Steuervorteile bei Gebäuden in Sanierungsgebieten [Beitrag Nr. 20]

Für Sanierungsmaßnahmen wurden Steuervorteile von durchschnittlich 10.000 Euro je geprüftem Fall zu Unrecht gewährt. Zwei Drittel der untersuchten Großfälle waren zu beanstanden.

1 Vorbemerkung

Hauseigentümer, die ihre Gebäude modernisieren oder instand setzen, können besondere Steuervorteile erhalten. Bei einem vermieteten Gebäude sieht das Einkommensteuergesetz (EStG) für solche Baumaßnahmen erhöhte Gebäudeabschreibungen von bis zu 10 % der Herstellungskosten jährlich vor (§ 7h). Nutzt der Eigentümer sein Gebäude selbst, darf ein entsprechender Betrag wie Sonderausgaben abgezogen werden (§ 10f). Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass

  • das Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet oder einem städtebaulichen Entwicklungsgebiet liegt,
  • im Sinne des Baugesetzbuchs (§ 177) modernisiert und instand gesetzt wurde und
  • die Gemeinde dies einschließlich der hierfür angefallenen Kosten in einer Steuerbescheinigung förmlich bestätigt.

Bei der Steuerbescheinigung handelt es sich um einen Grundlagenbescheid. Das Finanzamt ist somit an die Entscheidung der Gemeinde gebunden. Dies gilt selbst dann, wenn von der Gemeinde Baumaßnahmen bescheinigt wurden, bei denen die gesetzlichen Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen. Hält das Finanzamt eine Steuerbescheinigung für fehlerhaft, kann es grundsätzlich nur bei der Gemeinde anregen, die Bescheinigung zurückzunehmen (Remonstration).

Ein eigenständiges Prüfungsrecht haben die Finanzämter lediglich zur Frage, ob ein Neubau oder ein bautechnisch neues Gebäude erstellt wurde. Die besonderen Steuervorteile nach §§ 7h oder 10f EStG kommen für solche Baumaßnahmen nicht in Betracht.

2 Gegenstand und Umfang der Prüfung

Die Finanzkontrolle hat stichprobenweise 88 Einkommensteuerfälle untersucht, bei denen im Jahr 2004 eine Steuerbegünstigung von mindestens 20.000 Euro gewährt wurde. Betroffen waren dabei Sanierungsmaßnahmen der Jahre 1995 bis 2004 mit einem Gesamtvolumen von 26 Mio. Euro. Geprüft wurde, ob die Finanzämter die Vorschriften zur Inanspruchnahme der Steuervorteile korrekt umgesetzt hatten.

3 Prüfungsfeststellungen

Die von den Finanzämtern gewährte Steuerbegünstigung war in 64 % der geprüften Fälle zu beanstanden:

3.1 Steuerbescheinigungen und Kostenzusammenstellungen fehlen

In sieben Fällen ließen die Finanzämter erhöhte Gebäudeabschreibungen zum Abzug zu, obwohl über die Sanierungsmaßnahme keine Steuerbescheinigung vorgelegen hatte.

In weiteren zehn Fällen fehlte die von den Gemeinden geprüfte Kostenzusammenstellung, die notwendiger Bestandteil der Steuerbescheinigung ist.

Die beantragte Steuerbegünstigung hätte versagt werden müssen.

3.2 Finanzämter unterlassen Remonstration

Mehrfach ließen die Finanzämter Hauseigentümer auch dann in den Genuss des Steuervorteils kommen, wenn die Bescheinigung der Gemeinde offensichtlich fehlerhaft war:

Aus den untersuchten Akten der Finanzämter war in sechs Fällen ersichtlich, dass die Gemeinden vermutlich auch nichtbescheinigungsfähige Kosten in die Steuerbescheinigung aufgenommen hatten. Hierzu zählen Kosten für Neubauteile, den Ausbau von Dachgeschossen, den Anbau von Balkonen oder für Außenanlagen. Bescheinigungsfähig sind grundsätzlich nur solche Maßnahmen, durch die Mängel beseitigt oder Missstände eines Gebäudes behoben werden. Die Maßnahmen dürfen im Regelfall auch nicht dazu führen, dass sich die Fläche erweitert oder die bisherige Nutzung des Gebäudes ändert. Soweit die Steuerbescheinigungen offensichtlich fehlerhaft waren, hätten die Finanzämter die Gemeinden auffordern müssen, die Bescheinigung zurückzunehmen. Sie unterließen dies jedoch in allen entsprechenden Fällen.

