Personalunterkünfte der Zentren für Psychiatrie [Beitrag Nr. 17]

Die neun Zentren für Psychiatrie halten in beträchtlichem Umfang Wohnraum für Bedienstete, Zivildienstleistende, Pflegeschüler und externe Mieter vor. Das jährliche Defizit von 2,7 Mio. Euro wird durch Zuschüsse aus dem Landeshaushalt vollständig gedeckt. Der Rechnungshof schlägt vor, den Bestand von Wohneinheiten deutlich zu reduzieren, die Kosten der Bewirtschaftung zu senken, die Auslastung und die Erlöse zu verbessern und auf diese Weise das Defizit zu halbieren.

1 Ausgangslage

Alle neun Zentren für Psychiatrie (Zentren) stellen ihren Beschäftigten sowie Schülern, Zivildienstleistenden und Gästen Wohnraum in Wohnheimen und in Ein- und Mehrfamilienhäusern zur Verfügung.

Anfang 2008 verfügten die Zentren über insgesamt 919 Wohneinheiten in Wohnheimen und über 71 Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern. Sie verteilen sich auf 21 eigene Gebäude mit 206 Wohneinheiten und 34 angemietete Gebäude mit 784 Wohneinheiten.

Der Aufwand für die Bewirtschaftung des Wohnraums betrug 2007 insgesamt 4,9 Mio. Euro. Diesem Aufwand standen Erlöse in Höhe von 2,2 Mio. Euro gegenüber. Damit erwirtschafteten die Zentren durch das Vorhalten von Wohnraum ein Defizit von insgesamt 2,7 Mio. Euro.

Das Land leistet zum Ausgleich dieses Defizits einen jährlichen Zuschuss, der 2007 insgesamt 2,9 Mio. Euro betrug.

Der Rechnungshof hat 2008 die Bewirtschaftung dieser Wohneinheiten und Wohnungen geprüft. Ziel der Prüfung war es, Potenziale zur Verringerung des Defizits und damit auch des Landeszuschusses zu ermitteln.

2 Gründe für das Vorhalten des Wohnraums

In der Entstehungszeit der psychiatrischen Landeskrankenhäuser wurden auf deren Gelände Wohnheime und Wohnungen gebaut. Es gibt aber auch aktuelle strategische und operative Gründe dafür, bei den Kliniken Wohnraum bereitzuhalten:

  • Im Wettbewerb um Pflegekräfte und Ärzte kann das Angebot schnell verfügbaren und kostengünstigen Wohnraums den Ausschlag dafür geben, dass sich ein Bewerber für eine Beschäftigung in der jeweiligen Klinik entscheidet.
  • Die Zentren sind verpflichtet, für die von ihnen beschäftigten Zivildienstleistenden unentgeltliche Unterkünfte zur Verfügung zu stellen.
  • Krankenpflegeschüler aus somatischen Kliniken verbringen wenige Wochen ihrer Ausbildungszeit in einer psychiatrischen Klinik. In dieser Zeit müssen sie untergebracht werden. Zwischen den Kliniken besteht eine Vereinbarung, dass diese Unterbringung auf Gegenseitigkeit unentgeltlich erfolgt.
  • Personal, das auf dem Betriebsgelände wohnt, ist für Notfalleinsätze (Brandfall oder Entweichen eines Patienten) schnell verfügbar.

Schwer nachvollziehbar ist es dagegen, dass die Zentren Wohnraum vorhalten, damit er von ehemaligen Bediensteten oder von ehemaligen Patienten genutzt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die von diesen Bewohnern geleisteten Mietzahlungen den Aufwand für die jeweilige Wohneinheit nicht decken.

3 Wesentliche Feststellungen

3.1 Bestand an Wohneinheiten und Wohnungen

Der vorgehaltene Wohnraum verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Zentren für Psychiatrie:

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Eigentümerin der angemieteten Gebäude ist in den meisten Fällen die Landesbank Baden-Württemberg. In Calw gehören die angemieteten Gebäude der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Versorgungsanstalt). Die meisten Mietverträge sind auf lange Frist oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

Die Qualität des vorgehaltenen Wohnraums ist unterschiedlich: Während es sich bei den Einfamilienhäusern und den Wohnungen in der Regel um zeitgemäßen Wohnraum handelt, differiert die Qualität in den Wohnheimen stark. Etwa 70 % der Wohneinheiten in den Wohnheimen verfügen über eine eigene Kochgelegenheit und eigene sanitäre Anlagen. Starke Einschränkungen in der Qualität weisen vor allem die Wohnheime in Weinsberg, in Emmendingen und in Reichenau auf, zum Teil auch in Winnenden.

