Durch die Einstellung von lebensälteren Personen als Beamte statt als Tarifbeschäftigte entstehen dem Land in der Regel vermeidbare Kosten. Allein die Einstellungen des Jahres 2007 führen zu Mehrkosten von 11,5 Mio. Euro. Bei der geplanten Dienstrechtsreform sollten die Systeme der Renten und der Beamtenversorgung getrennt werden.
1 Vorbemerkung
§ 48 der Landeshaushaltsordnung und die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften des Finanzministeriums sehen vor, dass Personen grundsätzlich nur bis zu einem Lebensalter von 40 Jahren verbeamtet werden können. Älteren Bewerbern steht die Möglichkeit einer Tarifbeschäftigung offen. Nur unter engen Voraussetzungen kann von dieser Regel abgewichen werden. Diese von der Rechtsprechung akzeptierte Altersbegrenzung dient dazu, ein unangemessenes Verhältnis zwischen der aktiven Dienstzeit und der Versorgungsphase zu verhindern und damit die Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems aufrecht zu erhalten. Die Versorgungsausgaben des Landes werden sich nach Berechnungen des Finanzministeriums bis zum Jahr 2020 auf rund 6 Mrd. Euro nahezu verdoppeln und dann einen Anteil von rund 15 % am Landeshaushalt ausmachen. Seit 2009 werden für jeden neu eingestellten Beamten 6.000 Euro je Jahr einem Versorgungsfonds zugeführt. Damit wird nicht einmal die Hälfte dessen abgedeckt, was für eine Pensionszahlung aus dem Fonds nötig wäre.
Zum 01.11.2006 wurde der Bundes-Angestelltentarifvertrag vom Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) abgelöst. Bei den Neueingestellten nach TV-L gibt es keine familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr. Bei den Beamten gilt weiterhin der Verfassungsgrundsatz der familienbezogenen Alimentation.
Auch bei der Altersversorgung und in den Fällen von Erwerbsminderung und Dienstunfähigkeit gibt es wesentliche Unterschiede in den Leistungen bei Tarifbeschäftigten und Beamten.
Schließlich werden Beschäftigungszeiten innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes, aus denen Rentenansprüche erworben wurden, häufig auch bei der ruhegehaltfähigen Dienstzeit als Beamter berücksichtigt. Eine Kappung der Versorgungsbezüge findet nur statt, wenn die Rentenzahlung zu einer Überschreitung der Höchstgrenzen der Versorgung führt. Das ist bei Späteinsteigern öfter nicht der Fall. In Einzelfällen kann ihre Verbeamtung das Land mehr als 200.000 Euro zusätzlich kosten.
All das ergibt: Je kürzer die Dienstzeit eines Beamten ist und je länger die Versorgungszeit, desto ungünstiger stellt sich für das Land der finanzielle Aufwand dar.
Soweit ersichtlich gibt es keine aktuellen Berechnungen dazu, wie sich Verbeamtungen über 40-jähriger Bewerber finanziell konkret auswirken können. Der Rechnungshof untersuchte dies anhand typischer Fälle, tatsächlicher Daten und statistischer Annahmen. Die Berechnungen dienen dem konkreten Nachweis und der Veranschaulichung. Sie geben der Landesregierung Hinweise dazu, welche finanziellen Folgen Spätverbeamtungen typischerweise haben können. Die Erkenntnisse sollen dazu führen, die finanzwirtschaftliche Seite von späten Verbeamtungen rechtskonform und angemessen zu berücksichtigen. Das betrifft die Grundentscheidung, bis zu welchem Alter Bewerbern überhaupt ein Beschäftigungsangebot im Beamtenverhältnis gemacht wird. Aber auch bei der Bewilligung einer Ausnahme im Einzelfall müssen finanzielle Aspekte angemessen berücksichtigt werden.
Der Rechnungshof hat auch geprüft, ob die gegenwärtig normierten Voraussetzungen für Ausnahmen vom oben genannten Grundsatz vorlagen, ob das vorgesehene Verfahren eingehalten wurde und die Entscheidungen abgewogen und dokumentiert waren. Geprüft wurde die Praxis der Verbeamtung nach Vollendung des 40. Lebensjahrs.
