der A 81 wurde vom Land dennoch 2011 mit den zusätzlichen Zeichen vergeben. Die Streckenbeeinflussungsanlage an der A 8 war mit den zusätzlichen Zeichen damals bereits im Bau. Beide Streckenbeeinflussungsanlagen sind gebaut. Die Anlage an der A 8 ist seit mehr als einem Jahr ohne zusätzliche Zeichen in Betrieb. Die Inbetriebnahme der Anlage an der A 81 erfolgte - ebenfalls ohne die zusätzlichen Zeichen - im März 2014.
Um die Positionen abzuklären, stimmte das Bundesverkehrsministerium mit dem Land ab, die Bundesanstalt für Straßenwesen mit einem Gutachten zu wahrnehmungspsychologischen Aspekten von LED-Textanzeigen zu beauftragen. Bund und Land vereinbarten einen einjährigen Probebetrieb mit den zusätzlichen Zeichen an der A 8, sofern die Ergebnisse des Forschungsauftrags dem nicht entgegenstehen.
Die Gutachter kamen im März 2013 zu dem Schluss, dass die zusätzlichen Zeichen an Bundesfernstraßen in Deutschland nicht empfohlen werden können. Denn diese entsprechen nicht den Vorgaben der Straßenverkehrsordnung und werfen erhebliche Sicherheitsbedenken auf.
Die Probleme, die der Bund durch das Anbringen der zusätzlichen Zeichen in unmittelbarer Nähe zu den zugelassenen drei Wechselverkehrszeichen erkennt, konnten seit den ersten Diskussionen mit dem Bund vor mehr als zwei Jahren von der Straßenbauverwaltung des Landes nicht vollständig ausgeräumt werden.
Das Bundesverkehrsministerium teilte im April 2014 dem Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mit, dass es „nach fachlicher und verkehrsrechtlicher Prüfung keinen grundsätzlichen Mehrgewinn bei der Anzeige der (vom Land) vorgeschlagenen Textinhalte gegenüber den üblichen Wechselverkehrszeichen sieht. Die Textinhalte sind entbehrlich. Fünf der Textinhalte haben darüber hinaus einen negativen Einfluss auf die Verkehrssicherheit. Sechs der Textinhalte sind aus verkehrlicher Sicht lediglich neutral zu bewerten (z. B. „Tunnel gesperrt“, „fehlende Fahrbahnmarkierung“).“ Das Bundesverkehrsministerium erkennt weiterhin keinen Bedarf für eine zusätzliche Textanzeige zur Verkehrsbeeinflussung. „Daher entfällt für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur die Notwendigkeit, einen Probebetrieb zu unterstützen“.
2.2 Kein Gesamtkonzept für den Einsatz der zusätzlichen Zeichen
Die Straßenbauverwaltung des Landes hatte nicht geklärt, in welcher Weise die zusätzlichen Zeichen für die Verkehrsinformation und die Verkehrssteuerung im Großraum Stuttgart genutzt werden sollen. So sind die Luftreinhaltepläne im Ballungsgebiet Stuttgart großräumig ausgelegt. Sie betreffen aber in der Regel die Einfallstraßen in die städtischen Bereiche, da hier die hohen Feinstaubwerte sowie andere Luft- und Lärmbelastungen gemessen werden. Welche Informationen zur Verkehrssituation in der Innenstadt dem Stuttgart umfahrenden Fernverkehr auf der A 8 und A 81 dazugegeben werden sollen, hat das Ministerium nicht dargelegt. Ein schlüssiges Gesamtkonzept für eine Verkehrsinformation liegt bis heute nicht vor.
Der Entscheidung der Straßenbauverwaltung, die bundeseigenen Streckenbeeinflussungsanlagen mit zusätzlichen Zeichen auszustatten, lagen keine lichttechnischen oder wahrnehmungspsychologischen Untersuchungen zugrunde. Fundierte Erkenntnisse lieferte erst zwei Jahre später das Gutachten der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Straßenbauverwaltung hatte es als ausreichend angesehen, dass die zusätzlichen Zeichen aus ihrer Sicht innovativ waren.
