Das Projekt der elektronischen Datenübertragung zwischen den Hochschulen und dem Landesamt für Besoldung und Versorgung muss endlich ins Ziel gebracht werden. Die Schnittstelle zwischen den elektronischen Systemen ist noch unzureichend. Sie muss schnellstens fertig programmiert und im gesamten Hochschulbereich eingeführt werden, um die Arbeitsabläufe zu verbessern und Kosten einzusparen.
Das Land muss prüfen, ob die unterschiedlichen Ressourcenmanagementsysteme des Landes auf Dauer noch wirtschaftlich zu betreiben sind.
1 Ausgangslage
Der Rechnungshof hat bereits in den Denkschriften 2001 und 2004 empfohlen, eine elektronische Datenübertragung zwischen den Hochschulen und dem Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) zu programmieren. Der Landtag hat die Landesregierung mehrfach aufgefordert, den Vorschlag umzusetzen. Nachdem das parlamentarische Verfahren zu diesen Denkschriftbeiträgen beendet ist, hat die Finanzkontrolle in einer Nachschau geprüft, ob und wie die Beschlüsse des Landtags umgesetzt wurden.
2 Prüfungsergebnisse
Die Umsetzung durch die zuständigen Ministerien wurde durch mangelhafte Projektorganisation über Jahre hinweg verzögert. Auch mehr als zehn Jahre nach dem ersten Landtagsbeschluss gab es zum Zeitpunkt der Nachschau 2011 lediglich einen teilautomatisierten Pilotbetrieb bei zwei kleineren Hochschulen.
Nach wie vor gibt es im Land unterschiedliche IT-Verfahren für die Personalverwaltung mit vielfältigen technischen Schnittstellen in andere Ressourcenmanagementsysteme. Diese müssen bei gesetzlichen, organisatorischen und funktionalen Änderungen fortlaufend angepasst werden, sind störanfällig und binden dadurch Personal.
2.1 Projektverlauf
Das Wissenschaftsministerium hatte in seiner Stellungnahme zum Denkschriftbeitrag 2001 zunächst ausgeführt, dass die Programmierung einer Schnittstelle zwischen den Personalverwaltungssystemen der Hochschulen und den Programmen des LBV beauftragt worden sei. In der Landtagsdrucksache 13/1302 wurde später ausgeführt, dass eine entsprechende Beauftragung frühestens in zwei Jahren möglich sei. Deshalb hat die Finanzkontrolle in der Denkschrift 2004 erneut die Notwendigkeit einer elektronischen Schnittstelle angesprochen. Dies wurde auch vom Wissenschaftsministerium „begrüßt“. Es ergriff aber weiterhin keine Initiative, eine solche Schnittstelle zu realisieren.
In der Folge hat der Landtag im Oktober 2006 die Landesregierung konkret aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass die Hochschulen in das einheitliche Personalverwaltungssystem und Führungsinformationssystem Personal aufgenommen werden. Erst daraufhin fanden im ersten Halbjahr 2007 erste Abstimmungsgespräche zwischen den betroffenen Ressorts Finanzministerium sowie Wissenschaftsministerium statt.
Im Dezember 2007 berichtete die Landesregierung dem Landtag, dass auf die Einführung des Personalverwaltungssystems DIPSY (Dialogisiertes Integriertes Personalverwaltungssystem) im Hochschulbereich aus Kostengründen verzichtet werden muss. In Aussicht gestellt wurde aber, dass abrechnungsrelevante Daten ab 2009 zwischen den Hochschulen und dem LBV elektronisch ausgetauscht werden.
2011 nahmen die Hochschule der Medien Stuttgart und die Pädagogische Hochschule Ludwigsburg den Pilotbetrieb auf. Die Universität Stuttgart kam pilotweise erst Anfang 2012 hinzu. Der Regelbetrieb im gesamten Hochschulbereich kann deshalb frühestens im Laufe 2012 nach nochmals dreijähriger Verzögerung aufgenommen werden.
2.2 Projektorganisation
Die Organisation und die Abwicklung des Projekts waren und sind mangelhaft. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wurde im gesamten Projektverlauf nicht durchgeführt. Nach der Vorhabensanzeige sollte das Projekt für 320.000 Euro verwirklicht werden können. Haushaltswirksame Einsparungen sind dort nicht beziffert. Die Finanzkontrolle hat festgestellt, dass sich aber die Sach- und Personalkosten der letzten vier Jahre auf mindestens 500.000 Euro belaufen. Weitere Aufwendungen für die Fertigstellung und die landesweite Einführung der Schnittstelle werden noch anfallen.
