Personalplanung in der Justiz [Beitrag Nr. 9]

Bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften besteht derzeit ein Personalüberhang von mindestens 241 Servicekräften. Die Notariats- und Grundbuchamtsreform führt ab 2018 zu einem weiteren Personalüberhang von 946 Servicekräften. Das Justizministerium muss sofort beginnen, die Überkapazitäten abzubauen.

1 Ausgangslage

Im Staatshaushaltsplan 2013 waren im Einzelplan 05 des Justizministeriums 14.766 Stellen ohne Auszubildende ausgewiesen. Die Stellen können in die drei Bereiche Gerichte und Staatsanwaltschaften, Notariate und Grundbuchämter sowie Justizvollzug/Sonstige unterteilt werden. Abbildung 1 zeigt die Aufteilung der Stellen auf diese Bereiche.

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Das Land führt bis 2017 eine Strukturreform der Grundbuchämter durch. Die Aufgaben werden im Zuge der Reform von 650 Grundbuchämtern auf 13 Amtsgerichte und ein Grundbuchzentralarchiv konzentriert. Parallel setzt die Landesregierung eine Reform des Notariatswesens um. Notarielle Tätigkeiten werden ab 2018 flächendeckend von freiberuflichen Notaren erledigt. Die weiteren Aufgaben der Notariate im Nachlass- und Vormundschaftsbereich werden auf Amtsgerichte übertragen.

Die Notariats- und Grundbuchamtsreform ist die größte Strukturreform in der Justiz der letzten Jahrzehnte. Sie wird zu einem erheblichen Aufgaben- und Personalabbau führen. Der Personalüberhang kann teilweise durch Fluktuation oder anderweitige Verwendungen, z. B. bei freiberuflichen Notaren, abgebaut werden. Die in der Justiz verbleibenden Bediensteten sind primär in die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu integrieren. Der Rechnungshof hat daher die Personalplanungen des Justizministeriums für die Notariate, Grundbuchämter, Gerichte und Staatsanwaltschaften untersucht.

Die Notariatsreform führt zu jährlichen Einnahmeausfällen im Landeshaushalt von 120 Mio. Euro. Nur wenn der durch die Reform entstehende Personalüberhang vollständig abgebaut wird, kann das jährliche Defizit auf 60 Mio. Euro reduziert werden. Bei Umsetzung der Notariatsreform können noch weitere Kosten entstehen.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Notariate und Grundbuchämter

2.1.1 Reformbedingte Personalüberhänge

Durch die Notariats- und Grundbuchamtsreform ergibt sich 2018 gegenüber dem Personalbestand 2013 ein erheblicher Personalüberhang. Die Personalentwicklung ergibt sich aus Tabelle 1.

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Die Notariats- und Grundbuchamtsreform führt zu einem Personalüberhang von 1.131 Vollzeitäquivalenten. Auf die Servicekräfte entfallen mit 946 Vollzeitäquivalenten 80 Prozent des entstehenden Überhangs.

Das Justizministerium hat zugesagt, 500 Stellen zum 01.01.2018 abzubauen. Zudem bestehe längerfristig ein Abbaupotenzial von weiteren 500 Stellen (insgesamt also 1.000 Stellen).

Der Abbau des Überhangs im höheren und gehobenen Dienst mit zusammen 185 Vollzeitäquivalenten erscheint möglich, weil aus diesem Personenkreis 246 Stellen für freiberufliche Notare zu besetzen sind.

Für den Abbau der 946 Stellen bei den Servicekräften hat das Justizministerium eine Grobplanung erstellt. Danach sollen 178 Vollzeitäquivalente auf freiwerdende Stellen in der ordentlichen Gerichtsbarkeit überwechseln. Durch Laufbahnwechsel, Ruhestand, vorzeitige Pensionierung und Altersteilzeit sollen weitere 184 Vollzeitäquivalente ausscheiden. Der Personalüberhang bei den Servicekräften könnte durch diese Maßnahmen auf 584 Vollzeitäquivalente reduziert werden.

