Der Rechnungshof empfiehlt eine Reorganisation der wissenschaftlichen Werkstätten mit dem Ziel, größere Einheiten zu bilden, die Zusammenarbeit innerhalb der Universität zu verbessern und das eingesetzte Personal zu reduzieren. Die Abrechnung interner Aufträge ist zu verbessern. Bei der Zusammenarbeit mit externen Auftraggebern sind die rechtlichen Vorgaben einzuhalten.
1 Ausgangslage
Die Universität Stuttgart unterhält auf ihrem Campus mehr als einhundert wissenschaftliche Werkstätten, die begleitende und unterstützende Dienste für Forschung und Lehre leisten. Die genaue Anzahl der Werkstätten ist dem Vorstand der Universität Stuttgart nicht bekannt.
In den Werkstätten werden Geräte und Materialien für Lehrveranstaltungen hergestellt, und die Mitarbeiter der Werkstätten betreuen Versuchsaufbauten. Die Werkstätten werden auch regelmäßig für Dienstleistungen im Rahmen von Drittmittelprojekten genutzt.
Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Werkstätten sind Metall- und Elektrowerkstätten. Daneben gibt es Glas verarbeitende Werkstätten und solche, die mit der Verarbeitung ganz spezieller Materialien befasst sind.
Der Rechnungshof hat 2010 in drei Fakultäten die Haushalts- und Wirtschaftsführung der 35 Metall- und Glaswerkstätten geprüft. Dabei wurden auch die fünf mechanischen Servicewerkstätten der Universität Stuttgart untersucht.
2 Prüfungsergebnisse
Die Prüfung hat Mängel der Aufbau- und Ablauforganisation der wissenschaftlichen Werkstätten ergeben.
2.1 Kleinteilige Gliederung der Werkstätten
Die Prüfung der wissenschaftlichen Werkstätten hat gezeigt, dass vier Fünftel der Werkstätten nur jeweils einem Institut zuarbeiten. Diese kleinteilige Organisation ist unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten suboptimal.
Die Möglichkeit, Werkstätten verschiedener Institute zusammenzufassen, wurde nur in wenigen Fällen genutzt, obwohl mit einer solchen Poolbildung eine bessere Auslastung des Werkstattpersonals und der technischen Einrichtungen verbunden wäre. Mit einer Zusammenlegung der Werkstätten ließen sich die laufenden Betriebskosten und mittelfristig auch die Investitionsausgaben senken.
Bereits 1995 hatte ein externer Gutachter empfohlen, Werkstätten zusammenzulegen. Nur in wenigen Ausnahmefällen (z. B. beim Physikalischen Institut) wurde diese Empfehlung umgesetzt. Die mit einer solchen Reorganisation verbundenen Einsparpotenziale wurden bis heute nicht realisiert.
2.2 Zu hohe Personalausstattung der Werkstätten
Nach Angaben der Universität waren zum Zeitpunkt der Prüfung in allen wissenschaftlichen Werkstätten 192 Mitarbeiter mit einem Beschäftigungsumfang von 180,6 Vollzeitäquivalenten beschäftigt. Allerdings erwiesen sich die für die einzelnen Werkstätten genannten Zahlen bei der Prüfung des Rechnungshofs in manchen Fällen als unzutreffend.
Die Universität selbst plant seit längerer Zeit einen maßvollen Personalabbau bei den wissenschaftlichen Werkstätten um 21 bis 24 Vollzeitäquivalente. Diese Pläne sind jedoch bis heute nicht umgesetzt worden.
Ungenutzte Einsparpotenziale zeigten sich bei der Prüfung insbesondere
- bei Werkstattmitarbeitern, die in Wirklichkeit weitgehend für universitätsfremde Einrichtungen arbeiten, aber von der Universität bezahlt werden,
- bei Werkstätten, die ausweislich der Arbeitsbücher nicht ausgelastet sind,
- bei sieben Ein-Personen-Werkstätten, deren Einrichtungen offenkundig nicht dauerhaft ausgelastet sein können (Urlaub, Krankheit usw.) und
- bei einigen Werkstätten mit überdimensioniertem Personaleinsatz (z. B. im Institut für Gebäudeenergetik oder im Institut für Umformungstechnik).
