Gastprofessuren an den Hochschulen des Landes [Beitrag Nr. 22]

Bei der Bestellung von Gastprofessoren sollten die Hochschulen die Verträge sorgfältiger formulieren. Die Verträge sollten sich an der Verwaltungsvorschrift des Wissenschaftsministeriums orientieren und die Aufgaben des Gastprofessors explizit und messbar definieren. Als Vergütung kommen auch Beträge unterhalb der vom Ministerium vorgesehenen Höchstsätze in Betracht.
Anstelle von Gastprofessuren, die weniger als einen Monat dauern oder nur Dienstaufgaben in der Lehre umfassen, sollten Lehraufträge vereinbart werden.

1 Vorbemerkung

Nach dem Landeshochschulgesetz können die Hochschulen für einen im Voraus begrenzten Zeitraum für bestimmte Aufgaben in Forschung, Lehre, Kunst und Weiterbildung Hochschullehrer anderer Hochschulen oder Persönlichkeiten aus der wissenschaftlichen oder künstlerischen Praxis, die die Voraussetzungen für eine Professur erfüllen, als Gastprofessoren bestellen.

Gastprofessoren werden auf der Grundlage eines (zivilrechtlichen) Vertrags zwischen der Hochschule und dem als Gastprofessor vorgesehenen Wissenschaftler bestellt. Vorgaben über das dabei zu beachtende Verfahren und die Ausgestaltung der Gastprofessur enthält die Verwaltungsvorschrift des Wissenschaftsministeriums für die Bestellung von Gastprofessorinnen und Gastprofessoren an den Hochschulen des Landes (VwV Gastprofessoren).

Nach dieser Verwaltungsvorschrift können Gastprofessoren an Hochschulen eine Vergütung erhalten, die sich an der Besoldung eines beamteten Professors orientiert. Der für beamtete Professoren geltende Grundgehaltssatz (Besoldungsgruppe W 3, bei Fachhochschulen im Regelfall W 2) darf regelmäßig um 30 %, in besonders begründeten Ausnahmefällen sogar um 70 % überschritten werden.

Der Rechnungshof hat in einer Querschnittsprüfung alle Gastprofessuren im Studienjahr 2005/2006 an den 48 Hochschulen und vier Universitätsklinika des Landes untersucht.

2 Übersicht

Insgesamt wurden an den Hochschulen des Landes im Prüfungszeitraum 151 Gastprofessur-Verträge mit 144 Wissenschaftlern abgeschlossen.

Wie sich diese Gastprofessuren auf die einzelnen Hochschulen und Hochschuleinrichtungen verteilen, zeigt Tabelle 1.

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Jeweils eine Gastprofessur bestand an den Hochschulen Biberach, Konstanz, Nürtingen-Geislingen, Ravensburg-Weingarten, Reutlingen, Stuttgart, an der Hochschule der Medien in Stuttgart, der Pädagogischen Hochschule Freiburg und den Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg und Tübingen.

Die vereinbarte Beschäftigungsdauer der Gastprofessuren betrug durchschnittlich 3 ½ Monate, im kürzesten Fall zwei Tage, im längsten Fall drei Jahre.

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Die Gastprofessorinnen und Gastprofessoren kamen aus 32 verschiedenen Herkunftsländern. Die wichtigsten Herkunftsländer waren die Vereinigten Staaten (50), Frankreich (24), Russland (12), Deutschland (9), Kanada (6), China (5) und Großbritannien (5).

Finanziert wurden die Gastprofessuren

  • in 65 Fällen ausschließlich aus Haushaltsmitteln des Landes,
  • in 15 Fällen aus Haushaltsmitteln und ergänzenden Drittmitteln,
  • in 47 Fällen aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Deutschen Akademischen Austauschdienstes sowie
  • in 23 Fällen aus privaten Drittmitteln.

Einer der Gastprofessoren erhielt keine Vergütung.

Insgesamt haben die Hochschulen und Hochschuleinrichtungen im Studienjahr 2005/2006 die Summe von 1,76 Mio. € für Gastprofessuren ausgegeben, davon stammten 0,68 Mio. € aus Haushaltsmitteln, 0,78 Mio. € aus öffentlichen Drittmitteln und 0,3 Mio. € aus privaten Drittmitteln.

Die Universitäten Heidelberg, Karlsruhe, Mannheim, Stuttgart und Tübingen sowie die Hochschule der Medien Stuttgart und die Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg und Tübingen finanzierten mehr als 80 % ihrer Ausgaben aus Drittmitteln, während an der Universität Ulm, den Hochschulen Biberach, Konstanz, Nürtingen-Geislingen, Reutlingen, Stuttgart, der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und der Universitätsklinik Ulm ausschließlich Haushaltsmittel für die Gastprofessuren in Anspruch genommen wurden.

Die Ausgaben der Hochschulen für einen vollzeitbeschäftigten Gastprofessor betrugen im Durchschnitt 1.221 € je Woche. Die höchsten Vergütungen wurden an der Universitätsklinik Freiburg und an der Universität Freiburg (Ausgaben in Höhe von 1.918 € bzw. 1.644 € je Woche), die geringsten Vergütungen an der Universitätsklinik Ulm (748 €) gewährt.

3 Kritische Feststellungen

3.1 Anwendung der Verwaltungsvorschrift Gastprofessoren

In 19 von 151 Fällen blieb die VwV Gastprofessoren gänzlich unbeachtet oder es wurden nicht die dort vorgesehenen Musterverträge verwendet.

Dadurch entstanden für das Land finanzielle und rechtliche Nachteile und Risiken, die sich allerdings nur in Einzelfällen realisiert haben.

3.2 Höhe der Vergütung

Die in der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums genannten Vergütungssätze (W-Besoldung und Leistungsbezüge) sind Obergrenzen und müssen von den Hochschulen nicht ausgeschöpft werden. Gleichwohl haben sich die meisten Hochschulen an diesen Höchstsätzen orientiert.

Die Universität Karlsruhe hat die Höhe der Vergütung für Gastprofessoren durch eine universitätsinterne Regelung unterhalb dieser Höchstsätze begrenzt und dadurch in erheblichem Umfang Mittel eingespart. Diese Regelung sollte Vorbild für andere Hochschulen sein.

Die Universität Freiburg hat in mehreren Fällen die in der VwV vorgesehenen, ohnehin großzügig bemessenen Höchstsätze überschritten: In 14 Fällen gewährte sie Gastprofessoren Vergütungen, die das Grundgehalt eines beamteten Professors um mehr als 70 % überstiegen.

3.3 Kurzfristige Gastprofessuren

Kurzfristige Gastprofessuren von wenigen Tagen führen häufig zu einem Missverhältnis zwischen den Leistungen und der Vergütung des Gastprofessors. Sie entsprechen nicht dem Leitbild, das § 55 Landeshochschulgesetz einer Gastprofessur zugrunde legt.

In einigen Fällen wurde festgestellt, dass arbeitsfreie Tage und Wochenenden in die Gastprofessuren einbezogen wurden, obwohl diese nur wenige Tage dauerten, um auf diese Weise eine höhere Vergütung zu ermöglichen.

3.4 Langfristige Gastprofessuren

Gastprofessuren sollten nur im Ausnahmefall mehr als 12 Monate umfassen, da anderenfalls die Gefahr besteht, dass ein reguläres Berufungsverfahren umgangen wird. Sollten sie dennoch vereinbart werden, bedürfen sie der (vorherigen) Zustimmung des Wissenschaftsministeriums.

In vier von fünf Fällen wurde diese Zustimmung von der Hochschule nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt.

3.5 Unzureichende vertragliche Vereinbarungen

Die Verträge mit den Gastprofessoren müssen neben den vertraglichen Verpflichtungen des Landes auch die Pflichten der Professoren definieren, insbesondere den vorgesehenen Beschäftigungsumfang und die wahrzunehmenden Dienstaufgaben. Die Lehrverpflichtung hat sich dabei an der Lehrverpflichtungsverordnung der Landesregierung zu orientieren.

In mehr als einem Drittel der geprüften Verträge fehlte eine Vereinbarung über den Beschäftigungsumfang. In 23 Verträgen waren weder der Beschäftigungsumfang noch die vom Gastprofessor wahrzunehmenden Dienstaufgaben definiert. In weiteren 16 ausschließlich aus Haushaltsmitteln finanzierten Fällen lag die vereinbarte Lehrverpflichtung unter den Vorgaben der Lehrverpflichtungsverordnung.

3.6 Gastprofessur ausschließlich für Lehraufgaben

Das Leitbild der Gastprofessur umfasst die Wahrnehmung aller Aufgaben, die typischerweise von einem Professor der betreffenden Hochschule wahrzunehmen sind. Die Vereinbarung einer Gastprofessur sollte daher nicht in Betracht kommen, wenn auch die Erteilung eines Lehrauftrags ausreichend ist.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Gastprofessor ausschließlich Aufgaben in der Lehre wahrnehmen soll.

Bei 60 Gastprofessuren des Studienjahres 2005/2006 (davon 28 ganz oder überwiegend aus Haushaltsmitteln finanziert) wurden über die Lehrverpflichtung hinaus keine weiteren Dienstaufgaben vereinbart. In diesen Fällen hätte daher regelmäßig ein Lehrauftrag ausgereicht, um die Dienstleistung des Gastprofessors in der Lehre zu sichern.

3.7 Rechtlich unwirksame Befristung

Das Teilzeit- und Befristungsgesetz enthält Regelungen, an die die Wirksamkeit der Befristung eines Arbeitsvertrages geknüpft ist.

Bei 76 der 151 geprüften Verträge wurde festgestellt, dass diese gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten waren. Das bedeutet, dass die Gastprofessoren möglicherweise einen Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung über die (unwirksam) vereinbarte Frist hinaus gehabt hätten. Mehr als die Hälfte der beanstandeten Fälle betraf die Universitäten Karlsruhe und Freiburg.

3.8 Mängel im Vollzug der Verträge

In sieben Fällen ergab sich aus den Akten, dass die tatsächliche Beschäftigungsdauer hinter der vertraglich vereinbarten zurückblieb. Gleichwohl wurden die vollen Bezüge ausgezahlt. Dies fällt insbesondere bei kurzfristigen Gastprofessuren deutlich ins Gewicht.

Zur Vermeidung von Doppelbeschäftigungsverhältnissen muss der Gastprofessor gegenüber der gastgebenden Hochschule erklären, dass er in seinem Hauptamt (zumeist an einer anderen Hochschule) für die Dauer der Gastprofessur beurlaubt oder freigestellt ist. Wenn eine solche Beurlaubung oder Freistellung nicht erfolgt ist, müssen die Bezüge aus dem Hauptamt auf die Vergütung der Gastprofessur angerechnet werden.

In 30 Fällen ist eine solche Beurlaubung weder nachgewiesen noch zugesichert worden. Eine Anrechnung hauptamtlicher Bezüge ist in keinem der geprüften Fälle erfolgt.

In 29 Fällen wurden Vergütungen ausbezahlt, obwohl sie nach den Verträgen noch nicht fällig waren.

Zahlreiche Fehler wurden bei der Vereinbarung und Abrechnung der Reisekosten der Gastprofessoren festgestellt.

4 Empfehlungen

4.1 Die Verwaltungsvorschrift Gastprofessoren und ihr Vollzug durch die Hochschulen

Die VwV Gastprofessoren hat sich als sinnvolle und notwendige Grundlage für die Bestellung von Gastprofessoren im Wesentlichen bewährt.

