Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung [Beitrag Nr. 19]

Jeder dritte Einkommensteuerbescheid, bei dem Unterhaltszahlungen berücksichtigt wurden, war in diesem Punkt fehlerhaft. Der Steuerausfall im Veranlagungszeitraum 2005 betrug 16 Mio. Euro.

1 Ausgangslage

Die Finanzkontrolle prüfte 2008 landesweit den Abzug von Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung.

Unterhaltszahlungen können bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 7.680 Euro je unterhaltener Person bei der Einkommensteuer abgezogen werden. Dieser Abzug als außergewöhnliche Belastung setzt u. a. voraus, dass für den Unterhaltsempfänger kein Anspruch auf Kindergeld besteht. Des Weiteren darf er kein oder nur geringes Vermögen besitzen. Eigene Einkünfte des Unterhaltsempfängers mindern den abzugsfähigen Höchstbetrag, soweit sie 624 Euro im Jahr übersteigen.

Unterhaltszahlungen an im Ausland lebende Personen (kurz: Auslandsunterhalt) sind grundsätzlich genauso zu behandeln wie Unterhaltszahlungen an Personen, die im Inland leben (Inlandsunterhalt). Allerdings werden beim Auslandsunterhalt erhöhte Anforderungen an den Nachweis der Bedürftigkeit der unterhaltenen Person sowie an den Nachweis der Unterhaltszahlungen gestellt. Dazu sind umfangreiche Verwaltungsanweisungen ergangen.

Bis zum Veranlagungszeitraum 2005 waren für einen Antrag auf Abzug von Unterhaltszahlungen wenige Zeilen in der Einkommensteuererklärung vorgesehen. Ab 2006 ist stattdessen eine neue, vierseitige „Anlage Unterhalt“ der Steuererklärung beizufügen.

2 Ablauf und Methode der Prüfung

Die Finanzkontrolle wertete zunächst landesweit die Steuerdaten aller Fälle des Veranlagungszeitraums 2005 aus, bei denen sich Unterhaltszahlungen von mindestens 1.000 Euro steuerlich ausgewirkt haben. Durch Zufallsauswahl wurden danach die Prüffälle bei acht Finanzämtern bestimmt. Sofern bei diesen Fällen auch in den Folgejahren entsprechende Unterhaltszahlungen angesetzt waren, wurden sie mit geprüft.

Ergänzend zur Fallprüfung wurden die Bediensteten von vier dieser acht

Finanzämter gebeten, Arbeitsaufzeichnungen zu führen. Aufgezeichnet wurde dabei der Aufwand, der für die Bearbeitung der geltend gemachten Unterhaltszahlungen angefallen ist.

3 Prüfungsfeststellungen

3.1 Fiskalische Bedeutung der Unterhaltszahlungen

Die abgezogenen Unterhaltszahlungen wirken sich erheblich auf das Steueraufkommen aus. Im Veranlagungszeitraum 2005 wurden landesweit in mehr als 75.000 Fällen Unterhaltszahlungen abgezogen. Die gesamte steuerliche Auswirkung betrug 82,5 Mio. Euro, das entspricht 1.090 Euro je Fall.

3.2 Bearbeitungsqualität bei Unterhaltsfällen

3.2.1 Gesamtergebnis

Von den geprüften 1.019 Einkommensteuerbescheiden waren 339 Bescheide hinsichtlich der Unterhaltszahlungen zu beanstanden. Dies entspricht einer Quote von 33 %, d. h. jeder dritte Steuerbescheid war in diesem Bereich fehlerhaft.

Bei mehr als der Hälfte der geprüften Bescheide war Auslandsunterhalt abgezogen worden. Hier wurden 44 % der Steuerbescheide beanstandet. Das sind doppelt so viele wie beim Inlandsunterhalt (22 %).

Die bei der Prüfung festgestellten Steuerausfälle belaufen sich auf

210.000 Euro. Je beanstandetem Fall sind das im Durchschnitt 619 Euro. Beim Auslandsunterhalt beträgt der Steuerausfall je beanstandetem Fall 631 Euro, beim Inlandsunterhalt 591 Euro.