2.3 Zu wenig Kooperation zwischen den Werkstätten
Nur wenige wissenschaftliche Werkstätten arbeiten in gebotenem Maße zusammen. Auch wenn sie gleichartige Tätigkeiten ausüben und mit den gleichen Maschinen ausgestattet sind, wird nur selten kooperiert. Oft scheitert die Zusammenarbeit schon daran, dass die aktuelle Ausstattung der Werkstatt nur dem Institut bekannt ist, dem sie zugeordnet ist. Die Zentrale Verwaltung der Universität verfügt über keine vollständigen Daten über die Ausstattung der Werkstätten.
Mehrere geprüfte Werkstätten arbeiten andererseits intensiv mit den rechtlich selbstständigen An-Instituten zusammen, ohne dass diese Dienstleistungen ordnungsgemäß abgerechnet werden. Bei der Prüfung sind Einzelfälle offenbar geworden, in denen die Werkstattleistungen zu spät oder anhand von offenkundig falschen Belegen abgerechnet wurden. In zwei Fällen nutzten An-Institute die Einrichtungen der Universität, ohne dass ein Kooperationsvertrag geschlossen worden war.
2.4 Vernachlässigte Sicherheitsaspekte
Die Prüfung des Rechnungshofs hat auch Verstöße gegen zwingende Sicherheitsvorschriften ergeben.
Beispielsweise wurde der in der Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaft vorgesehene Kontrollmechanismus in keiner der geprüften Werkstätten eingerichtet. So müssten bei Ein-Personen-Werkstätten besondere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden.
In manchen Werkstätten wird Personal beschäftigt, das für diese Arbeiten nicht speziell geschult ist.
2.5 Unzureichende Dokumentation und Abrechnung der Werkstattaufträge
In der Mehrzahl der untersuchten Werkstätten wurden die Aufträge und ihre Ausführung unzureichend dokumentiert. Damit ist es unmöglich, die Werkstattkosten den einzelnen Kostenträgern zuzuordnen und die Auslastung der Werkstätten und der dort vorhandenen Maschinen zu beurteilen.
Geleistete Arbeiten werden nur bei Drittmittelprojekten abgerechnet, die Kosten interner Aufträge werden weder kalkuliert noch auf Kostenträger umgelegt.
3 Empfehlungen
3.1 Sächliche und personelle Ausstattung der Werkstätten erfassen
Die Universität Stuttgart sollte den Flächenbestand, die Ausstattung und die Zahl der jeweils beschäftigten Mitarbeiter aller wissenschaftlichen Werkstätten vollständig erfassen und allen Fakultäten und Instituten zur Kenntnis geben. Auf diese Weise werden die Grundlagen für die notwendige Reorganisation geschaffen und die vielfältigen Möglichkeiten der Kooperation und des Leistungsaustauschs innerhalb der Universität sichtbar.
3.2 Kosten und Leistungen der Werkstätten vollständig berechnen
Die Leistungen der wissenschaftlichen Werkstätten sind auch bei internen Aufträgen vollständig zu erfassen, die Arbeits-, Material- und Maschinenkosten den jeweiligen Kostenträgern zuzuordnen. Auf diese Weise wird für die Auftraggeber die notwendige Kostentransparenz geschaffen, eine wirtschaftliche Steuerung der Werkstätten möglich und die Auslastung der einzelnen Werkstatt messbar.
3.3 Werkstätten zusammenfassen und Werkstattpersonal reduzieren
Die Universität sollte die wissenschaftlichen Werkstätten zu größeren Einheiten zusammenfassen und dadurch für eine bessere Auslastung der Werkstatteinrichtungen, für niedrigere Betriebskosten und mittelfristig für eine Reduzierung der notwendigen Investitionskosten sorgen.