Das Projekt betrifft den Verantwortungsbereich mehrerer Ressorts und die Zuständigkeiten einer Vielzahl von beteiligten Stellen (Wissenschaftsministerium, Ministerium für Finanzen und Wirtschaft, HIS GmbH, Hochschulservicezentrum, EDV-Koordination für die Universitäten, Hochschulen, LBV, Informatikzentrum Landesverwaltung Baden-Württemberg, Zentrale Datenschutzstelle der Universitäten, Personalvertretungen, Innenministerium, Sozialministerium). Es wurde aber darauf verzichtet, eine ressortübergreifende Projektleitung zu bestellen. Die Folge war, dass wichtige Entscheidungen immer warten mussten, bis sich die zuständigen Ministerien und Einrichtungen in den Arbeitsgruppensitzungen trafen.
Die Leitung der zentralen Arbeitsgruppe wurde nicht festgelegt. Sie wechselte nach dem Zufallsprinzip zwischen dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und dem Wissenschaftsministerium. Die Leitung der vier Unterarbeitsgruppen war ebenfalls über die Geschäftsbereiche verteilt. In keinem Ressortbereich ist deshalb eine umfassende und einheitliche Projektdokumentation vorhanden.
Bei derart vielfältigen Verantwortlichkeiten hätte ein Gesamtprojektverantwortlicher benannt werden müssen. Er hätte ressortübergreifende Entscheidungen viel schneller herbeiführen können. Auch hätte er für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sorgen müssen, welche bis heute in den Akten fast vollständig fehlen.
2.3 Projektinhalt und Projektstand
Die Hochschulen nutzen mit wenigen Ausnahmen für ihre Personalverwaltung das Fachverfahren HIS-SVA der HIS GmbH. Sie haben die Berechnung und Auszahlung der Bezüge und Entgelte dem LBV übertragen. Zur Übermittlung der hierfür notwendigen Personaldaten müssen die Hochschulen die in HIS-SVA erfassten Personaldaten nochmals manuell in Papierformulare eintragen. Die Formulare umfassen bis zu 30 Seiten und werden mit der Post an das LBV versandt. Sie werden beim LBV eingescannt und dann an die zuständigen Bezüge-Sachbearbeiter weitergeleitet.
Anstelle der bisherigen Papierformulare treten mit dem elektronischen Datenaustausch sogenannte Web-Services. Das sind digitale Formulare, mit denen die Daten übermittelt werden können. Die Inhalte und Funktionen dieser Lösung können aber nur von den HIS-nutzenden Hochschulen verwendet werden. Die für die Abrechnung der Bezüge notwendigen Daten der Hochschulen werden automatisch aus HIS-SVA über das Hochschuldatennetz und das Landesverwaltungsnetz dem LBV zugeleitet.
Insoweit entfallen auf Hochschulseite vielfältige manuelle Arbeiten. Papierformulare müssen nicht mehr wie bisher zusätzlich ausgefüllt, gedruckt und versandt werden. Dadurch werden Druck- und Portoausgaben gespart. Überdies ist das Risiko von manuellen Übertragungsfehlern mit notwendigen Rückfragen ausgeschlossen; die Datenqualität ist nach Aussage des LBV im Pilotbetrieb deutlich besser geworden. Die Sachbearbeiter beim LBV erhalten Daten über Neuzugänge und personenbezogene Veränderungen schneller und können sie zeitnäher bearbeiten.
Vor allem die Bearbeitung von Neuzugängen ist für die Hochschulen von besonderer Bedeutung. Angesichts vieler Tausend wissenschaftlicher Mitarbeiter, die häufig wechseln, ergeben sich besondere Effekte. Diese Funktion stand jedoch den Piloten gar nicht zur Verfügung und wird erst im Zuge des Regelbetriebs richtig getestet werden können.
Ein großer Mangel wird aber noch weiterhin bestehen. Die Daten kommen beim LBV zwar elektronisch an, müssen aber immer noch abgeschrieben werden, um weiterverarbeitet werden zu können. Hinzu kommt, dass in das Bezügeabrechnungssystem DAISY (Dialogisiertes Abrechnungs- und Informationssystem) beim LBV nicht nur reine Personaldaten, sondern auch Daten für die Kosten- und Leistungsrechnung (Buchungsstellen u. Ä.) einzugeben sind. Diese sind für die Höhe der Bezüge unbedeutend, aber aufgrund der Vielzahl an einzugebenden Ziffern sehr fehleranfällig und zeitraubend. Beim LBV ergeben sich deshalb wesentliche Zeitersparnisse erst, wenn auch die Weiterverarbeitung der ankommenden Daten automatisiert wird.
