Landesschulden [Beitrag Nr. 3]

Nach einer kontinuierlichen Reduzierung der Neuverschuldung zur Finanzierung des regulären Haushalts in den vorangegangenen Jahren wurde die Nettokreditaufnahme im Jahr 2001 wieder deutlich angehoben. Die Schulden des Landes zum Ende des Jahres 2001 sind um rd. 4,7 Mrd. DM auf jetzt 65,7 Mrd. DM angewachsen. Zur angestrebten Netto-Nullverschuldung gibt es keine verantwortbare Alternative.

1 Schuldenentwicklung

1.1 Die Verschuldung des Landes ist im Hj. 2001 stark angestiegen. Die Landesschulden und verlagerten Verpflichtungen haben sich wie folgt verändert:

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Im Laufe des Jahres 2001 nahm das Land auf Grund der Ermächtigung im StHG Kassenverstärkungskredite an 46 Tagen (Vorjahr 73 Tage) in Anspruch. Mit 252,5 Mio. DM war am 16.07.2001 die höchste Kreditaufnahme zu verzeichnen. Am 31.12.2001 waren keine Kassenkredite aufgenommen.

1.2 Die Schulden einschließlich der verlagerten Verpflichtungen sind 2001 um 4.759,8 Mio. DM (2.952,3 Mio. DM mehr als im Vorjahr) gestiegen (Schaubild 1).

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Im Hj. 2001 sind am Kapitalmarkt 9.553,3 Mio. DM neue Darlehen aufgenommen worden. Gleichzeitig wurden 5.138,7 Mio. DM - davon 293,4 Mio. DM außerordentlich - getilgt. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme (Schaubild 2) war somit 2001 mit 4.414,6 Mio. DM um 609,8 Mio. DM höher als die haushaltsgesetzliche Kreditermächtigung des Jahres 2001 und um 3.021,1 Mio. DM höher als die Nettokreditaufnahme im Vorjahr (1.393,5 Mio. DM). Darin enthalten sind 1.974,8 Mio. DM zum Erwerb einer stillen Beteiligung an der LBBW (Vorjahr 592,5 Mio. DM).Ohne die zweckgebundene Kreditaufnahme für diesen Erwerb war der Kreditbedarf für den übrigen Haushalt mit 2.439,8 Mio. DM um 1.638,8 Mio. DM höher als im Vorjahr (801 Mio. DM). Die gegenüber der haushaltsgesetzlichen Kreditermächtigung um 609,8 Mio. DM höhere Nettokreditaufnahme wurde durch die Inanspruchnahme der in den Vorjahren nicht voll ausgeschöpften haushaltsgesetzlichen Kreditermächtigungen finanziert. Im Übrigen steht dem ein kassenmäßiger Überschuss in Höhe von 400,2 Mio. DM gegenüber.

Der gegenüber der Nettokreditaufnahme von 4.414,6 Mio. DM um 261,2 Mio. DM höhere Zuwachs der Kreditmarktschulden zum 31.12.2001 (4.675,8 Mio. DM) ist darauf zurückzuführen, dass von den im Jahre 2001 valutierten Krediten einerseits 730,5 Mio. DM in das Jahr 2002 verlagert und andererseits 68,4 Mio. DM im Jahr 2000 gebucht wurden. Gleichzeitig waren im Jahr 2001 haushaltsmäßig gebuchte Kredite in Höhe von 537,7 Mio. DM bereits im Jahr 2000 valutiert.

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Die im Jahr 2001 um 13,1 Mio. DM reduzierten Schulden gegenüber dem Bund und dem Lastenausgleichsfonds für den Wohnungsbau sind finanzwirtschaftlich nicht von Bedeutung, weil den Schuldendienstverpflichtungen entsprechende Einnahmen von den Darlehensnehmern gegenüberstehen.

Die Kreditfinanzierungsquote im Sinne des Anteils der Nettokreditaufnahme von 4.414,6 Mio. DM an den bereinigten Gesamtausgaben (ohne die besonderen Finanzierungsvorgänge) in Höhe von 61.721,9 Mio. DM hat sich gegenüber dem Vorjahr von 2,4 % um 4,8 Prozentpunkte auf 7,2 % erhöht. Ohne Berücksichtigung der Kreditaufnahme für den Erwerb der stillen Beteiligung an der LBBW ergibt sich eine Kreditfinanzierungsquote von 4,0 %.

1.3 Die auf die L-Bank, die LEG Landesentwicklungsgesellschaft Baden-Württemberg mbH und die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH verlagerten Verpflichtungen, für die das Land den Schuldendienst oder den Finanzierungsaufwand erstattet, haben sich um 97,1 Mio. DM auf 975,2 Mio. DM erhöht. Dies ist in erster Linie auf die Finanzierung von Straßenbaumaßnahmen (+ 67,8 Mio. DM) und die Finanzierung der Kosten für die Einführung neuer Steuerungsinstrumente (+ 50,3 Mio. DM) zurückzuführen. Die verlagerten Verpflichtungen aus Vorhaben des Staatlichen Hochbaus wurden im Jahr 2001 um rd. 26 Mio. DM reduziert.

