Für außerunterrichtliche Veranstaltungen werden an den Gymnasien landesweit mindestens 340.000 Unterrichtsstunden aufgewendet. Der pädagogische Nutzen dieser Veranstaltungen muss sichergestellt werden.
1 Außerunterrichtliche Veranstaltungen
Die öffentlichen Schulen des Landes erfüllen ihren Erziehungs- und Bildungsauftrag vor allem durch schulische Veranstaltungen. Dies können Unterricht oder außerunterrichtliche Veranstaltungen sein. Die außerunterrichtlichen Veranstaltungen vertiefen, erweitern und ergänzen den Unterricht. Hierzu zählen u. a. bildungsfördernde Veranstaltungen, Projekttage, Lehr- und Studienfahrten sowie Schullandheimaufenthalte. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Entfaltung der gesamten Persönlichkeit des Schülers.
Untersucht wurden die außerunterrichtlichen Veranstaltungen des Schuljahres 2007/08 an 43 öffentlichen Gymnasien in allen Regierungsbezirken des Landes.
2 Untersuchungsergebnisse
2.1 Veranstaltungsarten
Die Gymnasien bestimmen den Inhalt ihrer außerunterrichtlichen Veranstaltungen weitestgehend selbst. Im Schuljahr 2007/08 haben die untersuchten Schulen mehr als 3.300 außerunterrichtliche Veranstaltungen durchgeführt.
Außerunterrichtliche Veranstaltungen finden während der Unterrichtszeit aber auch vollständig oder zum Teil, außerhalb der Unterrichtszeit statt. Die nachstehende Tabelle zeigt die Anzahl dieser Veranstaltungen sowie die dafür verwendeten Unterrichtsstunden.

2.1.1 Projekttage
In der Gesamtschau verbrauchten die Projekttage die meisten Unterrichtsstunden. Während dieser Veranstaltungen fand regelmäßig kein Unterricht statt und die Klassenstruktur war aufgelöst. Die Mehrzahl der geprüften Gymnasien verstehen die Projekttage als alternative Form des Unterrichts und nicht als außerunterrichtliche Veranstaltung. Ein Viertel der untersuchten Gymnasien führte allerdings keine Projekttage durch. Projekttage sind nach deren Auffassung nicht geeignet, die pädagogischen Ziele der außerunterrichtlichen Veranstaltungen zu befördern. Ein Gymnasium führte Projekttage in den letzten vier Schultagen vor den Sommerferien durch, damit die Lehrkräfte „Rückstände aufarbeiten konnten und sich der Schulbetrieb wieder normalisiere.“
2.1.2 Wanderungen und Jahresausflüge
Im Schuljahr können bis zu vier Wandertage durchgeführt werden, ersatzweise kann dafür eine bis zu einwöchige Wanderung stattfinden. Zusätzlich können die Gymnasien einen ganztägigen Jahresausflug durchführen, bei dem eine angemessene Wanderzeit gewährleistet sein soll. Der Wandertag ist ein Angebot für alle Klassenstufen, hat aber im Schulalltag zurückgehende Bedeutung.
2.1.3 Lehr- und Studienfahrten
Lehr- und Studienfahrten sowie Veranstaltungen im Rahmen der politischen Bildung können ab Klasse 8 durchgeführt werden und sollen nicht mehr als fünf Unterrichtstage dauern. Die Fahrten führten in nahezu jedes europäische Land, beispielsweise nach Irland, Spanien oder Malta. Sie dauerten bis zu acht Tage. Die Teilnehmer hatten hierfür bis zu 476 Euro aufzuwenden. Lehr- und Studienfahrten wurden bereits für die Jahrgangsstufen 5, 6 und 7 durchgeführt. Die Schulen begründeten dies mit der inzwischen auf acht Jahre verkürzten Schulzeit an Gymnasien.