2.4 Einsparpotenziale durch das Projekt
Wenn die Schnittstelle fertiggestellt und landesweit eingeführt ist, gibt es bei den Hochschulen und beim LBV Arbeitserleichterungen, die nicht nur die Qualität verbessern, sondern auch zu Einsparungen führen müssen. Das LBV kann bereits mit der aktuellen Version beim Scannen, Weiterleiten und Archivieren Arbeitszeit einsparen. Wenn die Daten per einfachem Mausklick in das Abrechnungssystem DAISY übertragen werden könnten (sogenannte „Hämmerchen-Funktion“), ergäbe sich ein deutlicher Zeitgewinn. Das LBV könnte dann insgesamt ebenfalls acht bis zehn Minuten je Neu- und Änderungsmeldung einsparen.
Bei 100.000 Neu- und Änderungsmeldungen jährlich entspricht eine eingesparte Minute dem Personalaufwand für ein Vollzeitäquivalent. Wenn noch die Datenübergabe in das Abrechnungsverfahren beim LBV per Mausklick weitgehend automatisiert ist, entfällt Personalaufwand von mindestens 15 Vollzeitäquivalenten; zu gleichen Teilen bei den Hochschulen und dem LBV. Außerdem können 80.000 bis 90.000 Euro Druck- und Portokosten gespart werden.
2.5 Einheitliches Ressourcenmanagement
Die Hochschulen verwenden überwiegend das Personalverwaltungssystem HIS-SVA. Die HIS GmbH entwickelt zurzeit ein neues System und wird die Unterstützung von HIS-SVA mittelfristig einstellen. Gelegentlich wurde hierfür das Jahr 2016 als möglicher Zeitpunkt in den Raum gestellt. Die Hochschulen müssen spätestens dann auf das neue System umsteigen oder andere wirtschaftliche Lösungen für ihre Personalverwaltung suchen. Die Migration dürfte in allen Fällen aufwendig sein, da Schnittstellen zu den bestehenden anderen Systemen der Ressourcenverwaltung (z. B. Finanz-, KLR- und Statistiksysteme) programmiert werden müssen.
Das Personalverwaltungssystem DIPSY kann im Hochschulbereich derzeit nicht eingeführt werden. Es erfüllt wichtige Anforderungen insbesondere aus der W-Besoldung, der Drittmittelverwaltung und der Statistik nicht. Es wäre aufwendig und kostenintensiv, diese Anforderungen ergänzend zu programmieren und fortlaufend anzupassen.
Zurzeit hat das Land deshalb drei große Systeme: DIPSY und HIS-SVA, um das Personal zu verwalten, DAISY, um die Bezüge und Entgelte berechnen und bezahlen zu können. Bei den komplexen tariflichen oder dienstrechtlichen Änderungen müssen immer wieder alle drei Systeme angepasst werden. Außerdem müssen Personaldaten redundant sowohl bei den Hochschulen als auch beim LBV verarbeitet und gespeichert werden. Dies kann zu unterschiedlichen Datenbeständen führen und birgt die Gefahr einer zunehmenden Dateninkonsistenz.
Die absehbare Entwicklung bei den HIS-Systemen legt es nahe zu prüfen, ob es für Baden-Württemberg wirtschaftlich ist, für Verwaltung und Hochschulen auf Dauer getrennte Personalverwaltungssysteme zu unterhalten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass alle im Personalbereich eingesetzten Fachverfahren Schnittstellen zu Systemen der Ressourcenverwaltung haben, welche auf wieder anderer Technik basieren. Das Personalverwaltungssystem DIPSY und das Bezügeabrechnungssystem DAISY binden beim LBV mindestens 40 Vollzeitäquivalente. Den Aufwand für diese Personalressourcen muss das Land mittlerweile fast ausschließlich selbst tragen, da Rheinland-Pfalz aus dem sogenannten DIPSY-Verbund ausgetreten ist. Für die Pflege der HIS-Personalverwaltungsverfahren fallen ebenfalls erhebliche Personalaufwände an. Dem Land sind die Gesamtkosten seiner Personalverwaltungssysteme nicht bekannt.
Vor diesem Hintergrund könnte eine weitestgehend schnittstellenfreie Lösung zum Ressourcenmanagement in der Landesverwaltung wirtschaftlicher sein.
Das Haushaltsmanagement, die Kosten- und Leistungsrechnung sowie das Führungsinformationssystem benötigen Daten aus der Personalwirtschaft und zu Personalausgaben. Bei der Einbindung des Personalverwaltungs- und des Bezügeabrechnungssystems käme man zu einem vollintegrierten Ressourcenmanagementsystem aus einem Guss. Das Land müsste dann nur noch ein System pflegen und weiterentwickeln, wie es bei großen Unternehmen üblich ist.