2 Pro-Kopf-Verschuldung

Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt (einschließlich öffentliche Sondermittel) erhöhte sich zum 31.12.2001 auf 62.385,0 Mio. DM. Die vorläufige Pro-Kopf-Verschuldung (Stand Einwohnerzahl zum 31.03.2001) betrug danach 5.921 DM (Vorjahr endgültig 5.497 DM) und ist gegenüber dem 31.12.2000 um 7,7 % gestiegen; in allen Flächenländern belief sie sich durchschnittlich - bei einer Steigerung um 6,5 % - auf vorläufig 7.485 DM (Vorjahr endgültig 7.027 DM). Zur Pro-Kopf-Verschuldung im Einzelnen siehe Schaubild 3 und Übersicht 1.

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Danach liegt Baden-Württemberg in der Pro-Kopf-Verschuldung auf dem dritten Platz aller Flächenländer und weiterhin auf dem zweitbesten Platz der acht alten Flächenländer. Der Abstand zu Bayern, das seit langem die günstigste Pro-Kopf-Verschuldung aufweist, ist gegenüber dem Vorjahr wiederum größer geworden. Gleichzeitig hat sich auch der Abstand zu den meisten der nachfolgenden Länder vergrößert.

3 Kreditaufnahme und Schuldendienst

Die Entwicklung der jährlichen (haushaltsmäßigen) Brutto- und Nettokreditaufnahme sowie der Aufwendungen für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren zeigt Übersicht 2.

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Die Ist-Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel (Zinsen und Tilgungsleistungen bei Kap. 1206 Ausgabe-Tit.Gr. 86 - ohne Tit. 563 86 Ausgleichsstock) waren im Hj. 2001 um 1.678,9 Mio. DM (16,9 %) geringer als im Vorjahr.

Die Zinsausgaben für die Kreditmarktschulden beliefen sich im Hj. 2001 auf 3.128,2 Mio. DM. Danach betrug die Zinsausgabenquote als Verhältniszahl der Zinsausgaben zu den bereinigten Gesamtausgaben 5,1 % (Vorjahr 5,3 %).

Der Schuldendienst an die L-Bank und die Erstattung des Finanzierungsaufwands an die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH sowie an die LEG beliefen sich im Hj. 2001 auf 338,5 Mio. DM. Darin sind auch die Ersatzleistungen an die L-Bank für die Finanzierung des Darlehensanteils des Landes bei der Ausbildungsförderung für Studierende in Höhe von 53,5 Mio. DM enthalten, die aus systematischen Gründen dem gesamten Schuldendienst zuzurechnen sind.

Die Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel und der Aufwand für die verlagerten Verpflichtungen haben sich danach um 1.674 Mio. DM auf 8.605,4 Mio. DM verringert. Dementsprechend beträgt der Anteil des gesamten Schuldendienstes an den Gesamtausgaben (einschließlich der haushaltsmäßig nicht ausgewiesenen Tilgungsausgaben in Höhe von 5.138,7 Mio. DM) des Landes 12,8 % (Vorjahr 15,5 %).

Der Aufwand für den Schuldendienst entsprach somit rd. einem Achtel der Gesamtausgaben und war nach den Personalausgaben und den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse nach wie vor der drittgrößte Posten im Landesetat.

4 Kreditaufnahme - Investitionen - Steuereinnahmen

4.1 Nach Art. 84 LV dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Im StHpl. waren für das Hj. 2001 Ausgaben für Investitionen (Hauptgruppen 7 und 8) in Höhe von 8.179,1 Mio. DM veranschlagt. Tatsächlich wurden im Hj. 2001 für Investitionen 8.036,8 Mio. DM einschließlich dem Erwerb der stillen Beteiligung an der LBBW (1.974,8 Mio. DM) verausgabt. Davon wurden 116,7 Mio. DM aus Privatisierungserlösen des Landes finanziert. Nach Abzug der Zuweisungen des Bundes und der Gemeinden (Obergruppe 33) und der sonstigen Beiträge Dritter (Obergruppe 34) für Investitionen des Landes in Höhe von insgesamt 1.024,3 Mio. DM beliefen sich die vom Land selbst finanzierten Investitionen im Hj. 2001 auf 7.012,5 Mio. DM. Demgegenüber betrug die Nettokreditaufnahme 4.414,6 Mio. DM. Das Land hat auch unter dieser einengenden Betrachtung des Investitionsbegriffs im Hj. 2001 die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze eingehalten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in dem bereinigten Investitionsvolumen auch Zuweisungen und Zuschüsse des Landes für Investitionen Dritter (Obergruppen 88 und 89) - insbesondere an Kommunen sowie öffentliche und private Unternehmen - enthalten sind.

4.2 Die Nettokreditaufnahmen und die Einnahmen aus Steuern haben sich in den letzten zehn Jahren wie in Übersicht 3 dargestellt entwickelt.

