Förderung von Verkehrsverbünden [Beitrag Nr. 6]

Im öffentlichen Personennahverkehr sind unterschiedliche Tarifbestimmungen und fehlende Tarifangebote über Verbundgrenzen hinweg nicht kundenfreundlich. 2009 laufen Förderverträge aus. Das Land sollte die Gelegenheit nutzen, mit den Verkehrsverbünden neue Ziele zu vereinbaren und Tarifbestimmungen zu vereinheitlichen. Das könnte die Grundlage für einen späteren Landesverbundtarif sein.

1 Verbundförderung in Baden-Württemberg

Mit der Förderung von Verkehrsverbünden verfolgt die Landespolitik das Ziel, eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr sicherzustellen . Dabei geht es besonders um einheitliche und nutzerfreundliche Tarife sowie um abgestimmte Leistungsangebote. Heute gibt es flächendeckend in allen Landesteilen Verkehrsverbünde, an deren Defizite sich das Land mit jährlich 50 Mio. Euro beteiligt.

Die Verbundförderung war als Anschubfinanzierung angelegt. Sie sollte Harmonisierungs- und Durchtarifierungsverluste ausgleichen. Harmonisierungsverluste entstehen, weil niedrigere Verbundtarife die Fahrpreise für Regionalverkehre ersetzen. Mit dem Verbundtarif können Fahrgäste in den gewählten Zonen kostenfrei umsteigen. In der Folge ergeben sich Durchtarifierungsverluste.

Die Harmonisierungsverluste gingen im Laufe der Jahre zurück, weil in den Bussen und Bahnen mehr Fahrgäste befördert wurden. Da diese häufiger umstiegen, sanken die Durchtarifierungsverluste aber nicht. Die regelmäßigen Tarifanpassungen reichten nicht aus, die Verbunddefizite zu senken. Ferner belasteten steigende Treibstoff- und Personalkosten die Verbünde.

2005 gestaltete das damalige Umwelt- und Verkehrsministerium die Förderung deshalb um. Die Zuschüsse werden nicht mehr als jährlich gleich bleibende Fördersumme, sondern hälftig als Basisförderung und Leistungsförderung gewährt. Die Basisförderung ist innerhalb von fünf Jahren stufenweise um 20 % zu kürzen. Verbünde, die mit Nachbarverbünden kooperieren, können diese Kürzung halbieren. Der leistungsabhängige Teil hängt u. a. von den verkauften Fahrausweisen und den Tarifeinnahmen ab. Dabei sollen Verbünde besser gestellt werden, die neue Fahrgäste gewinnen und ihre Tarifeinnahmen steigern. Die neuen Förderverträge haben eine Laufzeit von fünf Jahren.

Die Finanzkontrolle hat geprüft, wie das Fördergeld zielgerichteter eingesetzt werden kann.

2 Schwachstellen der Verbundförderung

2.1 Förderinstrumente wirken sich zu wenig aus

Das Erfordernis, Kooperationen einzugehen, konnten die Verbünde durch minimale Regelungen mit einem Nachbarverbund erreichen. Konkrete Vorteile für Fahrgäste sind aber fast nicht vorhanden. So sind Fahrkartenautomaten benachbarter Verbünde meist nur in den Haltestellen aufgestellt, die an den Nachbarverbund grenzen. An den übrigen Haltestellen sind Fahrkarten für den

benachbarten Verbund nicht erhältlich. Fahrgäste, die an diesen Haltestellen zusteigen, um ein Fahrtziel im benachbarten Verbund zu erreichen, sind gezwungen, an der Verbundgrenze auszusteigen, um eine weitere Fahrkarte zu kaufen. Das Ziel einheitlicher und nutzerfreundlicher Tarife wird damit deutlich verfehlt. Überdies konnte die Förderung nicht wie geplant, um weitere 5 Mio. Euro abgesenkt werden.

Auch die neu eingeführte Leistungskomponente bewirkte keine nennenswerte Umverteilung der Fördermittel. Trotz eines Millionenbetrags für die Leistungskomponente veränderte sich die Förderung nur bei zwei Verbünden: Einmal stieg sie um 30.000 Euro, einmal sank sie um 11.000 Euro.

2.2 Tarifregelungen sind uneinheitlich

In den Verbünden bestehen ganz unterschiedliche Tarifregelungen: Kinderaltersgrenze, Mitnahme von Hunden, Tages- und 24 Stundenkarten, Entwertung von Fahrscheinen und Fahrradmitnahme. Bei der Fahrradmitnahme reicht die Bandbreite von kostenloser Mitnahme, unterschiedlichen zeitlichen Einschränkungen bis hin zu einer Fahrradkarte für 4,50 Euro. So ist beispielsweise in einem Tarifverbund die Fahrradmitnahme kostenlos, im Nachbarverbund ist hingegen ein Beförderungsentgelt zu entrichten. Damit die Fahrgäste während ihrer Reise von A nach B nicht zu Schwarzfahrern werden, bieten die Fahrkartenautomaten in A Fahrradfahrkarten des Verbundes B an.

Ein solcher Tarifwirrwarr ist nicht kundenorientiert. In einem Land wie Baden-Württemberg, das touristenfreundlich sein will, ist dies erst recht nachteilig.

2.3 Verbundübergreifende Tarife für kürzere Fahrten fehlen

In Baden-Württemberg gibt es nur wenige landesweit gültige Verbund-Tarifangebote. Dies sind die Baden-Württemberg-Tickets, das Schülerferienticket und das Aboplus Baden-Württemberg. Alle sind auf große Distanzen ausgelegt.

