Landesschulden und Landesvermögen [Beitrag Nr. 4]

Das Land hat im Haushaltsjahr 2012 keine neuen Kredite aufgenommen. Jedoch sind für 2013 und 2014 insgesamt 3,3 Mrd. Euro neue Kredite geplant. Angesichts erwarteter Steuereinnahmen in nie da gewesener Höhe hätte ein Weg gefunden werden müssen, auf neue Kredite zu verzichten.

1 Verschuldungslage

1.1 Schuldenentwicklung

Zum 31.12.2012 betrugen die Schulden des Landes einschließlich der auf Dritte verlagerten Verpflichtungen 45,2 Mrd. Euro.

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Die Kreditmarktschulden, die Verpflichtungen beim Bund und bei anderen Ländern und die verlagerten Verpflichtungen konnten um insgesamt 122,5 Mio. Euro gesenkt werden. Die Kreditmarktschulden wurden trotz deutlich verbesserter konjunktureller Lage und hoher Steuereinnahmen nur um 5 Mio. Euro zurückgeführt.

Durch eine Änderung des § 18 Landeshaushaltsordnung wurde die bisherige Schuldenobergrenze von 41,7 Mrd. Euro (Stand 31.12.2007) aufgehoben und die Regelung zur grundgesetzlichen Schuldenbremse nach Artikel 109 Absatz 3 Grundgesetz in Landesrecht umgesetzt. Demnach dürfen innerhalb einer Übergangsfrist bis einschließlich 2019 zum Haushaltsausgleich neue Kredite aufgenommen werden. Nach dem Staatshaushaltsplan ist vorgesehen, 2013 neue Kredite von 1,8 Mrd. Euro und 2014 von 1,5 Mrd. Euro aufzunehmen. Bis die Schuldenbremse Ende 2019 wirken wird, könnte der Schuldenstand des Landes mithin im schlimmsten Fall auf 50 Mrd. Euro anwachsen.

1.2 Entwicklung der Nettokreditaufnahme

Die Nettokreditaufnahme des Landes stellt den Saldo aus der Aufnahme (Bruttokreditaufnahme) und der Tilgung von Schulden am Kreditmarkt dar. Bei der Aufstellung des Staatshaushaltsplans 2011 wurde noch von einer Nettokreditaufnahme von 2,1 Mrd. Euro ausgegangen. Im Vierten Nachtrag zum Staatshaushaltsplan 2011 waren zuletzt noch 560 Mio. Euro neue Schulden geplant. Tatsächlich hat das Land 2011 und 2012 keine neuen Schulden aufgenommen.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung der Neuverschuldung von 2003 bis 2012.

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In der Zehnjahresbetrachtung kommt Baden-Württemberg zum vierten Mal ohne neue Schulden aus. Bereits für 2013 und 2014 sind jedoch neue Schulden von insgesamt 3,3 Mrd. Euro vorgesehen.

1.3 Kreditmarktschulden und Zinsen

Die Entwicklung der Kreditmarktschulden und -zinsen in den vergangenen zehn Jahren ist aus Tabelle 2 ersichtlich.

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Die Zinsen für die Kreditmarktschulden sind seit 2003 trotz der beträchtlichen Neuverschuldung aufgrund des niedrigen Zinsniveaus bis 2011 nur moderat gestiegen. Zu berücksichtigen ist, dass nach dem Haushaltsvermerk bei Kapitel 1206, Titelgruppe 86, abweichend vom Bruttoprinzip seit 2009 die Zinsen aus der Anlage von liquiden Mitteln von den Zinsausgaben abgesetzt werden.

Ein beachtliches Risiko für das Land besteht darin, dass das derzeit niedrige Zinsniveau wieder ansteigt. Bei einem Anstieg um 1 Prozent würde sich die Zinslast des Landes auf Basis der aktuellen Verschuldung mittelfristig um jährlich 400 Mio. Euro erhöhen.

Seit 2008 wird die Zins-Steuer-Quote nach der Berechnungsmethode des Stabilitätsrats ermittelt. Sie drückt das Verhältnis der Zinsausgaben für Kreditmarktschulden zu den Steuereinnahmen aus. Die Quote zeigt, in welchem Umfang die Steuereinnahmen nicht mehr zur Finanzierung von anderen Ausgaben beziehungsweise Aufgaben des Landes zur Verfügung stehen.

