Die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume hat mit Millionenaufwand ein Qualitätssicherungsinstrument entwickelt. Das Ziel wurde verfehlt, das Gros der landwirtschaftlichen Betriebe nicht erreicht. Das Instrument sollte künftig auf notwendige fachliche und rechtliche Hinweise beschränkt werden.
Die Lehr- und Seminarräume sollten künftig intensiver genutzt, das renovierungsbedürftige Gästehaus sollte aufgegeben werden.
1 Ausgangslage
Die Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume (Landesanstalt) ist Kompetenzzentrum für betriebswirtschaftliche Fragen, landwirtschaftliche Marktkunde, Förderprogramme und Ernährungsaufklärung. Sie hat ihren Sitz in Schwäbisch Gmünd. In der Aus- und Fortbildung der Landwirtschaftsverwaltung hat sie eine zentrale Funktion. Die Landesanstalt beschäftigt Mitarbeiter im Umfang von 59 Vollzeitäquivalenten. Sie gab im Prüfungszeitraum durchschnittlich jährlich 4,5 Mio. Euro aus.
Der Rechnungshof untersuchte 2009 die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Landesanstalt von 2006 bis 2008.
2 Prüfungsergebnisse
Bemerkenswert sind die Prüfungsergebnisse zur Gesamtbetrieblichen Qualitäts-Sicherung (GQS) und zum Lehrbetrieb.
2.1 Gesamtbetriebliche Qualitäts-Sicherung
Der Ministerrat hatte 2001 vor dem Hintergrund der Rinderseuche BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) beschlossen, eine langfristig ausgerichtete integrierte und durchgängige Qualitätssicherung in der baden-württembergischen Land- und Forstwirtschaft voranzutreiben. Sie sollte als Grundlage für Qualitätssicherungssysteme sowie für die staatlichen Kontrollen und Untersuchungsmaßnahmen dienen.
Seither wird bei der Landesanstalt die sogenannte GQS für landwirtschaftliche Betriebe entwickelt und fortgeschrieben. GQS fasst alle gesetzlichen und förderrechtlichen Vorschriften zusammen, die für die Landwirte von Belang sind. Zusätzlich werden die Anforderungen verschiedener privatwirtschaftlicher Qualitätssicherungssysteme eingearbeitet. GQS soll auch bei der Büroorganisation helfen, Kontrollen vor Ort erleichtern und ist ein Eigenkontroll- und Dokumentationswerkzeug. Die Papierversion besteht aus drei Ordnern mit Checklisten, Ablageblättern, Vordrucken und Merkblättern. Sie wird für 40 Euro verkauft. Daneben gibt es eine elektronische Version und eine kostenlose Online-Version als Internetanwendung.
2.1.1 Zielerreichung
Die Ziele von GQS können nur erreicht werden, wenn das Instrument von den Landwirten angenommen und genutzt wird. Das gilt insbesondere für alle Haupterwerbsbetriebe und die Nebenerwerbsbetriebe ab 20 Hektar, insgesamt rund 25.000 Betriebe. Aus dieser Zielgruppe haben lediglich 14 Prozent ein GQS-Paket gekauft. Die Ergänzungslieferungen nehmen nur 4 Prozent in Anspruch. Die Abrufe bei der kostenlosen Online-Version des GQS beliefen sich 2009 ebenfalls auf 4 Prozent der Zielgruppe. 2007 wurde eine Marktanalyse im Auftrag der Landesanstalt durchgeführt. Sie sollte klären, wie die Nachfrage erhöht werden kann. Die Studie zeigte, dass 40 Prozent der befragten Landwirte aus Baden-Württemberg GQS nicht kannten. Nur 20 Prozent konnten GQS richtig einordnen. Hauptbeweggrund für den Kauf war die Angst vor Kontrollen und Prämienkürzungen. Von den Käufern arbeitete nur ein Drittel regelmäßig damit.
