Landesimmobiliengesellschaft Baden-Württemberg [Beitrag Nr. 24]

Der Versuch, den Immobilienbestand des Landes mit privatrechtlichen Strukturen und Instrumenten sowie Know-how aus der privaten Wirtschaft besser zu vermarkten, ist gescheitert. Eine frühzeitige Auflösung der Landesimmobiliengesellschaft Baden-Württemberg hätte Kosten vermieden.

1 Ausgangslage

1.1 Allgemeines

Zu den Kernaufgaben des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg (Landesbetrieb) gehört die strategische Grundstückspolitik des Landes. Die Landesregierung hat 2005 die Vermögensverwaltung beauftragt, nicht betriebsnotwendige Landesimmobilien im Wert von insgesamt 310 Mio. Euro zu veräußern. Über eine weitere Verkaufsoffensive sollten zusätzliche Erlöse von 300 Mio. Euro erzielt werden. Diese sollten die Neuverschuldung 2006 absenken.

Der Ministerrat hat am 26.07.2005 das Finanzministerium beauftragt, für die weitere Verkaufsoffensive eine Landesgesellschaft zu gründen. Die vom Landesbetrieb Vermögen und Bau einerseits und von der Landesgesellschaft andererseits zu veräußernden Grundstücke wurden abgegrenzt, um parallel laufende Verkaufsaktivitäten zu vermeiden.

Ein erfahrener Asset-Manager sollte als Berater für diese Verkaufsoffensive die Immobilienbestände des Landes auf Bestandswürdigkeit, Entwicklungsfähigkeit und Verkaufswürdigkeit hin untersuchen und wirtschaftliche Verkaufsportfolien bilden. Er sollte mit Erfolgsbeteiligung selbstständig agieren, um potenzielle Verkaufschancen ausfindig zu machen und entsprechend zu nutzen. Hierzu hat das Land als Alleingesellschafter 2006 eine Projektgesellschaft, die Landesimmobiliengesellschaft Baden-Württemberg - Verwaltungs- und Beteiligungs-GmbH (LIG-BW), gegründet.

Die LIG-BW sollte über kein eigenes Personal verfügen. Die Geschäftsführung sollte dem Asset-Manager übertragen und sein Know-how und seine Erfahrungen im Immobilienmanagement zur optimalen Vermarktung der Landesimmobilien genutzt werden.

Im Einzelnen sollte das beauftragte private Unternehmen folgende Leistungen erbringen:

  • die LIG-BW beraten,
  • Immobilienverkäufe vorbereiten und durchführen,
  • die Geschäftsführung der LIG-BW übernehmen.

Das Land sollte die Aktivitäten der Gesellschaft und somit des Dienstleisters über den Aufsichtsrat steuern und kontrollieren.

Nach einer europaweiten Ausschreibung hat das Land mit einem Konsortium einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit einer Laufzeit von vier Jahren abgeschlossen. Der Geschäftsbesorgungsvertrag endete im April 2010. Eine Kündigung durch das Land war mit einer sechswöchigen Frist zum Ende eines Kalendermonats jederzeit möglich.

1.2 Zielsetzungen

Neben der Beratung lag der Fokus der neu gegründeten Gesellschaft in der Vermarktung des abgegrenzten Immobilien-Portfolios.

Der Asset-Manager hat zunächst in zwei Pilotbezirken (Heilbronn und Freiburg) den Immobilienbestand des Landes abschließend untersucht. Er schlug vor, eine Vielzahl von Landesimmobilien mit einem Volumen von 210 Mio. Euro an einen Fonds zu verkaufen. Gleichzeitig mit dem Verkauf sollte das Land die Immobilien wieder zurückmieten (Sale-and-rent-back). Daneben sollten Erbbaurechte veräußert und im Zuge der Verwaltungsstrukturreform für das Land entbehrlich gewordene Objekte verkauft und so 40 Mio. Euro erlöst werden.

Nach umfangreichen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen unter Beteiligung des Rechnungshofs hat die Landesregierung von Sale-and-rent-back-Transaktionen Abstand genommen. Hierfür waren folgende Gründe ausschlaggebend:

  • Die Bewertung der Immobilien durch die LIG-BW schien unangemessen niedrig. Einer Veräußerung unter Wert kam aus wirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen Gründen nicht in Betracht.
  • Der Großteil der Immobilien wird weiterhin für Landeszwecke benötigt. Der Verkauf mit dem Ziel, diese Objekte dann anzumieten, wurde als langfristig nicht unwirtschaftlich eingeschätzt.