2.1.4 Schullandheimaufenthalte
Die Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums sieht vor, dass jeder Schüler mindestens einmal an einem Aufenthalt im Schullandheim teilnimmt. Der Aufenthalt soll in einer ländlichen Gegend Baden-Württembergs stattfinden und sieben bis vierzehn Tage dauern. Die Schulen beachten bei dieser Veranstaltungsart häufig nicht die Vorgaben. So wurden oft Ziele weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus gewählt, beispielsweise in Norddeutschland, aber auch in Österreich, in der Schweiz, in Italien und in den Niederlanden. Auch wurde der Mindestzeitrahmen mehrfach unterschritten. Die Schulen weichen bewusst von den Vorgaben ab, weil sie den Aufenthalt im Schullandheim nach ihren pädagogischen Vorstellungen selbst bestimmen möchten.
2.1.5 Lerngänge und Betriebserkundungen
Betriebserkundungen werden ab Klasse 8 für die Dauer einer Unterrichtswoche in Unternehmen, Behörden und Einrichtungen sowie in Instituten von Hochschulen und bei freiberuflich Tätigen durchgeführt. Einige Gymnasien beweisen großen Ideenreichtum, um ihre Schüler mit der Berufswelt bekannt zu machen (z. B. Sozialpraktika, Waldbegehungen, Höhlen-, Kunst- und Orgelexkursionen, Besuche von Kernkraftwerken, ortsansässigen Betrieben oder Bauernhöfen).
2.1.6 Sonstige außerunterrichtliche Veranstaltungen
Zu den sonstigen Veranstaltungen zählen alle, die nicht anderen Kategorien zugeordnet werden; beispielsweise Drogenprävention, Gewaltprävention, Verkehrserziehung, Kennenlerntage der Klassen 5, Lesenächte und verschiedene Wettbewerbe (Deutsch, Mathematik, Englisch, Physik usw.). Diese Veranstaltungen belasten den stundenplanmäßigen Unterricht verhältnismäßig gering. Sie finden in den meisten Fällen außerhalb des Stundenplans entweder nachmittags, abends oder an Wochenenden statt.
2.1.7 Chor-, Orchester- und Sporttage
Für Chor-, Orchester- und Sporttage können bis zu fünf Tage im Schuljahr eingesetzt werden. An diesen nehmen meist nur einzelne Schüler teil. Diese Veranstaltungen finden häufig außerhalb der regulären Unterrichtszeit statt. Dagegen werden Sporttage, meist als Bundesjugendspiele, während der Unterrichtszeit veranstaltet.
2.1.8 Bildungsfördernde Veranstaltungen
Bildungsfördernde Veranstaltungen können sehr unterschiedliche Inhalte haben. Besucht wurden Theater- und Konzertaufführungen sowie Museen, Zoos und Ausstellungen aller Art. Trotz der vielen Veranstaltungen war der reguläre Unterricht nur gering betroffen. Die Veranstaltungen lagen überwiegend in der unterrichtsfreien Zeit, vornehmlich nachmittags, abends oder an den Wochenenden. Daher wurden im Vergleich zur Veranstaltungsanzahl relativ wenige Unterrichtsstunden eingesetzt.
2.1.9 Schüleraustausch
Der Schüleraustausch mit dem Ausland gehört an den Gymnasien mittlerweile zum selbstverständlichen Bildungsangebot. Er wurde in allen Jahrgangsstufen mit unterschiedlicher Dauer, zum Teil für nur wenige Tage bis hin zu mehreren Wochen, in Anspruch genommen. Partnerländer sind neben den europäischen Nachbarn (Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, Niederlande, Schweden und Finnland) auch Länder aus Übersee (USA, China und Japan). Die teilweise hohen Reisekosten trugen nahezu ausnahmslos die Eltern. Durch den Schüleraustausch sollen die Schüler mit denen der Partnerschulen in Kontakt kommen und ihre Sprachkenntnisse praktisch anwenden und erweitern. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn hierfür ausreichend Zeit zur Verfügung steht. Eine Mindestdauer von zehn Tagen ist vorgegeben. Trotzdem gibt es Schulen, die deutlich weniger Tage einsetzten. So führten beispielsweise Gymnasien einen Schüleraustausch für drei Tage mit Frankreich, für vier Tage mit Irland und für sechs Tage mit Italien durch.
2.1.10 Internationale Schülerbegegnungen
Das Kultusministerium unterstützt internationale Schülerbegegnungen mit Staaten Mittel- und Osteuropas. Dadurch sollen junge Menschen das kulturelle und gesellschaftliche Leben der Menschen in Mittel- und Osteuropa kennenlernen. Die Rahmenbedingungen sind in den Richtlinien des Kultusministeriums zur Förderung der außerschulischen Jugendbildung genannt. Die Schulen erhalten hierfür einen Zuschuss. Trotz der finanziellen Förderung haben von den 43 Gymnasien lediglich 17 Gymnasien solche Schülerbegegnungen realisiert.
2.2 Zusammenfassung und Bewertung
Die untersuchten Gymnasien haben im Schuljahr 2007/08 für Veranstaltungen 52.000 Unterrichtsstunden aufgewendet. Das entspricht 3 % der Unterrichtsstunden. Deshalb sollten außerunterrichtliche Veranstaltungen mit konkreter pädagogischer Zielsetzung und klarer konzeptioneller Dokumentation geplant und durchgeführt werden, zumal nach einer Stichprobe des Kultusministeriums 2007 der Unterrichtsausfall 4,3 % betrug.
Erst durch die Untersuchung des Rechnungshofs wurde vielen Schulleitungen bewusst, in welchem Umfang außerunterrichtliche Veranstaltungen an ihren Schulen durchgeführt wurden und welche vielfältigen pädagogischen Möglichkeiten solche Veranstaltungen bieten. Häufig fehlten konkret definierte pädagogische Ziele und eine ausreichende Dokumentation. Eine sachgerechte Dokumentation fördert die Transparenz und sichert die Qualität der außerunterrichtlichen Veranstaltungen.
Bereits während der Prüfung griffen einige Schulen diese Gedanken auf: Ein Schulleiter entschloss sich, die Praxis der außerunterrichtlichen Veranstaltungen an seiner Schule zu evaluieren. Eine andere Schule wurde durch die Untersuchung veranlasst, ihre Veranstaltungen in einer zentralen Datenbank zu erfassen. Damit soll ein Überblick über außerunterrichtliche Veranstaltungen geschaffen werden, um sie künftig besser steuern zu können.
3 Reisekosten der Lehrkräfte
3.1 Darstellung
Derzeit werden für außerunterrichtliche Veranstaltungen mehr Reisekostenmittel benötigt als zur Verfügung stehen. Einerseits sollen Dienstreisen nur im Rahmen der verfügbaren Mittel genehmigt werden, andererseits wird in der Praxis von den Lehrkräften erwartet, dass sie auf Reisekostenvergütungen verzichten. Um dennoch die gewünschten Reisen durchführen zu können, sehen sich die Schulen genötigt, in diesem Spannungsverhältnis Lösungen zu finden. Erschwert wird dies auch dadurch, dass Haushaltsjahr und Schuljahr nicht übereinstimmen. So müssen die Schulen bei ihrer internen Mittelverteilung bereits zu jedem Jahresanfang die Planungen für das neue Schuljahr berücksichtigen, das erst im August beginnt. Zu dieser Zeit sind die Verhältnisse (z. B. Lehrerzuweisung, Klassenzahl) des neuen Schuljahres noch nicht bekannt.
Die untersuchten Schulen hatten nicht genügend Mittel, um die Reisekostenvergütung für die geplanten Maßnahmen zu decken. Lehrkräfte verzichten daher regelmäßig auf ihre Erstattungen ganz oder zum Teil. So vereinbarte z. B. die Schulleitung eines Gymnasiums mit ihren Lehrkräften, dass diese Dienstreiseanträge zunächst ohne Reisekostenverzicht stellen. Gegen Ende des Haushaltsjahres vergleicht die Schulleitung die zur Verfügung stehenden Mittel mit der Summe der beantragten Reisekostenvergütung. Reichten die Mittel aus, würde die Auszahlung des gesamten Erstattungsbetrages veranlasst werden. Meist verzichten jedoch die Lehrkräfte anteilig auf Erstattungen. Andere Schulen quotierten in ähnlicher Weise oder legten fest, dass nur für bestimmte außerunterrichtliche Veranstaltungen Reisekostenvergütungen gewährt würden. Bei allen anderen Veranstaltungen verzichten die Lehrkräfte auf ihren Anspruch.
