Haushalts- und Wirtschaftsführung des Linden-Museums in Stuttgart [Beitrag Nr. 30]

Das Linden-Museum in Stuttgart weist zahlreiche Defizite im Museumsbetrieb und in der Aufbau- und Ablauforganisation auf.
Der Rechnungshof schlägt eine neue Aufgabenverteilung zwischen dem Land und der Stadt Stuttgart und eine straffere Organisation vor.
Notwendig sind eine neue, zeitgerechte Museumsstrategie und Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit.

1 Ausgangslage

Das Linden-Museum ist eines der bedeutendsten Völkerkundemuseen in Europa. Es wurde im Mai 1911 an seinem heutigen Standort am Stuttgarter Hegelplatz eröffnet. Träger war damals der Württembergische Verein für Handelsgeografie.

Seit 1973 ist das Land Rechtsträger des Museums, das Museumsgebäude steht im Miteigentum des Landes und der Stadt Stuttgart. Aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung aus dem Jahr 1973 übernimmt die Stadt Stuttgart jeweils die Hälfte des jährlichen Finanzbedarfs.

Nach der Übernahme der Trägerschaft durch das Land wurden umfangreiche Sanierungen des Museumsgebäudes durchgeführt, die 1986 abgeschlossen wurden.

Die Dauerausstellung des Linden-Museums stammt in ihren Grundzügen aus den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Sie wird ergänzt durch jährlich wechselnde Sonderausstellungen, zum Beispiel 2009 zur Geschichte und Gegenwart der Schamanen in Sibirien.

Das Linden-Museum deckt nur einen kleinen Teil seiner Kosten durch eigene Einnahmen. Im Wirtschaftsplan 2010 stehen Aufwendungen von 4,62 Mio. Euro eigene Erträge von 0,45 Mio. Euro gegenüber. Hinzu kommen noch Ausgaben insbesondere für die Bewirtschaftung der Gebäude von 1 Mio. Euro. Den Zuschussbedarf von 5,2 Mio. Euro tragen Land und Stadt je zur Hälfte.

Der Rechnungshof hat 2009 die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Linden-Museums geprüft.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Stärken des Museums

Das Linden-Museum hat mit geschätzten 160.000 Objekten eine Sammlung von Weltruf, die nicht nur die kulturellen Unterschiede in der Welt des ausgehenden 20. Jahrhunderts erschließt, sondern auch historisch wertvolle Stücke aus dem 19. Jahrhundert und früheren Jahrhunderten umfasst.

Das Museum verfügt über einen Stab national und international ausgewiesener Wissenschaftler, deren völkerkundliche Expertise nahezu alle Regionen der Welt abdeckt und das Linden-Museum zu einem angesehenen Ort völkerkundlicher Forschung macht.

Das Linden-Museum hat in den letzten zwanzig Jahren durch zahlreiche Sonderausstellungen gezeigt, dass es wissenschaftlich anspruchsvolle und gleichwohl museumsdidaktisch ansprechende Ausstellungen konzipieren und inszenieren kann.

Das Linden-Museum ist einerseits Teil des nationalen und internationalen völkerkundlichen Netzwerks, andererseits auch im kommunalen Geschehen der Stadt Stuttgart etabliert und akzeptiert.

2.2 Defizite und Verbesserungspotenziale des Museums

Die Prüfung des Linden-Museums hat allerdings auch zahlreiche Defizite ergeben, die einen erfolgreichen Museumsbetrieb erschweren. Nicht alle Defizite können von heute auf morgen behoben werden.

Die Vielzahl der festgestellten Defizite legt den Schluss nahe, dass das Museum strategisch, organisatorisch und operativ einen Neuanfang braucht, um den Herausforderungen gerecht zu werden, die sich an eine so renommierte Einrichtung wie das Linden-Museum richten.

2.2.1 Strategie

Das Linden-Museum hat über das Leitbild hinaus keine explizit formulierte Strategie und keine Ziele, die es seiner künftigen Entwicklung zugrunde legt. Das Wissenschaftsministerium hat mit dem Museum bis heute keine Zielvereinbarungen getroffen und nimmt seine Aufgabe bei der strategischen Ausrichtung des Linden-Museums nur zurückhaltend wahr.

2.2.2 Äußere und innere Organisation

Die äußere und innere Organisation des Linden-Museums ist unnötig kompliziert.

Durch die gemeinsame Finanzverantwortung mit der Stadt Stuttgart ergibt sich ein vermeidbarer Abstimmungsbedarf. Sie erschwert und behindert eine strategische Führung des Museums durch das Ministerium und die Anpassung des Museums an gewandelte Anforderungen.

Die innere Aufbauorganisation ist auf personelle Besonderheiten zugeschnitten und mit drei Abteilungen und einer in sich gegliederten Verantwortung des Vorstands zu aufwendig. Das Betriebs- und Finanzstatut wird derzeit überarbeitet.

Der Betrieb der Außenstelle im Schloss Ettlingen und die Zusammenarbeit mit der Stadt Ettlingen weisen Schwächen auf. Die Außenstelle wird in der Öffentlichkeitsarbeit des Linden-Museums vernachlässigt.

2.2.3 Standort und Gebäude

Das Linden-Museum liegt entfernt von den großen Fußgängerachsen und der Kulturmeile der Stadt, sodass nur angesprochen wird, wer das Museum gezielt aufsucht.

Auch die innere Gestaltung des Museumsgebäudes weist zahlreiche Defizite auf: Der Eingangsbereich ist unübersichtlich und gibt dem Besucher wenig Orientierung, die Garderobe mutet nicht zeitgemäß an. Das Foyer lädt die Besucher nicht zur Kommunikation ein. Auch fehlt ein Raum für museumspädagogische Aktivitäten.

Die Klima- und Belüftungstechnik ist nicht zeitgemäß, ein barrierefreier Zugang zum Museum ist derzeit nicht möglich und auch auf mittlere Frist nicht zu realisieren.

2.2.4 Ausstellung und Besucherzahlen

Die Dauerausstellung ist größtenteils seit Jahren nicht mehr überarbeitet worden. Sie geht an den Rezeptionsgewohnheiten und den Erwartungen vorbei, die ein Besucher heute an eine Museumspräsentation haben darf. Viele Ausstellungsstücke sind in ihrer völkerkundlichen Bedeutung und ihrem Bezug zur eigenen Erfahrungswelt ohne Hilfe nicht zu erschließen.

Auch das museumspädagogische Potenzial des Linden-Museums ist noch nicht ausgeschöpft.

Der Mangel an Attraktivität der Dauerausstellung spiegelt sich in der Entwicklung der Besucherzahlen, die von 200.000 Besuchern jährlich Mitte der Achtzigerjahre auf heute 60.000 bis 70.000 Besucher jährlich zurückgegangen sind.

Der Zuschussbedarf je Besucher beträgt derzeit 44,52 Euro und liegt damit doppelt so hoch wie beim Landesmuseum Württemberg oder beim Badischen Landesmuseum Karlsruhe.

2.2.5 Sammlung und Magazin

Die vier Magazine, in denen das Linden-Museum seine Sammlungsobjekte lagert, sind weit verteilt; sie sind technisch und arbeitshygienisch nicht auf dem neuesten Stand.

Hier sind einige Verbesserungen zu erwarten, wenn dem Linden-Museum demnächst ein neues Magazin zur Verfügung gestellt wird, das es gemeinsam mit dem Museum für Naturkunde und dem Landesmuseum Württemberg nutzen kann.

2.2.6 Einnahmen des Museums

Proportional zu den sinkenden Besucherzahlen sind auch die Einnahmen des Linden-Museums aus Eintrittsgeldern zurückgegangen. Mit einem Eintrittspreis von 4 Euro je voll zahlendem Besucher liegt das Linden-Museum im unteren Drittel des Preisspektrums vergleichbarer Museen.