Mit dem vom Rechnungshof mitgetragenen Verzicht auf Sale-and-rent-back-Modelle war klar, dass die ursprünglich angestrebten 300 Mio. Euro nicht mehr erlöst werden konnten. Die Strategie der LIG-BW für 2007 und 2008 musste deshalb neu ausgerichtet werden. Die LIG-BW bzw. das Konsortium sollte nunmehr einzelne Objekte, die insbesondere von den Landkreisen genutzt wurden, vermarkten (Landkreisobjekte). Das Konsortium sollte außerdem den Verkauf von Erbbaurechtsgrundstücken weiter vorantreiben. Diese wurden von der Vermögens- und Bauverwaltung bis dato lediglich an den Erbbaurechtsnehmer als Einzelobjekt verkauft. Die LIG-BW strebte den Verkauf an Dritte und ggf. Portfolioverkäufe an. Das Konsortium sollte zusätzlich landwirtschaftliche Grundstücke vermarkten. Die möglichen Erlöse aus dem Verkauf der Landkreisobjekte, der Erbbaugrundstücke und der landwirtschaftlichen Grundstücke wurden neu auf 200 Mio. Euro geschätzt.

Allerdings musste der Verkauf von Erbbaugrundstücken an Dritte bzw. an Anlagefonds schnell aufgegeben werden. Der Verkauf der Objekte an Dritte wäre politisch nur schwer durchsetzbar gewesen. Die Erbbaugrundstücke konnten daher wie bisher nur an den Erbbaurechtsnehmer verkauft werden.

Insgesamt befanden sich 1.990 Erbbaugrundstücke mit 2.550 Erbbaurechtsverträgen in der Vermarktung. Davon konnten lediglich 114 Grundstücke verkauft werden. Dies entspricht 4,47 Prozent des gesamten Vermarktungspotenzials.

Aus ähnlichen Gründen wurde von der Veräußerung der landwirtschaftlichen Grundstücke Abstand genommen. Hinzu kam, dass eine gezielte Vermarktung im großen Stil die ohnehin schon niedrigen Preise für landwirtschaftliche Grundstücke noch weiter unter Druck gebracht hätte. Bei Einzelverkäufen wären Aufwand und Ertrag in keinem angemessenen Verhältnis gestanden.

Damit war von den ursprünglich für das Konsortium vorgesehenen vier Verkaufsfeldern im Wesentlichen nur noch ein Baustein, der Verkauf der Landkreisobjekte, übrig geblieben.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Vermarktungserfolge der Landesimmobiliengesellschaft

Tabelle 1 illustriert die Verkaufsleistungen der LIG-BW bis zum 30.06.2009.

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Die LIG-BW konnte lediglich 138 Objekte veräußern und einen Erlös von 21 Mio. Euro erzielen und blieb damit weit hinter den ursprünglichen Zielsetzungen zurück.

Parallel dazu hat der Landesbetrieb entbehrliche Immobilien aus seinem Zuständigkeitsbereich veräußert. 2007 wurden 540 Objekte für 90 Mio. Euro verkauft; 2008 waren es 166 Objekte für 50 Mio. Euro. Bis zum 30.06.2009 wurden weitere Immobilien für 39 Mio. Euro veräußert. In diesem Zeitraum hat der Landesbetrieb 179 Mio. Euro erlöst. Zusammen mit der LIG-BW wurden insgesamt 200 Mio. Euro erlöst. Der Anteil der LIG-BW an den Gesamterlösen betrug lediglich 11 Prozent.

2.2 Kosten und wirtschaftliches Ergebnis

Die konzeptionelle Betreuung des Projekts LIG-BW hat im Finanzministerium und im Landesbetrieb erheblich Personal gebunden. In der Vergangenheit konnten die internen Kosten für Privatisierungen nur eingeschränkt in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einbezogen werden. Für dieses Projekt konnten die Daten der Kosten- und Leistungsrechnungen des Finanzministeriums und des Landesbetriebs ausgewertet werden. Die für Konzeption, Gründung und die Betreuung des Projekts LIG-BW angefallenen internen Personalkosten zeigt Tabelle 2.

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Allein beim Finanzministerium und dem Landesbetrieb verursachte das Projekt im Zeitraum von 2005 bis 30.06.2009 Personalkosten von 3 Mio. Euro. Hierin enthalten sind nach Mitteilung des Finanzministeriums „Demokratiekosten“ von insgesamt 250.000 Euro, u. a. für die Beantwortung von Landtagsanfragen, Abgeordnetenschreiben und Petitionen. Selbst nach Abzug dieser Kosten ist der interne Personalaufwand hoch. Er entspricht dem Personaleinsatz von 30 Vollzeitäquivalenten.

Hinzu kamen Kosten für die externe Rechtsberatung von 51.279 Euro und Vergütungen an das Konsortium von 1.395.225 Euro. Hiervon entfielen 537.360 Euro auf Provisionen und 857.865 Euro auf Beratungsleistungen. In der Summe liegen die bislang beim Land angefallenen Kosten bei knapp 4,5 Mio. Euro. Dies sind 21 Prozent der von der Gesellschaft erzielten Erlöse.

