Geldauflagen in Strafverfahren [Beitrag Nr. 10]

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg weisen dem Staat, justiznahen Einrichtungen und sonstigen gemeinnützigen Einrichtungen jährlich Geldauflagen von 20 Mio. Euro zu. Der Anteil der Geldauflagen, die an die Staatskasse zu bezahlen waren, lag in Baden-Württemberg 2011 deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Der Rechnungshof schlägt vor, diesen Anteil deutlich zu erhöhen.

1 Ausgangslage

1.1 Rechtsgrundlagen

Die Geldauflage ist eine Geldzahlung, die Gerichte und Staatsanwaltschaften in Straf- und Gnadenverfahren als Auflage gegen den Beschuldigten festsetzen. Als Empfänger der Geldauflage kann die Staatskasse oder eine gemeinnützige Einrichtung bestimmt werden. Bei den gemeinnützigen Einrichtungen wird vom Justizministerium Baden-Württemberg zwischen sogenannten justiznahen Einrichtungen - insbesondere Vereine der Straffälligenhilfe - und sonstigen gemeinnützigen Einrichtungen differenziert.

Eine Geldauflage wird in den häufigsten Fällen bei Verfahrenseinstellungen unter Auflagen und Weisungen festgesetzt (§ 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Strafprozessordnung). Die Verfahrenseinstellung mit Auflagen und Weisungen tritt dabei an die Stelle der Anklage oder Verurteilung. Es handelt sich nicht um eine Strafe, sondern um eine einvernehmliche Sanktionierung. Eine Geldauflage kann auch als Bewährungsauflage und bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt festgesetzt werden (§§ 56b, 59a Strafgesetzbuch). Ebenso können in Gnadensachen Geldauflagen auferlegt werden (§§ 28, 39 Gnadenordnung).

Die Richter entscheiden in richterlicher Unabhängigkeit. Für die Staatsanwälte gelten bei ihren Zuweisungsentscheidungen die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren.

1.2 Höhe der festgesetzten Geldauflagen in Baden-Württemberg 2009 bis 2012

Die von den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg festgesetzten Geldauflagen betrugen 2009 bis 2012 zwischen 16,7 Mio. Euro und 22,9 Mio. Euro. Im Jahresdurchschnitt lagen sie bei 20 Mio. Euro.

Die durchschnittliche prozentuale Verteilung der Geldauflagen unter den Empfängergruppen in diesen vier Jahren wird in Abbildung 1 dargestellt.

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Den höchsten Anteil an den Geldauflagen erhielten die sonstigen gemeinnützigen Einrichtungen mit durchschnittlich 64 Prozent. Der Staatsanteil lag bei 19 Prozent. Den justiznahen Einrichtungen wurden 17 Prozent zugewiesen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Zuweisungspraxis im Ländervergleich

Die Justizminister und -senatoren der Länder haben 1973 beschlossen, in ihren Geschäftsbereichen künftig in Anlehnung an das „Rahmenmodell einer bundeseinheitlichen Regelung des Verfahrens bei der Zuweisung von Geldauflagen“ zu verfahren. Zu den einschlägigen Regelungen des Rahmenmodells gehört insbesondere die statistische Erfassung von zugewiesenen Geldauflagen.

Zwischen den Ländern findet jedoch kein regelmäßiger Informationsaustausch über die Höhe der zugewiesenen Geldauflagen und die prozentualen Anteile der Empfängergruppen statt.

Der Rechnungshof Baden-Württemberg konnte bei einer Umfrage unter den Landesrechnungshöfen nur in zehn der 16 Länder den prozentualen Anteil der Staatskasse an den Geldauflagen in Erfahrung bringen. Die Geldauflagen in diesen zehn Ländern betrugen 99 Mio. Euro.

Bei einer Hochrechnung auf alle Länder ergibt sich ein bundesweites Volumen von 157 Mio. Euro.

Zwischen den Ländern bestehen nach der Umfrage erhebliche Unterschiede in der Zuweisungspraxis. Der Anteil der dem Staat zugewiesenen Geldauflagen lag 2011 bei den zehn bekannten Länderwerten zwischen 13 und 69 Prozent.

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Baden-Württemberg lag 2011 mit einem Staatsanteil von 24 Prozent weit unter dem Durchschnittswert von 41 Prozent. Hätte der Staatsanteil in Baden-Württemberg bei 41 Prozent gelegen, wären dem Land 9,2 Mio. Euro statt 5,4 Mio. Euro zugeflossen.

2.2 Zuweisungspraxis in Baden-Württemberg

2.2.1 Staatsanteil

Innerhalb Baden-Württembergs bestehen zwischen den Gerichten und Staatsanwaltschaften erhebliche Unterschiede in der Zuweisungspraxis. Abbildung 3 zeigt den prozentualen Staatsanteil in den Landgerichtsbezirken und den Präsidialamtsgerichten.

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Der Staatsanteil an den Geldauflagen lag in den Gerichtsbezirken zwischen 1 und 46 Prozent. Im Durchschnitt waren es 15 Prozent.

In Abbildung 4 wird der prozentuale Staatsanteil an den Geldauflagen bei den Staatsanwaltschaften dargestellt.

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Bei den Staatsanwaltschaften waren die Unterschiede bei den Staatsanteilen noch größer als bei den Gerichten. Die Werte lagen zwischen 4 Prozent und 64 Prozent.

