Die Schulden des Landes, einschließlich der verlagerten Verpflichtungen, sind zum Ende des Jahres 2007 auf 44,2 Mrd. € angewachsen. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme belief sich im Haushaltsjahr 2007 auf 1 Mrd. €. Hätte die Landesregierung darauf verzichtet, überschüssige Liquidität vorzuhalten, wäre die Nettonullverschuldung bereits 2007 möglich gewesen.
1 Verschuldungslage
1.1 Schuldenzuwachs
Die Verschuldung des Landes ist auch im Haushaltsjahr 2007 angestiegen. Die Landesschulden und die auf Dritte verlagerten Verpflichtungen haben sich gegenüber dem Vorjahr, wie in Tabelle 1 dargestellt, verändert.

Danach sind die Schulden, einschließlich der verlagerten Verpflichtungen, im Haushaltsjahr 2007 um insgesamt 579,7 Mio. € gestiegen.
Im Jahr 2007 nahm das Land aufgrund der Ermächtigung im Staatshaushaltsgesetz Kassenverstärkungskredite an 9 Tagen (Vorjahr 26 Tage) in Anspruch; mit 45,5 Mio. € war am 15.01.2007 der höchste Stand der Kassenkredite zu verzeichnen. Am 31.12.2007 waren keine Kassenkredite aufgenommen.
Die Entwicklung der Landesschulden und der verlagerten Verpflichtungen in den letzten zwanzig Jahren zeigt Abbildung 1.

1.2 Haushaltsmäßige Kreditaufnahme
Im Haushaltsjahr 2007 wurden am Kapitalmarkt 6.487,0 Mio. € neue Darlehen aufgenommen. Gleichzeitig wurden 5.489,6 Mio. € getilgt. Die haushaltsmäßige Nettokreditaufnahme belief sich somit 2007 auf 997,4 Mio. € und war um 538,1 Mio. € geringer als im Vorjahr (1.535,5 Mio. €). Zum Ende des Haushaltsjahres 2007 waren nicht in Anspruch genommene Kreditermächtigungen früherer Haushaltsjahre in Form von Einnahmeresten in Höhe von 1.646,4 Mio. € vorhanden. Da das Haushaltsjahr 2007 mit einem kassenmäßigen Überschuss in Höhe von 715,3 Mio. € abgeschlossen hat und der restliche kassenmäßige Überschuss des Haushaltsjahres 2006 in Höhe von 356,3 Mio. € haushaltsmäßig noch nicht vereinnahmt ist (siehe Beitrag Nr. 1), lag im Haushaltsjahr 2007 eigentlich kein Kreditbedarf vor. Vielmehr wäre bereits in dieser Haushaltsperiode eine Nettonullverschuldung möglich gewesen. Durch „überschüssige“ Liquidität wurden im Haushaltsjahr 2007 Zinsen aus Geldanlagen in Höhe von rd. 88 Mio. € erwirtschaftet.
Der gegenüber der Nettokreditaufnahme von 997,4 Mio. € um 359,0 Mio. € geringere Zuwachs der Kreditmarktschulden zum 31.12.2007 (638,4 Mio. €) ist darauf zurückzuführen, dass einerseits im Haushaltsjahr 2007 gebuchte Kredite in Höhe von 385,0 Mio. € bereits im Haushaltsjahr 2006 valutiert waren und andererseits 26,0 Mio. € der im Jahre 2007 valutierten Kredite erst im Jahr 2008 haushaltsmäßig nachgewiesen werden.
Der Anteil der Nettokreditaufnahme von 997,4 Mio. € an den bereinigten Gesamtausgaben in Höhe von 32.860,8 Mio. € (Kreditfinanzierungsquote) hat sich gegenüber dem Vorjahr von 4,7 % auf 3,0 % reduziert.
1.3 Kreditaufnahme und Schuldendienst
Die Entwicklung der jährlichen (haushaltsmäßigen) Brutto- und Nettokreditaufnahme sowie der Aufwendungen für den Schuldendienst in den letzten zehn Jahren zeigt Tabelle 2.

