1 Ausgangslage
Der Ortenaukreis stellte als Baulastträger der Kreisstraße K 5349 im Oktober 1998 einen Förderantrag nach dem damaligen Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, um das Straßennetz im Raum Rust/Ringsheim neu zu ordnen. Beantragt wurden der dreispurige Ausbau der K 5349, Ortsumgehungen von Rust und Ringsheim sowie der Anschluss der K 5349 an die Autobahn A 5 bei Ringsheim. Die neue Autobahnanschlussstelle ist eine Gemeinschaftsmaßnahme von Bund und Ortenaukreis.
Das Regierungspräsidium Freiburg bewilligte mit Genehmigung des Ministeriums für Umwelt und Verkehr den Antrag im März 1999. Die zuwendungsfähigen Ausgaben betrugen 15,8 Mio. Euro, die Zuwendungen bei einem Fördersatz von 80 Prozent 12,6 Mio. Euro. Im Juni 2002 wurde die ausgebaute K 5349 für den Verkehr freigegeben. Zu diesem Zeitpunkt waren einzelne Wirtschaftswege, die Begrünung und die Ausgleichmaßnahmen noch nicht hergestellt.
Der Erstantrag war fast zehn Jahre nach der Verkehrsfreigabe immer noch nicht schlussgerechnet. Für das Fördervorhaben hätte 2003, ein Jahr nach der Verkehrsfreigabe, der Schlussverwendungsnachweis vorgelegt werden müssen. Eine Straßenbaumaßnahme gilt mit der Abnahme der wesentlichen Bauteile als beendet. Dies ist mit der Verkehrsfreigabe zweifelsohne erreicht. Das Regierungspräsidium versäumte es, den Schlussverwendungsnachweis anzufordern. Erst im März 2009 setzte das Regierungspräsidium dem Ortenaukreis eine Frist zur Vorlage des Schlussverwendungsnachweises bis 30.09.2009. Die Frist verstrich, ohne dass dieser reagierte oder die Bewilligungsstelle mahnte. Die Bewilligungsstelle hat daraus keine rechtlichen Konsequenzen gezogen.
Im November 2011 legte der Ortenaukreis beim Regierungspräsidium formal einen Erhöhungsantrag vor. Begründet wurde der Antrag damit, dass die Grenze der Leistungsfähigkeit der K 5349 und der Anschlussstelle Rust an die A 5 immer häufiger erreicht werde und daher geplant sei, einen Fahrtrichtungswechselbetrieb auf der Kreisstraße einzurichten.
Im Juli 2011 hatte das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur vorbehaltlich einer Antragsprüfung ein Fördervorhaben zum weiteren Ausbau der Kreisstraße zwischen Rust und Ringsheim unter folgenden Bedingungen erwogen:
- Die Förderung einer Ergänzung/Optimierung ist möglich, solange der Schlussverwendungsnachweis nicht vorliegt.
- Ein neuer, niedrigerer Fördersatz von 70 Prozent ist nicht notwendig.
- Der Endausbau nach Erhöhungsantrag wird abzüglich des „Zwischenausbaus“ aus dem Erstantrag gefördert.
- Ein Verkehrsgutachten mit Lösungsvorschlägen ist erforderlich.
Das Regierungspräsidium bewilligte den Erhöhungsantrag mit Schreiben vom 24.11.2011 an den Ortenaukreis. Die zuwendungsfähigen Ausgaben des Gesamtvorhabens betragen 20,6 Mio. Euro, die Zuwendungen 16,5 Mio. Euro. Von den Zuwendungen entfallen 3,9 Mio. Euro auf den Erhöhungsantrag. Die „Verkehrsuntersuchung zur Ertüchtigung der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim und Neubau einer Wechselverkehrsanlage im Zuge der K 5349 beim Europa-Park Rust“ datiert vom Dezember 2011. Sie lag demnach erst nach der Bewilligung des Erhöhungsantrags durch das Regierungspräsidium vor. Dem Ministerium wurde die Bewilligung nicht vorgelegt.