3.3 Finanzämter üben eigenes Prüfungsrecht nicht aus

In 13 weiteren Fällen gewährten die Finanzämter die Steuervorteile, obwohl durch die Baumaßnahme ein selbstständiges Wirtschaftsgut - zum Beispiel eine Tiefgarage - neu geschaffen wurde. Die Steuerbegünstigung darf in solchen Fällen grundsätzlich nicht gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinden die Aufwendungen zu Unrecht bescheinigt haben. Insoweit machten die Finanzämter von ihrem Prüfungsrecht nicht ausreichend Gebrauch.

3.4 Besonderheiten bei Erwerbermodellen

Die unter Pkt. 3.3 genannten Fälle betrafen ausschließlich Erwerbermodelle. Dabei wird ein Gebäude von einem Bauträger erworben, in Wohneigentum oder Teileigentum aufgeteilt und anschließend an verschiedene Erwerber verkauft. Gegenstand des Kaufvertrags mit dem Erwerber ist, dass der Bauträger die einzelnen Einheiten modernisiert und in saniertem Zustand übergibt.

Bei solchen Erwerbermodellen stellten die Gemeinden die Steuerbescheinigungen mehrfach nicht den einzelnen Erwerbern, sondern direkt dem Bauträger gegenüber aus. Zudem beachteten sie regelmäßig nicht, dass Modernisierungsmaßnahmen nur dann steuerbegünstigt sind, wenn diese nach Abschluss des Kaufvertrags mit dem einzelnen Erwerber durchgeführt wurden. Die Finanzämter akzeptierten mehrfach solche fehlerhaften Bescheinigungen und gewährten in der Folge zu hohe Steuervorteile.

Des Weiteren rechneten die Finanzämter häufig die Funktionsträgergebühren (Betreuungskosten) in vollem Umfang den begünstigten Sanierungsaufwendungen zu. Der anteilig auf den Grund und Boden sowie auf die Altbausubstanz entfallende Teil ist jedoch nicht steuerbegünstigt.

Damit bei Erwerbermodellen nicht mehrere Wohnsitzfinanzämter den gleichen Sachverhalt ermitteln müssen, gilt seit 2002 eine Neuregelung: Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen obliegt für alle Erwerber dem Finanzamt, das für den Bauträger zuständig ist. Dies wurde von den Finanzämtern überwiegend nicht beachtet.

3.5 Unbefristete Antragsmöglichkeit

Der Antrag auf Erteilung einer Steuerbescheinigung ist an keine Frist gebunden. Steuerbescheinigungen können daher noch Jahre nach Abschluss der Maßnahme beantragt und von den Gemeinden ausgestellt werden. Dies führt bei den Finanzämtern nicht selten zu erheblichem Mehraufwand, da Steuerbescheide für sämtliche betroffenen Altjahre nachträglich geändert werden müssen.

4 Finanzielles Ergebnis der Prüfung

Als Folge der Prüfung durch die Finanzkontrolle erzielten die öffentlichen Haushalte bisher zusätzliche Steuereinnahmen von 580.000 Euro. Aus verfahrensrechtlichen Gründen konnten jedoch nicht alle fehlerhaften Steuerbescheide geändert werden. Neben den realisierten Mehrsteuern kam es daher zu Steuerausfällen von bisher 300.000 Euro. Das Prüfungsverfahren bei den Finanzämtern ist noch nicht abgeschlossen. Auf der Grundlage des bisherigen finanziellen Ergebnisses wurden somit Steuervorteile von durchschnittlich 10.000 Euro je geprüftem Fall zu Unrecht gewährt.

5 Bewertung und Empfehlungen

Die Feststellungen zeigen, dass erheblicher Handlungsbedarf besteht. Die Arbeitsqualität sollte nachhaltig verbessert werden. Der Rechnungshof empfiehlt,

  • die Regelungen des Leitfadens der Oberfinanzdirektion Karlsruhe über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen bei Erwerbermodellen konsequent umzusetzen,
  • den Leitfaden um eine Checkliste zu ergänzen und
  • den Finanzämtern praxisgerechte Hinweise für das Remonstrationsverfahren zu geben.