Die Ist-Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel (Zinsen und Tilgungsleistungen bei Kapitel 1206, Ausgabe-Titelgruppe 86 - ohne Titel 563 86 Ausgleichsstock - und bei Kapitel 1230 Titel 571 01) sind im Haushaltsjahr 2007 gegenüber dem Vorjahr um 183,5 Mio. € gestiegen. Dies ist auf höhere Tilgungsaufwendungen gegenüber dem Haushaltsjahr 2006 zurückzuführen.
Die Schuldendienstausgaben an die Landeskreditbank Baden-Württemberg - Förderbank (L-Bank) und die Erstattung des Finanzierungsaufwands an die Finanzierungsgesellschaft für öffentliche Vorhaben des Landes Baden-Württemberg mbH sowie an die LBBW Immobilien Projektmanagement GmbH beliefen sich im Haushaltsjahr 2007 auf 222,2 Mio. €. Darin sind auch die Ersatzleistungen an die L-Bank für die Finanzierung des Darlehensanteils des Landes bei der Ausbildungsförderung für Studierende in Höhe von 25,6 Mio. € enthalten, die aus systematischen Gründen dem gesamten Schuldendienst zuzurechnen sind.
Die Ausgaben des Schuldendienstes für die Kreditmarktmittel und der Aufwand für die verlagerten Verpflichtungen beliefen sich im Haushaltsjahr 2007 auf 7.638,4 Mio. €. Dementsprechend beträgt der Anteil des gesamten Schuldendienstes an den Gesamtausgaben (einschließlich der haushaltsmäßig nicht ausgewiesenen Tilgungsausgaben in Höhe von 5.489,6 Mio. €) des Landes 18,9 % (Vorjahr 19,3 %).
Der Aufwand für den Schuldendienst entsprach somit rund einem Fünftel der Gesamtausgaben und war nach den Ausgaben für Zuweisungen und Zuschüsse sowie den Personalausgaben der drittgrößte Posten im Landesetat.
1.4 Pro-Kopf-Verschuldung
Die Verschuldung des Landes am Kreditmarkt erhöhte sich zum 31.12.2007 auf 41.709,9 Mio. €. Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug danach 3.881 € und ist gegenüber dem Vorjahr um 1,5 % gestiegen; in allen Flächenländern belief sie sich durchschnittlich - bei einer Steigerung um 1,1 % - auf 5.091 € (Vorjahr 5.038 €). Zur Pro-Kopf-Verschuldung im Einzelnen siehe Tabelle 3.

Wie bisher liegt Baden-Württemberg auf dem drittbesten Platz aller Flächenländer und auf dem zweitbesten Platz der acht alten Flächenländer. Gemessen an der Veränderung gegenüber dem Vorjahr nimmt Baden-Württemberg nur einen Mittelplatz ein.
2 Verfassungsrechtliche Kreditfinanzierungsgrenze
Nach Art. 84 der Landesverfassung dürfen die Einnahmen aus Krediten die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen grundsätzlich (bei wirtschaftlicher Normallage) nicht überschreiten.
Entsprechend der Begründung zu Art. 84 der Landesverfassung umfasst das Investitionsvolumen die nach der Haushaltssystematik im Haushaltsplan unter den Hauptgruppen 7 und 8 des Gruppierungsplans veranschlagten Ausgaben. Die Gesetzesbegründung zu § 10 des für Bund und Länder maßgeblichen Haushaltsgrundsätzegesetzes definiert die Investitionsausgaben als eigenfinanzierte Investitionen und verlangt, von Dritten gewährte Zuweisungen, Zuschüsse und Beiträge zu Investitionen (Obergruppen 33 und 34) bei der Ermittlung der Summe der Ausgaben für Investitionen abzuziehen.
Die in diesem Sinne eigenfinanzierten Investitionen beliefen sich im Haushaltsjahr 2007 auf 2.013,9 Mio. €. Nach dieser Auslegung des Investitionsbegriffs hat das Land mit der Nettokreditaufnahme von 997,4 Mio. € die verfassungsmäßige Verschuldungsgrenze eingehalten.
Der Rechnungshof hält allerdings eine engere Auslegung des Investitionsbegriffs für sachgerecht (siehe Denkschrift 2006, Beitrag Nr. 3, Landesschulden). Danach sollten insbesondere die Zuweisungen und Zuschüsse für Investitionen Dritter nicht in das Investitionsvolumen des Landes einbezogen werden.
Auf dieser Basis ergibt sich das in Tabelle 4 dargestellte Bild.