Im Januar bzw. Februar 2012 schlossen der Ortenaukreis und die Europa-Park GmbH & Co. Freizeit- und Familienpark Mack KG einen Vertrag über die „Beteiligung des Europa-Parks an der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse von der Autobahnanschlussstelle Rust bis zu den Besucherparkplätzen des Parks“ ab. Darin wird geregelt, dass der Europa-Park die Rückzahlung der Förderbeträge des Landes für im Erstantrag enthaltene, bereits bestehende Bauteile von 430.000 Euro übernimmt (Fahrbahndecke der K 5349 zwischen der Autobahn und Park, Kreisverkehr westlich der A 5). Bis Juli 2012 hatte der Ortenaukreis dem Regierungspräsidium den Vertrag nicht zur Kenntnis gegeben.
Die wechselseitige Fahrstreifensignalisierung ist bereits gebaut und am 31.07.2012 für den Verkehr freigegeben worden. Für die Ertüchtigung der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim wird derzeit der Vorentwurf erarbeitet.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Schlussverwendungsnachweis des Erstantrags
In früheren Denkschriftbeiträgen, zuletzt in der Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 18 (Landtagsdrucksache 14/6618), hatte der Rechnungshof einen sehr nachlässigen Umgang der Bewilligungsstellen mit der Schlussrechnung von Fördervorhaben im kommunalen Straßenbau festgestellt. Schon 1992 hatte das damalige Verkehrsministerium gegenüber dem Landtag zugesagt, dass es die nachgeordneten Dienststellen anweisen werde, die bestehenden Regelungen in der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz restriktiv anzuwenden und nur noch in begründeten Einzelfällen Ausgaben zu berücksichtigen, die später als zwölf Monate nach Beendigung der Baumaßnahme nachgewiesen werden.
Die in parlamentarischen Verfahren gemachten Aussagen der Straßenverkehrsabteilung des Ministeriums hinterließen beim konkreten Fördervorhaben des Ausbaus der K 5349 bei Rust/Ringsheim keine Spuren. Bei den Schlussverwendungsprüfungen von Fördervorhaben im kommunalen Straßenbau bestehen immer noch erhebliche Rückstände.
2.2 Erhöhungsantrag für den weiteren Ausbau der Kreisstraße
Nach der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz hat der Vorhabenträger unverzüglich nach Auftreten einer Kostenerhöhung (gegenüber den in der Bewilligung festgesetzten Kosten) oder einer Planänderung der Bewilligungsstelle einen Änderungsantrag mit den zur Beurteilung notwendigen Unterlagen vorzulegen.
Der Erhöhungsantrag des Ortenaukreises vom 08.11.2011 erfüllt die zuwendungsrechtlichen Voraussetzungen nicht. Das Vorhaben war mit der Verkehrsfreigabe 2002 baulich längst abgeschlossen. Die Straßenbauabteilung des Ministeriums hat im Juli 2011 dem Erhöhungsantrag vorbehaltlich einer Antragsprüfung zugestimmt, das Regierungspräsidium hat ihn ohne Rechtsgrundlage im November 2011 bewilligt.
Die Einrichtung einer wechselseitigen Fahrstreifensignalisierung und die begleitenden Tiefbauarbeiten hätten über einen eigenständigen Förderantrag vom Ortenaukreis dem Regierungspräsidium vorgelegt werden müssen. Seine Erfolgsaussichten wären allerdings gering gewesen, da das Ministerium den Regierungspräsidien im Herbst 2011 mitteilte, dass im kommunalen Straßenbau in den Jahren 2012 und 2013 keine neuen Vorhaben gefördert werden können.
2.3 Verwaltungshandeln beim Erhöhungsantrag
Der Erhöhungsantrag ist nicht nur dem Grunde nach unzulässig. Das Prüf- und Förderverfahren verstößt darüber hinaus gegen das Zuwendungsrecht.
Nach überschlägiger Kalkulation des Rechnungshofs wären die Zuwendungen von 3,9 Mio. Euro bei ordnungsgemäßer Prüfung um 2,0 Mio. Euro zu reduzieren gewesen. Sofern die Antragsprüfung ergeben hätte, dass Dritte an der Finanzierung zu beteiligen sind, wären sie noch geringer ausgefallen.
Im Einzelnen:
- Der Ortenaukreis hätte anstelle des mit 80 Prozent geförderten Erhöhungsantrags einen eigenständigen Förderantrag für die wechselseitige Fahrstreifensignalisierung einschließlich der Tiefbauarbeiten stellen müssen. Für diesen wäre lediglich der 2007 eingeführte Fördersatz von 70 Prozent abzüglich des Selbstbehalts in Betracht gekommen.
- Im Erstantrag sind Vorhabensteile - Kreisverkehr an der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim und die Fahrbahndecke der K 5349 zwischen Autobahnanschlussstelle und Europa-Park - enthalten, die mit der Einrichtung der wechselseitigen Fahrbahnsignalisierung baulich verändert wurden. Diese Vorhabensteile unterliegen einer Zweckbindungsfrist von zehn Jahren, die bei der Vorlage des Erhöhungsantrags 2011 noch nicht abgelaufen war. Die Bewilligungsstelle hätte die Vorhabensteile von einer nochmaligen Förderung ausnehmen müssen. Damit liegt eine zuwendungsrechtlich nicht erlaubte Doppelförderung vor.
- Im Erhöhungsantrag ist eine Unterflurbefeuerung der Kreisstraße aufgeführt. Die Unterflurbefeuerung ist nicht zuwendungsfähig, da nur Vorhabensteile gefördert werden können, die für die Funktion der Straße unerlässlich sind. Die Kosten für die Unterflurbefeuerung gehen über den Standard von Markierungsarbeiten weit hinaus. An Kreisstraßen ist die Unterflurbefeuerung bundesweit nicht bekannt. Sie wurde bisher in Einzelfällen an hochfrequentierten Stadtautobahnen eingebaut.
- Liegt der zu fördernde Zweck auch im Interesse Dritter, ist dies bei der Festlegung der Zuwendung zu berücksichtigen. Die Dritten sollen sich angemessen an den zuwendungsfähigen Ausgaben beteiligen. Die Einrichtung der wechselseitigen Fahrbahnsignalisierung mit den begleitenden Tiefbaumaßnahmen liegt auch nach Aussage des Ortenaukreises im besonderen Interesse des Europa-Parks. Eine verbesserte und verkehrssichere Anbindung der Gemeinden Rust und Ringsheim war kein vorrangiges Ziel des weiteren Ausbaus der K 5349. Das Regierungspräsidium hätte deshalb vor der Genehmigung des Erhöhungsantrags prüfen müssen, ob die Zuwendung von einer Beteiligung des Europa-Parks abhängig zu machen war.
- Die im Erhöhungsantrag für die Gemeinschaftsmaßnahme „Teilumbau der Autobahnanschlussstelle A 5 Rust/Ringsheim“ enthaltene Kostenteilung zwischen Bund und Landkreis basiert auf dem angenommenen künftigen sechsstreifigen Ausbau der A 5 und nicht auf dem Bestand einer vierstreifigen Autobahn. Solange der sechsstreifige Ausbau der A 5 im Bundesverkehrswegeplan im „Weiteren Bedarf“ eingestuft bleibt, ist diese Kostenteilung zulasten des Bundes nicht korrekt.
3 Empfehlungen
3.1 Der Erstantrag ist umgehend schlusszurechnen
Das 1999 bewilligte Fördervorhaben zum Ausbau der K 5349 ist entsprechend der Zusagen des Ministeriums an den Landtag aus der parlamentarischen Beratung der Denkschrift 2010, Beitrag Nr. 18 (Landtagsdrucksache 14/6618), umgehend schlusszurechnen. Die im Erhöhungsantrag enthaltenen Mehrkosten für zusätzlichen Grunderwerb im Zusammenhang mit dem Erstantrag sind nicht zuwendungsfähig. Ausgaben, die später als zwölf Monate nach Beendigung des Vorhabens nachgewiesen werden, können nach der Verwaltungsvorschrift zum Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz nicht bezuschusst werden.
3.2 Die Bewilligung des Erhöhungsantrags ist zurückzunehmen
Die Bewilligung des Erhöhungsantrags durch das Regierungspräsidium vom 24.11.2011 ist zurückzunehmen, da sie von Anfang an rechtswidrig war.
Unabhängig davon hat der Ortenaukreis seine Mitteilungspflicht verletzt. Er zeigte dem Regierungspräsidium nicht unverzüglich nach Abschluss des Vertrags mit dem Europa-Park im Januar/Februar 2012 an, dass er Mittel von Dritten erhält. Das Regierungspräsidium erfuhr erst durch die Prüfung des Rechnungshofs im Juli 2012 von dem Vertrag. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, dass der Europa-Park laut Vertrag die Rückzahlung der Förderbeträge für die zwei bestehenden Vorhabensteile übernimmt. Die Leistungen Dritter an den Zuwendungsempfänger sind als Deckungsmittel für alle zuwendungsfähigen Ausgaben einzusetzen.
Selbst wenn der Bescheid Bestand hätte, hätte sich wegen des Beitrags des Europa-Parks im Januar/Februar 2012 der bewilligte Betrag reduziert. Denn durch diesen Beitrag ist eine auflösende Bedingung aus dem Zuwendungsbescheid eingetreten.
3.3 Ein eigenständiger Förderantrag ist sorgfältig zu prüfen
Dem Ortenaukreis ist es unbenommen, einen eigenständigen Förderantrag für seinen Kostenanteil der noch in Planung befindlichen Gemeinschaftsmaßnahme von Bund und Landkreis zum Ausbau der Autobahnanschlussstelle Rust/Ringsheim zu stellen.
Für die Ende Juli 2012 in Betrieb genommene wechselseitige Fahrbahnsignalisierung auf der Kreisstraße können Ministerium und Regierungspräsidium keinen eigenständigen Förderantrag mehr bewilligen. Gemäß der Verwaltungsvorschrift zu § 44 der Landeshaushaltsordnung dürfen Zuwendungen nur für Vorhaben bewilligt werden, die noch nicht begonnen worden sind.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur legt dar, dass nach derzeitigem Kenntnisstand bei der am 24.11.2011 vom Regierungspräsidium Freiburg erteilten Bewilligung für den vom Ortenaukreis gestellten Erhöhungsantrag auf Förderung des Ausbaus der K 5349 maßgebliche förderrechtliche Vorgaben nicht beachtet wurden. Derzeit würden die vom Rechnungshof beanstandeten Sachverhalte rechtlich geprüft. Zu den Ergebnissen soll der Ortenaukreis als Zuwendungsempfänger angehört werden. Danach würden in der zweiten Jahreshälfte 2013 die abschließende rechtliche Bewertung und die Festlegung der weiteren Vorgehensweise erfolgen.
Im Weiteren werde das Ministerium dafür Sorge tragen, dass die Beschlüsse des Landtags zur Abrechnung und Bereinigung des Förderprogramms umgesetzt werden. Dies gelte insbesondere für die Abrechnung der mit Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes geförderten und bis 2007 fertiggestellten Maßnahmen. Dem Landtag werde über den Sachstand zum 30.06.2013 berichtet. Anschließend erfolge die weitere Abrechnung von nach 2007 fertiggestellten Fördervorhaben. Die vom Rechnungshof geforderte Einführung von Regelungen für eine zügige Durchführung des Förderprogramms werde mit der vorgesehenen Novellierung der Verwaltungsvorschrift zum Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz bis zum 01.01.2014 (Auslaufen des derzeit geltenden Förderstopps) umgesetzt.