Die Zins-Steuer-Quote ist neben dem strukturellen Finanzierungssaldo, der Kreditfinanzierungsquote und dem Schuldenstand je Einwohner eine der vier Kennziffern des Stabilitätsrats zur Beurteilung der Haushaltslage. Der Stabilitätsrat hat einen Schwellenwert festgelegt, ab dem die Zins-Steuer-Quote kritisch zu sehen ist. Er liegt 2011 für die Flächenländer bei 14,6 Prozent. Die Zins-Steuer-Quote des Landes lag von 2009 bis 2011 zwischen 6,7 Prozent und 7,6 Prozent.

1.4 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt belief sich zum 31.12.2012 auf 43,3 Mrd. Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung beträgt damit rechnerisch 4.006 Euro.

Das Bundesministerium der Finanzen weist quartalsweise die Schuldenstände des Bundes und der Länder aus. Weiter errechnet es die Schulden je Einwohner. Seit 2011 hat es hierbei die Schulden gegenüber den Sondervermögen des Bundes nicht berücksichtigt. Dadurch ergibt sich für Baden-Württemberg eine Pro-Kopf-Verschuldung von 3.901 Euro im Jahr 2012. In Tabelle 3 wird die Pro-Kopf-Verschuldung, wie vom Bundesministerium der Finanzen ermittelt, dargestellt.

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Wie bisher liegt Baden-Württemberg auf dem dritten Platz aller Flächenländer.

2 Rücklagen und Haushaltsüberschüsse

Das Land hat allerdings auch Geldvermögen. Es hat Rücklagen und Sondervermögen gebildet. In Tabelle 4 sind diese aufgelistet.

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Ende 2011 betrugen die Rücklagen des Landes 819 Mio. Euro. Davon wurden 2012 per saldo 527 Mio. Euro Rücklagen entnommen. Somit waren Ende 2012 noch 293 Mio. Euro Rücklagen vorhanden. Im Staatshaushaltsplan sind für das Haushaltsjahr 2013 Entnahmen von 158 Mio. Euro aus diesen Rücklagen veranschlagt. In 2013 stehen für die Qualitätsoffensive Bildung 6,3 Mio. Euro weniger zur Verfügung als veranschlagt, weil in 2012 bereits mehr ausgegeben wurde. Es stehen daher für künftige Haushalte noch 141 Mio. Euro Mittel aus Rücklagen für den Haushaltsvollzug zur Verfügung.

Zum Jahresende 2012 entstand ein kassenmäßiger Überschuss von 1,4 Mrd. Euro. Das noch nicht verwendete Guthaben des Landes aus seinen Kassenüberschüssen betrug zum 31.12.2012 insgesamt 1,8 Mrd. Euro. Im Staatshaushaltsplan 2013/2014 sind für das Haushaltsjahr 2013 Einnahmen (Entnahmen) aus rechnungsmäßigen Überschüssen der Vorjahre von 200 Mio. Euro veranschlagt.

Der Bestand der Sondervermögen des Landes nahm 2012 gegenüber dem Vorjahr voraussichtlich um 730 Mio. Euro beziehungsweise 23,5 Prozent zu. Die größten Sondervermögen bilden die Versorgungsrücklage und der Versorgungsfonds des Landes. 2012 wurden diesen Sondervermögen 367 Mio. Euro zugeführt. Zum 01.07.2012 wurde der bisher als rechtlich selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts geführte Studienfonds in ein Sondervermögen des Landes umgewandelt.

3 Haushaltsrisiken durch Bürgschaften, Garantien und Gewährleistungen

Tabelle 5 zeigt den Stand und die Entwicklung der vom Land aufgrund der Ermächtigung im jeweiligen Staatshaushaltsgesetz übernommenen Gewährleistungen.

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Das Land hat 2009 seine Bürgschafts- und Garantieverpflichtungen erheblich ausgeweitet. Seither liegt das Garantievolumen zwischen 24,2 Mrd. Euro und 25,9 Mrd. Euro. Allein für die LBBW hat sich das Garantievolumen 2009 um 12,7 Mrd. Euro erhöht. Die Garantiesumme für die NECKARPRI GmbH zum Erwerb von Anteilen der Energie Baden-Württemberg AG beträgt 5,9 Mrd. Euro.