3.2.2 Zeitliche Entwicklung

Aufgrund der Fallauswahl ist das Ergebnis für den Veranlagungszeitraum 2005 landesweit repräsentativ. Dies gilt für 2006 und 2007 nur eingeschränkt. Dennoch lassen sich aus der zeitlichen Entwicklung der Beanstandungsquoten über die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2007 Tendenzen ableiten. Die Tabelle zeigt diese Entwicklung auf.

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Beim Inlandsunterhalt scheint sich die Bearbeitungsqualität tendenziell zu verbessern. Demgegenüber zeichnet sich beim Auslandsunterhalt keine Besserung ab. Die Beanstandungsquote von 68 % für den Veranlagungszeitraum 2007 lässt vielmehr befürchten, dass sich die Bearbeitungsqualität weiter verschlechtert hat.

Bei den Steuerausfällen je geprüftem Steuerbescheid zeigen sich die gleichen Tendenzen wie bei den Beanstandungsquoten. Beim Inlandsunterhalt mindern sich die Steuerausfälle im Betrachtungszeitraum von 156 Euro auf 72 Euro, während sie sich beim Auslandsunterhalt von 259 Euro auf 598 Euro erhöhen.

3.2.3 Fehlerursachen

Bei den beanstandeten Steuerbescheiden wurden insgesamt 400 Fehler festgestellt. Davon betreffen 284 Fehler (71 %) die Einkommensteuerbescheide mit Auslandsunterhalt. Häufigste Fehlerursache war, dass die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers oder die geleisteten Zahlungen unzureichend nachgewiesen wurden. So wurden beispielsweise vielfach

  • Unterhaltsempfänger als bedürftig angesehen, ohne dass die jeweils notwendige amtliche Bescheinigung der ausländischen Behörde vorlag;
  • geltend gemachte Barzahlungen berücksichtigt, obwohl nicht nachgewiesen war, dass der Unterhaltsleistende überhaupt entsprechende Mittel hatte.

Die 190 Fehler im Nachweisbereich verursachten Steuerausfälle von 119.000 Euro.

Beim Inlandsunterhalt war Fehlerschwerpunkt, dass Einkünfte oder Vermögen der Unterhaltsempfänger unzutreffend berücksichtigt wurden. Auf diese Ursache entfallen 66 Fehler, die zu einem Steuerausfall von insgesamt 38.000 Euro führten.

3.3 Landesweite finanzielle Auswirkung (Hochrechnung)

Die Bearbeitungsqualität bei den Unterhaltsfällen führte im Veranlagungszeitraum 2005 landesweit zu Steuerausfällen von 16 Mio. Euro. 19 % der gesamten Steuerentlastung aus diesem Bereich wurden zu Unrecht gewährt. Der Steuerausfall für den Veranlagungszeitraum 2006 dürfte sich in einer ähnlichen Größenordnung bewegen.

3.4 Weitere Erkenntnisse

3.4.1 Auswirkung des Risikomanagementsystems

Erklärtes Ziel der Steuerverwaltung ist, dass die Bediensteten der Finanzämter künftig nur noch solche Sachverhalte prüfen, die von einem (maschinellen) Risikomanagementsystem als risikobehaftet erkannt werden.

Das Risikomanagementsystem stufte auch solche Fälle als nur punktuell risikobehaftet oder sogar als nicht risikobehaftet ein, bei denen sich Sachverhalte mit Unterhaltszahlungen steuerlich erheblich auswirkten. In der Folge wurden die Voraussetzungen für den Abzug von Unterhaltszahlungen nur unvollständig oder überhaupt nicht mehr von Sachbearbeitern geprüft.

3.4.2 Maßnahmen der Verwaltung zur Verbesserung der Arbeitsqualität

Über aktuelle Entwicklungen im Bereich der Unterhaltszahlungen wurden die Finanzämter bei den jährlichen Veranlagungsfortbildungen informiert.