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Danach ist das Steueraufkommen im Hj. 2001 gegenüber dem Vorjahr um 1.807 Mio. DM (- 4 %) zurückgegangen und lag um 2.863,5 Mio. DM unter dem Haushaltsansatz. Zugleich sind die Ausgaben des Landes im Länderfinanzausgleich gegenüber dem Haushaltssoll um 752,5 Mio. DM gestiegen. Da sich andererseits die Ausgaben im kommunalen Finanzausgleich gegenüber dem Haushaltssoll um 993,3 Mio. DM reduziert haben, ergaben sich im Vergleich zum ursprünglichen Haushaltsansatz unter Berücksichtigung der veranschlagten globalen Steuermindereinnahmen in Höhe von 2.038 Mio. DM haushaltsmäßig letztlich Steuermindereinnahmen von netto 584,7 Mio. DM.

Die Steuerdeckungsquote, d.h. das Verhältnis der Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben, belief sich im Hj. 2001 auf 69,9 % (Vorjahr 76 %).

4.3 Die Übersicht 4 zeigt die Entwicklung der wesentlichen Ausgabearten und die prozentualen Anteile an den bereinigten Gesamtausgaben des Landes in den letzten zehn Jahren.

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Der Anstieg der bereinigten Gesamtausgaben gegenüber dem Vorjahr um 2.530,6 Mio. DM ist im Wesentlichen auf den Erwerb der stillen Beteiligung an der LBBW zurückzuführen. Ohne Berücksichtigung dieser Ausgabenposition (1.974,8 Mio. DM) liegt die Personalausgabenquote bei 40,3 %. Auf der Basis der insoweit verminderten bereinigten Gesamtausgaben (59.747,1 Mio. DM) und Investitionsausgaben ergibt sich eine Investitionsquote von 10,1 %. Entsprechend erhöhen sich geringfügig der prozentuale Anteil der Zuweisungen und Zuschüsse einschließlich der Finanzausgleichsleistungen an Länder und Gemeinden auf 38,6 %, der Anteil der sächlichen Verwaltungsausgaben auf 5,6 % und die Zinsausgabenquote auf 5,2 %.

4.4 In der Übersicht 5 sind die Zinsausgaben für Kreditmarktschulden im Vergleich und im Verhältnis zu den Steuereinnahmen (Zins-Steuer-Quote) dargestellt. Danach musste im Hj. 2001 ein Anteil von 7,2 % des Steueraufkommens (Vorjahr 6,9 %) zur Deckung der Zinsverpflichtungen verwendet werden.

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5 Fazit und Ausblick

Auch ohne Berücksichtigung der Finanzierung des Erwerbs einer stillen Beteiligung an der LBBW war im Hj. 2001 zur Deckung der regulären Ausgaben eine Nettokreditaufnahme in Höhe von 2.439,8 Mio. DM erforderlich. Die Neuverschuldung ist somit nach einer gewissen Konsolidierungsphase in den vorangegangenen Jahren wieder beträchtlich angewachsen.

Dies war im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass einerseits auf Grund der Steuerreform und der zudem schwachen Konjunktur das Steueraufkommen stark zurückgegangen ist und andererseits die Leistungen für den Länderfinanzausgleich nicht unerheblich gestiegen sind.

Trotz der beträchtlichen Erhöhung des Schuldenstandes sind die Zinsausgaben wegen des weiterhin günstigen Zinsniveaus nahezu gleich geblieben. Da aber ungewiss ist, wie lange das äußerst niedrige Zinsniveau anhalten wird und auch deshalb in der Mittelfristigen Finanzplanung eine deutliche Erhöhung der Zinslast unterstellt ist, ist es zwingend geboten, die Nettokreditlinie der Finanzplanung einzuhalten, die auf das Ziel ausgerichtet ist, ab 2006 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Dies kann nur gelingen, wenn die Ausgaben dauerhaft prozentual deutlich geringer als die regulären Einnahmen des Landes steigen. Hierzu bedarf es äußerster Sparsamkeit und strenger Haushaltsdisziplin.

Angesichts des erreichten Schuldenstandes von rd. 66 Mrd. DM ist der finanzielle Handlungsspielraum des Landes durch den immensen Schuldendienst bereits jetzt nicht unerheblich eingeengt. Hinzu kommen weitere Einschränkungen durch jetzt schon absehbare künftige Steigerungen der Pensionsverpflichtungen. Von daher gibt es zur baldmöglichst angestrebten Netto-Nullverschuldung keine verantwortbare Alternative. Dies ist um so mehr geboten, weil über die Nettokreditaufnahme seit Jahren auf Grund der höheren Zinslast kein zusätzlicher Handlungsspielraum gewonnen wurde.

Im Übrigen muss die Rückführung der Neuverschuldung bzw. sogar die Erwirtschaftung von Überschüssen schon mit Blick auf die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland im Europäischen Stabilitätspakt und die entsprechenden Zusagen der Länder gegenüber dem Bund zur Umsetzung vorrangiges Ziel der Haushaltspolitik des Landes sein.

6 Landesschuldbuch

Das Landesschuldbuch erbringt den ordnungsgemäßen Nachweis über die Buchschulden des Landes. Der RH hat die im Hj. 2001 in das Landesschuldbuch eingetragenen Schuldbuchforderungen geprüft. Die Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben.