Landesschulden und Landesvermögen [Beitrag Nr. 3]

Das Land hat im Haushaltsjahr 2013 1,8 Mrd. Euro neue Kredite aufgenommen, obwohl dies aufgrund von Kassenüberschüssen nicht erforderlich gewesen wäre. Nach dem Finanzplan 2013 bis 2020 plant das Land, bis einschließlich 2019 weitere Kredite von bis zu 4,3 Mrd. Euro aufzunehmen. Dadurch würde sich die Verschuldung des Landes auf mehr als 50 Mrd. Euro erhöhen.

1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenentwicklung

Die Schulden des Landes einschließlich der auf Dritte verlagerten Verpflichtungen betrugen zum 31.12.2013 46,8 Mrd. Euro.

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Die Kreditmarktschulden, die Verpflichtungen beim Bund und bei anderen Ländern und die verlagerten Verpflichtungen stiegen um insgesamt 1.593 Mio. Euro. Die Kreditmarktschulden erhöhten sich trotz anhaltend guter konjunktureller Lage sowie hoher Steuereinnahmen und kassenmäßiger Überschüsse aus Vorjahren um 1,8 Mrd. Euro auf 45,1 Mrd. Euro.

2013 nahm das Land aufgrund der Ermächtigung im Staatshaushaltsgesetz an drei Kalendertagen Kassenverstärkungskredite von maximal 79 Mio. Euro auf. Am 31.12.2013 bestanden keine Kassenkredite mehr.

1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme

Die Nettokreditaufnahme des Landes stellt den Saldo aus der Bruttokreditaufnahme und der Bruttotilgung von Schulden am Kreditmarkt dar. Das Land hat 2013 neue Schulden von 1,78 Mrd. Euro aufgenommen.

Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Neuverschuldung von 2004 bis 2013.

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In der Zehnjahresbetrachtung hat Baden-Württemberg im Haushaltsjahr 2013 die zweithöchste Neuverschuldung vollzogen. Im Haushaltsplan für 2014 (Zweiter Nachtrag) sind neue Schulden von 1,23 Mrd. Euro vorgesehen. Der Finanzplan 2013 bis 2020 (Stand Januar 2014) weist in den Folgejahren bis einschließlich 2019 weitere Kreditaufnahmen von 3,1 Mrd. Euro aus. Der Schuldenstand des Landes würde sich dadurch insgesamt auf mehr als 50 Mrd. Euro erhöhen.

1.3 Kreditmarktschulden und Zinsen

Die Entwicklung der Kreditmarktschulden und -zinsen in den vergangenen zehn Jahren ist aus Tabelle 2 ersichtlich.

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Trotz der beträchtlichen Zunahme der Kreditmarktschulden um 7,5 Mrd. Euro (+20 Prozent) in den vergangenen zehn Jahren waren die Zinsen 2013 um 141 Mio. Euro geringer als 2004. Dies liegt an dem nach wie vor niedrigen Zinsniveau. Dennoch hatte Baden-Württemberg 2013 täglich eine Zinslast von rechnerisch 4,7 Mio. Euro zu schultern. Zu berücksichtigen ist, dass nach dem Haushaltsvermerk bei Kapitel 1206, Titelgruppe 86, abweichend vom Bruttoprinzip seit 2009 die Zinsen aus der Anlage von liquiden Mitteln von den Zinsausgaben abgesetzt werden.

Seit 2008 wird die Zins-Steuer-Quote nach der Berechnungsmethode des Stabilitätsrats ermittelt. Sie drückt das Verhältnis der Zinsausgaben für Kreditmarktschulden zu den Steuereinnahmen aus. Die Quote zeigt, in welchem Umfang die Steuereinnahmen nicht mehr zur Finanzierung von anderen Ausgaben beziehungsweise Aufgaben des Landes zur Verfügung stehen.

Die Zins-Steuer-Quote ist neben dem strukturellen Finanzierungssaldo, der Kreditfinanzierungsquote und dem Schuldenstand je Einwohner eine der vier Kennziffern des Stabilitätsrats, die Haushaltslage zu beurteilen. Der Stabilitätsrat hat einen Schwellenwert festgelegt, ab dem die Zins-Steuer-Quote kritisch zu sehen ist. Er liegt 2012 für die Flächenländer bei 11,4 Prozent. Die Zins-Steuer-Quote des Landes entwickelte sich von 2010 bis 2012 wie folgt: 7,4 Prozent (2010), 6,7 Prozent (2011) und 5,7 Prozent (2012). Für 2013 ist nach den vorläufigen Werten mit einer Quote von 5,8 Prozent zu rechnen.

1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt belief sich zum 31.12.2013 auf 45,1 Mrd. Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt damit rechnerisch 4.256 Euro.

Das Bundesministerium der Finanzen weist quartalsweise die Schuldenstände des Bundes und der Länder aus. Weiter errechnet es die Schulden je Einwohner. Seit 2011 hat es hierbei die Schulden gegenüber den Sondervermögen des Bundes nicht berücksichtigt. Dadurch ergibt sich für Baden-Württemberg eine Pro-Kopf-Verschuldung von 4.174 Euro in 2013. In Tabelle 3 wird die Pro-Kopf-Verschuldung, wie vom Bundesministerium der Finanzen ermittelt, im Vergleich zum Vorjahr dargestellt.

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Die Pro-Kopf-Verschuldung des Landes stieg von 3.901 Euro (2012) um 273 Euro auf 4.174 Euro (2013). Baden-Württemberg liegt zwar weiterhin auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer, hat im Ländervergleich gegenüber dem Vorjahr jedoch nach dem Saarland und Nordrhein-Westfalen die dritthöchste Zunahme bei der Pro-Kopf-Verschuldung zu verzeichnen.

1.5 Schuldenaufnahme in den Ländern 2013

Die Länder haben 2013 in unterschiedlichem Umfang Schulden gemacht bzw. getilgt. Abbildung 2 zeigt die Veränderung der fundierten Schulden in den Flächenländern 2013 gegenüber dem Vorjahr.

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Während in Baden-Württemberg die fundierten Schulden um 1,7 Mrd. Euro bzw. 3,8 Prozent deutlich überdurchschnittlich stiegen, konnten acht Flächenländer ihre Schulden verringern. Baden-Württemberg hätte im Hinblick auf die kassenmäßigen Überschüsse ebenfalls auf eine Schuldenaufnahme verzichten können (siehe Punkt 2), wodurch sich der Schuldenstand leicht verringert hätte.

2 Rücklagen und Haushaltsüberschüsse

Das Land hat allerdings auch Geldvermögen. Es hat Rücklagen und Sondervermögen gebildet. In Tabelle 4 sind diese aufgelistet.

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Ende 2012 betrugen die Rücklagen des Landes 292,7 Mio. Euro. Im Haushaltsjahr 2013 wurden davon 151,9 Mio. Euro entnommen. Somit waren Ende 2013 noch 140,8 Mio. Euro Rücklagen für Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen vorhanden. Im Haushaltsjahr 2014 ist die Entnahme der übrigen 140,8 Mio. Euro vorgesehen. Damit wären die Rücklagen des Landes vollständig aufgelöst.

Der Bestand der Sondervermögen des Landes nahm 2013 gegenüber dem Vorjahr um 798,3 Mio. Euro beziehungsweise 20,7 Prozent zu. Die größten Sondervermögen bilden weiterhin die Versorgungsrücklage und der Versorgungsfonds des Landes. 2013 wurden diesen Sondervermögen 464 Mio. Euro zugeführt. Der Wert dieser beiden Spezialfondsanteile stieg im Vorjahresvergleich um 656 Mio. Euro.

Das Land schloss das Haushaltsjahr 2013 erneut mit einem hohen kassenmäßigen Überschuss von 1,6 Mrd. Euro ab. Das noch nicht verwendete Guthaben des Landes aus seinen kassenmäßigen Überschüssen betrug zum 31.12.2013 insgesamt 3,2 Mrd. Euro. Gemäß Zweiter Nachtrag 2014 sind für das Haushaltsjahr 2014 Einnahmen (Entnahmen) aus dem rechnungsmäßigen Überschuss 2012 von 228,5 Mio. Euro veranschlagt. Danach verbleiben dem Land noch 3 Mrd. Euro Guthaben aus kassenmäßigen Überschüssen.

