1 Ausgangslage
In Baden-Württemberg gab es am 01.01.2012 an Landesstraßen 3.147 Brücken mit einer Brückenfläche von 675.000 m². Der Großteil dieser Brücken ist älter als 30 Jahre, ein Viertel ist bereits über 50 Jahre alt.
Die Brücken müssen regelmäßig auf Standsicherheit, Dauerhaftigkeit und Verkehrssicherheit untersucht werden. Ihr Zustand wird mit Noten von 1,0 (sehr guter Zustand) bis 4,0 (ungenügender Zustand) bewertet. Die Noten bilden die Grundlage für eine Erhaltungsplanung.
Für den Erhalt der Brücken an Landesstraßen standen bisher je Jahr zwischen 10 und 12 Mio. Euro zur Verfügung. Die Straßenbauverwaltung konzentrierte sich mit diesem Budget darauf, Brücken mit einer Zustandsnote schlechter als 3,5 zu erhalten.
Der Rechnungshof hat das Erhaltungsmanagement der Straßenbauverwaltung geprüft.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Der Zustand der Brücken ist schlecht
Zum Stichtag 01.01.2012 befanden sich 149 der 3.147 Brücken in einem nicht ausreichenden oder ungenügenden Zustand (gleich Zustandsnote 3,0 und schlechter). Hierzu gehören besonders viele Spannbetonbrücken, die ab den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts erbaut wurden. Gründe für die heutigen baulichen Mängel sind damalige planerische, technologische oder normative Defizite.
Durch eine konsequente Ausrichtung auf den Erhalt der Brücken mit einem ungenügenden Zustand (gleich Zustandsnote 3,5 und schlechter) konnte der Anteil der Brückenfläche mit nicht ausreichenden bis ungenügenden Zustand in den letzten Jahren leicht verringert werden. Das derzeit praktizierte Verfahren führt jedoch dazu, dass in den kommenden Jahren bei einem Großteil der Brücken, die aktuell noch einen befriedigenden Zustand (gleich Zustandsnote 2,0 bis 2,4) aufweisen, vermehrt Erhaltungsbedarf entstehen wird.
2.2 Aus den Erhaltungsmitteln für Landesstraßen wird zu wenig für die Brücken verwendet
Derzeit sind für den Erhalt der Landesstraßen je Jahr im Haushalt 100 Mio. Euro veranschlagt. Diese stehen durch die Refinanzierung des Landesinfrastrukturprogramms (von 2012 bis 2014 sind 23,3 Mio. Euro je Jahr zurück zu zahlen) nicht vollständig zur Verfügung. Für den Brückenerhalt werden nur 10 bis 12 Mio. Euro je Jahr verwendet. Dieser Betrag wird nach Einschätzung des Rechnungshofs nicht ausreichen, den künftigen Mittelbedarf für den Brückenerhalt auch nur annähernd abzudecken. Eine dauerhaft wirksame Schadensprävention durch Erhaltungsmaßnahmen bei Brücken mit einem befriedigenden bis nicht ausreichenden Zustand (gleich Zustandsnote 2,0 bis 3,4) ist mit dem Finanzvolumen, wie es seither bereit gestellt wurde, nicht möglich.
Hinzu kommt, dass nicht alle Brücken, die sich in einem ungenügenden Zustand (gleich Zustandsnote 3,5 und schlechter) befinden, in angemessener Zeit erhalten werden können. Mittlerweile müssen Brücken daher wegen zu starker Beanspruchung durch den Schwerlastverkehr teilgesperrt (Fahrbahneinengung) werden oder können nur eingeschränkt genutzt werden (Tonnagebeschränkung). Dies kann den regionalen Wirtschaftsverkehr erheblich beeinträchtigen, wie das Beispiel der Kocherbrücke in Kochersteinsfeld zeigt. Bei dieser Brücke musste eine Fahrbahneinengung auf 3,50 Meter und eine Verkehrsbeschränkung auf 7,5 Tonnen vorgenommen werden.
2.3 Bei zahlreichen Brücken muss die Tragfähigkeit erhöht werden
Bei vielen Brücken reicht der Erhalt des Status quo nicht aus. Wegen der gestiegenen Nutzungsanforderungen durch Verkehrszunahme und höhere Tonnagen ist ihre Tragfähigkeit unzureichend. Bei einem festgestellten Defizit sind die Brücken zu erhalten und zusätzlich ist die Tragfähigkeit zu erhöhen; gegebenenfalls muss eine Ersatzbrücke gebaut werden.
