Rad- und Gehwegbau [Beitrag Nr. 8]

Die Straßenbauverwaltung hat die Forderungen des Landtags zum Rad- und Gehwegbau nur unzureichend umgesetzt. Der Rechnungshof empfiehlt, dass das Innenministerium den Regierungspräsidien verpflichtende Vorgaben macht und deren Einhaltung überprüft.

1 Ausgangspunkt

Der Rechnungshof hatte in der Denkschrift 2003, Beitrag Nr. 25 (Rad- und Gehwegbau im Zuge der Sonderprogramme Landesstraßenbau) den Rad- und Gehwegbau an Landesstraßen untersucht. Auf dieser Grundlage beschloss der Landtag am 17.12.2003, dass bei solchen Bauvorhaben

  • eine Prioritätenliste auf Basis von Kriterien wie Verkehrsstärke oder Unfallhäufigkeit zu erstellen und
  • ein Richtwert für Bauausgaben je m² heranzuziehen ist sowie
  • nur in begründeten Einzelfällen von den bundesweit gültigen Richtlinien für Mindestmaße - Wegebreite, Oberbau - abgewichen werden soll.

Die Landesregierung teilte im Dezember 2004 mit, dass die Regierungspräsidien gebeten wurden, entsprechend zu verfahren, Drucksache 13/3875. Als Richtwert der Bauausgaben für Ober- und Erdbau (ohne Kunstbauten) wurden 40 Euro je m² (Preisstand 2004) bzw. 50 Euro (Preisstand 2007) angesetzt.

Die Finanzkontrolle hat bei sieben für die Jahre 2008/2009 geplanten Radwegaus- und -neubauten geprüft, ob die Forderungen des Landtags umgesetzt werden. Die Vorhaben waren mit 6,25 Mio. Euro veranschlagt.

2 Prüfungsergebnisse

2.1 Bauvorhaben werden nicht priorisiert

Rad- und Gehwegvorhaben sollen nach definierten und gewichteten Kriterien priorisiert werden. Nur so kann objektiv entschieden werden, welche Vorhaben bei knappem Geld vorrangig zu realisieren sind. Beispielsweise kann ein Radweg touristisch bedeutsam, der verkehrliche Bedarf aber gering sein.

Die Prüfung ergab, dass eine Priorisierung der Vorhaben nach wie vor nicht erfolgt. Der Bau von Rad- und Gehwegen wird lediglich mit örtlichen Verhältnissen und den sich daraus ergebenden Gefahren oder mit einem potenziellen Radverkehrsaufkommen begründet. Mehrfach werden Kriterien nicht zusammenhängend betrachtet, sondern isoliert angeführt: Bei drei Vorhaben sollte die Verkehrssicherheit - vor allem im Freizeitverkehr - verbessert werden. Bei vier Vorhaben sollten Lücken in den Radwegverbindungen geschlossen werden, die sich aus örtlichen Radwegkonzepten ergaben.

2.2 Bedarfsnachweise fehlen häufig

Entlang von Landesstraßen sind Radwege besonders dann zu bauen, wenn der Verkehr wegen des hohen Kfz-Aufkommens oder aus Gründen der Verkehrssicherheit zu trennen ist.

Bis auf wenige Ausnahmen lagen keine Verkehrszählungen vor. Auch fehlten bei nahezu allen Vorhaben Zählungen je Spitzenstunde, aus denen der Bedarf abgeleitet werden kann. So wurde für vier Vorhaben unzureichend oder überhaupt nicht gezählt. Bei drei Vorhaben wurde das Verhältnis von Kraftfahrzeugen zu Radfahrern zwar erhoben, bei zwei dieser Bauvorhaben war es aber zu gering, um einen Radweg zu rechtfertigen.

2.3 Kalkulatorische Richtwerte für Bauausgaben werden nicht beachtet

Die Richtwerte der geprüften Vorhaben wurden anhand der veranschlagten Bauausgaben ohne Grunderwerbskosten und Ausgaben für Ingenieurbauwerke ermittelt.

Dabei zeigte sich, dass nur bei einem Vorhaben ein Richtwert von 50 Euro je m² eingehalten wurde. In den anderen Fällen lagen die Bauausgaben zwischen 87 Euro je m² und 154 Euro je m².

2.4 Ausbaustandard ist größtenteils überzogen

Bei den geprüften Vorhaben wurde grundsätzlich vom Standardaufbau abgewichen und eine stärkere Dimensionierung gewählt. Dadurch sollte eine bessere Ebenheit erzielt werden. Geringere Folgekosten oder eine längere Lebensdauer des Radwegs wurden damit nicht angestrebt. Die überzogenen Ausbaustandards haben bei den geprüften Vorhaben 300.000 Euro vermeidbare Mehrausgaben verursacht.

Die Wegebreite richtet sich nach den vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung erlassenen und vom Land übernommenen „Empfehlungen für die Anlage von Radwegen“ sowie der „Richtlinie für den Ausbau von Straßen - Querschnitt“. Danach ist außerorts eine Wegebreite von mindestens 2,25 m bis 2,50 m vorzusehen, wobei sich die Breite von 2,25 m in der Regel „als ausreichend bewährt“ habe. Das Land hat keine Wegebreite verbindlich vorgegeben. Auffallend ist jedoch, dass die Radwege im Regierungsbezirk Tübingen stets 2,25 m, im Regierungsbezirk Freiburg hingegen immer 2,50 m breit gebaut werden.

3 Folgerungen und Empfehlungen

Die Straßenbauverwaltung berücksichtigt bei der Planung von Rad- und Gehwegen die Forderungen des Landtags nur unzureichend. Sie hat weder überzogene Ausbaustandards aufgegeben noch den definierten Richtwert für Bauausgaben beachtet. Es fehlt nach wie vor das Kostenbewusstsein.

Der Rechnungshof empfiehlt dem Innenministerium, den Regierungspräsidien verpflichtende Vorgaben für den Rad- und Gehwegbau zu machen. Das Ministerium sollte durch Stichproben überprüfen, ob die Vorgaben beachtet werden.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium ist der Auffassung, dass die Regierungspräsidien die Radwegvorhaben, ausgehend von Bedarfsnachweisen, nach Dringlichkeit richtig priorisiert hätten. Diese Dringlichkeit habe sich aber nicht ausschließlich an der Verkehrsstärke der Straßen zu orientieren. Es ist weiter der Ansicht, dass der Richtwert für Bauausgaben nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht komme. Bei den vom Rechnungshof geprüften Vorhaben lägen diese nicht vor, da es sich um größere Projekte handele, bei denen aufwendige Erdarbeiten auszuführen seien. Es sagt zu, bei den Regierungspräsidien weiterhin darauf hinzuwirken, dass die Ausbaustandards eingehalten werden.

Angesichts der Sachlage könne das Ministerium keine Missachtung der Vorgaben der Landesregierung erkennen. Für die Regierungspräsidien sei deshalb nichts verpflichtend vorzugeben. Grundsätzlich sei aber bei den Geh- und Radwegen auf eine wirtschaftliche Ausführung zu achten.

5 Schlussbemerkung

Die Straßenbauverwaltung hält an einem unreflektierten „Weiter so“ fest. Sie vergibt damit die Chance, Rad- und Gehwege gut und dennoch kosteneffizient zu bauen.