Das Angebot ist nicht ausreichend. Es besteht eine Tariflücke bei kleinräumigen verbundübergreifenden Einzelfahrscheinen, Zeitkarten und Sonderangeboten, die zwischen 5 bis 15 % der Fahrgäste betreffen. So kann z. B. der Fahrgast mit einem Fahrschein des Heimatverbunds in das Oberzentrum des Nachbarverbundes das dortige Schienennahverkehrsangebot nutzen. Beim Umstieg auf den dortigen Stadtbus muss er jedoch eine weitere Fahrkarte lösen.

Der Fahrgast sollte in Baden-Württemberg verbundübergreifend jeden Ort mit einer Fahrkarte erreichen können.

3 Empfehlungen

3.1 Einheitliche Tarifbestimmungen bis hin zu einem Landesverbundtarif

Um zu landesweiten Lösungen zu kommen, sind in einem ersten Schritt die unterschiedlichen Tarifbestimmungen anzupassen. Das Land könnte als großer Mitfinanzier die Fördergelder daran knüpfen, die Tarife und Tarifbestimmungen zu vereinheitlichen. Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH sollte gemeinsam mit den regionalen Verbünden solche Standards entwickeln. Sie verfügt über entsprechendes Fachwissen, um zeitnah entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Die Verbünde sollten dann vertraglich verpflichtet werden, diese umzusetzen.

Wenn eine einheitliche Architektur der Tariflandschaft aufgebaut ist, kann neben den regionalen auch ein Landesverbundtarif Baden-Württemberg eingeführt werden. Dieser würde nur für Fahrten über Verbundgrenzen hinweg gelten. Mit ihm können die bestehenden Tariflücken geschlossen werden. Jeder Fahrgast könnte dann im öffentlichen Personennahverkehr landesweit mit nur einem Fahrschein jedes beliebige Ziel erreichen. Besonders Fahrgäste, die auf vergleichsweise kurzen Strecken verbundübergreifend unterwegs sind, würden hiervon profitieren.

3.2 Verbundförderverträge

Die Jahresfördersumme für die neuen Verbundverträge sollte - wie ursprünglich vom Innenministerium beabsichtigt - um 5 Mio. Euro verringert werden. Der Rechnungshof empfiehlt nicht, den Betrag darüber hinaus abzusenken.

Weiter regt der Rechnungshof an, folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • In den neuen Förderverträgen ist festzuschreiben, dass die Tarife der Verbünde zu standardisieren sind und mittelfristig zusätzlich ein Landesverbundtarif eingeführt wird.
  • Verbundförderverträge haben mangels einheitlicher Starttermine der regionalen Verbünde unterschiedliche Laufzeiten. Das Land sollte darauf achten, dass künftig alle Verträge zu einem Zeitpunkt enden. Dies würde die Position des Landes stärken, seine Förderziele umzusetzen.
  • Die Verkehrsverbünde im ländlichen Raum sollten stärker gefördert werden. Sie werden durch demografische Veränderungen und abnehmende Schülerzahlen besonders gefordert sein. Das Ministerium sollte deshalb überdenken, wie die Fördergelder zielgerichteter auf Verbünde im ländlichen Raum und auf Ballungsräume zu verteilen sind.

4 Stellungnahme des Ministeriums

Das Innenministerium führt aus, dass bei verbundübergreifenden Verkehren grundsätzlich die Haustarife der Verkehrsunternehmen gelten sollten. Diese Verkehre umfassten lediglich zwischen 5 und 15 % des gesamten Fahrgastaufkommens im öffentlichen Personennahverkehr. Alle Verantwortlichen würden vielerlei Anstrengungen unternehmen, um auch diese Verkehre attraktiver zu gestalten. Es sehe keine Notwendigkeit, weitere Tarife zu schaffen. Vielmehr sollten Verbesserungen im Vertrieb erzielt und Vertriebskanäle, wie das Internet oder das Handy, für den verbundübergreifenden Verkehr nutzbar gemacht werden. So beabsichtige das Land, die Verbreitung elektronischer Fahrscheine zu unterstützen. Das Ministerium werde deshalb auf die personalintensive Einführung eines Landestarifs verzichten.

Geprüft werde hingegen die Anpassung der Vertragslaufzeiten der Förderverträge. Die Vereinheitlichung der Tarifbestimmungen werde angestrebt. Dies sei schwierig, wie ein gescheiterter Versuch gezeigt habe, die Kinderaltersgrenze landesweit auf einheitlich 14 Jahre festzusetzen. Verbünde hätten Fahrgeldausfälle von jährlich bis zu 300.000 Euro errechnet.

5 Schlussbemerkung

In Baden-Württemberg gibt es wesentlich mehr Verkehrsverbünde als in anderen Flächenländern. Kleinräumige Verbundstrukturen haben die Kunden vor Ort besser im Blick. Nachteile für den Fahrgast ergeben sich bei verbundübergreifenden Reisen durch einen kaum durchschaubaren Tarifwirrwarr.

Das Land ist gefordert, durch die Verbundförderverträge dem entgegenzuwirken. Es sollte Verbünde nur dann fördern, wenn seine Vorgaben zu den Tarifbestimmungen erfüllt werden. Gelingt dies, kann für die Fahrgäste die Qualität gesteigert werden. Es wäre dann auch möglich, einen Landesverbundtarif einzuführen. Ab Ende 2009 könnte mit der stufenweisen Umsetzung begonnen werden, da dann die ersten Verbundförderverträge der zweiten Generation auslaufen. Das Ziel eines Landesverbundtarifs könnte beispielsweise mit den Geldern verfolgt werden, die bei der Verbundförderung gekürzt werden.