In einer ersten Auswertung der Straßenbauverwaltung wurden mehr als 200 Bauwerke an Landesstraßen identifiziert, die statisch nachgerechnet werden müssen. Dies ist bislang nicht erfolgt. Falls ihre Tragfähigkeit nicht ausreicht, sind umgehend bauliche Maßnahmen einzuleiten. Ansonsten könnten Sperrungen von Brücken und damit erhebliche Einschränkungen der Infrastruktur notwendig werden.
Die statische Nachberechnung der zu ertüchtigenden Brücken wird künftig eine Daueraufgabe der Straßenbauverwaltung sein.
2.4 Mittelfristige Erhaltungsprogramme werden nicht aufgestellt
Die Straßenbauverwaltung stellt für Erhaltungsmaßnahmen keine mittelfristigen Bauprogramme auf. Erhaltungsprogramme, die sich beispielsweise an der Verkehrsstärke oder der Bedeutung der Brücke im Landesstraßennetz orientieren, gibt es nicht. Die Erhaltungsstrategie orientiert sich vielmehr an den finanziellen Möglichkeiten. Sie ist nicht auf eine systematische Schadensprävention ausgerichtet.
3 Empfehlungen
3.1 Dem Brückenerhalt ist Vorrang gegenüber dem Straßenerhalt einzuräumen
Für den funktionsfähigen Erhalt von Brücken an Landesstraßen sind nach Einschätzung des Rechnungshofs jährlich zumindest 20 Mio. Euro nötig. Die Straßenbauverwaltung muss sonst damit rechnen, dass eventuell Brückensperrungen notwendig werden, die zu gravierenden Einschnitten in das Straßenverkehrsnetz des Landes führen. Der Rechnungshof hält es für zwingend, dass der Anteil für den Brückenerhalt aus den Mitteln für den Erhalt von Landesstraßen erhöht wird.
Dem Erhalt von Brücken ist Vorrang gegenüber dem Straßenerhalt einzuräumen. Bei schlechten Straßenzuständen können im Bedarfsfall übergangsweise Geschwindigkeitsbegrenzungen oder einspurige Sperrungen ausgesprochen werden, komplette Sperrungen sind nicht die Regel. Bei einem bestimmten Schadensbild an Brücken ist eine Vollsperrung zwingend.
3.2 Die statische Überprüfung der Brücken ist zu beschleunigen
Die mehr als 200 identifizierten Brücken mit einem potenziellen Tragfähigkeitsdefizit müssen schnellstmöglich statisch überprüft werden, um den Investitionsbedarf ermitteln zu können. Sind bauliche Maßnahmen zum Erhalt und zur Erhöhung der Tragfähigkeit an diesen Bauwerken nötig, müssen diese umgehend durchgeführt werden.
3.3 Das Erhaltungsmanagement ist auszubauen
Das Erhaltungsmanagement mit der kontinuierlichen Erhaltungsplanung ist weiter zu entwickeln. Ein Investitionsrahmenplan für fünf Jahre ist aufzustellen, der eine landesweite Priorisierung der zu erhaltenden Brücken enthält. Daraus ist ein mittelfristiges Bauprogramm mit Sanierungsvorschlägen zu Bauwerken und Fahrbahnen abzuleiten. In diesem Bauprogramm müssen sich Dringlichkeit, Finanzierung und eine an örtlichen Randbedingungen angepasste Baudurchführung niederschlagen. Auf der Grundlage des zukünftig zur Verfügung stehenden Bauwerksmanagementsystems ist das strategische und technische Controlling zügig auszubauen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur stimmt den Empfehlungen des Rechnungshofs zu. Es weist jedoch darauf hin, dass der vom Rechnungshof dargestellte Finanzbedarf für den Erhalt der Brücken im Netz der Landesstraßen von jährlich rund 20 Mio. Euro nur die reine Erhaltung der Ingenieurbauwerke im Sinne einer Sicherstellung des Status quo abdeckt. Nur dieser Betrag sei in der Berechnung der insgesamt erforderlichen Erhaltungsmittel für den Straßenbau berücksichtigt.
Für die aus Gründen der Tragfähigkeit erforderlichen Brückenertüchtigungen seien nach den derzeitigen Erkenntnissen des Ministeriums für einen Zeitraum von 15 Jahren zusätzlich 40 Mio. Euro je Jahr erforderlich.