Die Landesstelle für Straßentechnik ist das Fach- und Kompetenzzentrum der Straßenbauverwaltung des Landes. Als zentralem Wissensträger und Dienstleister kommt ihr eine Schlüsselfunktion zu. Ihre Potenziale müssen besser genutzt werden.
1 Ausgangslage
Die Landesstelle für Straßentechnik wurde zum 01.01.2003 bei einer Reform der Straßenbauverwaltung des Landes eingerichtet. Zunächst war sie an das Regierungspräsidium Stuttgart angegliedert. Mit der Verwaltungsstrukturreform zum 01.01.2005 ist die Landesstelle mit ihren Aufgaben in das Regierungspräsidium Tübingen übergegangen. Sie bildet die Abteilung 9 des Regierungspräsidiums, die aus fünf Referaten mit 16 Sachgebieten besteht. Ihren Sitz in Stuttgart hat sie beibehalten.
Die Aufgaben der Landesstelle ergeben sich aus dem Straßengesetz Baden-Württemberg. Danach erfüllt sie „zentral wahrzunehmende Aufgaben im Straßenwesen“. So wertet sie Straßen- und Verkehrsdaten aus oder plant in den Bereichen Verkehrsmanagement und Tunnelbetriebstechnik. Ferner ist sie für den Betrieb der Verkehrsrechnerzentrale, der Fernmeldemeisterei und des Ausbildungszentrums Nagold zuständig. Sie führt die Straßeninformationssysteme und ist Straßenverkehrszentrale für Baden-Württemberg. Die Landesstelle unterstützt und berät das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur sowie die Straßenbaubehörden bei der Planung, dem Bau, dem Betrieb und dem Erhalt von Straßen. Sie definiert den Standard des Bauherren Land Baden-Württemberg nach den Vorgaben des Ministeriums.
Der Landesstelle sind 112 Personalstellen zugeordnet. Davon entfallen 78 Stellen auf Landesbedienstete und 34 auf Bundesbedienstete (Fernmeldemeisterei, Verkehrsrechnerzentrale). Von 2005 bis 2011 reduzierten sich die Stellen der Landesbediensteten um 23,5 Prozent von 102 auf die derzeitigen 78 Stellen. Gleichzeitig nahm die Aufgabenfülle in den vergangenen Jahren stetig zu. Der Rechnungshof hat den Aufgabenumfang und die Aufgabenerledigung der Landesstelle untersucht.
2 Prüfungsergebnisse
2.1 Aufgabenbereiche
Im Straßengesetz sind die Aufgaben der Landesstelle festgelegt. Ergänzende Ausführungsbestimmungen dazu hat das Ministerium nicht erlassen. Das Ministerium kann dadurch nach Belieben auch Daueraufgaben an die Landesstelle delegieren (z. B. Festlegung des Verteilerschlüssels für Betriebsdienstmittel, Aufbau eines Wissensmanagements).
2.2 Arbeitsabläufe
Die Landesstelle ist über alle Ebenen der Straßenbauverwaltung in Arbeitsprozesse eingebunden. Es fehlen aber klar definierte Arbeitsabläufe. Oft nehmen mehrere Stellen gleiche Aufgaben wahr oder sie werden in vielen kleinteiligen Arbeitsschritten von verschiedensten Dienststellen erledigt. Dadurch entsteht ein hoher Abstimmungs- und Kontrollaufwand. Zum Betrieb von Strecken- und Netzbeeinflussungsanlagen gehört, dass Daten ausgewertet und Anlagen gesteuert, gewartet, instand gehalten sowie in ihrer Funktion kontrolliert werden. Teilweise ist hierfür die Landesstelle zuständig, für einzelne Bereiche sind aber auch die Regierungspräsidien bzw. Landkreise und Bürgermeisterämter der Stadtkreise federführend.