Lehrer stellten die mit Abstand größte Gruppe innerhalb der Spätverbeamteten dar. Die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit konzentrierte sich daher auf deren Neueinstellung.
2 Feststellungen
Im Jahr 2007 wurden 410 Personen in den baden-württembergischen Schuldienst eingestellt oder versetzt, die bereits das 40. Lebensjahr vollendet hatten. 324 davon waren Neueinstellungen.
Das Finanzministerium hat die Altersgrenze, ab der seine Einwilligung für eine Einstellung oder Versetzung von Beamten in den Landesdienst erforderlich ist, auf das vollendete 40. Lebensjahr festgelegt. Zur Verfahrenserleichterung wurde die Einwilligung jedoch im Vorhinein allgemein erteilt, wenn das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet wurde und bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Dabei handelt es sich überwiegend („… aus besonderen Gründen geboten …“) um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die einstellenden Behörden müssen vor einer Ausnahmeentscheidung diese Voraussetzungen prüfen und bejahen.
Der Rechnungshof stellte fest, dass im Geschäftsbereich des Kultusministeriums Verbeamtungen grundsätzlich bis zum vollendeten 45. Lebensjahr erfolgten, ohne dass im Einzelfall geprüft wurde, ob und inwieweit „besondere Gründe“ vorlagen. Dieses Verfahren wird schon seit Beginn der Achtzigerjahre praktiziert. Folglich enthielten auch die dem Rechnungshof vorgelegten Personalakten keine entsprechende Dokumentation dazu, ob und gegebenenfalls welche besonderen Gründe im Sinne der Verwaltungsvorschriften für die Verbeamtung nach dem vollendeten 40. Lebensjahr vorlagen.
19 der oben genannten 324 Neueinstellungen des Jahres 2007 wurden sofort für eine Tätigkeit im Privatschuldienst beurlaubt. Von den verbliebenen 305 Personen entfielen 230 (75 %) auf die Besoldungsgruppe A 13 des höheren Dienstes, auf weibliche Beamte der Besoldungsgruppe A 13 des gehobenen Dienstes und männliche Beamte der Besoldungsgruppe A 10. Für diesen empirisch am häufigsten vorkommenden Bewerberkreis hat der Rechnungshof Vergleichsberechnungen angestellt. Zur Vereinfachung wurden geeignete repräsentative Modellbeispiele gebildet. Aus ihnen wird ersichtlich, dass die Verbeamtung von Personen zwischen dem 40. und dem 45. Lebensjahr in rund 70 % der Fälle teurer ist als ihre Tarifbeschäftigung.
Wären die genannten 230 Personen alle tarifbeschäftigt worden, hätte das Land allein bei diesen Spätverbeamtungen des Jahres 2007 - auf die Lebenszeit hochgerechnet - voraussichtlich Mehrkosten in Höhe von 11,5 Mio. Euro vermeiden können. Dieser Betrag stellt die Differenz der Barwerte der Ausgaben dar. Die Zahlungszeiträume sind bei Beamten ihre aktive Dienstzeit, ihre Versorgungszeit und die Versorgungszeit ihrer Hinterbliebenen. Bei Tarifbeschäftigten ist dies lediglich ihre aktive Dienstzeit, weil nur hier Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung bzw. Arbeitgeberanteile an der Umlage zur Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst anfallen.
3 Bewertung
Die bislang praktizierte generelle Verbeamtung von Lehrern bis zum 45. Lebensjahr ohne konkrete Einzelfallabwägung ist vorschriftswidrig. Das Land kann als Dienstherr bzw. Arbeitgeber sein Beschäftigungsangebot und die Einstellungskonditionen festlegen. Es kann das Angebot eines bestimmten Beschäftigungsstatus an Altersgrenzen koppeln. Es ist nicht gezwungen, alle Bewerber auch nach dem vollendeten 40. Lebensjahr zu verbeamten.
