Die Justizverwaltungen der Länder wenden ein neues bundeseinheitliches Personalbedarfsberechnungssystem an. Das System sollte für länderübergreifende Benchmark-Vergleiche genutzt werden.
1 Ausgangslage
Den Justizverwaltungen der Länder steht ein bundeseinheitliches System (PEBB§Y) für die Personalbedarfsermittlung bei den ordentlichen Gerichten, Staatsanwaltschaften und Fachgerichten zur Verfügung. Es beruht im Wesentlichen auf Selbsteinschätzungen der Mitarbeiter. PEBB§Y hat das seit den Siebzigerjahren genutzte sogenannte Pensensystem abgelöst und die Basis für eine objektivere Berechnung des Personalbedarfs geschaffen.
PEBB§Y verfolgt die Ziele,
- eine transparente und damit für alle Beteiligten nachvollziehbare Personalbedarfsermittlung auf einer analytisch gesicherten Basis durchzuführen,
- eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe für den Haushaltsgesetzgeber bezüglich angemessener Personalausstattung zu schaffen,
- das genehmigte Personal in der Justiz nach objektiven Kriterien zu verteilen.
PEBB§Y ermöglicht es, den Personalbedarf mit einem modernen System auf mathematisch-analytischer Basis zu ermitteln. Grundlage für dieses System sind Gutachten von 2002 und 2005 für die ordentlichen Gerichte und die Staatsanwaltschaften (PEBB§Y I und II) sowie für die Fachgerichte (PEBB§Y-Fach). In den Gutachten wurden die Aufgaben in Geschäfte gegliedert und die Berechnungsgrundlagen dafür festgelegt. PEBB§Y wurde in den Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeführt. In Baden-Württemberg wurden bereits ab dem 01.07.2003 flächendeckend alle Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften nach der PEBB§Y-Geschäftsgliederung erfasst.
2 Anlass, Ziel und Durchführung der Prüfung
Die Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe des Bundes und der Länder hat 2005 eine gemeinsame länderübergreifende PEBB§Y-Prüfung initiiert. Mit einem Soll-Ist-Vergleich sollten zusätzliche Erkenntnisse zur Bewertung des Personalbemessungssystems gewonnen werden. Für die Prüfung wurde eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Rechnungshofs Baden-Württemberg gebildet. Weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe waren die Rechnungshöfe der Länder Bayern, Berlin, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die Prüfung erstreckte sich auf den Personalbedarf für die Richter, Staats- und Amtsanwälte, Rechtspfleger sowie die Beschäftigten des mittleren Dienstes und des Schreibdienstes der ordentlichen Gerichte und der Staatsanwaltschaften. Das Personalvolumen lag bei 32.000 Vollzeitäquivalenten.
Die Arbeitsgruppe stellte die Prüfungsergebnisse in ihrem Bericht den übrigen Rechnungshöfen zur Verfügung. Auf dieser Grundlage planen die Rechnungshöfe weitere länderübergreifende Prüfungen in Teilbereichen der Justiz.
3 Erhebungsgrundlagen und methodische Vorgehensweise
Grundsatzentscheidungen zu PEBB§Y trifft die Kommission der Landesjustizverwaltungen zu Fragen der Personalbedarfsberechnung (Pensenkommission). In ihr sind alle Länder vertreten. Im Gegensatz zu dem früheren Pensensystem ist eine objektivere Personalbedarfsberechnung mit durchschnittlichen Bearbeitungszeiten (Basiszahlen) und sonstigen Kennzahlen möglich. PEBB§Y ist grundsätzlich anpassungs- und fortschreibungsfähig. So wurde die Anzahl der Geschäfte gegenüber den PEBB§Y-Gutachten um 114 auf 412 erhöht. Die durchschnittlichen Bearbeitungszeiten von 73 PEBB§Y-Geschäften wurden angepasst.
Bei organisatorischen und rechtlichen Änderungen sind jedoch neue, teilweise umfassende Daten zu erheben, um die Berechnungsgrundlagen fortzuschreiben oder PEBB§Y insgesamt anzupassen.
Grundlagen für die Prüfung der Rechnungshöfe bildeten die bundeseinheitlich definierten PEBB§Y-Geschäfte und die Festlegungen zur Berechnung des Personalbedarfs (Systemliste). Dieser Katalog wurde um länderspezifische Geschäfte ergänzt. Der Personalbedarf wurde auf Grundlage der vorhandenen PEBB§Y-Berechnungen erhoben. Dem Personaleinsatz lagen die Personalübersichten der Justiz von 2006 zugrunde. Die Systemliste und die Personalübersichten wurden zu einem einheitlichen Aufgabenkatalog zusammengeführt. Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat eine elektronische Anwendung entwickelt, damit die Daten in den Ländern erfasst werden konnten. Die daraus berechneten Kennzahlen wurden qualitätsgesichert.
4 Feststellungen
4.1 Personalbedarfsermittlung
Die bundeseinheitlichen Festlegungen zu PEBB§Y lassen es zu, dass auch länderspezifische Besonderheiten in der Personalbedarfsberechnung berücksichtigt werden. Danach können die Länder von Basiszahlen abweichen oder die PEBB§Y-Geschäfte nur zu einem Teil für die Personalbedarfsberechnung nutzen. Daneben können die Länder eigene Geschäfte in die Personalbedarfsberechnung einbeziehen.
Die angepassten Basiszahlen haben sich in den untersuchten sechs Ländern unterschiedlich ausgewirkt. Im Ergebnis bewegten sich Baden-Württemberg und ein weiteres Land geringfügig unterhalb der Personalbedarfszahlen, wie sie unter Verwendung der bundeseinheitlichen Vorgaben ermittelt wurden. Für die anderen Länder wurden im Vergleich zu diesen Vorgaben tendenziell höhere Personalbedarfszahlen festgestellt.
Die Rechnungshöfe empfehlen, PEBB§Y transparenter zu machen. Dazu sind die landesspezifischen Geschäfte zu analysieren und soweit möglich verbindlich in die bundesweit gültige Systemliste zu integrieren. Länderspezifische Sondergeschäfte sind nur in Ausnahmefällen und möglichst nur temporär zu verwenden. Um Ländervergleiche zu bewerten, sollten die länderspezifischen und die tatsächlich verwendeten PEBB§Y-Geschäfte der Systemliste sowie die Auswirkungen der Anpassung von Basiszahlen in den Ländern bekannt sein.
Für 38 % der PEBB§Y-Geschäfte werden keine analytisch ermittelten Basiszahlen, sondern der tatsächliche Personaleinsatz für die Personalbedarfsberechnung herangezogen. Dies entsprach 9 % (3.214 Vollzeitäquivalenten) des berechneten Personalbedarfs der Länder.
Der Anteil des nicht mit Basiszahlen ermittelten Personalbedarfs sollte überprüft und möglichst reduziert werden.
4.2 Ländervergleiche
Zwischen den Justizverwaltungen der Länder finden bisher nur Vergleiche durch den Austausch der länderintern ermittelten Quoten für den Personaleinsatz/Personalbedarf (PEBB§Y-Deckungsgrade) über die Pensenkommission statt. Baden-Württemberg nimmt an diesem Kennzahlenaustausch nicht teil. Diese länderspezifischen Deckungsgrade sind für einen sinnvollen Ländervergleich auch nicht geeignet. Obwohl PEBB§Y mit hohem Zeit- und Kostenaufwand angewendet und weiterentwickelt wird, wurden bisher keine verwertbaren Vergleichszahlen durch die Länder ermittelt und ausgetauscht.
Die Rechnungshöfe sind übereinstimmend der Auffassung, dass PEBB§Y wegen des bundesweiten Ansatzes auch für gezielte Ländervergleiche auf der Grundlage einheitlicher Maßstäbe herangezogen werden muss. Sie haben daher eine neue länderübergreifende Vergleichssystematik entwickelt und eigene Vergleichsberechnungen zu den PEBB§Y-Deckungsgraden durchgeführt. Dabei wurden die bundesweit vorgegebenen Basiszahlen und alle in den Ländern verwendeten PEBB§Y-Geschäfte zugrunde gelegt. Die Ergebnisse für alle Dienststellen und Funktionsgruppen wurden den Justizverwaltungen der Länder zur Verfügung gestellt. In den folgenden Tabellen sind exemplarische Ergebnisse zu den Deckungsgraden des Personalbedarfs der Dienststellen und einzelner Funktionsgruppen dargestellt. Diese PEBB§Y-Deckungsgrade wurden auf Basis der bundeseinheitlichen Vorgaben berechnet.


Der Ländervergleich ergibt bereits auf Dienststellenebene Unterschiede bei den Deckungsgraden von bis zu 30 %-Punkten. Die Ergebnisse der einzelnen Länder zeigen für die Oberlandesgerichte durchgängig Deckungsgrade unter 100 % auf.
Die von den Rechnungshöfen ermittelten Deckungsgrade für die Funktionsgruppen weisen ebenfalls zum Teil sehr große Spannbreiten auf.
Aus Deckungsgraden unter 100 % kann nicht der Schluss nach fehlendem Personal abgeleitet werden. Vielmehr ergeben sich aus diesen Auswertungen Hinweise, dass für die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung in der Justiz grundsätzlich kein PEBB§Y-Deckungsgrad von 100 % erforderlich ist. Es drängt sich die Frage auf, ob die Berechnungsgrundlagen und die sonstigen Bezugsgrößen für die Bemessung des Personalbedarfs tendenziell nicht zu großzügig bemessen sind. Hierfür gibt es eine Fülle von Anhaltspunkten. Ins Gewicht fällt dabei vor allem, dass die Basiszahlen vielfach auf der Grundlage nicht optimierter Organisationsstrukturen, Prozessabläufe und inzwischen weiter verbesserter DV-Systeme ermittelt wurden.
Die ermittelten Kennzahlen liefern konkrete Ansatzpunkte dafür, welche Aufgabenbereiche davon besonders betroffen und näher zu betrachten sind.
Als Beispiel werden nachfolgend die Deckungsgrade für ausgewählte Produktbereiche des mittleren Dienstes und des Schreibdienstes bei den Amtsgerichten dargestellt. Allein in Baden-Württemberg werden für die genannten Aufgaben in den Amtsgerichten 1.548 Vollzeitäquivalente eingesetzt. Dies entspricht 49 % des Personals der Amtsgerichte.

Die Spannbreiten der Deckungsgrade bei den in Tabelle 3 herangezogenen personalintensiven Produktgruppen liegen zwischen 28 und 80 %-Punkten. Aus den hohen Spannbreiten der ermittelten Deckungsgrade ergeben sich Anhaltspunkte für vertiefende Analysen. Im mittleren Dienst und bei den Schreibdiensten wurde nahezu durchgängig mehr Personal eingesetzt, als es nach den Basiszahlen notwendig gewesen wäre. Auch für Baden-Württemberg gibt es Hinweise auf einen zu hohen Personaleinsatz. Während für die Dienststellen insgesamt die Deckungsgrade (siehe Tabelle 1) unter 100 % liegen, stellt sich die Situation in den personalintensiven Aufgabenfeldern der Amtsgerichte deutlich anders dar. In diesen Bereichen sind die der Personalbemessung zugrundeliegende Basiszahlen vorrangig weiter zu untersuchen. Hier ist zu erwarten, dass sich die Abläufe und die DV-Unterstützung verbessern und damit die Basiszahlen reduzieren lassen.
4.3 Benchmark-Vergleiche
Die Rechnungshöfe haben auf Grundlage der bundeseinheitlichen Vorgaben einen Benchmark-Vergleich zwischen den Ländern für die ordentlichen Gerichte und Staatsanwaltschaften durchgeführt. Dabei wurde der jeweils niedrigste PEBB§Y-Deckungsgrad für die Dienststellen als Basis verwendet. Die Qualität der Aufgabenerledigung wurde nicht berücksichtigt. Dieser Vergleich gibt für die Dienststellen erste Hinweise auf mögliche Stelleneinsparungen, die erst nach Detailanalysen konkretisiert werden können.

Der Benchmark-Vergleich der beteiligten Länder zeigt bei den ordentlichen Gerichten und Staatsanwaltschaften ein rechnerisches Optimierungspotenzial von 2.624 Vollzeitäquivalenten auf. Der Anteil Baden-Württembergs beträgt 443. Davon entfallen 247 Vollzeitäquivalente auf die Amtsgerichte; dies entspricht 8 % des dort eingesetzten Personals. Ein Benchmark-Vergleich der Produktgruppen würde ein noch höheres Optimierungspotenzial aufzeigen. Das beim Ländervergleich aufgezeigte Optimierungspotenzial gibt Hinweise auf einen effizienteren Personaleinsatz. Durch das Lernen vom „Besten“ und durch Detailanalysen können die Organisationsstrukturen weiter verbessert und die Prozessabläufe optimiert werden. Hierdurch kann der aktuell notwendige Personalbedarf ermittelt werden. Die jetzt dargestellten Optimierungspotenziale können sich durch Detailanalysen noch erhöhen oder verringern.
5 Empfehlungen
Der Rechnungshof Baden-Württemberg hat gemeinsam mit fünf anderen Landesrechnungshöfen das Personalbedarfsberechnungssystem der Justizverwaltungen der Länder untersucht. Das bundeseinheitliche System zur Personalbedarfsermittlung ist grundsätzlich zur Steuerung des Personaleinsatzes und für länderübergreifende Benchmark-Vergleiche geeignet. Die dargestellten Ergebnisse und die hohen Spannbreiten bei den Deckungsgraden machen deutlich, dass sich durch länderübergreifende Vergleiche Optimierungspotenziale erkennen lassen. Mit PEBB§Y wurden auf überwiegend analytischer Basis Kennzahlen entwickelt und das bisher gültige Pensensystem abgelöst. Dieser Schritt wird vom Rechnungshof ausdrücklich begrüßt. Gleichwohl haben sich Hinweise ergeben, dass die auf Grundlage nicht optimierter Abläufe ermittelten Basiszahlen teilweise zu großzügig bemessen sind.
Zur Weiterentwicklung und Anwendung des Personalbedarfsberechnungssystems werden folgende weitere Maßnahmen empfohlen:
1. Die von den Rechnungshöfen erarbeiteten Übersichten zu den Deckungsgraden für die einzelnen Dienststellen, Funktions- und Produktgruppen sind weiterzuentwickeln.
2. In die Bewertung der Kennzahlen sind Leistungs- und Qualitätsmerkmale (z. B. Verfahrensdauer, Rückstände) verstärkt einzubeziehen.
3. Die Ablaufprozesse und die DV-Unterstützung in den personalintensiven Aufgabenfeldern sollten optimiert und die Basiszahlen reduziert werden. Die im Bericht der Arbeitsgruppe enthaltenen vielfältigen Kennzahlen liefern den Justizverwaltungen konkrete Anhaltspunkte dafür, welche Bereiche sie bevorzugt betrachten sollten.
4. Das Personalbedarfsberechnungssystem, dessen Struktur und Berechnungsgrundlagen bundeseinheitlich festgelegt wurden, muss für länderübergreifende Analysen und Benchmarking-Vergleiche genutzt werden.
5. Die in diesen Vergleichen aufgezeigten Optimierungspotenziale müssen durch Detailanalysen verifiziert, der Personaleinsatz anschließend angepasst werden.
6 Stellungnahme des Ministeriums
Das Justizministerium stimmt der Grundaussage des Rechnungshofs zu, dass dem Benchmarking in der Justiz eine wichtige Funktion zukomme. Es äußert Bedenken gegen die geforderten länderübergreifenden Benchmark-Vergleiche auf Grundlage von PEBB§Y. Zur Begründung wird angeführt, dass es sich dabei um mathematische Zahlenvergleiche handle, bei denen die qualitativen Aspekte der Aufgabenerledigung, die unterschiedliche Aufbau- und Ablauforganisation sowie sonstige Erfahrungswerte der Länder nicht berücksichtigt würden. Unmittelbare Schlüsse zu Personaleinsparungen könnten daraus nicht abgeleitet werden. Grundsätzlich seien Benchmark-Vergleiche nur landesintern auf Behördenebene sinnvoll, da dort die hierfür relevanten Entscheidungen getroffen werden könnten. Das Ministerium halte ein länderübergreifendes Benchmarking bei Behörden für sinnvoll, denen ein geeigneter Vergleichspartner innerhalb des Landes fehle. Es habe solche Vergleiche bereits auf Bundesebene initiiert. Deckungsgrade von unter 100 % seien kein Hinweis darauf, dass die Basiszahlen zu hoch sind. In diesen Bereichen bestehe eine Personalunterversorgung.
7 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof bleibt bei seinen Empfehlungen. Dies gilt besonders für die Forderung nach länderübergreifenden Benchmark-Vergleichen auf der
Grundlage bundesweit gültiger Basiszahlen. Ein bundeseinheitliches Personalbedarfsberechnungssystem muss nutzbare länderübergreifende Vergleiche ermöglichen. Das insoweit vorhandene Potenzial von PEBB§Y wird bisher nicht genutzt. Die Benchmark-Vergleiche ergeben zwar keine unmittelbar bezifferbaren Personaleinsparungen, sie liefern jedoch wichtige Hinweise auf Optimierungspotenziale. Die auffälligen Aufgabenbereiche sind zu untersuchen, die Basiszahlen anzupassen.
Der Rechnungshof sieht die Steuerung des Personaleinsatzes in der Justiz mit PEBB§Y als positives Beispiel für die Landesverwaltung. Das Personal kann auf die Dienststellen ausgewogen verteilt werden. In die ermittelten Basiszahlen zur Personalbemessung haben bislang aufbauorganisatorische Gesichtspunkte, Prozessabläufe und unterschiedliche IuK-Strukturen nur eingeschränkt Eingang gefunden. Diese Aspekte spiegeln sich in den hohen Spannbreiten der
Deckungsgrade wider. Zukünftig sollte bei der Anwendung von PEBB§Y-Basiszahlen verstärkt auf optimierte Verfahrensabläufe Wert gelegt werden.