3.2 Auslastungsquote der Wohnheime

Die Auslastung der Wohnheimplätze errechnet sich aus dem Quotienten zwischen tatsächlichen und theoretisch möglichen Belegungstagen. Diese Quote ist an den einzelnen Standorten unterschiedlich.

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Die vergleichsweise guten Auslastungsquoten in Calw, Reichenau und Weissenau konnten nur dadurch erzielt werden, dass auch aktuelle oder ehemalige Patienten in den Wohneinheiten untergebracht wurden.

3.3 Kosten und Erlöse

Für die einzelnen Standorte ergeben sich folgende Kosten und Erlöse:

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Die monatlichen Kosten je m² Wohnraum bewegen sich in den Wohnheimen der Zentren zwischen 10,08 Euro (Wiesloch) und 19,47 Euro (Winnenden), bei den Wohnungen zwischen 5,15 Euro (Weinsberg) und 12,82 Euro (Wiesloch).

Die monatlichen Erlöse je m² Wohnraum betragen dagegen in den Wohnheimen zwischen 6,22 Euro (Calw) und 11,66 Euro (Weissenau), in den Wohnungen zwischen 4,01 Euro (Weinsberg) und 9,44 Euro (Wiesloch).

3.4 Zuschuss des Landes

Den erwirtschafteten Defiziten stehen bei den einzelnen Zentren feste Zuschüsse des Landes gegenüber, die sich an der Höhe der zu erwartenden Defizite orientieren.

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Soweit die einzelnen Zentren Zuschüsse erhalten, die die erwirtschafteten Defizite übersteigen, werden sie für allfällige Investitionen in den Folgejahren verwendet. Soweit die Zuschüsse hinter den Defiziten zurückbleiben, muss die Differenz aus dem Betriebsergebnis ausgeglichen werden.

4 Potenziale zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit

Die Prüfung hat folgende Potenziale ergeben, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern:

4.1 Wohnraumbestand reduzieren

Da jede Wohneinheit weniger Erlöse erbringt, als sie Kosten verursacht, ist die wichtigste Maßnahme zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit, den Bestand an Wohnraum zu reduzieren. Das Verhältnis von Erlösen und Kosten wird sich wegen des an allen Standorten offenkundigen Instandsetzungs- und Reinvestitionsbedarfs ohne Korrekturen eher noch verschlechtern.

An allen Standorten werden mehr Wohneinheiten vorgehalten, als sie aus rechtlichen und sozialen Gründen notwendig wären (z. B. für Zivildienstleistende oder Schüler). Dass ein beachtlicher Anteil der Wohnungen von ehemaligen Bediensteten und sogar von externen Dritten bewohnt wird, zeigt, dass auch die aus Gründen der Personalwerbung vorgehaltenen Wohnungen an Bedeutung verlieren.

Der Rechnungshof empfiehlt den Zentren für Psychiatrie, in den nächsten Jahren im Durchschnitt 40 % des vorgehaltenen Wohnraums abzubauen. Bei angemieteten Objekten müssen die Mietverhältnisse gekündigt werden. Bei eigenen Objekten ist eine Veräußerung der Wohnungen in Erwägung zu ziehen.

In jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob das Vorhalten von Wohnraum noch zu rechtfertigen ist.

Wird der Wohnraumbestand um 40 % reduziert, könnten nach Berechnungen des Rechnungshofs per saldo 1,4 Mio. Euro jährlich eingespart werden.

4.2 Kosten senken

Um die Kosten effektiv steuern zu können, bedarf es einer belastbaren Kosten- und Leistungsrechnung, die es erlaubt, die Kosten der Wohneinheiten hinreichend genau zu bestimmen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht an allen Standorten vorhanden. Probleme gibt es insbesondere in Calw.

Die von den Zentren an die Eigentümer entrichteten Mieten liegen teilweise deutlich über dem ortsüblichen Niveau. Das gilt umso mehr, wenn die schlechte Qualität vieler Wohnungen mit in Betracht gezogen wird. Soweit die Zentren Wohnungen angemietet haben und die Mietverhältnisse nicht ohnehin beendet werden sollen, müssen Verhandlungen über die Vereinbarung niedrigerer Mieten aufgenommen werden. In den drei oberschwäbischen Zentren für Psychiatrie konnten auf diese Weise bereits 2004 beachtliche Mietkostenreduzierungen erreicht werden.