Auch die Einnahmen aus Veröffentlichungen und Vorträgen sind in den letzten fünf Jahren spürbar zurückgegangen. Der Wannersaal, der sich auch für externe Veranstaltungen eignet, wird nur selten an Dritte vermietet.

Die Einnahmen aus dem Museumsshop sind nicht zufriedenstellend.

Einnahmen aus Sponsoring sind ebenfalls nur in geringem Maße zu verzeichnen.

2.2.7 Personalausstattung und Personalwesen

Das Linden-Museum verfügt über Personal im Umfang von 47,5 Vollzeitäquivalenten. Davon entfallen 7 Vollzeitäquivalente auf den wissenschaftlichen Dienst.

Die Prüfung des Rechnungshofs hat ergeben, dass in den Bereichen

Zentrale Dienste, Betriebsdienste 15 Vollzeitäquivalente

Sammlungen, Ausstellungen 2 Vollzeitäquivalente

Vorstand mit Sekretariat 1 Vollzeitäquivalent

eingespart werden können, wenn die Personalausstattung an den wirklichen Bedarf angepasst wird und Dienstleistungen im Bereich Aufsicht und Reinigung konsequent an Dritte vergeben werden.

Für keinen der Bediensteten lag die vorgeschriebene und bei Arbeitnehmern für die tarifgerechte Eingruppierung unabdingbar notwendige Tätigkeitsbeschreibung vor. Die Arbeitszeiterfassung wies Defizite und Rechtsverstöße auf.

2.2.8 Haushaltswirtschaft und Beschaffung

Die Prüfung der Haushaltswirtschaft ergab eine Reihe von Verstößen gegen das Haushalts- und Kassenrecht.

Bei der Überprüfung der Betriebskostenabrechnung ergab sich eine Nachforderung gegenüber der Stadt Stuttgart in Höhe von 67.000 Euro.

Weiterhin wurden Fehler bei der Vergabe größerer Lieferungen und Leistungen festgestellt.

Die wissenschaftliche Inventarisierung der Ausstellungsstücke und die Anlagenbuchhaltung bleiben hinter den für die Landesmuseen geltenden Anforderungen zurück.

3 Empfehlungen

3.1 Strategische Neuorientierung

Das Linden-Museum braucht eine neue Museumsstrategie, die seine Leistungs- und Entwicklungsziele in der gewandelten Medienwelt neu definiert und zu für den Besucher sichtbaren Veränderungen führt. Eine neu gestaltete Dauerausstellung muss auch in Zukunft durch attraktive Sonderausstellungen ergänzt werden.

Notwendig ist ein für den Betrieb eines Völkerkundemuseums geeignetes und neuzeitlich ausgestattetes Museumsgebäude.

3.2 Straffung der inneren und äußeren Organisation

Die äußere Organisation des Linden-Museums sollte durch eine neue Aufgabenverteilung zwischen dem Land und der Stadt Stuttgart vereinfacht werden. Denkbar wäre die alleinige Verantwortung der Stadt Stuttgart für ein künftiges neues Museumsgebäude und die volle inhaltliche und finanzielle Verantwortung des Landes für den laufenden Museumsbetrieb.

Die innere Organisation kann durch eine Gliederung in nur zwei Abteilungen gestrafft werden. Bei konsequenter Vergabe von Dienstleistungen an Dritte kann die Personalausstattung des Museums um 18 Vollzeitäquivalente reduziert werden.

3.3 Verbesserung der Wirtschaftlichkeit

Nach einer grundlegenden Neugestaltung und Verbesserung der Dauerausstellung sollten die Eintrittspreise deutlich erhöht werden.

Die Aktivitäten zur Gewinnung von Sponsoren müssen professionalisiert, das Ergebnis des Museumsshops muss durch geeignete Maßnahmen verbessert werden.

3.4 Verbesserung der Haushalts- und Wirtschaftsführung

Die vom Rechnungshof festgestellten Defizite und Rechtsverstöße in der Haushalts- und Wirtschaftsführung sind zu beheben. Insbesondere sind die Vorschriften des Vergaberechts bei der Beschaffung von Sachen und Dienstleistungen künftig strikt zu beachten.