2.1.2 Konsequenzen
Aufgrund der Marktanalyse entwickelte die Landesanstalt ein umfangreiches Marketing-Konzept. Das Produkt sollte durch weitere Module (Verarbeitung/ Vermarktung, Biogas, Arbeitssicherheit) attraktiver gestaltet und der Zielgruppe näher gebracht werden. Die jährlichen Nutzungszahlen sind seither trotzdem weiter zurückgegangen.
Durch Kooperationsverträge mit Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und sogar Luxemburg wurde GQS weiter verbreitet. Die Landesanstalt integriert die jeweils landesspezifischen Vorschriften in die GQS-Basisversion. Die Kooperationspartner beteiligen sich an der Weiterentwicklung, z. B. durch ergänzende Module, und zahlen einen jährlichen Eigenbeitrag von jeweils 10.000 Euro, der die durch die Kooperationen verursachten Kosten jedoch nicht deckt.
2.1.3 Kriterien-Kompendium Landwirtschaft
Parallel zur GQS hat die Landesanstalt auf Bundesebene an dem Qualitätssicherungswerkzeug Kriterien-Kompendium Landwirtschaft mitgearbeitet. Dieses Produkt wurde schließlich vom Deutschen Bauernverband und vom Verband der Landwirtschaftskammern als Eigenentwicklung übernommen und zu einem kommerziellen Angebot ausgebaut. Das Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz hat diesen Verbänden die Nutzungsrechte an GQS unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dadurch sparten die Vertragspartner hohe Entwicklungskosten. Im Gegenzug erhielt das Land umfassende Nutzungs- und Beteiligungsrechte am Kriterien-Kompendium Landwirtschaft. Die Vertragspartner sind ihren Vertragspflichten nur unzureichend nachgekommen.
Das Kriterien-Kompendium Landwirtschaft ist mit GQS vergleichbar und inzwischen ein Konkurrenzprodukt. Es steht den Mitgliedern der berufsständischen Organisationen zur Verfügung.
2.1.4 Kosten für das Gesamtbetriebliche Qualitäts-Sicherungs-Projekt
Der Aufwand für das Projekt GQS ist erst seit 2006 aus der Kosten- und Leistungsrechnung ersichtlich. Er setzt sich aus dem Sachaufwand und dem Personalaufwand zusammen. Nach den Berechnungen des Rechnungshofs belaufen sich die Gesamtaufwendungen 2001 bis 2009 auf 2,6 Mio. Euro. Die Erlöse in diesem Zeitraum addieren sich auf 200.000 Euro. Auf jedes verkaufte GQS-Paket entfallen also Kosten von rund 640 Euro.
Würde das Projekt unverändert weitergeführt, würden die jährlichen Kosten rund 250.000 Euro betragen.
2.1.5 Bewertung
GQS kann die Landwirte durch fachliche und rechtliche Informationen unterstützen. Das kann helfen, das Anlastungsrisiko bei Fördermitteln der Europäischen Union zu verringern.
Es ist aber nicht Aufgabe des Staates, die Anforderungen der verschiedenen Qualitätssicherungssysteme der Privatwirtschaft in einer Dokumentation zusammenzufassen und ständig aktuell zu halten. Die Träger der privatwirtschaftlichen Qualitätssicherungssysteme stellen die für ihre Systeme erforderlichen Checklisten, Vordrucke und Merkblätter selbst zur Verfügung.
Genauso wenig ist es Aufgabe des Landes, mit hohem Kostenaufwand ein länderübergreifend einsetzbares Eigenkontroll- und Dokumentationskonzept für die landwirtschaftliche Erzeugung zu entwickeln.
Der Aufwand für GQS ist zu hoch. Die gesteckten Ziele wurden verfehlt, da das Gros der landwirtschaftlichen Betriebe nicht erreicht wird.
