Aufwändiger Neubau eines Gewächshauses [Beitrag Nr. 25]

Für die Errichtung eines Glashauses von rd. 36 m² für den Botanischen Garten einer Universität wurden rd. 310.000 € aufgewendet. Die Kosten von rd. 8.600 €/m² sprengen jeden vernünftigen Rahmen.

1 Vorbemerkung

Im Jahr 2001 feierte die Universität Tübingen den 500. Geburtstag des Botanikers Leonard Fuchs; ihm zu Ehren wurde im 18. Jahrhundert eine in Mittelamerika entdeckte Pflanzengattung benannt - die heutige Fuchsia.

Um dieses Jubiläum angemessen zu begehen, hat das Botanische Institut der Universität Tübingen das zuständige Vermögens- und Hochbauamt (VBA) gebeten, im Botanischen Garten der Universität ein Gewächshaus mit Pavillon-Charakter zu bauen, um dort die verschiedenen Fuchsienarten präsentieren zu können.

2 Nutzungsanforderung

In seinem Anforderungsschreiben schilderte das Botanische Institut seine Vorstellungen wie folgt:

„Um das Fuchsienjahr 2001 für den Tübinger Garten so repräsentativ wie möglich zu machen, ist die Präsentation von Fuchsien in einem Gewächshaus von Pavillon-Charakter unverzichtbar. Das Haus sollte eine maximale Grundfläche von 30 - 40 m² haben, die Stehglaswände müssten mindestens 2 m Höhe besitzen. Das Haus sollte auf einem Fundament stehen und so konstruiert sein, dass die Exponate von außen und innen besichtigt werden können. Es wäre äußerst zweckmäßig, wenn dieser Pavillon im Winter temperiert werden könnte, um als Überwinterungs- bzw. auch als Schauhaus für frostempfindliche Gewächse verwendet werden zu können“.

Das VBA nahm den Wunsch des Botanischen Instituts auf (obwohl eine ordnungsgemäße Nutzungsanforderung von der Universitätsverwaltung zu stellen gewesen wäre) und übertrug die Planung und Bauleitung unter Hinweis auf personelle Engpässe einem freiberuflich tätigen Architekten. Dieser plante einen etwa 36 m² großen, spitzwinkligen Glasbaukörper mit einseitigem Fassadenknick und einem Volumen von etwa 100 m³. Die Gesamtkosten wurden zunächst auf rd. 235.000 € veranschlagt; das sind rd. 6.530 €/m² Nutzfläche bzw. rd. 2.350 €/m³ umbauten Raumes.

3 Kostenprüfung

In der Staatlichen Hochbauverwaltung besteht grundsätzlich die Verpflichtung, die auf Grund einer Nutzungsanforderung zu erwartenden Baukosten zunächst nach dem Verfahren der Richtlinien für Baukostenplanung (RBK) zu ermitteln; die so ermittelten Baukosten stellen den verbindlichen Kostenrahmen dar, der nicht überschritten werden darf. Wäre das VBA dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte sich für ein Gewächshaus mit besonderen, erhöhten Qualitäten bei einer entsprechenden Einstufung ein Kostenrahmen von lediglich rd. 72.900 € ergeben (s. Übersicht 1). Die vom Architekten vorgelegten und vom Bauamt genehmigten Kosten in Höhe von rd. 235.000 € waren demnach entschieden zu hoch; dies hätte dem VBA spätestens bei der Prüfung der HU-Bau auffallen müssen.

Im weiteren Projektverlauf wurden die genehmigten Kosten nach dem derzeitigen Abrechnungsstand um weitere voraussichtlich etwa rd. 75.000 € überschritten; das entspricht einer Steigerung um etwa 32 %. Die eklatanten Kostenunterschiede werden in der Übersicht 1 dargestellt.

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Die mehr als dreifache Überschreitung des Kostenrahmens nach RBK bei der voraussichtlichen Abrechnung ist vor allem auf eine äußerst komplexe Architektur- und Detailplanung zurück zu führen. Es wurde ein anspruchsvoller Solitär errichtet, der keinerlei Bezug zu irgendwelchen Marktprodukten hat (s. Abbildung 1). Details wurden individuell geplant und zusammen mit der beauftragten Metallbaufirma eigens für dieses Vorhaben baureif entwickelt. Sämtliche Glaselemente sind rahmenlos und werden durch innen liegende Edelstahlkonstruktionen gehalten. Bei entsprechender Temperaturentwicklung öffnen sie automatisch und schließen auch entsprechend wieder. Kontaktschleifen unterbrechen den Schließvorgang, sobald z.B. ein Arm von außen in das Gewächshaus reicht.