Abbildung 3 zeigt den Bestand der nicht als Einnahmen verwendeten kassenmäßigen Überschüsse von 2009 bis 2013 sowie die Nettokreditaufnahme in den jeweiligen Haushaltsjahren. Die Überschüsse haben sich seit 2009 von 0,6 Mrd. Euro auf zuletzt 3,2 Mrd. Euro (Stand: 31.12.2013) mehr als verfünffacht. Das Land nahm trotzdem in den Haushaltsjahren 2010 1,6 Mrd. Euro und 2013 1,8 Mrd. Euro neue Kredite auf.

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Der Rechnungshof beanstandet die Bildung von Rücklagen und Sondervermögen zur Absicherung von Haushaltsrisiken und zur Vorsorge künftiger Zahlungsverpflichtungen des Landes nicht grundsätzlich. Die Aufnahme neuer Kredite bei gleichzeitig hohen kassenmäßigen Überschüssen ist jedoch nicht nachvollziehbar. Der stetige und zuletzt sprunghafte Anstieg der kassenmäßigen Überschüsse im vergangenen Haushaltsjahr zeigt, dass die Nettokreditaufnahme verzichtbar war.

3 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen

Tabelle 5 zeigt den Stand und die Entwicklung der vom Land aufgrund der Ermächtigung im jeweiligen Staatshaushaltsgesetz übernommenen Gewährleistungen.

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Das Land hat 2009 seine Bürgschafts- und Garantieverpflichtungen erheblich ausgeweitet. Im Wesentlichen war dies durch eine Erhöhung des Garantievolumens um 12,7 Mrd. Euro für die LBBW bedingt. Seither liegt das Garantievolumen zwischen 24,2 Mrd. Euro und 25,9 Mrd. Euro.

Über diese Bürgschaften hinaus haftet das Land als Gewährträger für die Verbindlichkeiten der LBBW, der L-Bank, der Universitätsklinika sowie der Zentren für Psychiatrie und weiterer Anstalten des öffentlichen Rechts. Die Höhe dieser Eventualverbindlichkeiten kann ihrem Wesen nach betragsmäßig nicht beziffert werden. Das Land haftet grundsätzlich unbeschränkt. Es kann jedoch erst in Anspruch genommen werden, wenn die Gläubiger aus dem Vermögen dieser Einrichtungen nicht befriedigt werden können.

4 Empfehlungen

In der Verschuldungssituation des Landes spiegelt sich grundsätzlich, ob die Einnahmen - ohne Einnahmen aus Nettokrediten - ausgereicht haben, alle Ausgaben zu decken. Auf Schulden zu verzichten, bedeutet regelmäßig, Einnahmen zu erhöhen oder Ausgaben zu senken. Vor dem Hintergrund der angehäuften Schuldenberge ist dies nach wie vor dringend geboten.

Unabhängig davon empfiehlt der Rechnungshof angesichts der kassenmäßigen Überschüsse von 3,2 Mrd. Euro (Stand 31.12.2013), auf die geplante Nettokreditaufnahme von 1,2 Mrd. Euro im Haushaltsjahr 2014 vollständig zu verzichten. Die zur Absicherung von Haushaltsrisiken benötigten Mittel aus Kassenüberschüssen sollten - wie bisher - zweckgebunden einer Rücklage zugeführt werden.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft weist darauf hin, dass es dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt, die nach dem Finanzplan 2020 vorgesehene Nettokreditaufnahme festzulegen. Bei der dargestellten Pro-Kopf-Verschuldung der Flächenländer 2013 sei zu berücksichtigen, dass hierin auch rechnerische Effekte durch den neu ermittelten Zensus enthalten sind. Schließlich sei die Darstellung des kassenmäßigen Überschusses nur eine Momentaufnahme. Haushaltswirtschaftlich entscheidend sei der rechnungsmäßige Überschuss.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, das Land solle angesichts der Kassenlage 2014 auf die geplante Nettokreditaufnahme verzichten. Darüber hinaus sind die Haushalte ab 2015 so zu planen, dass das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts schon vor 2020 erreicht wird.