2.3 Informationsfluss
Die Landesstelle kann ihre Aufgaben nur erledigen, wenn ein stetiger Informationsfluss zwischen ihr und den verschiedenen Ebenen der Straßenbauverwaltung besteht. Dies ist nicht immer gewährleistet. Beispielsweise pflegen die Straßenbaubehörden die Daten für die Straßendatenbank, auf die alle Ebenen der Straßenbauverwaltung zurückgreifen, oft nicht zeitnah, nur unregelmäßig oder unvollständig ein. Die Datenlücken kann die Landesstelle, wenn überhaupt, nur mit großem zeitlichem Aufwand schließen.
2.4 Aufgabenumfang
Häufig werden gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben durch Hilfs-, Zusatz- oder Ergänzungstätigkeiten angereichert, die durchaus verzichtbar sind oder in ihrer Intensität verringert werden können. Die Aufgabenkritik des Rechnungshofs ergab, dass beispielsweise das Fachzentrum Straßeninformation über 40 Fachverfahren bereitstellt und betreut. Ein Teil davon wird selten oder nie genutzt, es fallen aber Pflegeaufwand und Lizenzgebühren dafür an. Die Landesstelle soll ferner ein landesweites, professionelles Wissensmanagement aufbauen, um die Arbeit der Straßenbauverwaltung zu unterstützen. Zusätzliche Stellen und Sachmittel hierfür hat sie nicht. Die Ressourcen muss sie für ihre laufenden Kernaufgaben einsetzen.
2.5 Personalausstattung
Die Landesstelle kann mit dem zurückgegangenen Personal die zu erbringenden zentralen Aufgaben in einigen Bereichen nur ansatzweise wahrnehmen. Dies gilt für die Planung von Tunnelbetriebseinrichtungen an Bundes- und Landesstraßen. Sicherheitsaudits, die die Verkehrssicherheit erhöhen sollen, werden nur statistisch erfasst. Die vom Ministerium geforderte inhaltliche Bewertung und daraus folgende Empfehlungen leistet die Landesstelle meistens nicht. Ebenso können nur einzelne Themen der komplexen Bereiche Umweltschutz und Telematik bearbeitet werden.
2.6 Ausbildungszentrum Nagold
Im Ausbildungszentrum in Nagold werden Straßenwärter und Straßenmeister ausgebildet. Das Ausbildungszentrum ist an zwei Standorten untergebracht. Für den Unterhalt der landeseigenen Liegenschaften entstehen hohe Betriebskosten. Der Transfer der Auszubildenden zwischen den Standorten ist aufwendig. Eine Verwaltungsleitung vor Ort fehlt. Nicht nur die Aufgaben nach dem Berufsbildungsgesetz, sondern nahezu alle Verwaltungsaufgaben wie die Reisekostenabrechnungen müssen direkt von der Landesstelle in Stuttgart übernommen werden.
3 Empfehlungen
3.1 Verbesserung der Leistungsfähigkeit
Der Rechnungshof sieht Möglichkeiten, das Aufgabenspektrum und die Arbeitsweise der Landesstelle weiter zu entwickeln, damit ihr Potenzial stärker ausgeschöpft werden kann. Vielfach sind die Änderungen innerhalb der bestehenden Organisationsstruktur kurz- bis mittelfristig zu realisieren:
- Die Aufgabenabgrenzung zwischen Landesstelle und Ministerium sowie den Fachabteilungen der Regierungspräsidien muss geregelt werden.
- Die Landesstelle ist von Aufgaben zu entlasten (z. B. Aufbau der Datenbank des Wissensmanagements) und Arbeitsabläufe müssen vereinfacht werden (z. B. Betrieb von Tunnel- und Netzbeeinflussungsanlagen).
- Einige Aufgaben können in ihrem Umfang reduziert oder ersatzlos gestrichen werden (u. a. einzelne Fachverfahren).
- Die zentralen landeseinheitlichen Aufgaben müssen umfassend von der Landesstelle abgedeckt werden können (z. B. Planen von Tunnelbetriebseinrichtungen).
- Der Betrieb des Ausbildungszentrums Nagold ist neu auszurichten. Es muss eine Leitung vor Ort für Verwaltungsaufgaben eingerichtet werden, die bislang direkt die Landesstelle in Stuttgart wahrnimmt (z. B. Referenten gewinnen, Reisekosten abrechnen). Der Ausbildungsbetrieb ist schnellstmöglich auf eine Liegenschaft zu konzentrieren.
