Die Arbeit der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg wird von der Landesregierung und der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen. Die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission und die Rahmenbedingungen für die landesgeschichtliche Forschung müssen verbessert werden. Das Wissenschaftsministerium sollte die Arbeit der Kommission intensiver begleiten und auf organisatorische Verbesserungen hinwirken.
1 Ausgangslage
1.1 Gründung und Aufgabenstellung
Die Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg ist eine nicht rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. 1954 wurde sie als Nachfolgerin der Badischen Historischen Kommission (1883 bis 1941), der Oberrheinischen Historischen Kommission (1941 bis 1945) und der Württembergischen Kommission für Landesgeschichte (1891 bis 1954) neu gegründet. Die Kommission für geschichtliche Landeskunde hat ihren Sitz in Stuttgart. Dort befindet sich auch die Geschäftsstelle der Kommission.
Die Kommission für geschichtliche Landeskunde untersteht der Aufsicht des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg. Rechtliche Grundlage für die Arbeit der Kommission ist die Satzung vom 19.12.1995.
Ihre Aufgabe ist es, die Geschichte, den Natur- und Siedlungsraum und die Bevölkerung Südwestdeutschlands zu erforschen und die Forschungsergebnisse zu publizieren.
Im Zeitraum 2005 bis 2011 hat die Kommission jährlich zwischen 9 und 16 wissenschaftliche Publikationen herausgegeben. Dabei stehen eigene wissenschaftliche Bücher und Zeitschriften neben redaktionell betreuten Schriften Dritter.
Außerdem veranstaltet die Kommission Jahr für Jahr eine wissenschaftliche Tagung und einige Vortragsveranstaltungen zur Landeskunde und zur Landesgeschichte.
1.2 Organisation und Ausstattung
Der Kommission gehören ordentliche Mitglieder, korrespondierende Mitglieder und Ehrenmitglieder an, die auf Vorschlag des Vorstands bzw. der Mitgliederversammlung vom Ministerium berufen werden. Die Kommission wird von einem auf jeweils fünf Jahre von der Mitgliederversammlung gewählten Vorsitzenden geleitet. Ihm stehen der engere Vorstand mit weiteren vier Mitgliedern und der Gesamtvorstand mit weiteren acht Mitgliedern zur Beratung zur Seite.
Die Mitglieder der Kommission und der Vorstand sind ehrenamtlich tätig. Vorstandsmitglieder erhalten teilweise eine Aufwandsentschädigung, außerdem wird die Mitarbeit an einzelnen Publikationen vergütet.
Die Geschäftsstelle der Kommission ist im selben Gebäude wie die Landesarchivverwaltung untergebracht. Im Stellenplan sind vier Beamtenstellen und drei Stellen für tariflich Beschäftigte ausgebracht. Insgesamt arbeiten neun Mitarbeiter in der Geschäftsstelle, die teilweise wissenschaftliche Aufgaben (3,5 Vollzeitäquivalente), teilweise Verwaltungs- und Bibliotheksaufgaben (3,5 Vollzeitäquivalente) wahrnehmen.
Die im Landeshaushalt vorgesehenen Personal- und Sachausgaben der Kommission betragen jährlich rund 625.000 Euro, von denen weniger als 5 Prozent durch eigene Einnahmen der Kommission (z. B. Publikationserlöse) gedeckt sind.
Drittmitteleinnahmen waren in den letzten fünf Jahren nicht zu verzeichnen.
1.3 Prüfung des Rechnungshofs
Der Rechnungshof hat 2011 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kommission und ihre Organisation geprüft.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Aufgabenstellung und Aufgabenerfüllung
Die Arbeit der Kommission trägt zur Identitätsbildung des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger bei und gibt historische Orientierung. Außerdem erschließt sie geschichtliche Grundlagen und Quellen, die für weitergehende Forschungsarbeiten genutzt werden können. Adressaten ihrer Arbeit sind sowohl die Wissenschaft als auch alle Bürgerinnen und Bürger des Landes.