2.3 Finanzierung der zusätzlichen Zeichen an Bundesautobahnen mit Landesmitteln
Im Landeshaushalt gibt es keine Ermächtigung und keine Mittel für Projekte an Bundesfernstraßen. Auch für zusätzliche Verkehrsinformationen, die das Land den Verkehrsteilnehmern an Bundesfernstraßen zur Verfügung stellen möchte, sind keine Mittel etatisiert.
Daher wurden die EU-Fördermittel eingesetzt, um die zusätzlichen Zeichen zu finanzieren. Diese Fördermittel wurden jedoch für den zusätzlichen personellen und planerischen Aufwand der Straßenbauverwaltung bei dem EU-Programm „EasyWay“ vom Bund dem Land zugewiesen („Dienstleistungen Dritter im Auftrag der Europäischen Union“).
Durch die gegenseitige Deckungsfähigkeit der Titel im Landesstraßenhaushalt wurden die Aufwendungen für die zusätzlichen Zeichen letztendlich zulasten der Erhaltungsmittel für Landesstraßen ausgegeben. Dies trifft im Übrigen auch für zukünftige Betriebs- und Wartungskosten der zusätzlichen Zeichen zu.
3 Empfehlungen
Das Land sollte grundsätzlich keine Aufwendung übernehmen, für die der Bund als Straßenbaulastträger zuständig ist.
Unabhängig von der Frage der Kostentragung sind für zusätzliche Verkehrsinformationen an Bundesfernstraßen nachvollziehbare Konzeptionen und eine realistische Einschätzung des Nutzens erforderlich.
Für zusätzliche Investitionen des Landes an Bundesfernstraßen, die der Bund nicht bereit ist zu finanzieren, ist eine Ermächtigung im Staatshaushaltsplan erforderlich. Die Kosten dafür sind im Staatshaushaltsplan transparent zu veranschlagen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur ist unverändert der Auffassung, dass der Einsatz der zusätzlichen Textanzeigen auf den hochbelasteten Autobahnen im Großraum Stuttgart sinnvoll und notwendig sei. Das Ministerium legt dar, dass es Angelegenheit der Länder sei, im Rahmen der Leistungsverwaltung Verkehrsinformationen bereitzustellen. Die Beschaffung sei mit Haushaltsmitteln des Landes erfolgt, eine Zustimmung des Bundes wäre insofern nicht notwendig gewesen.
Die zusätzlichen Textanzeigen sollen, so das Ministerium, die Verkehrsteilnehmer über besondere Ereignisse in den betreffenden Streckenabschnitten warnen und informieren. Dadurch würden sie einen Beitrag zur Verbesserung der Verkehrssicherheit leisten.
Das Ministerium beabsichtigt, die zusätzlichen Textanzeigen zur Verkehrsinformation der Verkehrsteilnehmer mit den vom Bundesverkehrsministerium aus verkehrlicher Sicht als neutral bewerteten Textinhalten baldmöglichst in Betrieb zu nehmen.
5 Schlussbemerkung
Die Auffassung des Rechnungshofs wird durch das Bundesverkehrsministerium bestätigt. Es unterstützt weder einen Probebetrieb, noch übernimmt es die Finanzierung der zusätzlichen Zeichen, da es in ihnen keinen Mehrwert gegenüber den üblichen Wechselverkehrszeichen erkennt.
Lediglich das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hält die zusätzlichen Textanzeigen für eine wesentliche Verkehrsinformation. In welcher Weise Textanzeigen wie „Rettungsgasse freihalten“ oder „fehlende Fahrbahnmarkierung“ zu mehr Verkehrssicherheit, weniger Staus und geringerer Luftverschmutzung beitragen können, erschließt sich nicht.