Um eine zutreffende steuerliche Beurteilung herbeizuführen, hält es der Rechnungshof jedoch auch für erforderlich, das Bescheinigungsverfahren zu optimieren. Er empfiehlt,

  • die Bescheinigungsrichtlinien zu überarbeiten mit dem Ziel, durch klare Regelungen den Gemeinden Sicherheit im Umgang mit dem Verfahren zu geben,
  • die Mustervordrucke so zu ergänzen, dass die Antragsteller zur Erklärung sämtlicher entscheidungserheblicher Angaben (zum Beispiel An- und Ausbauten, Außenanlagen) veranlasst werden,
  • in der Kostenzusammenstellung neben dem jeweiligen Rechnungsdatum auch die Angabe vorzusehen, wann die Baumaßnahme durchgeführt wurde,
  • neben den Zuschüssen aus Sanierungs- und Entwicklungsfördermitteln in die Steuerbescheinigung auch sämtliche weiteren Zuschüsse aus öffentlichen Kassen aufzunehmen (diesen kommt im Besteuerungsverfahren die gleiche Bedeutung zu) und
  • die Erteilung einer Steuerbescheinigung von einer Antragsfrist abhängig zu machen.

6 Stellungnahme des Ministeriums

In den meisten der aufgegriffenen Punkte sieht auch das Finanzministerium Handlungsbedarf. Es hat zugesagt, sich für eine präzisere Fassung der Bescheinigungsrichtlinien einzusetzen und die vom Rechnungshof empfohlene Checkliste einzuführen. Es beabsichtige außerdem, die Finanzämter nochmals auf die Beanstandungsschwerpunkte hinzuweisen.

Für nicht sinnvoll hält das Finanzministerium hingegen, die Finanzämter in verstärktem Maße zu Remonstrationsverfahren zu veranlassen. Sie müssten im Regelfall vielmehr auf die inhaltliche Richtigkeit der Steuerbescheinigung vertrauen dürfen. Eine Ausnahme gelte lediglich für klare, ins Auge springende Fehler in den Bescheinigungen. Im Übrigen weist das Finanzministerium darauf hin, wie schwierig es sei, die Gemeinden zur Aufhebung erteilter Bescheinigungen zu veranlassen. Dies liege zum einen daran, dass die Kommunen Amtshaftungsansprüche vermeiden möchten. Zum anderen verfolgten die Kommunen auch andere Interessen als die Finanzverwaltung. Es entstehe oftmals der Eindruck, dass Steuerbescheinigungen sehr bereitwillig und großzügig erteilt werden, um damit sanierungsbedürftige Gebäude für private Investoren interessanter zu machen. Vor diesem Hintergrund lehnt das Finanzministerium vermehrte Remonstrationsverfahren ab. Den erfolgversprechenderen Weg sieht es in einer präziseren Fassung der Bescheinigungsrichtlinien.

Das Finanzministerium weist außerdem darauf hin, dass lediglich Großfälle untersucht worden seien. Wegen des dort vorhandenen höheren Fehlerpotenzials dürfe die Fehlerquote von 64 % nicht verallgemeinert werden. Es sei nicht anzunehmen, dass die Finanzämter in zwei Drittel aller Fälle die Vorschriften nicht korrekt umgesetzt hätten.

7 Schlussbemerkung

Die Finanzkontrolle hat die Untersuchung bewusst auf Großfälle konzentriert. Im Rahmen eines effektiven Risikomanagements sind die Finanzämter gehalten, gerade solche Fälle mit besonderer Sorgfalt zu prüfen. Dass dennoch knapp zwei Drittel dieser Großfälle zu beanstanden waren, hält der Rechnungshof für nicht hinnehmbar.

Die unterlassene Remonstration wurde ausschließlich bei offensichtlich fehlerhaften Bescheinigungen beanstandet. Die entsprechenden Prüfungsfeststellungen wurden von den untersuchten Finanzämtern daher auch in jedem Fall akzeptiert.

Ungeachtet dessen kommen - aufgrund der Darlegungen des Finanzministeriums - Zweifel auf, ob vermehrte Remonstrationsverfahren zielführend wären. Fraglich ist jedoch ebenfalls, ob präziser gefasste Bescheinigungsrichtlinien für sich allein Abhilfe schaffen. Letztlich bliebe die Interessenlage der Gemeinden dadurch unverändert, sanierungsbedürftige Gebäude durch sehr bereitwillig und großzügig erteilte Bescheinigungen für Investoren interessanter zu machen. Um sicherzustellen, dass solche Interessen nicht zu weiteren Steuerausfällen führen, müsste die Zuständigkeit für das Bescheinigungsverfahren auf eine Landesbehörde übertragen werden.