39 der untersuchten Schulen gaben an, im Schuljahr 2007/08 ein Budget für Reisekostenvergütungen von insgesamt 83.000 Euro erhalten zu haben. Der Bedarf lag bei geschätzten 238.000 Euro. Die Lehrkräfte verzichteten auf mindestens 155.000 Euro.
Eine Schule hatte ein Budget von 2.534 Euro. Davon nahm sie 356 Euro in Anspruch, gab jedoch an, 15.356 Euro zu benötigen. Die Schulleitung ging von einem generellen Verzicht des Kollegiums auf Reisekostenvergütung aus. Demgegenüber führte die Schulleitung einer anderen Schule keine außerunterrichtliche Veranstaltungen auf Kosten der Lehrkräfte durch. An dieser Schule wurden nur so viele Reisen genehmigt, bis das Budget von 1.636 Euro verbraucht war. An einer weiteren Schule wurden die Eltern gebeten, jeweils pauschal 30 Euro für die Dienstreiseaufwendungen der Lehrkräfte zu spenden.
3.2 Bewertung
Die Mittel für Reisekostenvergütungen reichen für die tatsächlich durchgeführten außerunterrichtlichen Veranstaltungen nicht aus. Lehrkräfte verzichten daher häufig ganz oder zum Teil auf ihre Erstattungen. An den untersuchten Schulen waren dies im Schuljahr 2007/08 mindestens 155.000 Euro.
Diese Praxis ist unbefriedigend. Angesichts der Bedeutung, die das Kultusministerium außerunterrichtlichen Veranstaltungen beimisst, müssen konsequenterweise ausreichende Haushaltsmittel für die Reisekosten bereitgestellt werden.
Der Rechnungshof hält die bisherige Bereitschaft der Lehrer, trotz fehlender Reisekostenmittel außerunterrichtliche Veranstaltungen durchzuführen, für besonders hervorhebenswert. Ihr pädagogisches Engagement soll erhalten werden.
4 Empfehlungen
Der Rechnungshof empfiehlt dem Kultusministerium
- zu veranlassen, dass die Gymnasien konsequenter als bisher den pädagogischen Nutzen außerunterrichtlicher Veranstaltungen sicherstellen,
- zu veranlassen, dass außerunterrichtliche Veranstaltungen ausreichend dokumentiert werden und
- die notwendigen Haushaltsmittel für außerunterrichtliche Veranstaltungen bereitzustellen.
5 Stellungnahme des Ministeriums
Das Kultusministerium geht davon aus, dass die Schulleitungen aller Schularten in der Regel den pädagogischen Nutzen von außerunterrichtlichen Veranstaltungen im Verhältnis zum regulären Unterricht abwägen. Weiter teilt es die Auffassung des Rechnungshofs, wonach eine qualifizierte Dokumentation des Verlaufs und der Ergebnisse von außerunterrichtlichen Veranstaltungen sinnvoll sei. Angesichts der großen Bandbreite der Veranstaltungen erscheine es jedoch nicht als zielführend, den Schulen genaue beschriebene Dokumentationspflichten vorzugeben.
Das Kultusministerium möchte am derzeitigen Verfahren der Reisekostenvergütung für außerunterrichtliche Veranstaltungen festhalten. Sofern die Mittel nicht ausreichen, müsse die Schule nach Prioritätsgesichtspunkten darüber entscheiden, welche Veranstaltungen durchgeführt werden sollten. Im Übrigen sei der Teilverzicht bzw. Verzicht auf Reisekostenvergütung auf ausdrücklichen Wunsch der Lehrerschaft in die Verwaltungsvorschrift aufgenommen worden.
Das Ministerium gehe davon aus, dass mit den im jeweiligen Staatshaushaltsplan ausgewiesenen Mitteln der Grundbedarf bei den außerunterrichtlichen Veranstaltungen an den Schulen abgedeckt werden könne.