Exportakademien [Beitrag Nr. 26]

Die Exportakademie Baden-Württemberg in Reutlingen erwirtschaftet jedes Jahr ein beträchtliches Defizit. Der Rechnungshof schlägt vor, die Exportakademie in eine andere Trägerschaft zu überführen oder zu schließen.
Die Export-Akademie an der Hochschule Karlsruhe arbeitet im Wesentlichen kostendeckend. Allerdings muss dort in Zukunft das Nebentätigkeitsrecht beachtet werden.

1 Entwicklung der Exportakademien

Die Exportakademie Baden-Württemberg wurde im Jahr 1984 als unselbstständige Anstalt und wissenschaftliche Einrichtung der Fachhochschule Reutlingen gegründet. Ihr Angebot als Weiterbildungseinrichtung für das Auslandsgeschäft gliederte sich damals in einen Aufbaustudiengang „Internationales Marketing“ und in Weiterbildungskurse für Berufstätige auf dem Gebiet der Exportwirtschaft.

Eine Prüfung des Rechnungshofs im Jahr 1992 zeigte Probleme beim Betrieb der Exportakademie auf, die ihre Wirtschaftlichkeit, die Abgrenzung von Haupt- und Nebentätigkeiten und die Vergütung des Lehrpersonals betrafen. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Tübingen im Jahr 1996 wegen des Verdachts falscher Abrechnungen führte ebenfalls zu kritischen Feststellungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Exportakademie.

Auch als Konsequenz aus den zutage getretenen Problemen beschloss die Landesregierung im Jahr 1998 eine Neuorganisation der Exportakademie. Der Aufbaustudiengang, bis dahin eines der zentralen Angebote der Akademie, wurde einschließlich des damit verbundenen Fernlehrangebots in das reguläre Studienangebot der Fachhochschule Reutlingen eingegliedert. Der verbleibende Weiterbildungsbereich für Nichtstudierende wurde in einen Landesbetrieb umgewandelt und trägt seither den Namen „Exportakademie Baden-Württemberg“.

Zugleich wurde von der Landesregierung die Erwartung formuliert, dass die Exportakademie dauerhaft ohne Defizit arbeiten sollte.

Seit 2005 erhält die Exportakademie keine Landeszuschüsse mehr, die entstandenen Defizite werden jeweils aus den Haushaltsresten gedeckt, die die Exportakademie in den Jahren 1999 bis 2004 gebildet hat. Die Außenstelle Karlsruhe der Exportakademie Baden-Württemberg wurde zum Ende des Jahres 2004 geschlossen.

Die Exportakademie verfügt über 5,5 Personalstellen, die allerdings teilweise nicht besetzt sind. Außerdem werden aus Projektmitteln befristete Arbeitsverhältnisse finanziert. Insgesamt umfasste das Personal der Exportakademie in Reutlingen zum Zeitpunkt der Prüfung des Rechnungshofs 6,2 Vollzeitäquivalente (VZÄ).

Im Jahr 2006 standen Erträgen von 771.000 € Aufwendungen in Höhe von 914.000 € gegenüber.

Der Hochschulrat der Hochschule Reutlingen hat sich im Jahr 2006 für eine Schließung der Exportakademie ausgesprochen; das Präsidium der Hochschule ist diesem Beschluss bis heute nicht gefolgt.

Gegenstand der Prüfung des Rechnungshofs war die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Exportakademie; zeitgleich wurde die Export-Akademie an der Hochschule Karlsruhe geprüft.

2 Das Weiterbildungsangebot der Exportakademie Baden-Württemberg in Reutlingen

Das Weiterbildungsangebot der Exportakademie setzt sich aus vier Teilen zusammen:

2.1 SEFEX-Seminare

Es handelt sich um ein Seminarangebot, das sich an Angehörige kleiner und mittlerer Unternehmen richtet, die im Auslandsgeschäft tätig sind. Das Themenspektrum reicht von der Abwicklung von Exportgeschäften über Finanz- und Vertragsfragen bis hin zu speziellen Länderseminaren, die sich mit den Besonderheiten des Exports in diese Länder auseinandersetzen.

Im Jahr 2006 fanden 12 solcher Seminare statt, die von insgesamt 95 Teilnehmern besucht wurden. Im Jahr 2007 ging die Teilnehmerzahl auf 62 zurück.