Mit ihren - in der Wissenschaft bekannten und anerkannten - Publikationen und wissenschaftlichen Veranstaltungen erfüllt die Kommission ihre satzungsgemäßen Aufgaben. Mit ihren Publikationsreihen wie beispielsweise der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins oder der Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte erschließt sie weite Bereiche der baden-württembergischen Landesgeschichte. Bemerkenswert sind auch die von der Kommission betreuten und herausgegebenen Monografien und biografischen Sammelbände.
Der Vorstand der Kommission sollte prüfen, ob bei gegebener personeller und sächlicher Ausstattung eine höhere Zahl an Publikationen möglich ist.
Nicht befriedigend ist die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission über die Grenzen der Wissenschaft hinaus. Um ihre Aufgabenstellung umfassend zu erfüllen, sind hier zusätzliche Anstrengungen erforderlich.
2.2 Ordnungsmäßige Haushalts- und Wirtschaftsführung
Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Kommission hat nur wenige Beanstandungen ergeben, die von der Geschäftsstelle der Kommission behoben werden können.
Bemerkenswert ist, dass für keine der Personalstellen eine Dienstaufgabenbeschreibung vorhanden ist. Der Vorstand hat zugesagt, dieses Defizit zeitnah zu beheben.
2.3 Organisation
Im Unterschied zu vergleichbaren Einrichtungen anderer Bundesländer ist die Kommission für geschichtliche Landeskunde eine selbstständige, wissenschaftlich unabhängige Institution, die unmittelbar dem zuständigen Wissenschaftsministerium untersteht.
Diese Organisationsform schützt die politisch unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben der Kommission und wird vom Rechnungshof nicht beanstandet.
Verbesserungspotenziale bestehen dagegen bei der Wahrnehmung der Verwaltungsaufgaben. Ein Teil der Verwaltungsaufgaben wird seit jeher von der Landesarchivverwaltung wahrgenommen, ein anderer Teil wird von eigenen Verwaltungsangestellten der Kommission erledigt. Die Bibliothek der Kommission, die von eigenen Mitarbeitern betreut wird, ist teilweise in eigenen Räumen, überwiegend aber in den Räumen der Bibliothek des Hauptstaatsarchivs aufgestellt.
Wenn weitere Verwaltungsaufgaben der Kommission und die Betreuung der Bibliothek vollständig von der Landesarchivverwaltung wahrgenommen würden, könnte der Personalbedarf für Verwaltungs- und Bibliotheksaufgaben bei der Kommission um ein Vollzeitäquivalent reduziert werden. Darüber hinaus könnten im Verwaltungs- und Bibliotheksbereich Synergieeffekte erzielt werden.
Außerdem besteht eine unklare Aufgabenabgrenzung (Doppelzuständigkeit) für die Erstellung der Landesbibliografie, für die die Landesbibliotheken über die notwendige Expertise und Ausstattung verfügen. Organisatorisch ist der bei der Erstellung tätige Mitarbeiter der Kommission schon heute in die Arbeitsprozesse der Württembergischen Landesbibliothek eingebunden.
3 Empfehlungen
3.1 Struktur, Aufgabenstellung und Ausstattung der Kommission
Im Interesse einer klaren Aufgabenverteilung sollte die Zuständigkeit für die Landesbibliografie vollständig auf die Landesbibliotheken übertragen werden. Die für die Erfüllung dieser Aufgabe vorgesehenen Ressourcen sind im Staatshaushaltsplan den Landesbibliotheken zuzuweisen.
Die Ausstattung der Kommission mit wissenschaftlichen Mitarbeitern ist angemessen und ausreichend. Der beim Landesarchiv durch die Wahrnehmung weiterer Verwaltungsaufgaben entstehende Mehraufwand ist auszugleichen.
Das Wissenschaftsministerium sollte seine Mitwirkungsrechte an der Arbeit der Kommission engagierter als in der Vergangenheit wahrnehmen. Die Betreuung der Kommission sollte dem für die geisteswissenschaftliche Forschung zuständigen Referat des Ministeriums übertragen werden.
