Sie sind hier: Startseite > Denkschriften

Denkschrift 2010

Vorwort

1 Haushalt konsolidieren

Baden-Württemberg hat 2008 und 2009 unter günstigen Bedingungen keine neuen Schulden aufgenommen. Dies zeigt: Nullverschuldung ist möglich. Dieses Ziel ist aber für den laufenden Doppelhaushalt 2010/2011 in weite Ferne gerückt - wie auch in anderen öffentlichen Haushalten. Wegbrechende Steuereinnahmen, hohe zusätzliche Belastungen und Risiken aus der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sowie das gesamtwirtschaftliche Ziel, die Binnennachfrage zu stärken, fordern ihren Tribut. Noch ist die Krise längst nicht überwunden. Trotz eines moderaten Wachstums rechnen die Experten mit Rückschlägen. Verwerfungen können immer wieder aufs Neue drohen. Hinzu kommt, dass die zur Stärkung der Binnennachfrage in großem Umfang aufgenommenen Schulden innerhalb von sieben Jahren zurückgezahlt werden müssen. Dies kann nur gelingen, wenn die Wirtschaft weit überdurchschnittlich wächst oder aber die Ausgaben entsprechend beschränkt werden.

Die Schulden des Landes werden bis 2011 von 41,7 auf 46,5 Mrd. Euro ansteigen. Die Kreditfinanzierungsquote wird in diesem Jahr die Marke von 7,6 Prozent erreichen. In der mittelfristigen Finanzplanung klafft auch 2012 und 2013 eine Deckungslücke von über zwei Milliarden Euro jährlich und dies bei weiteren neuen Schulden, die bereits eingeplant sind.

Das Frühjahrsgutachten der Forschungsinstitute zeichnet eine moderate Wachstumsperspektive für die nächsten Jahre. Die Steuereinnahmen werden allerdings nicht gleichzeitig wachsen, sondern nur mit erheblicher Verzögerung. Die Mai-Steuerschätzung bleibt sogar hinter den bisherigen Erwartungen zurück. Die Konsolidierung muss daher bei den Ausgaben ansetzen.

Das prognostizierte Wachstum der Wirtschaft sollte es ermöglichen, 2011 den haushaltspolitischen Kurswechsel einzuleiten, ohne die binnenwirtschaftliche Erholung zu gefährden. Im Gegenteil: Eine weiter wachsende Verschuldung der öffentlichen Hand stellt langfristig selbst ein erhebliches Risiko für die wirtschaftliche Erholung dar.
Im neuen Jahrzehnt müssen haushaltspolitisch drei Herausforderungen bewältigt werden:
  • Die Schuldenbremse muss greifen. Baden-Württemberg muss, wie andere Länder auch, ab 2020 ohne neue Schulden auskommen. Es wäre ein fatales Signal, wenn diese erst vor einem Jahr im Grundgesetz verankerte Messlatte im ersten Anlauf gerissen, das Ziel aufgeschoben oder gar aufgegeben würde.
  • Das Land muss schrittweise seine Schulden auf die landesgesetzliche Obergrenze von 41,7 Mrd. Euro zurückführen, die es sich in der Landeshaushaltsordnung selbst gesteckt hat.
  • In den laufenden und künftigen Haushalten muss es gelingen, das strukturelle Defizit, das die Haushalte des Landes seit Jahrzehnten belastet, durch Einsparungen zu schließen.
Die Bewältigung dieser drei Herausforderungen setzt eine mehrjährige Strategie voraus. Die Politik darf nicht dabei stehen bleiben, die einzelnen Haushaltsjahre nur punktuell zu betrachten, dort die Zwangsläufigkeiten wortreich zu beklagen, sie, weil nicht rechtzeitig für die jeweiligen Planjahre änderbar, aber weiter zugrunde zu legen. Mit Beginn der neuen Legislaturperiode sollten Haushaltsaufstellung und mittelfristige Finanzplanung mit einer perspektivischen Betrachtung bis 2020 (Erreichen der Schuldengrenze) verknüpft werden. Sie müssen als gesamtpolitische Aufgabe verstanden und als solche im politischen Alltag gelebt werden.