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hält solche Altersgrenzen bislang stets für gerechtfertigt. Die Gerichte sehen weder einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz noch gegen §§ 1, 2 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Die Berücksichtigung des Alters ist nämlich zur Erreichung eines legitimen Ziels im Sinne von § 10 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erforderlich und damit gerechtfertigt. Als ein solches Ziel erkennt die Verwaltungsrechtsprechung das Interesse der Allgemeinheit an einem angemessenen bzw. ausgewogenen Verhältnis zwischen aktiver Dienstzeit und Versorgungsphase an. Denn dieses Verhältnis wirkt sich auf die Versorgungslasten des Dienstherrn aus.
Die regelmäßige Verbeamtung von Lehrern über das 40. Lebensjahr hinaus ohne konkrete Einzelfallabwägung ist für das Land finanziell erheblich nachteilig. Der Rechnungshof weiß, dass in Zeiten eines (vorübergehenden) Lehrermangels die Verbeamtung von lebensälteren Bewerbern einen Wettbewerbsfaktor darstellen kann. Im Einzelfall kann dann eine Spätverbeamtung gerechtfertigt sein, wenn ein dringender, anderweitig nicht abdeckbarer Lehrerbedarf gegeben ist. In den vergangenen Jahren wurde jedoch auch bei einem Überschuss an Lehramtskandidaten regelmäßig in großer Zahl spät verbeamtet.
Die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Beamtenversorgung ist nach der Rechtsprechung kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber darf die für die Bemessung der Versorgungsbezüge maßgebenden Regelungen auch zum Nachteil der Beamten ändern, wenn dies unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerechtfertigt scheint und eine amtsangemessene Versorgung gewahrt bleibt.
4 Empfehlungen
Zugangsvoraussetzungen zum öffentlichen Dienst sind grundsätzlich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung eines Bewerbers (Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz). Das Land darf jedoch sein Angebot auf eine Einstellung ins Beamtenverhältnis auf ein bestimmtes Höchstalter begrenzen. Hat der am besten geeignete Bewerber dieses Höchstalter bereits überschritten, akzeptiert jedoch eine Tarifbeschäftigung nicht, so ist zunächst zu prüfen, ob andere geeignete Lebensjüngere zur Verfügung stehen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist abzuwägen, ob die Übernahme des lebensälteren Bewerbers einen erheblichen Vorteil für das Land bedeutet oder seine Ablehnung zu einer erheblichen Schädigung der Landesinteressen führt. Dabei sind die Kostenfolgen, insbesondere die entstehenden Versorgungslasten, rechtskonform in den Abwägungsprozess einzubeziehen. Es darf beim Überschreiten der vorher festgelegten Altersgrenze nur aus besonderen Gründen im Einzelfall dennoch verbeamtet werden. Dies ist nachvollziehbar zu dokumentieren. Das Kultusministerium sollte dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis künftig beachten.
Der Rechnungshof empfiehlt, die Altersgrenze für Verbeamtungen gesetzlich zu regeln und Ausnahmen einfacher und klarer zu formulieren. Damit würde auch einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Rechnung getragen.
Der Rechnungshof regt außerdem an, bei den Regierungspräsidien mittelfristig Elemente eines Personalkostenbudgets - unter besonderer Berücksichtigung zu erwartender Versorgungskosten - einzuführen.
Schließlich hält der Rechnungshof an seiner Auffassung fest, die Trennung der Versorgungssysteme einzuführen. Dies könnte im Rahmen der bevorstehenden Dienstrechtsreform geschehen.
5 Stellungnahmen der Ministerien
Das Finanzministerium hat gegen die Feststellungen und Bewertungen des Rechnungshofs keine Einwände. Es weist lediglich ergänzend darauf hin, dass die Umsetzung wesentlicher Empfehlungen bereits geplant sei. So werde man nach dem Vorliegen der schriftlichen Begründung des zitierten Urteils ggf. notwendige gesetzgeberische Maßnahmen zur Regelung der Altersgrenze einleiten. Elemente des vom Rechnungshof vorgeschlagenen Personalkostenbudgets würden seit Anfang 2009 in ausgewählten Bereichen der Landesverwaltung pilothaft für drei Jahre erprobt. Nach erfolgter Evaluierung solle über die Übertragung auf die übrigen Bereiche der Landesverwaltung und ggf. die Einbeziehung der Versorgungsausgaben entschieden werden. Auch die Trennung der Versorgungssysteme solle im Rahmen der Dienstrechtsreform herbeigeführt werden.