Bei Zugrundelegung des vom Rechnungshof geforderten engeren Investitionsbegriffs stehen der Nettokreditaufnahme im Haushaltsjahr 2007 in Höhe von 997,4 Mio. € eigenfinanzierte Investitionen des Landes in Höhe von nur 302,3 Mio. € gegenüber. Dabei sind die kalkulatorischen Abschreibungen an hergestellten oder beschafften Investitionsgütern noch nicht berücksichtigt.
3 Kreditaufnahme, Zinsausgaben und Steueraufkommen
Das Steueraufkommen des Landes belief sich im Haushaltsjahr 2007 auf 26.941 Mio. € und ist gegenüber dem Vorjahr um 2.935 Mio. € (+12,2 %) gestiegen. Unter Berücksichtigung der Mehrausgaben im kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 99 Mio. € ergaben sich gegenüber dem Haushaltsansatz Nettosteuermehreinnahmen in Höhe von 168 Mio. €. Durch die beträchtliche Erhöhung hat sich die Steuerdeckungsquote, d. h. das Verhältnis der Steuereinnahmen zu den bereinigten Gesamtausgaben, im Haushaltsjahr 2007 von 82,0 % gegenüber dem Vorjahr (73,1 %) deutlich verbessert.
Für die bestehenden Kreditmarktschulden sind im Haushaltsjahr 2007 Zinsausgaben in Höhe von 1.927 Mio. € (Vorjahr 2.245 Mio. €) angefallen. Danach musste ein Anteil von 7,2 % des Steueraufkommens (Vorjahr 9,4 %) zur Deckung der Zinsverpflichtungen verwendet werden.
Die Reduzierung der Zinsausgaben gegenüber dem Vorjahr um 318 Mio. € (-14,2 %) ist darauf zurückzuführen, dass im Haushaltsjahr 2006 außerordentliche Zinszahlungen (322,6 Mio. €) für ein im Jahre 1986 aufgenommenes sogenanntes Zero-Darlehen angefallen waren. Die deutliche Verbesserung der Zins-Steuer-Quote ist neben dem geschilderten Sondereffekt von 2006 auf das niedrige Zinsniveau zurückzuführen.
4 Ausgabenstruktur
Im Haushaltsjahr 2007 beliefen sich die bereinigten Gesamtausgaben auf 32.861 Mio. €. Davon entfielen 13.727 Mio. € (41,8 %) auf Zuweisungen und Zuschüsse einschließlich der Finanzausgleichsleistungen an Länder und Gemeinden. Der Anteil der Personalausgaben in Höhe von 12.814 Mio. € beträgt 39 %. Bei einem Investitionsvolumen von 2.764 Mio. € ergibt sich eine Investitionsquote von 8,4 %. Die Zinsausgaben beliefen sich auf 1.927 Mio. €, dies entspricht einer Zinsausgabenquote von 5,9 %. Der Anteil der sächlichen Verwaltungsausgaben in Höhe von 1.577 Mio. € beläuft sich auf 4,8 %.
Die Entwicklung der prozentualen Anteile der wesentlichen Ausgabearten an den bereinigten Gesamtausgaben in den letzten zehn Jahren zeigt Abbildung 2.

5 Beurteilung und Fazit
Die Haushaltslage des Landes hat sich im Haushaltsjahr 2007 aufgrund der beträchtlichen Erhöhung des Steueraufkommens wesentlich verbessert. Entsprechend der Mittelfristigen Finanzplanung ist die Neuverschuldung im Rahmen des Nachtragshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2008 auf Null zurückgeführt worden.
Dies wäre bereits im Haushaltsjahr 2007 möglich gewesen. Zum einen hat das Haushaltsjahr 2007 mit einem kassenmäßigen Überschuss in Höhe von rd. 715 Mio. € abgeschlossen. Zum anderen wurden von dem kassenmäßigen Überschuss des Haushaltsjahres 2006 in Höhe von rd. 535 Mio. € lediglich rd. 179 Mio. € haushaltsmäßig 2007 nachgewiesen. Nach Auffassung des Rechnungshofs hätte der Haushaltsüberschuss 2006 in voller Höhe gemäß § 25 Abs. 2 Landeshaushaltsordnung im Nachtragshaushaltsplan für das Jahr 2007 eingestellt werden können. Somit hätte es im Haushaltsjahr 2007 keiner Nettokreditaufnahme bedurft.
Nach der Neufassung des § 18 Landeshaushaltsordnung ist der Haushaltsplan ab 01.01.2008 grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Außerdem soll die Gesamtverschuldung am Kreditmarkt den am 31.12.2007 erreichten Betrag (41.710 Mio. €) nicht dauerhaft überschreiten.
Der Rechnungshof hält trotz der positiven Entwicklung der Steuereinnahmen nachhaltig wirkende strukturelle Einsparmaßnahmen zur dauerhaften Sicherstellung ausgeglichener Haushalte oder zur Erzielung von Überschüssen zum Schuldenabbau für dringend geboten. Dies gilt insbesondere angesichts dramatisch ansteigender Versorgungsausgaben. Ein Sanierungskonzept, das faktisch Kreditaufnahmen durch Steuererhöhungen und -mehreinnahmen substituiert, wird nicht auf Dauer tragen. Um den Ausstieg aus der Verschuldung sicherzustellen, befürwortet der Rechnungshof weiterhin die Verankerung des Verschuldungsverbots in der Landesverfassung.
6 Landesschuldbuch
Das Landesschuldbuch erbringt den ordnungsgemäßen Nachweis über die Buchschulden des Landes. Der Rechnungshof hat die im Haushaltsjahr 2007 in das Landesschuldbuch eingetragenen Schuldbuchforderungen geprüft. Die Prüfung hat keine Beanstandungen ergeben.