Die Beteiligungsgesellschaft des Landes Baden-Württemberg mbH hat ihre Gewinne später als möglich und nicht vollständig an den Landeshaushalt ausgeschüttet. Zum Zeitpunkt der Prüfung waren hierfür noch 4 Mio. Euro verfügbar. Die Landesregierung sollte klar und verbindlich regeln, wann und in welchem Umfang verfügbare Gewinne der Beteiligungsgesellschaft auszuschütten sind.
Die Holdingstruktur führt zu Kosten von mindestens 1,1 Mio. Euro jährlich. Zu prüfen ist, ob und wie diese Kosten durch eine Neustrukturierung der Beteiligungen des Landes vermieden oder kompensiert werden können. Die von vielen Einzelentscheidungen der letzten Jahre und Jahrzehnte geprägte Struktur sollte unter einem konzeptionell-ganzheitlichen Blickwinkel überdacht werden.
1 Ausgangslage
Das Land hatte 1983 mehrere seiner Unternehmensbeteiligungen in einer sogenannten Holding, der Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH, zusammengefasst. Darunter befanden sich auch Geschäftsanteile der Vorgängergesellschaften der EnBW Energie Baden-Württemberg AG (EnBW). Damals begründete das Finanzministerium diese Holdingkonstruktion auch mit steuerlichen Vorteilen.
Im Zusammenhang mit dem Verkauf der EnBW-Anteile 1999 entstand die Beteiligungsgesellschaft des Landes Baden-Württemberg mbH (Gesellschaft). Sie ging aus der oben genannten Holding im Wege der Abspaltung von vier Unternehmensbeteiligungen hervor. Später erwarb die Gesellschaft auch die Geschäftsanteile an der Projektgesellschaft Neue Messe GmbH & Co. KG, Stuttgart sowie eine stille Einlage bei der Baden-Württembergischen Bank AG, heute Landesbank Baden-Württemberg. Die Beteiligungsstruktur ist aus der Abbildung ersichtlich.

Gegenstand der Gesellschaft sind der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen im Interesse des Landes. Die Gewinne der Gesellschaft resultieren aus Ausschüttungen ihrer Beteiligungen. Zu den bedeutendsten Beteiligungserträgen im Prüfungszeitraum (2005 bis 2010) gehörten:
- 17 Mio. Euro jährlich von der Badischen Staatsbrauerei Rothaus AG,
- 13,4 Mio. Euro jährlich (bis 2008) aus der stillen Beteiligung an der Landesbank Baden-Württemberg und
- 1,6 Mio. Euro jährlich von der Staatlichen Toto-Lotto GmbH.
Die Gesellschaft verfügt über kein eigenes Personal. Die Geschäftsführung und alle übrigen Aufgaben werden von Bediensteten des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft erledigt. Die Gesellschaft und das Land haben hierüber einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen. Geschäftsführer sind der Amtschef und der für die Beteiligungsverwaltung zuständige Abteilungsleiter des Ministeriums.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Gewinnverwendung
2.1.1 Gewinnentwicklung und Ausschüttungen
Die Gesellschaft erzielte mehrere Jahre in Folge Gewinne im zweistelligen Millionenbereich. Diese Gewinne verblieben jahrelang größtenteils im Unternehmen. Aus dem Ergebnis 2009 unterblieb die Ausschüttung ganz. Der Bilanzgewinn ist im Wesentlichen durch Gewinnvorträge von 53,1 Mio. Euro (2005) auf 121,8 Mio. Euro (2010) angewachsen. Erst 2011 wurden 71,6 Mio. Euro aus dem Ergebnis 2010 ausgeschüttet. Regelungen zur Abführungspflicht von Gewinnen an den Landeshaushalt bestehen nicht.
Ein konkreter Bedarf für das bis 2010 angesammelte Kapital ist in den Wirtschaftsplänen der Gesellschaft nicht ausgewiesen. Bereits bei der Prüfung des Jahresabschlusses 2007 kündigte der Abschlussprüfer an, in seinem Bericht über die erweiterte Abschlussprüfung nach § 53 Haushaltsgrund¬sätzegesetz flüssige Mittel von 75 Mio. Euro als nicht betriebsnotwendiges Vermögen zu benennen. Dies hielt er nach dem Ergebnis der Schlussbesprechung mit dem Ministerium nicht aufrecht.