Für den verbleibenden Überhang strebt das Justizministerium an, dass diese Servicekräfte mit den Notaren in das freiberufliche Notariat wechseln. Würden zwei Servicekräfte je freiberuflicher Notar wechseln, würde sich der Personalüberhang auf 92 Vollzeitäquivalente reduzieren.

Der Wechsel zu einem freiberuflichen Notar setzt allerdings die Zustimmung der Bediensteten voraus. Das Justizministerium will für den Wechsel das Instrument der Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TV-Land nutzen. Dabei verbleiben die Beschäftigten arbeitsvertraglich beim Land. Sie üben eine auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten gegen Kostenersatz aus.

2.1.2 Bestehende Personalüberhänge

Bei den Grundbuchämtern ist die Digitalisierung der Grundbücher weitgehend abgeschlossen. Dies führt auch in der derzeitigen Organisationsform zu Rationalisierungseffekten.

Im badischen Rechtsgebiet wurden in den vergangenen Jahren zusätzlich 17 freiberufliche Notare bestellt. Im Gegenzug besteht bei den staatlichen Notariaten bereits Rationalisierungspotenzial für 17 Amtsnotare und 51 Servicekräfte.

2.2 Gerichte und Staatsanwaltschaften

Die Justizverwaltung ermittelt den Personalbedarf bei Gerichten und Staatsanwaltschaften für 6.500 der 8.585 Stellen mit dem bundesweiten Personalbemessungssystem PEBB§Y.

Nach der PEBB§Y-Berechnung des Justizministeriums ergab sich für alle Laufbahnen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften 2008 bis 2013 die in Tabelle 2 dargestellte Situation.

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Die Gerichte und Staatsanwaltschaften verfügten 2013 nach PEBB§Y über alle Laufbahnen hinweg annähernd über ausreichend Personal. Es bestand ein Deckungsgrad von 99 Prozent. Der Bedarf ist durch rückläufige Verfahrenszahlen von 2008 bis 2013 um 376 Vollzeitäquivalente zurückgegangen.

Die Personalsituation ist in den einzelnen Laufbahnen unterschiedlich. Im höheren und gehobenen Dienst bestand 2013 ein Personalmehrbedarf von 168 Vollzeitäquivalenten. Dagegen ergab sich bei den Servicekräften ein Personalüberhang von 124 Vollzeitäquivalenten.

Das Justizministerium hat 2012 die Berechnungsweise für den Personalbestand umgestellt. Dies führte zu einer nicht sachgerechten Reduzierung des Bestands, weil Fehlzeiten teilweise doppelt angerechnet wurden. Bei sachgerechter Berechnung würde sich der Überhang bei den Servicekräften von 124 Vollzeitäquivalenten um weitere 117 Vollzeitäquivalente auf 241 Vollzeitäquivalente erhöhen. Das Defizit im höheren und gehobenen Dienst würde sich von 168 Vollzeitäquivalenten auf etwa 139 Vollzeitäquivalente verringern.

Die Justizverwaltungen führen 2014 eine bundesweite Überprüfung der PEBB§Y-Werte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften durch. Nach den bisherigen Untersuchungen des Rechnungshofs und der Organisationsberatung des Justizministeriums sind die bisherigen PEBB§Y-Werte bei den Servicekräften deutlich zu hoch.

So hat der Rechnungshof bei der Untersuchung der Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften und den Straf- und Bußgeldverfahren bei den Amtsgerichten einen weiteren Personalüberhang von 91 Servicekräften festgestellt (siehe Denkschrift 2013, Beitrag Nr. 9 (Landtagsdrucksache 15/3809)). Der Landtag hat die Landesregierung ersucht, das Einsparpotenzial auf der Basis der PEBB§Y-Untersuchung 2014 darzustellen (Landtagsdrucksache 15/4209).