Behoben werden müssen die aufgezeigten Vollzugsdefizite bei den Hochschulen: Die Hochschulen sollten ihren Verträgen mit Gastprofessoren immer die Verwaltungsvorschrift zugrunde legen. Die dort vorgesehenen Vergütungen sollten allerdings als Höchstsätze betrachtet und nur ausnahmsweise angewendet werden. Den Hochschulen wird empfohlen, nach dem Vorbild der Universität Karlsruhe hochschulintern eigene Höchstsätze festzulegen.

4.2 Aufgabenspektrum und Beschäftigungsumfang

Das Aufgabenspektrum und der Beschäftigungsumfang, die von den Gastprofessoren erwartet werden, sind im Vertrag explizit und messbar zu vereinbaren. Sie müssen sich am Leitbild einer regulären Professur orientieren und dürfen sich nicht auf Ausschnitte aus der Professorentätigkeit beschränken.

4.3 Lehraufträge statt Gastprofessuren

Gastprofessuren sollten künftig nur noch dann vereinbart werden, wenn die Aufgaben, die der Gastprofessor wahrnimmt, im Wesentlichen den Aufgaben eines regulären Professors an der betreffenden Hochschule entsprechen.

Dies ist regelmäßig nicht der Fall, wenn

  • die Gastprofessur auf weniger als einen Monat befristet ist oder
  • das mit dem Gastprofessor vereinbarte Aufgabenspektrum ausschließlich Dienstleistungen in der Lehre umfasst.

In diesen Fällen reicht die Erteilung eines Lehrauftrags aus. Die Vergütung ist dann nicht an der Besoldung eines beamteten Professors zu orientieren, sondern entsprechend der Vergütungssätze für Lehrbeauftragte festzusetzen.

Um gleichwohl auch prominente Gastwissenschaftler für solche Lehraufträge gewinnen zu können, sollte das Landeshochschulgesetz vorsehen, den Lehrbeauftragten, die die Voraussetzungen für eine Professur erfüllen, für die Dauer des Lehrauftrags den Titel „Gastprofessor“ zu verleihen.

5 Stellungnahme des Ministeriums

Das Wissenschaftsministerium ist bereit, die Anregungen des Rechnungshofs aufzunehmen und, wo möglich, umzusetzen.

Es kündigt an, die Hochschulen erneut auf die Beachtung der VwV Gastprofessoren hinzuweisen, insbesondere auf die Anwendung der dort vorgesehenen Musterverträge.

Weiterhin weist das Ministerium darauf hin, dass die Hochschulen berechtigt sind, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel den in der Verwaltungsvorschrift vorgesehenen Vergütungsrahmen auszuschöpfen; beim internationalen Wissensaustausch seien auch Fälle denkbar, in denen eine Gastprofessur ausnahmsweise nicht das gesamte Spektrum einer regulären Professur abdecken könne.

Das Ministerium wird die Hochschulen in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Rechnungshofs auf das geltende Subsidiaritätsprinzip hinweisen, also den Vorrang von Lehraufträgen gegenüber einer Gastprofessur. Der vom Rechnungshof vorgeschlagenen Änderung des Landeshochschulgesetzes, wonach Lehrbeauftragten der Titel „Gastprofessor“ verliehen werden kann, tritt das Ministerium mit dem Argument entgegen, dass bei der Gewinnung von Gastprofessoren neben der Übertragung des Titels gleichgewichtig monetäre Aspekte von Bedeutung seien, denen durch die vom Rechnungshof vorgeschlagene Vorgehensweise nicht ausreichend Rechnung getragen werden könne.

6 Schlussbemerkung

Der Rechnungshof hält an seiner Auffassung fest, dass an die Stelle kurzfristiger Gastprofessuren künftig in der Regel Lehraufträge treten sollten, die durch die Möglichkeit, den Titel „Gastprofessor“ zu verleihen, attraktiver gestaltet werden können.