Neben den Kosten für die Baukonstruktion von rd. 215.000 € und die Technischen Anlagen von rd. 43.000 € sowie für die Außenanlagen von rd. 10.000 € mussten allein für die Baunebenkosten (vor allem für Honorare) rd. 43.000 € aufgewendet werden.

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4 Einordnung

Ausgehend von den zu erwartenden Abrechnungskosten in Höhe von rd. 310.000 € errechnen sich Gesamtbaukosten/m² Nutzfläche (GBK/m² NF) von rd. 8.600 €/m2. Dieser Wert liegt weit über den Kosten selbst hoch technisch ausgestatteter Gewächshäuser für Forschungszwecke; er übersteigt auch bei weitem die Kostenrichtwerte aufwändiger Institutsgebäude. Die Planung hätte in dieser Form nicht genehmigt werden dürfen. Ein funktionierendes Controlling im VBA hätte zudem den weiteren Kostenanstieg im Laufe der Baudurchführung verhindern müssen.

Hohe Kosten hat die individuelle Detailplanung und Ausschreibung, sowohl im Bereich der Baukonstruktion als auch für die technische Ausstattung, nach sich gezogen. Eine funktionale Ausschreibung auf der Grundlage einer Rahmenplanung, die den Firmen Raum für eigene marktgängige Produkte gelassen hätte, hätte zu erheblichen Kostenreduzierungen geführt.

Darüber hinaus wäre ein Großteil der Baunebenkosten nicht angefallen, wenn die Planung und Realisierung in Eigenbesorgung des Bauamtes erfolgt wäre. Derartige kleinere Baumaßnahmen sollten, von begründeten Ausnahmen abgesehen, von den qualifizierten Planern und Bauleitern der Bauämter in sachgerechter und kostengünstiger Form geplant und durchgeführt werden können, ohne damit den Anspruch auf qualitätsvolle Architektur aufzugeben. Im vorliegenden Fall wäre auch das Einholen von Komplettangeboten spezialisierter Fachunternehmen naheliegend gewesen. Auch in Anbetracht des schlechten Zustands benachbarter Gewächshäuser, die wegen angeblich fehlender Mittel nicht saniert werden konnten, ist der erhebliche finanzielle Aufwand für den Bau des neuen Gewächshauses nicht nachvollziehbar.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das FM führt aus, ein Kostenvergleich mit Werten von Gewächshäusern auf der Grundlage der RBK sei nicht sinnvoll, da es sich bei dem Tübinger Projekt um einen Ausstellungspavillon für seltene, alte Pflanzen handele, vergleichbar mit hochwertigen Ausstellungsobjekten in Museen. Es räumt ein, dass nicht alle Möglichkeiten eines effizienten Kostencontrollings wahrgenommen wurden, und teilt die Auffassung des RH, dass Vereinfachungen während des Planungsprozesses unter Einbeziehung marktgängiger Standardprodukte zu einer Kostenreduzierung geführt hätten. Eine Kostenentwicklung wie bei dieser kleinen Baumaßnahme sei ein „Ausreißer“. Im Übrigen habe auch der RH die Bemühung zur wirtschaftlichen Optimierung der Standards und Kosten bei Baumaßnahmen der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung anerkannt.

6 Schlussbemerkung

Der RH bleibt bei seiner Auffassung, dass der Fuchsienpavillon zu aufwändig geplant und weit überteuert realisiert wurde. Einfachere und vor allem wirtschaftlichere Lösungen unter Einbeziehung von Industrieprodukten hätten zu wesentlich geringeren Kosten beigetragen und dabei den gleichen Zweck erfüllt.

Auch wenn der vorliegende Fall nicht symptomatisch ist, ist dennoch bei manchen Prüfungen erkennbar, dass vor allem bei den kleinen Baumaßnahmen und im Bereich der Bauunterhaltung eine weniger kritische Einstellung zu den Kosten besteht. Dabei ist gerade hier ein äußerst kostenbewusstes Handeln unverzichtbar, da die für diesen Bereich zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ohnehin sehr knapp bemessen sind und erforderliche Maßnahmen im Rahmen der Instandhaltung und Instandsetzung von der Bauverwaltung unter Hinweis auf fehlende Mittel häufig zurückgestellt werden müssen.

Dass im vorliegenden Fall dennoch Baumittel für ein aufwändiges Glashaus zur Verfügung gestellt werden konnten, zeigt Defizite in der Prioritätenabwägung auf.