Die SEFEX-Seminare erbrachten im Zeitraum 2004 bis 2006 eine Unterdeckung von insgesamt 95.000 €.

2.2 Zertifikatslehrgang Auslandsreferent (ZIM)

Bei dem Zertifikatslehrgang ZIM handelt es sich um ein Fernlehrangebot für Berufstätige, das neben zahlreichen Studienbriefen 18 Wochenendpräsenzphasen und ein einwöchiges Unternehmensplanspiel umfasst. Die Teilnehmer können entweder den ganzen Lehrgang absolvieren, der dann zum Zertifikat „Auslandsreferent (Exportakademie)“ führt, oder einzelne Module belegen.

Im Jahr 2006 haben insgesamt 44 Teilnehmer einzelne oder mehrere Module des Zertifikatslehrgangs belegt. Durchschnittlich wurde jedes Modul von 14 Teilnehmern wahrgenommen.

Der Zertifikatslehrgang erbrachte im Zeitraum von 2004 bis 2006 eine Unterdeckung von 251.863 €.

2.3 Internationales Management-Institut (IMI)

Seit 1991 besteht an der Exportakademie ein „Internationales Management-Institut“, das Weiterbildungsangebote für Zielgruppen aus Osteuropa und aus Entwicklungsländern anbietet, deren Kosten in der Regel aus öffentlichen Drittmitteln gedeckt werden.

Im Jahr 2006 handelte es sich um fünf Weiterbildungsprojekte mit insgesamt mehr als 100 Teilnehmern. Mit den IMI-Projekten wurde ein Deckungsbeitrag für die Exportakademie von 66.786 € erwirtschaftet. Der hohe volkswirtschaftliche Nutzen dieser Projekte wurde vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie in einer Studie bestätigt.

2.4 Ergänzungsstudium für Spätaussiedler

Im Auftrag der Otto Benecke Stiftung e.V. bietet die Exportakademie seit 1988 ein Ergänzungsstudium für Spätaussiedler an, mit dessen Hilfe diese beruflich und gesellschaftlich in das Wirtschaftsleben der Bundesrepublik Deutschland integriert werden sollen.

Obwohl dieses Ergänzungsstudium vom Bund und von der Europäischen Union gefördert wird, erwirtschaftete die Exportakademie in den Jahren 2004 bis 2006 auch in diesem Bereich eine Unterdeckung von 77.542 €.

2.5 Bewertung

Mit diesen Weiterbildungsangeboten wird die Exportakademie ihrer ursprünglichen Zielsetzung nicht mehr gerecht. Die seit Gründung der Einrichtung angebotenen Weiterbildungskurse auf dem Gebiet der Exportwirtschaft finden immer weniger Interessenten. Die übrigen Angebote sind ein Konglomerat von eher zusammenhanglosen Einzelbausteinen, das in weiten Teilen von öffentlichen Drittmitteln abhängig ist.

3 Die wirtschaftliche Situation der Exportakademie Baden-Württemberg in Reutlingen

3.1 Entwicklung der Jahresfehlbeträge

Mit der Umwandlung der Exportakademie in einen Landesbetrieb zum 01.01.1999 verband die Landesregierung die Erwartung, dass die Exportakademie innerhalb von fünf Jahren ihr Betriebskostendefizit vollständig abbaut und ab 2004 kein Landeszuschuss mehr erforderlich sein würde. Grundlage dieser Erwartung war die Überzeugung, dass eine Einrichtung der wissenschaftlichen Weiterbildung in der Regel kostendeckend arbeiten sollte. Tatsächlich gewährt das Land seit Beginn des Jahres 2005 keinen Zuschuss mehr für den Betrieb der Exportakademie.

Zwar ist es der Exportakademie seit ihrer Umwandlung in einen Landesbetrieb gelungen, den von ihr erwirtschafteten Fehlbetrag deutlich zu reduzieren, jedoch betrug der Fehlbetrag in den Jahren 2005 und 2006 jeweils noch nahezu 150.000 €.

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Seit 2005 werden diese Fehlbeträge aus den Haushaltsresten der Vorjahre gedeckt. Spätestens ab 2009 stehen zur Deckung des Jahresfehlbetrages keine Haushaltsmittel mehr zur Verfügung.

Ursache der Fehlbeträge sind einerseits die Fixkosten für das bei der Exportakademie unbefristet beschäftigte Personal, die regelmäßig nicht vollständig in die Kalkulation der Veranstaltungspreise eingegangen sind, andererseits die Schwierigkeit, in einem gewandelten Weiterbildungsmarkt, in dem die Nachfrage schwankt und die Zahl der Angebote steigt, die auf der Grundlage von Vollkosten kalkulierten Preise durchzusetzen. Die Leitung der Exportakademie macht geltend, dass die derzeit verlangten Teilnahmegebühren schon an der Obergrenze des Marktüblichen lägen. Im Bereich der öffentlichen Drittmittelprojekte konkurriere man mit Einrichtungen anderer Bundesländer, die von diesen subventioniert würden.

3.2 Bewertung der wirtschaftlichen Situation

Die von der Exportakademie ausgewiesenen Jahresfehlbeträge wären noch höher anzusetzen, wenn alle Leistungen, die die Hochschule Reutlingen gegenüber der Exportakademie teilweise unentgeltlich erbringt, von der Exportakademie angemessen vergütet werden müssten.

Dies gilt insbesondere für die Verwertung von Studienbriefen des von der Hochschule angebotenen Aufbaustudiengangs „Internationales Marketing“ im Rahmen des Zertifikatslehrgangs, ohne dass dafür Lizenzgebühren oder Ähnliches entrichtet werden müssen.

Es wäre nicht zu verantworten, dass eine Hochschule aus den für Studium und Lehre vorgesehenen Haushaltsmitteln dauerhaft eine defizitäre Weiterbildungseinrichtung subventioniert. Diese Einrichtungen müssen so betrieben werden, dass die entstehenden Kosten gedeckt werden und im Regelfall sogar ein Deckungsbeitrag zu den Kosten der Hochschule entsteht.

Dies gilt umso mehr, als die Landesregierung genau aus diesem Grund den Landeszuschuss für diese Einrichtung zum 31.12.2004 eingestellt hat.

Es müssen daher Maßnahmen ergriffen werden, um den defizitären Betrieb der Exportakademie möglichst zeitnah zu beenden.

4 Empfehlungen zur Exportakademie Baden-Württemberg

Der Rechnungshof empfiehlt, die Exportakademie an der Hochschule Reutlingen nicht weiterzuführen.

Dafür bieten sich alternativ drei Wege an:

4.1 Angliederung der Exportakademie an andere öffentliche Träger

Die Exportakademie Baden-Württemberg könnte von einer anderen öffentlichen Einrichtung übernommen und unter dem eingeführten Namen, allerdings unter anderen betriebswirtschaftlichen Vorzeichen, weitergeführt werden.

In Betracht kommen dafür insbesondere die Industrie- und Handelskammern in Baden-Württemberg, die ebenfalls Qualifizierungsangebote für Mitarbeiter exportierender Unternehmen anbieten.

Eines Zuschusses aus dem Landeshaushalt oder aus dem Haushalt der Hochschule Reutlingen bedürfte es dann nicht mehr.

4.2 Übernahme der Einrichtung durch Private

Fiskalisch wünschenswert wäre eine Lösung, bei der ein privates Unternehmen die Exportakademie Baden-Württemberg übernehmen und einzelne ihrer Angebote weiterführen würde.

Zweifelhaft ist allerdings, ob ein privates Unternehmen bereit wäre, das an der Akademie vorhandene Personal zu übernehmen.

4.3 Auflösung der Exportakademie

Wenn weder die Angliederung an eine bestehende öffentliche Einrichtung noch die Privatisierung der Exportakademie Baden-Württemberg gelingen sollte, dann muss die Einrichtung geschlossen werden. Für das auf den Stellen der Exportakademie beschäftigte Personal sollten andere Verwendungen an der Hochschule Reutlingen oder in der Landesverwaltung gefunden werden.

5 Export-Akademie an der Hochschule Karlsruhe

Bis zum Jahr 2004 bestand an der Hochschule Karlsruhe eine Außenstelle der Exportakademie Baden-Württemberg, die damals im Zuge der Neuorganisation der Exportakademie geschlossen wurde.

Die Hochschule Karlsruhe hat daraufhin als Teil ihrer eigenen Weiterbildungseinrichtung die vormals angebotenen SEFEX-Seminare wieder aufgenommen und für dieses Seminarangebot den leicht modifizierten Namen „Export-Akademie“ verwendet. Namensrechtliche Bedenken der Hochschule Reutlingen wurden von der Hochschule Karlsruhe zurückgewiesen und blieben bis heute unberücksichtigt.

5.1 Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation

Der Rechnungshof hat im Zuge seiner Prüfung auch die Haushalts- und Wirtschaftsführung der „Export-Akademie“ der Hochschule Karlsruhe geprüft und dabei festgestellt, dass jedenfalls im Haushaltsjahr 2006 die Einnahmen der Export-Akademie deren ausgewiesene Kosten im Wesentlichen gedeckt haben. Nach den Berechnungen des Rechnungshofs entstand dabei ein kleines Defizit in Höhe von 7.000 €.

Ursache für die günstigere Wirtschaftslage der Export-Akademie Karlsruhe gegenüber der Reutlinger Einrichtung ist neben einem marktgerechten Angebotsspektrum im Wesentlichen der weitgehende Verzicht auf festes Personal und die strikte Vorgabe der Hochschulleitung, dass nur Veranstaltungen stattfinden dürfen, deren Einnahmen die Vollkosten der Veranstaltung decken.

5.2 Fehlerhafte Anwendung des Nebentätigkeitsrechts

Allerdings hat die Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Karlsruher Export-Akademie gezeigt, dass das Nebentätigkeitsrecht nicht immer beachtet wurde.

Bei der Vergütung der von den Professoren der eigenen und einer benachbarten Hochschule als Seminarleiter geleisteten Nebentätigkeiten wurde nicht ausreichend zwischen den nebentätigkeitsrechtlich privilegierten Lehrtätigkeiten und der nicht privilegierten Seminarorganisation differenziert. Dadurch ergaben sich bei einzelnen Professoren Gesamtvergütungen in einer Höhe, die eine Ablieferungspflicht begründen. Die Hochschulen werden zu prüfen haben, in welchem Umfang diese Ablieferungspflichten für die Vergangenheit noch rechtlich durchsetzbar sind. Für die Zukunft ist den Hochschulen und ihren Professoren zu empfehlen, sorgfältiger zwischen privilegierten und nicht privilegierten Nebentätigkeiten zu differenzieren.

Bei einem seit mehreren Jahren im Rahmen der Export-Akademie tätigen Professor lag die erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung seiner Hochschule nicht vor.

6 Stellungnahme der Hochschulen und des Ministeriums

Die Hochschule Reutlingen macht geltend, das Defizit des Jahres 2006 belaufe sich, wenn man offene Verbindlichkeiten, Forderungen und Rechnungsabgrenzungsposten berücksichtige, auf nur 108.000 €. Der Prognose des Rechnungshofs, dass auch künftig mit jährlichen Defiziten in einer Größenordnung von 100.000 € zu rechnen sei, werde allerdings nicht widersprochen.

Entgegen der Behauptung des Rechnungshofs stelle die Hochschule Reutlingen der Exportakademie jährlich alle gewährten Leistungen vollständig in Rechnung.

Die Vorschläge des Rechnungshofs zur Neuausrichtung der Exportakademie würden von den zuständigen Hochschulorganen geprüft: Sollte sich weder eine Angliederung an eine bestehende Einrichtung noch eine Privatisierung realisieren lassen, so werde das Präsidium der Hochschule im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium die erforderlichen Maßnahmen für eine Schließung der Einrichtung in die Wege leiten.

Die Hochschule Karlsruhe macht geltend, dass namensrechtliche Probleme beim Betrieb der Export-Akademie nicht gesehen werden, die Hochschule Reutlingen habe die Verwendung des Namens vielmehr immer geduldet.

Die Auffassung des Rechnungshofs, dass Teile der Vergütungen für die Seminarleiter ablieferungspflichtig seien, werde nicht geteilt, da die Seminarleitung insgesamt zu den privilegierten Nebentätigkeiten gehöre, für die keine Ablieferungspflicht bestehe. Mindestens sei der Anteil der reinen Lehr- und Vortragstätigkeit an den Aufgaben eines Seminarleiters so hoch, dass im Ergebnis die Betragsgrenzen der Nebentätigkeitsverordnung in keinem Fall überschritten worden seien.

Das Wissenschaftsministerium schließt sich der Empfehlung des Rechnungshofs zur Schließung der Exportakademie Reutlingen an und hat die Hochschule Reutlingen aufgefordert, bis zum Juli 2008 ein Konzept zum Abbau des an der Exportakademie beschäftigten Personals vorzulegen.

7 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof bleibt bei seiner Auffassung.