Die Tätigkeitsbeschreibungen für alle Beschäftigten sind zu erstellen.

Die wissenschaftliche Inventarisierung und die Anlagenbuchhaltung sind voranzutreiben und an die geltenden Anforderungen anzupassen.

3.5 Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit, Außenstellen

Das Linden-Museum sollte prüfen, ob nach dem Beispiel von Ettlingen weitere Teile seiner Sammlung auch an Orten außerhalb des eigentlichen Museums präsentiert werden können (Zweigmuseen, Außenstellen). Diese sollten dann allerdings in der Öffentlichkeitsarbeit des Museums auch angemessen präsentiert und beworben werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium schließt sich der grundsätzlich positiven Einschätzung des Linden-Museums durch den Rechnungshof an. Die vom Rechnungshof benannten strategischen Schwächen des Museums seien bekannt und in Verwaltungsrat und Beirat des Museums mehrfach thematisiert worden. Das Ministerium habe dazu die Einrichtung von Arbeitsgruppen forciert, in denen es auch selbst vertreten war.

Mit der neuen Direktorin, die ihr Amt am 01.02.2010 angetreten habe, sollen Zielvereinbarungen abgeschlossen werden. Die Gesamtsituation des Museums solle durch schrittweise Maßnahmen verbessert werden. Zwar sei ein Neubau aufgrund der schwierigen Haushaltslage von Land und Stadt nicht realisierbar, jedoch werde demnächst ein Besucherleitsystem eingerichtet und die äußere Wirkung des Museums verbessert.

Maßnahmen zur Verstärkung der Bereiche Sponsoring und Marketing sowie Kunstvermittlung seien vorgesehen, die innere Organisation werde bald geändert.

Die vom Rechnungshof benannten Einsparpotenziale werde das Museum im Auftrag des Ministeriums prüfen, allerdings sollen die dadurch freiwerdenden Ressourcen dem Museum verbleiben, um einzelne Kernbereiche zu stärken. Auch habe die Leitung des Linden-Museums bereits erste Schritte ergriffen, um die vom Rechnungshof festgestellten Defizite der Haushalts- und Wirtschaftsführung zu beheben. Die Einrichtung eines Verwaltungsverbundes mehrerer Stuttgarter Museen werde geprüft.

Eine neue Aufgabenteilung zwischen Land und Stadt beim Betrieb des Linden-Museums hält das Ministerium nicht für sinnvoll. Die gemeinsame Finanzierung sei Teil des zwischen Stadt und Land vereinbarten Kulturpakets. Diese Vereinbarung zu ändern, hätte Auswirkungen auf andere gemeinsam finanzierte Einrichtungen (Staatstheater, Stuttgarter Philharmoniker). Überdies sei nicht ersichtlich, welche finanziellen Vorteile die vom Rechnungshof vorgeschlagene Aufgabenteilung für das Land habe.

Das Ministerium werde das Linden-Museum auch auffordern, zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Zugleich weist es aber darauf hin, dass das Linden-Museum wie alle Museen den Spagat zwischen wissenschaftlicher Fundierung und Publikumsorientierung bewältigen müsse. Eine breite Kommerzialisierung sei aus Sicht des Ministeriums nicht erstrebenswert.

5 Schlussbemerkung

Der Vorschlag, die Aufgaben zwischen Stadt und Land neu zu verteilen, soll nicht primär der Entlastung des Landeshaushalts dienen, sondern die Organisation des Museums so weit vereinfachen, dass die Modernisierung und strategische Steuerung des Museums nicht an schwerfälligen Abstimmungsprozessen scheitert.

Die Erfolge des Badischen Landesmuseums und des Landesmuseums Württemberg zeigen, dass sich wissenschaftlicher Anspruch und Publikumsorientierung nicht ausschließen und in gelungener Kombination zu einem guten wirtschaftlichen Ergebnis führen können.