Die 2011 beschlossene Ausschüttung von 71,6 Mio. Euro bestätigt aus unserer Sicht diese ursprüngliche Einschätzung des Abschlussprüfers. Über Jahre hinweg verblieben bei der Gesellschaft Gewinne, über die der Haushaltsgesetzgeber hätte verfügen können, wenn sie ausgeschüttet worden wären. Aus der Finanzplanung der Gesellschaft ergibt sich, dass Mitte 2012 (also nach der Ausschüttung von 71,6 Mio. Euro) noch mehr als 4 Mio. Euro flüssige Mittel verfügbar sein werden.
2.1.2 Ausschüttungsverhalten und steuerliche Folgen
Wenn die Gesellschaft ihre Gewinne an das Land ausschüttet, muss sie davon Kapitalertragsteuer abführen. Bis 2007 betrug der Kapitalertragsteuersatz auf Ausschüttungen von Beteiligungen der öffentlichen Hand 10 Prozent. Mit der Unternehmensteuerreform 2008 wurde dieser Steuersatz auf 15 Prozent erhöht. Steuerexperten hatten daher geraten, noch in 2007 abschöpfende Ausschüttungen beziehungsweise Vorwegausschüttungen vorzunehmen. Die Gesellschaft hätte Ende 2007 aus dem Bilanzgewinn 2006 und als Vorwegausschüttung aus dem sich abzeichnenden Gewinn 2007 rund 80 Mio. Euro steuersparend ausschütten können. Dies geschah jedoch erst ab 2008. Deshalb fiel eine um 4 Mio. Euro höhere Kapitalertragsteuer an. Diese Summe wäre bei einer Ausschüttung in 2007 noch direkt dem Landeshaushalt zugutegekommen.
2.2 Holdingstruktur
2.2.1 Kosten
Wenn Landesbeteiligungen nicht direkt beim Land, sondern von einer zwischengeschalteten Gesellschaft gehalten werden, führt dies zu Mehrkosten.
Zu nennen ist hier vor allem die Gewerbesteuer, die beim Land nicht anfiele. Nach der Wirtschaftsplanung der Gesellschaft ist ab 2013 jährlich mit knapp 1 Mio. Euro Gewerbesteuerbelastung zu rechnen.
Sonstige Kosten, die durch die Holdingstruktur verursacht werden, fallen an für Steuerberatungsleistungen, Prüfungsleistungen, Buchhaltungsarbeiten, die Erstellung der Jahresabschlüsse und Lageberichte der Gesellschaft und des Konzerns, die Veröffentlichung der Abschlüsse sowie den Umlagebeitrag der Industrie- und Handelskammer. Insgesamt dürften sonstige Kosten von jährlich knapp 100.000 Euro entstehen.
2.2.2 Gestaltungsspielraum
Ob die für die Errichtung einer Holdingstruktur maßgeblichen Gründe in Anbetracht der Mehrkosten noch überwiegen, sollte kontinuierlich überprüft werden. Denn oft sind die Vorteile auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt, oder sie werden durch neuere Regelungen aufgehoben.
Inzwischen sind neben der Gesellschaft weitere Landesunternehmen errichtet worden, deren Aufgabe sich auf die „Verwaltung“ von Vermögensgegenständen oder auf Landesgarantien beschränkt. Hierzu gehören:
- NECKARPRI GmbH und NECKARPRI-Beteiligungsgesellschaft mbH (Themenkreis EnBW AG)
- Landesbeteiligungen Baden-Württemberg GmbH und GPBW GmbH & Co. KG (Themenkreis Landesbank Baden-Württemberg).
Solche Fälle sollten auch Anlass sein, die optimale Bündelung der Beteiligungen und die sinnvolle Zuordnung zu vorhandenen Holdingstrukturen zu untersuchen. Die Vielzahl der vom Land gehaltenen Unternehmen eröffnet der Beteiligungsverwaltung hier einen großen Spielraum. Auch der Landesbetrieb Staatlicher Verpachtungsbetrieb könnte in solche Überlegungen einer Neuordnung einbezogen werden.