Die Konsolidierung endet in der Haushaltsaufstellung, sie beginnt aber bei der Fachpolitik.

Fachpolitik und Haushaltspolitik sind zwei Seiten derselben Medaille, die nicht mehr länger in falsch verstandener Arbeitsteilung isoliert betrieben werden dürfen. Beide dienen ausschließlich dem Wohl des Landes. Gesamtpolitisch rückt jetzt die Verantwortung für den Haushalt in den Mittelpunkt.

2 Gestaltungsspielräume gewinnen

Länderhaushalte sind in ihrer Struktur wenig elastisch. Sie sind dominiert von Personalausgaben und gesetzlichen Verpflichtungen. Der kommunale Finanzausgleich ist nach den Personalausgaben die zweitgrößte Position. Die Zahlungen in den Länderfinanzausgleich und der Schuldendienst übersteigen bei Weitem den frei gestaltbaren Anteil des Haushalts.

Die Kernaufgaben des Landes sind personalintensiv. Darin unterscheiden sich die Länderhaushalte grundlegend von denen des Bundes und der Kommunen. Die fast menschenleere Fabrik ist technologisch möglich, praktisch machbar und vielfach Realität. Schule ohne Lehrer, Forschung ohne Wissenschaftler, innere Sicherheit ohne Polizisten und Rechtsprechung ohne Richter und Staatsanwälte wird es aber nicht geben können.

Die kostenintensiven Kernaufgaben des Landes sind im weitesten Sinne personengebundene Dienstleistungen. Die Anforderungen an diese Leistungen unterliegen einer besonderen Dynamik. Es ist zunächst immer sinnvoll, mehr für Wissenschaft, mehr für Bildung und Erziehung, mehr für Sicherheit zu tun. Es dreht sich um staatliche Aufgaben, für die es aus der Sache heraus keine Obergrenze gibt und deren Erfüllung folglich immer zu einem Teil defizitär erscheint. Die Personalausgaben des Landes beanspruchen daher zwangsläufig den Löwenanteil des Haushalts. Umso wichtiger ist es, diese Ausgaben in den Griff zu bekommen. Der Rechnungshof macht dazu eine Reihe neuer grundlegender Vorschläge, die sich an die Politik richten. Er wirft damit einen Stein ins Wasser. Das Kalkül wird aber nur aufgehen, wenn auch Bürger, Gesellschaft und Wirtschaft bereit sind, ihre Anforderungen und Erwartungen an die öffentliche Hand nicht ständig nach oben zu schrauben. Wir müssen lernen, mit dem Vorhandenen auszukommen und aus weniger mehr zu machen. Ohne Aufgabenbremse versagt auch die Ausgabenbremse.