3.2 Rahmenbedingungen
Die Intensität landesgeschichtlicher Forschung und die Zahl der einschlägigen wissenschaftlichen Publikationen könnten deutlich verbessert werden, wenn das Land oder Institutionen, die dem Land nahestehen, Drittmittel für wissenschaftliche Projekte zur Verfügung stellen, die speziell der Erforschung der baden-württembergischen Landesgeschichte gewidmet sind. Auf diese Drittmittel könnten nicht nur die Kommission, sondern auch jene Universitätsinstitute und Hochschuleinrichtungen zurückgreifen, die heute historische Fragestellungen anderer Länder und Regionen bearbeiten müssen, um Drittmittel aus der nationalen und überregionalen Forschungsförderung einzuwerben.
3.3 Öffentlichkeitsarbeit
Die Öffentlichkeitsarbeit über die Forschungsergebnisse der Kommission muss intensiver werden. Neben Wissenschaftlern und fachlich ausgewiesenen Institutionen müssen die Bürgerinnen und Bürger des Landes stärker als Adressaten der Öffentlichkeitsarbeit in den Fokus genommen werden.
Die Haushaltsmittel, die der Kommission in sachlich angemessener Höhe zur Verfügung stehen, verfehlen teilweise ihren (identitätsstiftenden) Zweck, wenn die Erträge der Forschung und die darauf basierenden Publikationen von der allgemeinen Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werden.
Eine effektive Öffentlichkeitsarbeit, die auch Adressaten außerhalb der Wissenschaft erreicht, muss in erster Linie von der Kommission und ihrer Geschäftsstelle geleistet werden. Die dafür notwendige Ausstattung mit personellen und sächlichen Ressourcen ist vorhanden.
Allerdings muss sich in der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit auch das Ministerium engagieren, wie es in anderen Bereichen von Wissenschaft und Kunst gängige Praxis ist.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Wissenschaftsministerium macht in seiner Stellungnahme geltend, es habe seine Aufsicht über die Kommission für geschichtliche Landeskunde stets verantwortungsvoll wahrgenommen. Eine fachliche Mitwirkung sei mit Rücksicht auf die Wissenschaftsfreiheit nicht angezeigt.
Die Empfehlung des Rechnungshofs, Verwaltungs- und Bibliotheksaufgaben auf das Landesarchiv zu übertragen, wird vom Ministerium zurückgewiesen. Im Landesarchiv stünden keine freien Personalressourcen zur Verfügung, um Aufgaben der Kommission zu übernehmen. Das vom Rechnungshof vorgeschlagene Auftragsmodell sei nicht tragfähig und entspreche keiner ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung.
Die Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Öffentlichkeitsarbeit liege bei der Kommission selbst. Das Ministerium unterstütze die Kommission im Rahmen seiner Möglichkeiten.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Empfehlung, das Ministerium möge sich an der Arbeit und der Öffentlichkeitsarbeit der Kommission stärker als bisher beteiligen. Dies ist - wie viele andere Arbeitsbereiche des Wissenschaftsministeriums zeigen - auch unter Beachtung der Wissenschaftsfreiheit möglich und im Interesse der Aufgabe, die die Kommission wahrnimmt, auch notwendig.
Der Rechnungshof hat im Rahmen dieser Prüfung nicht vorgeschlagen, Personalkapazitäten bei der Landesarchivverwaltung abzubauen, sondern wenige nach Art und Umfang überschaubare Verwaltungsaufgaben, die seit vielen Jahren teilweise von den Mitarbeitern der Kommission und teilweise von Mitarbeitern der Landesarchivverwaltung wahrgenommen werden, bei der Landesarchivverwaltung zu konzentrieren. Durch den vom Rechnungshof empfohlenen Ausgleich des Mehraufwands wird dem Anliegen des Ministeriums Rechnung getragen.