Nach Abzug aller Kosten verblieben dem Land Erlöse von 17 Mio. Euro.

2.3 Bewertung

Die Überlegung des Finanzministeriums, privatwirtschaftliches Know-how bei der Veräußerung von Grundstücken zu nutzen, war im Ansatz durchaus schlüssig. Auch die Gründung einer Gesellschaft zu diesem Zweck war kein von vornherein falscher Weg. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigen jedoch ein ernüchterndes Bild. Das Ziel des Landes, mit privatwirtschaftlichen Strukturen und Instrumenten sowie dem Know-how der freien Wirtschaft den Immobilienbestand des Landes besser zu vermarkten und zusätzliche Erlöse zur Schuldentilgung zu generieren, wurde nicht erreicht. Die Erlöse blieben weit hinter den Erwartungen zurück.

Dafür gibt es mehrere Ursachen:

  • Das Finanzministerium kam in Übereinstimmung mit dem Rechnungshof zur Einschätzung, dass Sale-and-rent-back-Modelle in der Regel für das Land kein wirtschaftliches Ergebnis erbringen können.
  • Nach dem grundsätzlichen Verzicht auf Sale-and-rent-back-Modelle verblieb nur noch ein Vermögensbestand, der den aufwendigen Einsatz privater Berater nicht mehr rechtfertigte.
  • Erhebliche Teile des Immobilienvermögens des Landes waren schon veräußert, als die LIG-BW ihre Tätigkeit aufnahm.

Nach den Entwicklungen der letzten Jahre am Kredit- und Immobilienmarkt bleibt die Erkenntnis, dass das Land mit seiner bereits 2006 getroffenen Grundsatzentscheidung, auf Sale-and-rent-back-Modelle zu verzichten, richtig lag. Andere Länder sind mit ihrem Immobilienbestand andere Wege gegangen. Das Finanzministerium hat es allerdings versäumt, auf der Grundlage dieser Grundsatzentscheidung zeitnah die notwendigen Konsequenzen für die LIG-BW zu ziehen. Mit dem Verzicht auf Sale-and-rent-back-Modelle hätte gleichzeitig geprüft werden müssen, ob sich der Einsatz Privater und die Beratung durch diese noch rechnen. Ab diesem Zeitpunkt war die LIG-BW nur noch Konkurrenz zum Landesbetrieb. Es stand fest, dass für die entstehenden Aufwendungen keine ausreichenden Erlöse generiert werden können. Das Vertragsverhältnis mit dem Konsortium hätte so schnell wie möglich beendet und die Gesellschaft wieder aufgelöst werden müssen. Ein Großteil der von 2007 bis 2009 angefallenen Personalkosten von 1,6 Mio. Euro hätte vermieden werden können.

Der Rechnungshof verkennt nicht den positiven Nebeneffekt des Wirkens der LIG-BW. Durch sie wurden erstmals die Gesamtbestände der Erbbaurechtsgrundstücke und der Landkreisobjekte bewertet. Wegen der ausbleibenden Verkaufserlöse hat sich das jedoch für das Land nicht ausgezahlt.

3 Empfehlungen

Der Rechnungshof hat als Ergebnis der Prüfung vorgeschlagen, die LIG-BW aufzulösen.

Die Erfahrungen mit der LIG-BW müssen bei zukünftigen Privatisierungsentscheidungen und der Inanspruchnahme umfänglicher Beratungsleistungen einbezogen werden. Folgende Aspekte sind künftig zu beachten:

  • In eine ganzheitliche Betrachtung sind auch die voraussichtlich anfallenden internen Kosten der Verwaltung einzubeziehen.
  • Ziele und Zielerreichung sind in regelmäßigen Zeitabständen zu evaluieren.
  • Ändern sich grundlegende Rahmenbedingungen, müssen zeitnah die Ziele und die Wirtschaftlichkeit überprüft werden. Soweit nötig, ist zu entscheiden, ob das Projekt fortgeführt oder vorzeitig beendet werden soll.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium teilt die Auffassung des Rechnungshofs. Nachdem die Entscheidung gegen Sale-and-rent-back-Modelle gefallen war, habe es intensiv geprüft, ob und mit welcher Strategie die LIG-BW weitergeführt werden sollte. Ergebnis sei gewesen, dass bei Paketverkäufen, insbesondere im Bereich von Erbbaurechtsgrundstücken und landwirtschaftlichen Objekten, das Know-how eines Privaten erforderlich sei.

5 Schlussbemerkung

Das Land hat aus politischen Gründen auf Paketverkäufe von Erbbaurechtsgrundstücken sowie generell auf den Verkauf von landwirtschaftlichem Grundbesitz verzichtet. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte das Finanzministerium das Vertragsverhältnis mit dem Konsortium beenden müssen.