Über diese Bürgschaften hinaus haftet das Land als Gewährträger für die Verbindlichkeiten der LBBW, der Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank), der Universitätsklinika sowie der Zentren für Psychiatrie und weiterer Anstalten des öffentlichen Rechts. Die Höhe dieser Eventualverbindlichkeiten kann ihrem Wesen nach betragsmäßig nicht beziffert werden. Das Land haftet grundsätzlich unbeschränkt. Es kann jedoch erst in Anspruch genommen werden, wenn die Gläubiger aus dem Vermögen dieser Einrichtungen nicht befriedigt werden können.

4 Empfehlungen

Die politische Handlungsfähigkeit ist durch die Höhe der Schulden stark eingeschränkt. Diese kann nur zurückerlangt werden, wenn neue Schulden vermieden und alte Schulden abgebaut werden. Alle bisherigen Regelungen haben nicht dazu geführt, dieses Ziel nachhaltig zu erreichen.

Der Rechnungshof bedauert, dass 2013 Regelungen zu den Kreditermächtigungen nur in der Landeshaushaltsordnung und nicht in der Landesverfassung getroffen wurden. Bereits in der Denkschrift 2012, Beitrag Nr. 6 (Landtagsdrucksache 15/1906), haben wir ausgeführt, dass Regelungen zu einer Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert werden sollten.

Eine grundsätzliche Schwäche der bisherigen Regelung in § 18 Landeshaushaltsordnung bestand darin, dass sie (jedenfalls faktisch) nicht justiziabel war. Der Haushaltsgesetzgeber konnte deshalb gerichtlich nicht gezwungen werden, die Schuldengrenze einzuhalten. Diese Schwäche hätte dadurch beseitigt werden können, dass eine dem § 18 Landeshaushaltsordnung entsprechende Regelung in der Landesverfassung verankert wird.

Im Vergleich mit der vorherigen Rechtslage (verbindliche Obergrenze für die Verschuldung des Landes von 41,7 Mrd. Euro) brachte die neue Regelung aus finanzpolitischer Sicht eine deutliche Verschlechterung. Die bisherige Obergrenze wurde aufgehoben und durch eine Regelung ersetzt, die dem Land erlaubt, bis 2019 über 8 Mrd. Euro neue Schulden aufzunehmen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft wendet ein, dass die Verankerung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in der Landesverfassung im Rahmen eines fraktionsübergreifenden Dialogs diskutiert worden sei. Ein entsprechender Gesetzentwurf des Ministeriums mit einer Übergangsregelung bis 2019 sei jedoch von der Opposition nicht mitgetragen worden.

Die bis 2012 geltende Regelung des Schuldendeckels nach § 18 Landeshaushaltsordnung (alte Fassung) habe sich letztlich auch infolge der Verwerfungen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 als wirkungslos erwiesen. § 18 Landeshaushaltsordnung (alte Fassung) habe die Gefahr geschaffen, das Ziel einer nachhaltigen Haushaltspolitik nicht nur nicht zu verwirklichen, sondern diesem Ziel sogar entgegenzuwirken, indem er aufgrund seiner Ausrichtung auf Jahresgrößen bei einmal angefallenen Defiziten Anreize zu „kosmetischen“ Kürzungen im Landeshaushalt anstelle von strukturell, aber ggf. mit zeitlicher Verzögerung wirkenden Maßnahmen gesetzt habe.

Um den Konsolidierungsprozess sowohl rechtmäßig als auch budgetär und ökonomisch ausgewogen zu gestalten, Einschnitte in das Leistungsniveau öffentlicher Dienstleistungen sachgerecht zu begrenzen und die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern, könne die Konsolidierung nur mittelfristig und schrittweise erfolgen. Dem werde § 18 Landeshaushaltsordnung neuer Fassung gerecht.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, das Verschuldungsverbot in der Landesverfassung zu verankern.

Die sowohl rechtlich als auch ökonomisch gebotene Konsolidierung des Landeshaushalts macht Ausgabenreduzierungen in allen Bereichen erforderlich. Durch neue Nettokreditaufnahmen werden Ausgabenreduzierungen aufgeschoben und überdies neue Lasten für künftige Haushalte geschaffen, die den Weg zur Konsolidierung länger und schwieriger machen.