2.2.2 Justiznahe Einrichtungen

Das Justizministerium fasst unter „justiznahen Einrichtungen“ den Badischen Landesverband für soziale Rechtspflege einschließlich seiner Bezirks- und Mitgliedsvereine, den Verband Bewährungs- und Straffälligenhilfe Württemberg e. V. einschließlich seiner Mitgliedsvereine und die Stiftung „Resozialisierungsfonds Dr. Traugott Bender“ zusammen.

Die beiden Verbände und ihre Vereine nehmen wichtige Aufgaben im Bereich der Strafrechtspflege wahr, die im besonderen Landesinteresse liegen. Die Vereine haben in den letzten Jahren zusätzliche Aufgaben übernommen. Insbesondere führen sie landesweit das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ durch.

Die Verbände und die meisten Mitgliedsvereine erhalten neben Zuweisungen aus Geldauflagen noch Landeszuwendungen für das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ und andere Projekte im Bereich der Straffälligenhilfe.

Der Rechnungshof hat verschiedene Zuwendungen an die justiznahen Einrichtungen parallel geprüft und dabei festgestellt, dass sich in der Gesamtbetrachtung keine Überfinanzierung der Vereine ergibt.

2011 betrug der Anteil der Geldauflagen an den Gesamteinnahmen der Vereine 15 Prozent. Die den einzelnen Vereinen zugewiesenen Geldauflagen schwankten in den untersuchten drei Jahren stark. Bei einem Viertel der Vereine betrugen diese Schwankungen 2009 bis 2011 mehr als 100 Prozent. Der Rechnungshof führt diese Schwankungen auch auf die regelmäßig unzureichende Information der Richter und Staatsanwälte über die Zuweisungen an die Einzelempfänger zurück.

2.2.3 Sonstige gemeinnützige Einrichtungen

Den sonstigen gemeinnützigen Einrichtungen wurden 2009 bis 2012 im Durchschnitt 64 Prozent der Geldauflagen zugewiesen. Sie erhielten in Baden-Württemberg den mit Abstand größten Anteil an den Geldauflagen.

2.3 Informationen der Richter und Staatsanwälte

Die Richter und Staatsanwälte in Baden-Württemberg wurden bislang nicht ausreichend über die bundesweiten und regionalen Anteile der Empfängergruppen an den Geldauflagen informiert. Sie erhielten auch nicht überall die jeweilige Bezirksstatistik. Die IT-mäßigen Voraussetzungen für diese Informationen lagen bei den Staatsanwaltschaften vor. Bei den Gerichten werden sie mit Einführung des Programms forumSTAR derzeit geschaffen.

3 Empfehlungen

3.1 Anteil der Geldauflagen an die Staatskasse erhöhen

Der Anteil der Geldauflagen, die der Staatskasse zufließen, sollte erhöht werden. Die Staatsanwaltschaften sollten darauf hinwirken, dass mindestens ein Anteil von 41 Prozent (Bundesdurchschnitt) erreicht wird.

3.2 Gerichte und Staatsanwaltschaften informieren

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes sollten jährlich über die Anteile der Empfängergruppen an den Geldauflagen informiert werden, um über Vergleichswerte zu ihren Zuweisungen zu verfügen.

Die Richter und Staatsanwälte sollten regelmäßig über die Einzelempfänger von Geldauflagen auf der Ebene der Staatsanwaltschaften sowie der Landgerichtsbezirke und Präsidialamtsgerichte unterrichtet werden. Dabei sind die prozentualen Anteile von Empfängergruppen auszuweisen.

3.3 Flächendeckend Auswertungen ermöglichen

Die Geldauflagen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften sollten flächendeckend nach Einzelempfänger ausgewertet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Justizministerium teilt mit, dass es nur in begrenztem Umfang auf einen höheren Staatsanteil an den Geldauflagen hinwirken könne. Dem weitaus überwiegenden Teil der Geldauflagen lägen gerichtliche Entscheidungen zugrunde, bei denen eine Einflussnahme wegen der richterlichen Unabhängigkeit verwehrt sei. Bei gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen über die Geldauflagenempfänger seien zudem spezialpräventive Erwägungen zu beachten. Hinzu komme, dass sich eine Erhöhung des Staatsanteils zwangsläufig zulasten der justiznahen gemeinnützigen Einrichtungen auswirken dürfte.

Das Ministerium steht der Empfehlung positiv gegenüber, die Richter und Staatsanwälte mindestens halbjährlich über die Einzelempfänger von Geldauflagen auf Bezirksebene zu unterrichten. Bei den Staatsanwaltschaften sei die Informationspflicht im Erlasswege bereits umgesetzt. Im gerichtlichen Bereich solle die regelmäßige Unterrichtung erfolgen, wenn die IT-technischen Voraussetzungen gegeben seien.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hält an seiner Empfehlung fest, den Staatsanteil an den Geldauflagen zu erhöhen. Knapp ein Drittel der Geldauflagen wird von den Staatsanwaltschaften festgesetzt. Spezialpräventive Erwägungen können auch bei einem höheren Staatsanteil - wie in anderen Ländern - ausreichend berücksichtigt werden.

Die Befürchtung des Justizministeriums wird nicht geteilt, dass sich ein höherer Staatsanteil zwangsläufig zulasten der justiznahen Einrichtungen auswirken muss.