Diesen Weg sind Bayern und Rheinland-Pfalz bereits gegangen. Beide Länder haben ein vollintegriertes System. In Bayern beschloss der Ministerrat, dass auch die Hochschulen in das landeseinheitliche System einbezogen werden. Ende 2011 war es bis auf zwei Universitäten eingeführt. Allerdings sind die Kosten dieser Lösungen nicht bekannt.
Seit 2012 beteiligt sich das LBV an einem länderübergreifenden Vergleichsring. Hierbei unterziehen elf Länder bis 2014 den Aufwand und die Qualität unterschiedlicher Produkte der Bezüge zahlenden Stellen (Bezügeabrechnung, Beihilfe, Versorgung und Familienkasse) einem Benchmarking. Ein wesentlicher Bestandteil sind die Kosten der verwendeten IT-Systeme. Die Ergebnisse könnten Aufschluss über die Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Systemlösungen geben.
3 Empfehlungen
3.1 Schnittstelle
Der Rechnungshof fordert, unverzüglich die Schnittstelle fertig zu programmieren, sie im gesamten Hochschulbereich einzuführen und die Datenübernahme beim LBV zu automatisieren. Dabei müssen die bereits genannten und gegebenenfalls weitere Einsparpotenziale dargestellt, bewertet und realisiert werden.
3.2 Ressourcenmanagement
Mittelfristig muss ein Ressourcenmanagementsystem für Verwaltung und Hochschulen das Ziel sein, welches weitestgehend ohne Schnittstellen auskommt. Die Landesregierung sollte deshalb prüfen, ob es wirtschaftlicher ist,
- die bestehenden vielfältigen Basissysteme auf Dauer weiter parallel zu betreiben oder
- ein vollintegriertes Ressourcenmanagementsystem zu entwickeln.
In die Prüfung sollten auch die Ergebnisse aus dem Benchmarking des länderübergreifenden Vergleichsrings herangezogen werden. Das LBV könnte hieraus die Zukunftsfähigkeit seiner Systemlandschaft belegen.
3.3 Projektorganisation
Die bisherige Projektorganisation hat gezeigt, dass eine solche Entscheidung nicht ohne ein professionelleres Projektmanagement vorbereitet werden kann. Ressortübergreifende IT-Planungen erfordern einen Gesamtprojektverantwortlichen, der das Projekt über Ressortgrenzen hinaus aktiv betreibt. Auch das Management dieses Projekts beweist einmal mehr, dass übergreifende IT-Projekte in vertretbarer Zeit sinnvoll nur von dem vom Landtag geforderten IT-Gesamtverantwortlichen (Landtagsdrucksache 14/5503) betrieben werden können. Bei einem IT-Gesamtverantwortlichen könnten auch die Kosten für ein solches übergreifendes Projekt etatisiert werden, der dann die Wirtschaftlichkeit verschiedener Alternativen darstellt und bewertet.
4 Stellungnahme der Ministerien
Das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft und das Wissenschaftsministerium rechtfertigen die Verzögerungen im Projektverlauf mit der hohen technischen Komplexität des Projekts. Vor allem hätten besondere Anforderungen an die Datensicherheit und aus dem ELENA-Verfahrensgesetz umgesetzt werden müssen. Die Vielzahl der Beteiligten hätte zudem einen hohen Abstimmungsbedarf erfordert, der durch die Personalhoheit der Ressorts erschwert gewesen sei. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit tragen die beiden Ministerien die Ausführungen des Rechnungshofs zum Teil mit. Aus heutiger Sicht könnten beim LBV keine Stellen eingespart werden, da die Schnittstelle dort sogar mehr Arbeit verursache.
Beide Ministerien begrüßen die Etablierung eines IT-Gesamtverantwortlichen.
Für die beiden Ressorts ist das einheitliche Personalverwaltungssystem mit dem durch die Schnittstelle angebundenen HIS-SVA bereits ein vollintegriertes Ressourcenmanagementsystem. Sie sehen daher aktuell keinen Handlungsbedarf zu prüfen, ob ein anderes System wirtschaftlicher ist. Die Ergebnisse des länderübergreifenden Vergleichsrings „Benchmarking Bezüge abrechnender Stellen“ sollten abgewartet und dann über das weitere Vorgehen entschieden werden.
5 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung.
Es überrascht, dass die beiden Ressorts auf den hohen Ausbaustand und die Vorteile der eingesetzten unterschiedlichen Ressourcenmanagementsysteme verweisen. Die baden-württembergische Insellösung wurde von keinem anderen Land auf Dauer übernommen.
Die erstaunliche Behauptung der beiden Ministerien, die neue Schnittstelle würde beim LBV mehr Aufwand verursachen, erscheint dem Rechnungshof symptomatisch für den gesamten Projektverlauf.