Das Ministerium hätte das Projekt spätestens 2008, nachdem die Marktstudie vorlag, umsteuern müssen. Stattdessen wird es bis heute mit unvermindertem Aufwand weitergeführt, obwohl der Absatz weiter zurückgegangen ist und mit dem Kriterien-Kompendium Landwirtschaft ein bundesweit einsetzbares privatwirtschaftliches Produkt auf dem Markt ist.
2.2 Lehrbetrieb
Zu den wichtigsten Aufgaben der Landesanstalt gehört, die Bediensteten der Landwirtschaftsverwaltung fachlich und methodisch aus- und fortzubilden. Sie verfügt in Schwäbisch Gmünd über vier Lehrsäle, vier Seminar- und Gruppenarbeitsräume sowie ein Gästehaus. Sie ist damit für diese Aufgabe gut ausgestattet.
Die Landesanstalt bildet Landwirtschaftsreferendare und Landwirtschaftsinspektoren aus. Die fachliche Fortbildung der Landwirtschaftsverwaltung ist weitgehend bei der Landesanstalt konzentriert.
Die Prüfung ergab, dass die Lehrsäle 2009 nach dem Belegungsplan (Stand September 2009) nur zu 41 Prozent, die Seminar- und Gruppenarbeitsräume zu 20 Prozent ausgelastet waren. Das Gästehaus war 2005 bis 2008 nur zu 40 Prozent ausgelastet. Angesichts der anfallenden Kosten war die einzelne Übernachtung teurer als die Unterbringung in einer Pension. Das Gästehaus ist zudem renovierungsbedürftig.
3 Empfehlungen
3.1 Gesamtbetriebliche Qualitäts-Sicherung
Das Projekt GQS sollte nicht in der jetzigen umfassenden Form weitergeführt werden. Denkbar wäre, lediglich Basisinformationen anzubieten, die sich auf die notwendigen fachlichen und rechtlichen Hinweise zum Fachrecht und den Fördermaßnahmen beschränken.
3.2 Lehrbetrieb
Bei der Landesanstalt könnten weitere Aus- und Fortbildungsaktivitäten aus dem Geschäftsbereich des Ministeriums für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz konzentriert werden.
Das Gästehaus sollte geschlossen werden. Für mehrtägige Veranstaltungen sind Kooperationen mit den umliegenden Beherbergungsbetrieben anzustreben.
4 Stellungnahme des Ministeriums
Das Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz weist darauf hin, das Land wolle die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft durch Qualitätssicherungssysteme stärken.
Das Land habe in den Entwicklungsjahren 2001 bis 2005 investiert, um die Qualität durch ein völlig neues Instrumentarium für landwirtschaftliche Unternehmen in Form einer Eigenkontrolle zu sichern. Wegen vielfältiger Einflussfaktoren und Komplexität sei der Ressourceneinsatz gerechtfertigt.
Nach eigenen Ermittlungen seien die Lehr- und Seminarräume zu 50 Prozent ausgelastet. Zukünftig solle ferner der Computerraum für die Lehrerfortbildung des Regierungspräsidiums Stuttgart mit genutzt werden. Dadurch würde sich dessen Auslastung auf 70 Prozent erhöhen.
Beim Gästehaus sei der geprüfte Zeitraum nicht repräsentativ. Bereits ab 2010 würden die Ausbildungszahlen wieder ansteigen. Dann werde das Gästehaus zu 55 Prozent ausgelastet.
5 Schlussbemerkung
Die agrarpolitische Zielsetzung des GQS-Projekts wird vom Rechnungshof nicht infrage gestellt. Die Entwicklungsphase ist jedoch beendet. Wir halten deshalb daran fest, dass das Projekt jetzt neu ausgerichtet und der Ressourceneinsatz erheblich reduziert werden sollte.
Selbst die vom Ministerium genannten Auslastungsgrade für die Lehr- und Seminarräume sowie das Gästehaus sind unzureichend.
Zweifelhaft ist, ob die Zahl der Landwirtschaftsreferendare auf dem augenblicklich hohen Niveau bleiben wird. Damit wird das Gästehaus nicht dauerhaft ausgelastet sein.