Bei den Reinigungskosten für die gemeinschaftlich genutzten Anlagen in den Wohnheimen sind nach den Erfahrungen des Rechnungshofs ebenfalls noch deutliche Kostenreduzierungen möglich.

4.3 Erlöse verbessern

Die Personalwohnungen und Wohnheimplätze unterliegen nicht dem Tarifvertrag über Personalunterkünfte, da es sich nicht um Dienstwohnungen handelt. Die Zentren könnten daher anstelle der nach dem Tarifvertrag bemessenen Warmmiete eine ortsübliche Kaltmiete und die im Mietrecht üblichen Nebenkosten vereinbaren. Dazu zählen auch die bisher von den Zentren getragenen Reinigungskosten für die Gemeinschaftsflächen. Bei bestehenden Mietverhältnissen kann die Miete nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen bis zur ortsüblichen Miete erhöht werden.

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass an einigen Standorten die ortsübliche Miete nicht wesentlich höher liegt als die bisher in Rechnung gestellten Beträge. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob Mehreinnahmen möglich sind.

Weitere Erlössteigerungen sind möglich, wenn die Kosten des unentgeltlich vorzuhaltenden Wohnraums für einzelne Nutzer (z. B. Zivildienstleistende) der Abteilung in Rechnung gestellt werden, in der sie beschäftigt sind (interne Leistungsverrechnung).

Außerdem empfiehlt der Rechnungshof, die Auslastung der Wohneinheiten zu verbessern. Ein Zielwert von 85 % Auslastung (10 Monate Belegung) müsste bei einem entsprechenden Vermietungsmanagement an allen Standorten erreichbar sein.

4.4 Landeszuschuss reduzieren

Das Land ist nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht verpflichtet, die durch die Wohnraumbewirtschaftung entstehenden Defizite bei den Zentren für Psychiatrie in voller Höhe zu tragen. Nach der seither geübten Praxis wurden die Defizite weitgehend aus Landesmitteln abdeckt. Deshalb hatten die Zentren nur einen begrenzten Anreiz, eigene Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu treffen.

Da die aufgezeigten Wirtschaftlichkeitspotenziale jedenfalls mittelfristig das Defizit auf die Hälfte reduzieren können, empfiehlt der Rechnungshof, die Zuschüsse aus dem Landeshaushalt beginnend ab 2012 in wenigen Schritten auf 50 % der 2009 gewährten Beträge zu reduzieren. Um die notwendige Planungssicherheit für die Zentren zu gewährleisten, sollte allerdings das System fester Zuschüsse beibehalten werden.

Dadurch ergibt sich im Landeshaushalt eine Einsparung in einer Größenordnung von 1,4 Mio. Euro jährlich. Zugleich erhalten die Zentren für Psychiatrie die notwendigen wirtschaftlichen Anreize, ihre Defizite im Bereich der Wohnraumbewirtschaftung nachhaltig abzusenken.

5 Besondere Situation in Calw

Eine wirtschaftlich besonders schwierige Situation hat sich beim Zentrum für Psychiatrie Calw ergeben. Das dort erwirtschaftete Defizit übersteigt die Defizite der anderen Zentren bei weitem. Nahezu 30 % des Landeszuschusses fließen deshalb nach Calw.

Die wesentliche Ursache des hohen Defizits sind Verträge, die das Land 1974 und 1975 mit der Versorgungsanstalt abgeschlossen hat und die für das Land rechtlich und wirtschaftlich sehr nachteilig sind. Das Ministerium für Arbeit und Soziales, das diese Verträge seinerzeit abgeschlossen hat, vereinbarte mit der Versorgungsanstalt, dass das Land nicht nur jährliche Mietzahlungen in beträchtlicher Höhe leistet (derzeit 800.000 Euro), sondern dass sich diese Mietzahlungen alle fünf Jahre um die Hälfte des gestiegenen Lebenshaltungsindexes erhöhen. Zudem hat das Land alle Instandhaltungen einschließlich notwendiger Investitionen in „Dach und Fach“ zu tragen. Obwohl das Land (jetzt das Zentrum für Psychiatrie Calw) als Mieter auf diese Weise die Substanz der Mietsache erhält, muss es nach Ablauf des Mietverhältnisses die Mietobjekte zum aktuellen Sachwert erwerben. Als Ende des Mietverhältnisses ist das Jahr 2024 vereinbart.

Bei einer Investitionssumme von 9,4 Mio. Euro erzielt die Versorgungsanstalt als Vermieterin nicht nur eine garantierte Rendite von nahezu 9 % jährlich, sondern sie erhält auch den vom Land geschaffenen bzw. erhaltenen Sachwert am Schluss noch einmal und damit doppelt vergütet.

Diese ungewöhnliche Vertragsgestaltung benachteiligt das Zentrum für Psychiatrie Calw, das in die Verträge als Rechtsnachfolger des Landes eingetreten ist, in unangemessener Weise. Wäre das Land bzw. dieses Zentrum ein privater Mieter, so müsste erwogen werden, ob der Inhalt des Vertrages nicht gegen die guten Sitten verstieße und deshalb nichtig wäre.

Das Land hätte einen solchen Vertrag nicht abschließen dürfen.

Um wenigstens eine minimale Restwirtschaftlichkeit zu erreichen, empfiehlt der Rechnungshof, mit der Versorgungsanstalt über eine schnelle Beendigung dieses unangemessenen Vertragsverhältnisses zu verhandeln und die Wohnungen so schnell wie möglich zu einem möglichst günstigen Preis zu erwerben.

Damit müsste das Zentrum in Calw die Wohneinheiten zwar weiter bewirtschaften, aber das jährliche Defizit ließe sich, auch unter Berücksichtigung notwendiger Finanzierungskosten, deutlich reduzieren.

Hilfsweise müsste versucht werden, mit der Versorgungsanstalt über eine Anpassung des Mietvertrages an heute übliche Konditionen zu verhandeln.

Wenn es gelingt, zu einer solchen Neuordnung der Verhältnisse in Calw zu kommen, erscheint auch hier eine Reduzierung des Landeszuschusses ab 2012 um bis zu 50 % möglich und vertretbar.

6 Stellungnahme des Ministeriums

Das Ministerium für Arbeit und Soziales weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Vermietung von Personalunterkünften an Externe (z. B. ehemalige Bedienstete) dazu diene, Leerstände zu vermeiden und Deckungsbeiträge für die laufenden Kosten der Wohnanlagen zu erwirtschaften. Soweit sie zur Patientenversorgung genutzt werden, machen sie die Anmietung anderer Räumlichkeiten entbehrlich.

Im Übrigen begrüßt das Ministerium grundsätzlich die vom Rechnungshof unterbreiteten Vorschläge zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Personalunterkünfte. Es merkt jedoch an, dass der Umfang, in dem von den Zentren für Psychiatrie künftig Wohnraum vorgehalten wird, von verschiedenen (auch regional unterschiedlichen) Faktoren abhängt und deshalb einer kritischen Prüfung durch die Zentren bedarf. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass aufgrund bundesrechtlicher Vorgaben in nächster Zukunft eine Aufstockung des Personals der Zentren zu erwarten sei.

Frühere Bemühungen der Zentren für Psychiatrie zur Reduzierung des Wohnraums seien häufig an der ablehnenden Haltung der Gebäudeeigentümer und bei eigenen Objekten an der fehlenden Kaufnachfrage gescheitert.

Bei der vorgeschlagenen Verbesserung der Mieterträge sei zu beachten, dass der Wohnraum aus den vom Rechnungshof genannten strategischen Gründen für Bedienstete auch in finanzieller Hinsicht attraktiv bleiben sollte.

Die vom Rechnungshof vorgeschlagene Reduzierung der Landeszuschüsse wäre nur in dem Maße zu befürworten, in dem es gelingt, den vorhandenen Wohnraum wieder abzugeben, weiterzuveräußern oder zu besseren Konditionen zu vermieten.

Der vom Rechnungshof vorgeschlagene Erwerb der Wohnungen auf dem Gelände der Klinik in Calw-Hirsau sei in der Vergangenheit schon Gegenstand von Verhandlungen gewesen, die allerdings an der ablehnenden Haltung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gescheitert seien. Gleichwohl werde die Empfehlung des Rechnungshofs erneute Bemühungen gegenüber der Versorgungsanstalt unterstützen. Vorsorglich weist das Ministerium darauf hin, dass die für den Erwerb der Wohnungen erforderlichen Mittel in der mittelfristigen Finanzplanung bislang nicht veranschlagt seien.