Das Kultusministerium räumt ein, dass die erforderlichen Einzelfallabwägungen in seinem Geschäftsbereich zumindest nicht ausreichend dokumentiert worden seien. Aus dieser Tatsache könne jedoch nicht gefolgert werden, dass die Voraussetzungen der „besonderen Gründe“ jeweils nicht vorlagen. Eine Berechnung der voraussichtlichen Kosten von Spätverbeamtungen sei wegen der vielen Unwägbarkeiten allenfalls stark typisierend denkbar. Gleichwohl anerkennt das Kultusministerium die Notwendigkeit, die bisherigen Verwaltungsabläufe und Entscheidungsprozesse für die Einstellung lebensälterer Lehrer zu optimieren.
Aus Sicht des Kultusministeriums ist es aber notwendig, in der aktuellen Konkurrenzsituation bereits vorab Bereiche zu bestimmen, in denen eine Einstellung auch nach Vollendung des 40. Lebensjahres, möglicherweise auch über das 45. Lebensjahr hinaus, möglich sei. Sonst würden sich - insbesondere beim Lehramt an beruflichen Schulen, wo derzeit ein starker Mangel bestehe - Lehrkräfte gar nicht erst für den Staatsdienst in Baden-Württemberg bewerben, weil eine Vergütung als Tarifbeschäftigter finanziell zu unattraktiv sei.
6 Schlussbemerkung
Der Rechnungshof verkennt nicht das Bedürfnis, Pflichtunterricht auch an beruflichen Schulen ausreichend abzudecken. Dies kann im Einzelfall dazu führen, mangels Alternativen einen geeigneten Bewerber nach Vollendung des 40. Lebensjahres zu verbeamten. Diese Altersgrenze allgemein auf das 45. Lebensjahr zu erhöhen, wie vom Kultusministerium derzeit praktiziert und verteidigt, erscheint indes weder mit dem geltenden Recht vereinbar noch sachgerecht. Im Übrigen steigert eine solche Praxis die bestehende Überalterung der beamteten Lehrerschaft noch weiter.
In einigen anderen Ländern werden Lehramtsbewerber entweder überhaupt nicht (z. B. in Berlin, Sachsen oder Thüringen) oder nur bis zum 35. Lebensjahr (Nordrhein-Westfalen) verbeamtet. Im Übrigen fanden in Baden-Württemberg 2007 mehr als die Hälfte aller Spätverbeamtungen nach vollendetem 40. Lebensjahr bei Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen statt und damit in einem Bereich, in dem nahezu kein Bewerbermangel bestand.
Ein anderer Weg, den das Kultusministerium beim Direkteinstieg in das wissenschaftliche Lehramt an beruflichen Schulen zum Schuljahr 2009/2010 beschreiten will, erscheint für das Land wesentlich vorteilhafter: In den Mangelbereichen Metall- und Elektrotechnik erhalten Personen, bei denen eine Übernahme in das Beamtenverhältnis z. B. wegen fehlender persönlicher Voraussetzungen (Gesundheit, Alter) nicht möglich ist, eine (abzuschmelzende) Zulage von bis zu 800 Euro monatlich. Dieses zeitlich befristbare Instrument erscheint geeignet, um auf eine temporäre Mangelsituation angemessen zu reagieren, ohne das Problem der dramatisch ansteigenden Pensionslasten zu verschärfen. Auch Vereinbarungen zur vorübergehenden Lehrergewinnung, wie sie das Kultusministerium von Baden-Württemberg kürzlich mit den Ländern Thüringen und Sachsen geschlossen hat, wo ein Absolventenüberhang besteht, gehen in die richtige Richtung und helfen beiden Seiten.