Anfang 2006 gab das Bundesfinanzministerium neu gefasste Verwaltungsanweisungen bekannt, die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden waren. Die Oberfinanzdirektion nahm das zum Anlass, im März 2008 eine Umfrage bei den Finanzämtern durchzuführen. Diese gaben an, dass beim Auslandsunterhalt die Anlage Unterhalt durchgängig mangelhaft ausgefüllt werde. Zudem seien die dort gemachten Angaben kaum überprüfbar. Häufig müsse bezweifelt werden, ob die amtlichen Bestätigungen aus dem Ausland echt seien. Die Finanzämter regten an, für die Bearbeitung von Fällen mit Auslandsunterhalt eine Checkliste einzuführen. Des Weiteren sollten Fälle mit Unterhaltszahlungen grundsätzlich vom Risikomanagementsystem zur manuellen Prüfung ausgesteuert werden.

Als Reaktion auf die Umfrageergebnisse wies die Oberfinanzdirektion die Finanzämter im November 2008 ausdrücklich darauf hin, dass die in den Anweisungen des Bundesfinanzministeriums enthaltenen Beweislast- und Nachweisregeln zwingend zu beachten seien. Dies gelte umso mehr, weil die fehlenden Kontrollmöglichkeiten beim Auslandsunterhalt „derzeit nicht zu beheben“ seien. Um die Arbeit der Finanzämter zu erleichtern, werde die Oberfinanzdirektion eine Checkliste erstellen. Hinsichtlich des Risikomanagementsystems sehe sie keinen Handlungsbedarf. Bei Unterhaltszahlungen sollten auch künftig nur risikobehaftete Sachverhalte zur manuellen Prüfung ausgesteuert werden.

3.4.3 Arbeitsaufzeichnungen

Die Finanzämter zeichneten bei 502 Einkommensteuerveranlagungen des Veranlagungszeitraums 2007 auf, wie viel Zeit und wie viele Arbeitsschritte sie für das Bearbeiten von Unterhaltszahlungen benötigten.

Die Bearbeitungsdauer für Unterhaltszahlungen war beim Auslandsunterhalt mit 23 Minuten wesentlich höher als beim Inlandsunterhalt (14 Minuten). Bemerkenswert war, dass beim Auslandsunterhalt keine zusätzlichen Arbeitsschritte aufgewendet wurden. Da in dieser Fallgruppe häufig Angaben und Nachweise fehlen, ist zu vermuten, dass die notwendigen Ermittlungsmaßnahmen vielfach unterblieben. Es ist deshalb zu befürchten, dass die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Verwaltungsanweisungen nicht besser beachtet werden als die Vorschriften für die früheren Veranlagungszeiträume.

4 Bewertung und Empfehlungen

Die Bearbeitungsqualität von Einkommensteuerfällen mit Unterhaltszahlungen ist unbefriedigend. Angesichts der hohen Fallzahlen ist allein in Baden-Württemberg von jährlichen Steuerausfällen in zweistelliger Millionenhöhe auszugehen. Insoweit besteht Handlungsbedarf.

4.1 Fortbildungen beim Inlandsunterhalt erforderlich

Wesentliche Fehlerursache beim Inlandsunterhalt war, dass die Einkommens- und Vermögenslage beim Unterhaltsempfänger nicht zutreffend berücksichtigt wurde. Hierzu sollten die Bediensteten gezielt fortgebildet werden. Damit wäre in absehbarer Zeit eine zufriedenstellende Bearbeitungsqualität zu erreichen.

4.2 Weisungslage beim Auslandsunterhalt bis Veranlagungszeitraum 2006

Mit einer Fehlerquote von mehr als 42 % ist die Bearbeitungsqualität bei den Einkommensteuerbescheiden mit Auslandsunterhalt bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 2006 völlig unzureichend.

Der weit überwiegende Teil der Fehler beim Auslandsunterhalt betrifft den Nachweis der Bedürftigkeit und der geleisteten Unterhaltszahlungen. Diese Fehler sind nach Auffassung des Rechnungshofs darauf zurückzuführen, dass

  • den Bediensteten die Zeit fehlt, alle erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen, und
  • die im Ausland erstellten Bescheinigungen und Nachweise kaum verifiziert werden können.