2.3 Weitere Personalkapazitäten

Bei den Personalplanungen der Justiz müssen weitere Personalkapazitäten berücksichtigt werden:

  • Derzeit werden 461 Bedienstete zu Justizfachwirten (Beamte des mittleren Dienstes) und zu Justizfachangestellten ausgebildet. Diese streben in den nächsten drei Jahren regelmäßig eine Anschlussverwendung in der Justiz an. 2013 wurden 164 Auszubildende eingestellt. Die Justiz hat die Einstellungszahlen gegenüber 2011 nur um 20 vermindert. Das Justizministerium plant, die Ausbildung im Servicekräftebereich neu zu strukturieren. Es will die Zahl der Nachwuchskräfte für den mittleren Dienst deutlich reduzieren.
  • Die Justiz hat in der Vergangenheit regelmäßig befristete Arbeitsverhältnisse mit Ersatzkräften abgeschlossen. Seit 2013 wandelt sie befristete in unbefristete Arbeitsverhältnisse um. Für die Entfristung von Arbeitsverhältnissen sind 185 Leerstellen für Servicekräfte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, den Notariaten und Grundbuchämtern geschaffen worden. Bislang hat die Justiz davon 91 Vollzeitäquivalente in Anspruch genommen. Für Ersatzeinstellungen bestand wegen des bestehenden Personalüberhangs kein Bedarf.

Aus diesen Bereichen ergibt sich eine weitere Personalkapazität von 646 Servicekräften. Die noch 2013 vorgenommenen Personalmaßnahmen des Justizministeriums erschweren den erforderlichen Personalabbau.

2.4 Umsetzung des Personalabbaus bis 2018

Der zeitnahe Abbau der Personalüberhänge bei den Servicekräften ist eine zentrale Herausforderung bei der Notariats- und Grundbuchamtsreform:

Von den Notariaten und Grundbuchämtern sollen 178 Servicekräfte auf freiwerdende Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften wechseln. Weitere 584 Servicekräfte wären in die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu integrieren, soweit sie nicht zu freiberuflichen Notaren wechseln.

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften haben einen Personalbestand von 3.121 Servicekräften. Dort besteht bei sachgerechter PEBB§Y-Berechnung bereits ein Personalüberhang von 241 Vollzeitäquivalenten. Die PEBB§Y-Erhebung 2014 dürfte zeigen, dass der Überhang noch höher ist.

Die hohe Zahl der Ausbildungsverhältnisse und die damit verbundene Erwartung auf Übernahme sowie der Umgang mit befristeten Arbeitsverhältnissen erschweren es zusätzlich, Personalüberhänge zu begrenzen. Deshalb sind alle Möglichkeiten unverzüglich zu nutzen, um Servicekräfte abzubauen. Die auf die Gerichte und Staatsanwaltschaften einwirkenden Bereiche sind in Abbildung 2 dargestellt.

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Die Notariats- und Grundbuchamtsreform führt zu einem erheblichen Personalüberhang bei den Servicekräften. In den wenigen Jahren bis 2018 müssen für diese Personengruppe Einsatzmöglichkeiten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften geschaffen werden. Daher muss bereits im Staatshaushaltsplan 2015/2016 begonnen werden, dort schon jetzt bestehende Personalüberhänge abzubauen. Die Funktionsfähigkeit der Justiz wird hierdurch nicht beeinträchtigt.

3 Empfehlungen

3.1 Stellenabbau im Staatshaushaltsplan 2015/2016 beginnen

Bereits im Staatshaushaltsplan 2015/2016 sollte in folgenden Bereichen mit dem Stellenabbau begonnen werden:

  • Bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sind für den bereits bestehenden Personalüberhang bei den Servicekräften mindestens 241 kw-Vermerke auszubringen. Nach der PEBB§Y-Erhebung 2014 ist die Zahl der abzubauenden Stellen anzupassen. Der Personalbestand ist wieder nach der bis 2011 eingesetzten Methode zu berechnen.
  • Bei den Notariaten und Grundbuchämtern sind für die wegfallenden Aufgaben in allen Laufbahngruppen 1.131 kw-Vermerke auszubringen. Davon entfallen 946 Stellen auf Servicekräfte.
  • Die Stellenzahl im Ausbildungsbereich ist deutlich zu reduzieren.