Bei der Gesellschaft konnten wir nicht feststellen, dass die Beteiligungsverwaltung im Prüfungszeitraum alternative Gestaltungen der Holding erwogen hat.
2.3 Geschäftsbesorgung und Beteiligungsverwaltung
Das Ministerium hat vertraglich die Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft übernommen. Gleichzeitig hat das Ministerium als beteiligungsverwaltende Stelle Aufsichts- und Steuerungsfunktionen für das Land als Gesellschafter wahrzunehmen. Gegenüber der Gesellschaft befindet sich das Ministerium damit in einer Doppelfunktion.
Um Interessenkonflikte zu vermeiden, nehmen die als Geschäftsführer bestellten Bediensteten keine Funktionen für das Land als Gesellschafter wahr. Diese Aufgabe wird von anderen Bediensteten übernommen.
Anders ist es allerdings bei einem der für die sonstige Geschäftsbesorgung zuständigen Bediensteten. Ihm hat das Ministerium faktisch beide Aufgaben übertragen:
- Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft: Der Bedienstete ist als Erfüllungsgehilfe der beiden Geschäftsführer mit den wesentlichen Aufgaben betraut.
- Beteiligungsverwaltung als staatliche Aufgabe: Der Bedienstete prüft die Unterlagen der Gesellschaft (§ 69 Landeshaushaltsordnung). Dabei ist auch deren Finanz- und Ertragslage zu beurteilen sowie die Unternehmensstrategie und die Ausschüttungspolitik zu bewerten.
Diese Doppelfunktion birgt einen Interessenkonflikt.
3 Empfehlungen
3.1 Gewinnausschüttung regeln und übrige flüssige Mittel ausschütten
Die Landesregierung sollte klar und verbindlich regeln, wann und in welchem Umfang Gewinne der Gesellschaft an das Land auszuschütten sind.
Auch die nach der Finanzplanung der Gesellschaft noch verfügbaren flüssigen Mittel von 4 Mio. Euro sollten ausgeschüttet werden.
3.2 Holdingstrukturen untersuchen
Die von vielen Einzelentscheidungen der letzten Jahre und Jahrzehnte geprägte Struktur sollte unter einem konzeptionell-ganzheitlichen Blickwinkel überdacht werden. Nicht zuletzt bieten die anstehenden Kapitalmaßnahmen bei der künftig als Aktiengesellschaft geführten Landesbank Baden-Württemberg hierfür konkreten Anlass. Stille Einlagen und Kapitalanteile werden bisher sowohl direkt beim Land als auch von Landesunternehmen gehalten.
3.3 Geschäftsbesorgung und Beteiligungsverwaltung trennen
Um Interessenkonflikte zu vermeiden, schlagen wir vor, die Geschäftsbesorgung für die Gesellschaft und die Wahrnehmung der Aufgaben der Beteiligungsverwaltung organisatorisch zu trennen.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft sagte zu, die Ausschüttung der von uns genannten 4 Mio. Euro zu prüfen. Allerdings sehe das Ministerium keinen Bedarf, die Gewinnausschüttung verbindlich zu regeln. Als Gesellschafter könne es jederzeit auf Gewinne der Gesellschaft zurückgreifen.
Anfang 2011 habe das Ministerium aus Anlass des Erwerbs der EnBW-Aktien Überlegungen zur Optimierung der Beteiligungsstruktur des Landes angestellt. Zentraler Punkt dieser Überlegungen seien die Möglichkeiten eines sogenannten steuerlichen Querverbundes gewesen. Änderungsbedarf habe sich nicht ergeben.
Das Ministerium hält die von uns geforderte Trennung zwischen Geschäftsbesorgung und Beteiligungsverwaltung für nicht erforderlich.
5 Schlussbemerkung
Wir bleiben bei unseren Empfehlungen. Insbesondere können wir nicht erkennen, dass die von uns geforderte konzeptionell-ganzheitliche Untersuchung der Holdingstrukturen durch die vom Ministerium angestellten Überlegungen zum sogenannten steuerlichen Querverbund erledigt ist.