Das bei den wissenschaftlichen Werkstätten beschäftigte Personal ist - wie schon in den Neunzigerjahren geplant - um 18 Vollzeitäquivalente, das bei den Servicewerkstätten beschäftigte Personal um zwei Vollzeitäquivalente zu reduzieren.
3.4 Zusammenarbeit mit den An-Instituten überprüfen
Bei der Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Werkstätten mit den An-Instituten, die der Universität zugeordnet sind, und der Abrechnung der für diese Institute erbrachten Leistungen sind die geltenden Vorschriften zu beachten. Wo noch nicht geschehen, sind als Rechtsgrundlage Kooperationsverträge abzuschließen, die die Modalitäten der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Leistungsaustauschs interessengerecht regeln.
4 Stellungnahmen
4.1 Universität Stuttgart
Die Universität Stuttgart teilt die Zielsetzungen des Rechnungshofs, hält dessen Feststellungen jedoch nicht in vollem Umfang für weiterführend. So müsse sie sich bei der Ausstattung ihrer wissenschaftlichen Werkstätten mit räumlichen, sächlichen und personellen Kapazitäten zwar am finanziell und räumlich Machbaren sowie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit orientieren. Eine vollständige Ökonomisierung des Wissenschaftsbetriebs sei allerdings kontraproduktiv.
Darüber hinaus habe die Universitätsleitung die Institute zu detaillierten aktuellen Angaben zum Werkstattpersonal aufgefordert. Durch einen lesenden Zugriff auf die Raumdatei für Fakultäten und Fachbereiche sollen Unstimmigkeiten bei der Raumbelegung künftig aufgedeckt werden. Eine unter neuer Leitung stehende, mit neuen Impulsen ausgestattete Werkstattkommission werde sich der Aufgabe widmen, gemeinsame Ressourcennutzungen festzulegen, wo diese möglich seien. Ebenfalls solle durch die Kommission die Erstellung eines universitätsinternen „Großgeräteatlas“ diskutiert und konzipiert werden.
Die Universität Stuttgart wendet sich in ihrer Stellungnahme gegen die Feststellung des Rechnungshofs, bei einigen Werkstätten sei der Personaleinsatz offenkundig überdimensioniert. Die Auslastung der Werkstätten lasse sich anhand der vom Rechnungshof erhobenen Zahlen gerade nicht abschließend beurteilen, sodass eine solche Schlussfolgerung voreilig sei.
Weiterhin weist die Universität Stuttgart darauf hin, dass im Zuge der Solidarpakte I und II in beträchtlichem Umfang technisches Personal eingespart worden sei, was der Rechnungshof nicht ausreichend gewürdigt habe.
Auch arbeiteten viele Werkstätten in Wahrheit eng zusammen, die Ausstattung der Werkstätten sei den Werkstattbeauftragten bekannt. Bei der Beurteilung der „Ein-Personen-Werkstätten“ müsse berücksichtigt werden, dass dort auch Drittmittelbeschäftigte tätig seien.
4.2 Wissenschaftsministerium
Das Wissenschaftsministerium unterstützt das Ziel des Rechnungshofs, bei den wissenschaftlichen Werkstätten der Universität Stuttgart volle Kostentransparenz herzustellen und, soweit mit den Aufgaben von Forschung und Lehre vereinbar, zur Verbesserung der Effizienz kleinere Werkstätten zu größeren Einheiten zusammenzufassen. Das Ministerium begrüßt, dass die Universitätsleitung das Anliegen bereits aufgegriffen und beschlossen habe, die Raum- und Personalausstattungen durch eine Kommission überprüfen zu lassen sowie die Zusammenlegung von Werkstätten durch Anreize aktiv zu fördern. Mit Ergebnissen sei im Sommer 2012 zu rechnen.