3.2 Zukünftige organisatorische Einbindung der Landesstelle
Die Aufgaben der Straßenbauverwaltung sind im Wandel. Im Vordergrund stehen immer weniger das Planen und Bauen von Straßen. Gefordert ist eine fachkundige Bauherrenverwaltung, die in der Lage ist, die Bestellleistung des Landes exakt zu formulieren und die beauftragten Ingenieure und Firmen mit aktuellstem Fachwissen zu begleiten. Künftige Aufgabenschwerpunkte liegen in den Bereichen Telematik, intelligente Verkehrssteuerung, Erhaltungsstrategien oder dem Bauherren-Controlling.
Bereits heute setzt die Landesstelle die Standards des Landes im Straßenbau sowie in der Betriebs- und Verkehrstechnik und definiert die Anforderungen. Sie ist Bindeglied beim Technologietransfer zwischen auftragge¬bender Verwaltung und den Universitäten, den Forschungsanstalten für Straßenbautechnik und den Normungsausschüssen. Dies wird in Zukunft in noch viel stärkerem Maß Aufgabe der Landesstelle sein. Diese Anforderungen kann die Landesstelle nur erfüllen, wenn sie besser in die Straßenbauverwaltung des Landes eingebunden wird. Ihre zentrale Schlüsselfunktion muss auch organisatorisch in der Straßenbauverwaltung abgebildet und verankert werden.
Die Straßenbauverwaltung sollte die Kompetenz der Landesstelle besser nutzen. Die von der Landesregierung geplante Organisationsuntersuchung der Straßenbauverwaltung sollte diese Zielsetzung entsprechend berücksichtigen. Geprüft werden sollte auch, ob durch die geänderten Aufgabenschwerpunkte eine personelle Stärkung der Landesstelle zulasten der Stellen der Straßenbauverwaltung in den Regierungspräsidien möglich ist.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat in Abstimmung mit dem Innenministerium Stellung genommen. Die Ministerien sehen keinen Bedarf bzw. keine Möglichkeiten, innerhalb der bestehenden Organisationsstruktur der Landesstelle etwas zu verändern. Eine Anordnung, in der die Aufgabenabgrenzung zu regeln ist, sei nicht notwendig. Aufgaben und Zuständigkeiten der Landesstelle seien im Straßengesetz ausreichend beschrieben. Die Landesstelle könne auch nicht von Aufgaben entlastet werden. Für die Funktionsfähigkeit der Straßenbauverwaltung sei es zwingend erforderlich, dass sie die zentralen Aufgaben erfüllt. Von wesentlicher Bedeutung sei der Wissenstransfer in alle Arbeitsbereiche der Straßenbauverwaltung. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur unterstütze die Landesstelle beim Aufbau und Pflege des Wissensmanagements. Es räumt ein, dass die Landesstelle teilweise die zugewiesenen Aufgaben nicht mehr in vollem Umfang erfüllen könne. Als Teil des Regierungspräsidiums sei sie in den vergangenen Jahren von den hohen Einsparverpflichtungen betroffen gewesen. Die Ministerien werden versuchen, die Personalausstattung der Landesstelle zu verbessern und hierfür nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof hält es nicht für zielführend, dass das Ministerium das Ergebnis der Aufgabenkritik des Rechnungshofs ablehnt, obwohl die Landesstelle einige der gesetzlich vorgegebenen Aufgaben nicht oder nur teilweise erfüllt. Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung, dass die Potenziale der Landesstelle nicht ausgeschöpft werden.
Die Landesstelle muss in der Organisationsstruktur der Straßenbauverwaltung eine Position erhalten, die ihrer zentralen Schlüsselfunktion entspricht. Nur dann kann die Landesstelle die Anforderungen, die sich aus den geänderten Aufgabenschwerpunkten der Straßenbauverwaltung ergeben, wirtschaftlich erfüllen.