3.2 Frei werdende Stellen nicht mehr besetzen

Bei der Personalbewirtschaftung sollten unverzüglich folgende Maßnahmen ergriffen werden:

  • Bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sind frei werdende Stellen für Servicekräfte zum Abbau des Personalüberhangs nicht mehr zu besetzen. Sie können allenfalls mit Bediensteten der Notariate und Grundbuchämter nachbesetzt werden.
  • Bei Notariaten und Grundbuchämtern (in alter Form) sind frei werdende Stellen nicht mehr zu besetzen.

3.3 Personalgestellung kostenneutral gestalten

Die Personalgestellungen von Servicekräften der Notariate sind so auszugestalten, dass sämtliche Kosten von den freiberuflichen Notaren zu tragen sind.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Justizministerium lehnt die Empfehlungen des Rechnungshofs zum zeitnahen Stellenabbau in weiten Teilen ab:

  • Für die ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften lägen bis Ende 2014 Ergebnisse der bundesweiten PEBB§Y-Erhebung vor. Danach werde der Personalbedarf neu berechnet. Es sei nicht sachgerecht, im jetzigen Stadium 241 kw-Vermerke an Hand veralteter PEBB§Y-Erhebungen auszubringen.
  • Im Notariats- und Grundbuchamtsbereich könne vor 2018 kein Personalabbau vorgenommen werden. Das bestehende System müsse neben dem Aufbau neuer Strukturen aufrecht erhalten werden. Die Justiz bewerkstellige diese Doppelbelastung in der Übergangszeit trotz erheblichen Mehraufwands fast ohne zusätzliche Stellen.

    Die Justiz beabsichtige, so früh und so weitgehend wie möglich mit dem Abbau des langfristig nach der Reform zu erwartenden Personalüberhangs zu beginnen. So habe das Ministerium bereits den Abbau von 500 Stellen zum 01.01.2018 zugesagt. Ein weitergehender Personalabbau bis 2018 stelle eine Gefahr für das Funktionieren einer geordneten Rechtspflege dar.

    Bei dem dargestellten Personalüberhang zum 01.01.2018 handele es sich lediglich um eine Prognose, die einen sich ständig ändernden Planungsstand wiedergebe. Bis 2018 stünden noch zahlreiche Entscheidungen an, die derzeit eine seriöse Angabe des Bedarfs 2018 nicht zuließe. Diese „spekulativen Zahlen“ könnten keine Grundlage für eine seriöse und verantwortungsvolle Personalplanung sein.

  • Das Ausbildungsangebot werde regelmäßig dem Bedarf angepasst. Im Staatshaushaltsplan 2015/2016 werde die Stellenzahl für Beamtenanwärter des mittleren Dienstes reduziert. Ab 2018 könne die Stellenzahl für Auszubildende zum/zur Justizfachangestellten aufgrund der dann verkürzten Ausbildungszeit verringert werden.

5 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hält an seinen Empfehlungen zum zeitnahen Personalabbau bei den Servicekräften fest. Der für 2018 prognostizierte Personalüberhang basiert auf Berechnungen des Justizministeriums. Die Dimension des Personalüberhangs wird sich durch die PEBB§Y-Erhebung 2014 und organisatorische Entscheidungen bei der Notariats- und Grundbuchamtsreform nicht wesentlich verändern. Würde die Justiz erst zum 01.01.2018 zunächst 500 Stellen abbauen, verbliebe ein Personalüberhang von 687 Servicekräften. Dies entspricht vermeidbaren Personalkosten von jährlich 32 Mio. Euro.

Bei Gerichten und Staatsanwaltschaften ist der seit Jahren - unabhängig von allen Reformen - bestehende Personalüberhang bei den Servicekräften ab dem Staatshaushaltsplan 2015/2016 abzubauen. Das genaue Volumen kann gegebenenfalls an das Ergebnis der PEBB§Y-Erhebung 2014 angepasst werden.

Für die Grundbuchamtsreform erhält die Justiz in der Übergangsphase bei einem Ausgangsbestand von 670 Stellen 221,5 zusätzliche Stellen. Die vom Rechnungshof aufgezeigten Überhänge in den alten Strukturen können abgebaut werden, ohne die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gefährden.