Dies ist nicht allein durch neue oder wiederholte Verwaltungsanweisungen zu lösen.

4.3 Weisungslage beim Auslandsaufenthalt ab Veranlagungszeitraum 2007

Die Weisung der Oberfinanzdirektion an die Finanzämter, wonach die bundeseinheitlichen Vorgaben konsequent umzusetzen sind, ist sinnvoll. Gleiches gilt für die jüngst herausgegebene Checkliste. Fraglich ist jedoch, ob beide Maßnahmen ausreichen. Zu denken geben insoweit die Aussagen der Finanzämter zum Erklärungsverhalten, zur Nachweisproblematik und zur Verifizierbarkeit der eingereichten Bescheinigungen und Nachweise. Diese lassen den Schluss zu, dass die Finanzämter vor ähnlichen Problemen stehen, wie sie auch beim Verfahren bis zum Veranlagungszeitraum 2006 gestanden haben. Zu befürchten ist deshalb, dass die Bearbeiter aus Zeitmangel und wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten auch die neuen Verwaltungsanweisungen wohl nicht konsequent umsetzen werden. Die Ergebnisse aus den Arbeitsaufzeichnungen liefern hierfür erste Anhaltspunkte.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass die Verwaltung bis Ende des Jahres 2009 die Bearbeitungsqualität beim Auslandsunterhalt überprüft. Ergibt die anschließende Evaluierung, dass auch die ab dem Veranlagungszeitraum 2007 geltenden Verwaltungsvorschriften in der Praxis nicht umgesetzt werden, muss infrage gestellt werden, ob die entsprechenden Regelungen überhaupt in der täglichen Praxis umsetzbar sind. In diesem Fall sollte die Problematik zeitnah auf Bundesebene erörtert werden. Ziel müsste es dabei sein, eine Regelung zu finden, die von den Finanzämtern mit vertretbarem Aufwand vollzogen werden kann. Dazu könnten auch Gesetzesänderungen in Betracht zu ziehen sein.

Als Sofortmaßnahme hält es der Rechnungshof für erforderlich, das Risikomanagementsystem im Hinblick auf Zahl und Qualität der auszusteuernden Fälle zu optimieren. Wegen des hohen Risikos und der bundeseinheitlichen Weisungslage ist sicher zu stellen, dass nur Unterhaltszahlungen mit geringer steuerlicher Auswirkung ungeprüft bleiben.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Finanzministerium erhebt keine Einwände gegen die Sachdarstellung und die vertretene Rechtsauffassung. Es sieht ebenfalls Handlungsbedarf und sagt zu, alle Empfehlungen des Rechnungshofs umzusetzen. Es habe bereits damit begonnen.

Das Ziel, eine verbesserte Arbeitsqualität zu erreichen, werde allerdings zu einer zeitlichen Mehrbelastung der Bediensteten führen. Ferner bestünde trotz der erhöhten formellen Nachweisauflagen ab dem Veranlagungszeitraum 2007 das Grundproblem fort. Nach wie vor könnten die Finanzämter mangels hoheitlicher Befugnisse oftmals nicht feststellen, ob die Voraussetzungen für den Abzug von Auslandsunterhalt tatsächlich vorliegen. Insoweit seien auch die neuen Verwaltungsanweisungen betrugsanfällig.

Vor diesem Hintergrund prüfe derzeit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gesetzgeberische Maßnahmen, um die steuerliche Berücksichtigung von Auslandsunterhalt zu vereinfachen. Das Finanzministerium werde wie empfohlen überprüfen, ob die neuen Verwaltungsvorschriften konsequent umgesetzt werden. Das Ende 2009 vorliegende Ergebnis werde dann in diese Arbeitsgruppe eingebracht.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass eine bessere Arbeitsqualität beim Auslandsunterhalt voraussichtlich mit einer zeitlichen Mehrbelastung der Bediensteten verbunden ist. Diese lässt sich jedoch aufgrund der bundeseinheitlichen Weisungslage nicht vermeiden. Im Übrigen hält der Rechnungshof die vom Finanzministerium dargelegte Vorgehensweise für sinnvoll.