3 Vorschläge des Rechnungshofs nutzen


Mit unseren Prüfungen, Beratenden Äußerungen und der vorgelegten Denkschrift 2010 wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzkontrolle und der Senat des Rechnungshofs einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Neben dem Schwerpunkt der Haushaltspolitik spannt die diesjährige Denkschrift wiederum einen Bogen über alle Ressortbereiche des Landes. Nicht abstrakt, sondern konkret zeigen wir auf, wo und wie im Einzelfall gespart, effizienter gehandelt oder bessere Ergebnisse erzielt werden können. Die einzelnen Beiträge stehen nicht nur für sich, sie sprechen oft strukturelle und auf andere Bereiche übertragbare Lösungsansätze an.
  • Die Steuerthemen zeigen auf, wo bei der Erhebung mehr Einnahmen hätten erzielt werden können. Sie dokumentieren aber auch, welche Schwierigkeiten das Steuerrecht in seiner Komplexität auf der einen und einer unnötigen Kompliziertheit auf der anderen Seite für den Vollzug bereitet. Der Gesetzgeber unterschätzt fast regelmäßig den Aufwand und die Dauer, bis steuerrechtliche Änderungen in der Steuerverwaltung angekommen sind, vom Mitnehmen der Bürger ganz zu schweigen.
  • Ganz unterschiedliche Förderverfahren hat die Finanzkontrolle auf den Prüfstand gestellt, wie den Bau von Pflegeheimen, kommunale Straßenbauvorhaben, die Behandlung kommunaler Altlasten, energetische Vorhaben oder Projekte der Internationalen Bodensee-Hochschule. Unsere Empfehlungen geben Hinweise auf Stärken und Schwächen der einzelnen Verfahren und Förderarten.
  • Die Beiträge zur Staatsgalerie und zum Lindenmuseum runden die Untersuchungen zur Museumslandschaft ab und ermöglichen übergreifende Vorschläge, an denen wir derzeit arbeiten.
  • Die Struktur der Vergütung von Führungspersonal in einem speziellen Fachbereich greift die vergleichende Untersuchung der vier Universitätsklinika des Landes auf.
  • Konkrete Impulse zur Organisationsentwicklung setzen die Beiträge zu den Regierungspräsidien, zu der Landesanstalt für die Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume, zum Landesbetrieb Vermögen und Bau sowie zur IuK an der Universität Hohenheim. Mit dem letztgenannten Beitrag schlagen wir eine Brücke von der Landesverwaltung zu den Hochschulen. Zur IuK in der Landesverwaltung haben wir nämlich bereits im letzten Jahr perspektivische Empfehlungen entwickelt, deren Ansätze in weiteren Bereichen nutzbar gemacht werden können.
  • Um Personaleinsatz und Ressourcenverbrauch geht es bei den öffentlichrechtlichen Fachgerichtsbarkeiten und den Beiträgen zur Schule.
  • Kernfragen der Privatisierung werfen vor allem die Landesimmobiliengesellschaft und die Bewährungs- und Gerichtshilfe durch freie Träger, aber auch die Polizeibegleitung bei Großraum- und Schwertransporten auf. Im Fokus stehen dabei die Wirtschaftlichkeit und die Auswirkungen auf den Landeshaushalt.
  • Einen Einblick in das Spektrum des Hochbaus geben die vergleichende Betrachtung zweier Klinikneubauten, die Optimierungspotenziale beim Energieverbrauch von Universitätsgebäuden und das Zusammenwirken verschiedener Verwaltungen am Beispiel Bebenhausen.
  • Welchen Aufwand nicht aufeinander abgestimmte bundesgesetzliche Regelungen in sensiblen Bereichen wie Wohngeld, Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II verursachen, demonstriert die Untersuchung über das Wohngeld. Bei den dadurch verursachten Parallelverfahren und Antragskreisläufen stehen weniger die Antragssteller als vielmehr die Belange der Kostenträger im Vordergrund. Eine Harmonisierung der Gesetze und klare Zuordnungen wären für alle Seiten hilfreich.
  • Mit den Beispielen Staatsgalerie oder Arbeitszeit bei der Polizei knüpfen wir an frühere Prüfungen an und schauen nach, wie unsere Empfehlungen umgesetzt wurden. Wir wollen so Entwicklungs- und Verbesserungsprozesse begleiten und mit unseren Themen am Ball bleiben.
Der Landtag und seine Fraktionen sowie die Landesregierung haben auch im vergangenen Jahr viele unserer Vorschläge und Empfehlungen aufgegriffen. Als entscheidender Katalysator für den Transport unserer Empfehlungen und Vorschläge hat sich in den letzten Jahren zunehmend der Finanzausschuss des Landtags erwiesen. Wir bedanken uns für die Aufgeschlossenheit gegenüber unserer Arbeit und für eine kritische Auseinandersetzung, die vom Ringen um die Sache und gute Lösungen geprägt ist.

Trotz unserer Kritik und der Verbesserungsvorschläge, die wir anbringen, gilt: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes erfüllen verantwortungsbewusst und mit hohem Einsatz ihre Aufgaben.

Karlsruhe, im Mai 2010
Max Munding
Präsident des Rechnungshofs Baden-Württemberg
  1. Haushaltsrechnung, Haushaltsplan und Haushaltsvollzug
  2. Besondere Prüfungsergebnisse